Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Schneiden von Schallplatten 78 rpm


von rainer-berlin (Gast)


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Hallo, liebe Kenner der Elektronik,
ich habe ein sehr schwieriges Problem, welches ich mit Eurer Hilfe 
vielleicht lösen kann. Ich bin uralt (70Jahre), und habe nur 
Grundkenntnisse von Volt, Ampere, Widerstand, Kapazität, Henry usw.

Seit meiner Jugend sammle ich Schellackplatten (78 Umdrehungen pro 
Minute, leicht zerbrechlich).

Seit kurzem besitze ich eine Maschine (Neumann R21), mit der man auch 
Rillen in einen Schallplattenrohling (Vinyl, Gelantine, Decelith usw. 
schneiden kann.

Die Maschine Neumann R21 funktioniert gut, die Schneidedose Neumann R12b 
ist vorhanden. Meine ersten Schneidversuche waren erfolgreich, das 
Ergebnis leider nicht. Die Lautstärke beim Abspielen ist zu gering.

Ich weiss, dass es eine Kennlinie RIAA gibt, welche laienhaft bedeutet, 
dass die Aufnahme: Tiefen runter, Höhen hoch zu erfolgen hat.

Meine Frage: Wieviel Strom (Ampere) hält diese Schneiddose Neumann R12b 
aus, ohne Schaden zu nehmen? Ist es sinnvoll, die Verstärkerleistung zu 
erhöhen? Oder sollte dazwischen ein Tonübertrager, z.B. 1:5 geschaltet 
werden?

Die Schneiddose R12b hat einen mit Multimeter gemessenen Widerstand von 
ca. 39 Ohm. Der Ausgang meines Verstärkers (Lautsprecherausgang) soll 
ca. 8 Ohm bei ca. 12 Watt Ausgangsleistung betragen.

Für fachkundige Hinweise wäre ich sehr dankbar. Ich weiss inzwischen, 
dass die Neumann Schneiddose vielfach direkt an den Verstärkerausgang 
der Radios um 1938 angeschlossen wurde. Die Lautstärke der Schneiddose 
wurde dann mit einem regelbaren Drahtpotentiometer geregelt, dazwischen 
lag dann ein Kopfhöhrer mit ca. 2000 Ohm.

von MaWin (Gast)


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rainer-berlin schrieb:
> Die Lautstärke beim Abspielen ist zu gering.
>
> Ich weiss, dass es eine Kennlinie RIAA gibt, welche laienhaft bedeutet,
> dass die Aufnahme: Tiefen runter, Höhen hoch zu erfolgen hat

Bei 78ern war die noch nicht standardisiert

http://www.rfwilmut.clara.net/repro78/repro.html

Du solltest also bei der Aufnahme dein Verstärkersignal erst so 
verzerren, damit die Entzerrer im Phono-Eingang die korrekte Lautstärke 
wieder hinbiegen können.

Da allerdings heutige Abspielgeräte sowieso nach RIAA entzerren, kannst 
du genau so gut nach RIAA Vorverzerren.

Wenn das Eingangssignal so vorverzerrt ist, spricht nichts dagegen, den 
Verstärker so weit aufzudrehen, bis die Rille beim Absielen wieder laut 
genug ist. Das muss die Dose aushalten. Man sieht ja schon beim 
schneiden, wie breit die Auslenkung ungefähr wird.

von Michael_ (Gast)


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rainer-berlin schrieb:
> Ich weiss, dass es eine Kennlinie RIAA gibt, welche laienhaft bedeutet,
> dass die Aufnahme: Tiefen runter, Höhen hoch zu erfolgen hat.

Da würde ich mir keine Gedanken machen.
Besorge dir einen Plattenspieler mit einem Piezo-System, welches auf 
alte Platten abgestimmt ist. Such mal unter Phono-Schatullen.
RIAA brauchst du nur für dynamische Tonabnehmer und Stereo. Keine 
Ahnung, ob es die in den 40'-Jahren schon gab.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Vor langer langer Zeit hatte Elektor mal ein "Anti-RIAA"-Netzwerk 
veröffentlicht, um einen Entzerrervorverstärker testen zu können. Das 
bräuchte ein Aufnahmeverstärker vermutlich auch, also gegenläufig zur 
RIAA-Kennlinie.

von RomanK (Gast)


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Hallo Rainer,

ein sehr schönes Hobby das auch im "Alter" noch Spass macht. Bevor Du 
allerdings die Schneiddose überforderst habe ich hier ein Kontaktadresse 
für Dich :

Förderverein Internationales PHONO + RADIO - MUSEUM Dormagen am Rhein e. 
V.

Die Leute sind sehr nett und am Erhalt von alter Technologie 
interessiert.

Viel Glück und Spass bei den guten alten 20ern.

RomanK

von Soul E. (Gast)


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rainer-berlin schrieb:

> Für fachkundige Hinweise wäre ich sehr dankbar.

Die Firma Neumann in Berlin existiert noch. Aus meinem Bekanntenkreis 
weiss ich, dass die noch guten Kontakt zu ihren Ehemaligen haben. Wenn 
Du Dich also beeilst, findet sich es dort noch jemand, der persönlich 
mit dieser Technik gearbeitet hat.


Grundsätzlich ist die Schneiddose ein dynamischer Lautsprecher. Spule, 
Strom drauf, Pin kommt raus. D.h. mit einem höheren Strom wird die 
Schneidamplitude größer, und bei zu hohem Strom überhitzt die Spule.

Wenn die Dose 40 Ohm hat, sollte sie sich mit einem heute üblichen 
niederohmigen Transistor-Verstärker ansteuern lassen.

Vorverzerrung kann man mit einem Equilizer nach Gefühl machen. Wie schon 
oben geschrieben gelten die NAB und RIAA - Kennlinien nur für 
Mikrorillen, das was wir in unserer Jugend "Langspielplatte" genannt 
haben.


Wo holst Du denn die "Rohlinge" her? Giesst Du sie selber?



P.S. dieses Thema wäre bei Jogis Röhrenbude besser untergebracht. Da ist 
das Durchschnittsalter 30 Jahre höher, entsprechend liegen dort die 
fachlichen Schwerpunkte anders.

von Peter D. (peda)


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Mach mal ein Foto von der Schneidedose Neumann R12b und leg ein Lineal 
daneben zur Größenabschätzung.
Dann könnte man abschätzen, wieviel W sie vertragen könnte. Natürlich 
ohne Gewähr.

Man sollte auch mit einem guten Equalizer die Bässe und Höhen 
abschneiden. Die werden ja nicht wiedergegeben aber heizen die 
Schneidedose nur unnötig auf.
Mehr als Telefonklang (300 ... 3000Hz) sollte kaum möglich sein.

von rainer-berlin (Gast)


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Vielen Dank für Ihre Antwort - (peda). Hier die Fotos, welche vielleicht 
mehr Informationen geben. Leider ist es schwierig, mehrere Fotos zu 
senden. Das Foto mit dem Lineal, kommt gleich. Der Schneidkopf ist so 
ca. 5 mal 7 cm gross. Probeweise habe ich mit Billigerät von Conrad 
Milliampere gemessen: Ca. 225 mA bei Vollaussteuerung ( Lautstärkeregler 
voll aufgedreht, Bässe auf -12, Höhen auf +12 dB).
Hier könnte evtl. das Problem liegen.

Mein Verstärker kann lt. Datenblatt ca. 12 Watt. Vielleicht sollte ich 
evtl. einen anderen Verstärker, der mehr Power kann, versuchsweise 
anschliessen.

von rainer-berlin (Gast)


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Hier die Fotos vom Schneidgerät. (Fotos sind hier wohl schwierig 
hochzuladen, alle 7 Fotos sind gleichzeitig nicht hochladbar, oder? Ich 
versuche es.

Meine Frage war, und ist: Wie laut darf ich den Lautstärkeregler 
aufdrehen, ohne vielleicht die Spule im Schneidkopf zu überlasten?

Mein Verstärker hat angegebene 12 Watt. Ist dies vielleicht zuwenig?

von rainer-berlin (Gast)


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Ich habe noch einige Rohlinge, ca. 30 Stück Rohlinge "Gelantinefolien", 
ca. 20 Stück Platten, welche aus Aluminium  sind, und mit Lack 
beschichtet sind, dazu noch viele Rohlinge aus PVC, in der Grösse 25cm 
und 30cm Durchmesser.

von rainer-berlin (Gast)


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rainer-berlin schrieb:
> Ich habe noch einige Rohlinge, ca. 30 Stück Rohlinge
> "Gelantinefolien",
> ca. 20 Stück Platten, welche aus Aluminium  sind, und mit Lack
> beschichtet sind, dazu noch viele Rohlinge aus PVC, in der Grösse 25cm
> und 30cm Durchmesser.

Diese "Leerplatten" sind ungefähr so alt, wie das Schneidgerät Neumann 
R21, etwa 80 Jahre. Zum Probieren benutze ich Vinyl-Rohlinge, welche 
heute noch kaufbar sind. Die selbstgeschnittenen Platten sind mit 78 RpM 
auf üblichen Plattenspielern abspielbar, mit "Normalsaphir" (ca. 66 mü 
Spitzenverrundung).

Eine probeweise abgespielte, selbstgeschnittene Vinylplatte, ist nach 
ca. 25 Abspielungen kaputt, wenn sie auf einem Grammophon (Gewicht 
Tonarm ca. 120 Gramm) abgespielt wurde, Abtastung mit Winkelnadel, wie 
für Decelith-Platten.

Bei Abtastung durch "modernen" Tonabnehmer, Abtastungsgewicht ca. 2 
Gramm, Saphir oder Diamant, ist selbst nach 75 Abspielvorgängen kaum 
Hörverlust festzustellen.

von Rufus Τ. F. (rufus) Benutzerseite


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rainer-berlin schrieb:
> Fotos sind hier wohl schwierig
> hochzuladen, alle 7 Fotos sind gleichzeitig nicht hochladbar, oder?

Angemeldete Benutzer schaffen sogar noch mehr:

Beitrag "Ein paar Urlaubsbilder"

Der Informationsgehalt Deiner Bilder ist nun aber nicht so hoch, daß er 
1 MByte Dateigröße rechtfertigen würde, auch wenn das schöne alte 
Technik ist.


<pedanterie>Gelatine. Mit nur einem 'n'</pedanterie>

von Peter D. (peda)


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rainer-berlin schrieb:
> Mein Verstärker kann lt. Datenblatt ca. 12 Watt.

An 40 Ohm sind das etwa 2,5W, das sollte die Dose aushalten.
Wie gesagt, die Bässe stark absenken.

Vielleicht ist auch die Schneide abgenutzt.

: Bearbeitet durch User
von Sinus T. (micha_micha)


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Mensch Rufus, das hättest du dir in diesem Fall wirklich sparen können. 
In 99.9% aller Fälle sind Hinweise auf Bildgröße und Rechtschreibung ja 
gerechtfertigt, aber in diesem Fall? Die Bilder sind von sehr guter 
Qualität, so dass 1MB nun wirklich keine Katastrophe ist. Und immer 
daran denken: der Ton macht die Musik.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Hab mal nachgeschaut, Elektor Nov. 1974 "REZIPRIAA" bestehend aus je 3 
Kondensatoren und Widerständen.
"Die RIAA-Schneidkennlinie entspricht dem REZIPRIAA." Da wurde durchaus 
schon beim Schneiden eine Korrekturkennlinie benutzt.

Da ein Piezotonabnehmer soweit ich weiss einen ansteigenden Frequenzgang 
hat, kann man dort die Entzerrung in erster Näherung weglassen.

Hier stehen noch eine weitere Angabe neben den RIAA-Zeitkonstanten: "Der 
0dB - Pegel einer Schallplatte ist auf 22mm/s genormt (Effektivwert der 
Auslenkung des Schneidstichels bei 1 kHz)" "Der maximale Pegel der 
Schallplatte liegt bei +14...20dB."

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Damit lässt sich noch weiter rechnen:

22mm pro Sekunde bei 1 kHz heisst, eine Sinusschwingung lenkt den 
Stichel effektiv um 22µm aus, bei Sinus heisst das 2,8*22µm=62,2µm 
Spitze-Spitze, das wäre die "Bahnbreite" einer Spur. Mit Maximalpegel 
+20dB brauchen wir (wenn das linear mit der Spannung geht) das 
zehnfache.

An einer Langspielplatte messe ich 75 mm gesamte Breite der Spuren (Ja 
es ist eigentlich nur eine Spur pro Plattenseite). Dann passen maximal 
1205 Bahnen zu 62µm nebeneinander.

Die Platte hat etwa 30 cm Durchmessser, abzüglich einem Zentimeter für 
die Einfädelspur. Die mittlere Bahn hat damit (29-7,5cm) Durchmesser 
oder einen Umfang des Pi-fachen = 675,4 mm. Mal 1205 Spuren sind das 
813,9 Meter Gesamtlänge. Oder anders gerechnet, 78 Umdrehungen pro 
Minute sind (0,6754*78) = 52,68 m/min. Gesamte Laufzeit damit (814/53)= 
etwa eine Viertelstunde.

Rechnet nochmal nach, aber es klingt einigermassen plausibel. 78 war 
schon schnell, 45 oder 33 normal.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Die Berechnung der Abspieldauer über die Bahnlänge ist zwar möglich, 
aber aufwändig und fehlerträchtig. Der Plattenteller dreht sich mit 78 
U/min. Folglich werden 78 Windungen pro Minute abgespielt. Die 
Gesamtdauer beträgt somit 1206/78 = 15,5 min.

von Soul E. (Gast)


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Christoph Kessler (db1uq) schrieb:

> An einer Langspielplatte (...)

Langspielplatten (mit Mikrorillen) haben einen typischen Rillenabstand 
von 70µm, Deine Rechnung passt also. Die Anfangsbreite der Rille beträgt 
40µm, da kommt dann die Modulation drauf. Schallplatten machen QAM (wie 
Kabelfernsehen ;-) -- beide Stereokanäle sitzen 90° verschoben in den 
beiden Flanken der Rille.

Der TO schneidet aber Platten mit Normalrille. Die ist so 100..200µm 
breit und lässt sich bei Bedarf auch mit einem Nagel und einem 
Pappbecher abspielen.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Ich habe nochmal den Text oben gelesen. Ein Kopfhörer von 2 kOhm sollte 
nicht in Reihe zu den 39 Ohm des Schneidstichels liegen, eher parallel.

Man könnte noch mit Sinusgenerator und Mikroskop die Auslenkung des 
Stichels bei verschiedenen Amplituden messen, aber das ist dann die 
Leerlaufauslenkung. Das Plattenmaterial dämpft sicher gewaltig, was auch 
der Unterdrückung von Resonanzen zugute kommt.

In MaWins Link steht auch "the recording curves would of course have 
been the inverse (allowing for losses in the head mechanism, etc.)." 
dann folgen fünf verschiedene Kurventabellen speziell für 78er-Platten. 
Je eine Bass-Absenkung von 11-15 dB bei der Aufnahme, und entsprechende 
Bassanhebung bei der Wiedergabe. Die Höhenanhebung bei der Aufnahme ist 
unterschiedlich, und kann sogar fehlen ("flat").

Ich frage mich, ob ein Lautsprecherverstärker mit seiner "harten" 
Ausgangsspannung für einen Stichel die richtige Methode ist. Eventuell 
wäre eine Stromeinprägung besser. Aber anscheinend wurde es ja am 
normalen Lautsprecheranschluss eines Radios betrieben. Damals hieß das 
am Ausgangsübertrager. "Eisenlose" Endstufen waren die große Ausnahme.

: Bearbeitet durch User
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