Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Keramikscheibenkondensatoren Ausfallrate?


von Mondo H. (mondoelectra)


Lesenswert?

Mal was anderes:

In einem Gerät mit Z80 CPU aus den frühen 80ern sind zahlreich 
"klassische" gelbbraune 50 nF Scheibenkondensatoren zur Entprellung und 
zur Siebung der Spannung eingesetzt.

Nachdem die Kiste den speicherinhat nicht mehr hielt und die neu 
eingesetzte Lithium-Batterie gleich wieder leer war, obwohl der 
Currentdrain an der Batterie erstmal nur mit 1 µA gemessen wurde, habe 
ich festgestellt, dass ein sporadischer Kurzschluss in der 
Spannungsversorgung der Speicherchips die Ursache ist. Den konnte ich 
zunächst nicht lokalisieren. Es war dann - für mich überraschend - der 
HF-Block- Scheibenkondensator neben den Speicherchips.

Nachdem dann plötzlich die meisten Tasten immer wieder unwillkürlich als 
gedrückt registriert wurden und ich erst alle Schmitttrigger und 
Flipflops in Verdacht hatte, habe ich nun festgestellt, dass die 
Scheibenkondensatoren, die zur Entprellung zu den Tastern parallel 
geschaltet sind, sporadisch die Steuerspannung +5V auf Masse 
kurzschließen (low active) und damit einen Tastendruck simulieren.
Die Scheibenkondensatoren haben ein Eigenleben entwickelt! (Und das bei 
einer Spannungsbelastung von nur 5 V obwohl die Teile für 50 V ausgelegt 
sind.)

Wer hat so etwas schon einmal erlebt? Ich kenne es nicht.

Übrigens fand ich in demselben Gerät auch drei oder vier normale 
Kohleschichtwiderstände, die plötzlich hochohmig waren oder gar keinen 
Strom mehr leiteten -  während - für das Alter des Geräts überraschend- 
keinerlei Ausfälle in Halbleitern, CMOS-Bausteinen und Elkos zu finden 
waren.

Ich habe nach über 20 Jahren privater Reparaturpraxis noch nie Ausfälle 
in rein "keramischen" passiven Bauteilen gehabt.

Läuft jetzt nach 30 Jahren die "Uhr" der klassischen 
Scheibenkondensatoren ab? Das hieße aber: "aufgepasst", denn sporadische 
Kurzschlüsse sind unangenehm für alte CPU-basierte Systeme.

Ich dachte erstmal sind jetzt die 6 µm Prozess MOS-Bausteine und die 
EPROMS dran ;-)

Wer kann meine neuen Erfahrungen bestätigen?


Grüße Mondo



Danke für Eure Hinweise

: Bearbeitet durch User
von (prx) A. K. (prx)


Lesenswert?

Mondo H. S. schrieb:
> Ich dachte erstmal sind jetzt die 2,5 nm Prozess MOS-Bausteine und die
> EPROMS dran ;-)

Bis dahin wirst du dich noch etwas gedulden müssen. Derzeit sind wir 
grad bei 14nm Prozessen.

von Mondo H. (mondoelectra)


Lesenswert?

A. K. schrieb:
> Mondo H. S. schrieb:
>> Ich dachte erstmal sind jetzt die 2,5 nm Prozess MOS-Bausteine und die
>> EPROMS dran ;-)
>
> Bis dahin wirst du dich noch etwas gedulden müssen. Derzeit sind wir
> grad bei 14nm Prozessen.

'Upps, da hatte ich mich voll vertippt ich meinte 6 µm-Prozess, und 
diese alten Chips leiden wohl unter der "metal migration", wobei das 
Metall der Gatebeschichtung von dort wegdiffundiert und der Chip dann 
funktionslos wird.

von Michael_ (Gast)


Lesenswert?

Mondo H. S. schrieb:
> In einem Gerät mit Z80 CPU aus den frühen 80ern sind zahlreich
> "klassische" gelbbraune 50 nF Scheibenkondensatoren zur Entprellung und
> zur Siebung der Spannung eingesetzt.

DDR und orangene eckkige Scheiben? Bezeichnung 50H?
Wenn ja, dann sind es die Russendinger, die manchen braven Bastler in 
die Klapse gebracht haben :-)

von Mondo H. (mondoelectra)


Lesenswert?

Michael_ schrieb:
> Mondo H. S. schrieb:
>> In einem Gerät mit Z80 CPU aus den frühen 80ern sind zahlreich
>> "klassische" gelbbraune 50 nF Scheibenkondensatoren zur Entprellung und
>> zur Siebung der Spannung eingesetzt.
>
> DDR und orangene eckkige Scheiben? Bezeichnung 50H?
> Wenn ja, dann sind es die Russendinger, die manchen braven Bastler in
> die Klapse gebracht haben :-)

Danke für den Hinweis: Nein, die berühmten "roten Fahnen" sind es nicht. 
Es scheint japan. oder amerikan. Produktion zu sein. Schön rund, 
ockerfarben und etwa 10 mm Durchmesser.
Wenn ich dazukomme, schicke ich ein Foto hoch.

: Bearbeitet durch User
von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


Lesenswert?

Mondo H. S. schrieb:
> Ich habe nach über 20 Jahren privater Reparaturpraxis noch nie Ausfälle
> in rein "keramischen" passiven Bauteilen gehabt.
Ich kenne nur Mikrorisse, in die dann Feuchtigkeit eingedrungen ist. Bei 
den Blockkondensatoren ergab das dann einen Effekt, der dem hier 
beschriebenen recht ähnlich war. Aaaaber: das bei mir waren 
SMD-Bauteile, die durch verspannte Montage der Platine fast unsichtbare 
Risse bekamen...

von oszi40 (Gast)


Lesenswert?

Mondo H. S. schrieb:
> Scheibenkondensatoren haben ein Eigenleben

Das gehörte früher eigentlich zur üblichen Diagnose, daß man Stütz-Cs 
einmal anfasste, um sie wegen mechanischer Verspannungen und 
Schlappohren zu prüfen. Hochohmige und zerbrochene Widerstände sind auch 
nicht neu. Siehe auch Radiomusem.

von Mondo H. (mondoelectra)


Lesenswert?

oszi40 schrieb:
> Mondo H. S. schrieb:
>> Scheibenkondensatoren haben ein Eigenleben
>
> Das gehörte früher eigentlich zur üblichen Diagnose, daß man Stütz-Cs
> einmal anfasste, um sie wegen mechanischer Verspannungen und
> Schlappohren zu prüfen. Hochohmige und zerbrochene Widerstände sind auch
> nicht neu. Siehe auch Radiomusem.

Das mit den Rissen habe ich mir schon gedacht, konnte aber trotz dicker 
Lupe keine finden. Die Dinger sind ja an langen Anschlussdrähten ohne 
Chance auf mechan Verpsannung. Es muss irgendwas chemisches mit den 
Dingern passiert sein.

Vielleicht war das Gerät mal auf einer Mondmission mit dabei... oder war 
im Atomreaktor gelagert - Obwohl, dann müssten die EPROMS auch hinüber 
sein.

von Mondo H. (mondoelectra)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Hier ein Bild der lustigen Entpreller, die ein reges Eigenleben 
entwickelt und sporadisch Tastendrucke ausgelöst hatten. Ich dachte, ich 
spinne, und habe zuletzt an diese Keramikteile gedacht.

Wer hat dazu noch ein paar Tipps oder Erfahrungen.

VG
Mondo

von Mondo H. (mondoelectra)


Lesenswert?

Das ist mein erster Versuch bei Youtube:
http://youtu.be/INst20bv4ZY

Einer der Kondensatoren parallel zu einer hochohmigen Spannungsquelle 
mit etwa 15V. Das Messgerät zeigt die sporadischen Kurzschlüsse an.

Interessanterweise zeigen alle Kondensatoren mit diesem 
"Zufallskurzschlussphänomen" an meinem Kapazitätsmessgerät fast volle 
Kapazität von 50 nF


Ist das nicht "krazy"?

von Jobst M. (jobstens-de)


Lesenswert?

Mondo H. S. schrieb:
> Wer hat so etwas schon einmal erlebt? Ich kenne es nicht.

Jepp. Habe in meiner Lehre reihenweise KerKos in Goldstar-Satreceivern 
getauscht. Die haben den Stromverbrauch der Kisten so hoch getrieben, 
dass die Gleichrichterdioden in flüssigem Zinn schwammen!


Gruß

Jobst

von Peter D. (peda)


Lesenswert?

Mondo H. S. schrieb:
> Hier ein Bild der lustigen Entpreller

Bei mir haben Tasten noch nie einen Kondensator gesehen.
Die paar Entprellzeilen im Programm verschleißen nie und das bischen 
mehr CPU-Last ist lächerlich.

Wenn Du die Sourcen hast und SW anpassen kannst, würde ich die 
Kondensatoren einfach weglassen.

von Achim H. (anymouse)


Lesenswert?

Mondo H. S. schrieb:
> Einer der Kondensatoren parallel zu einer hochohmigen Spannungsquelle
> mit etwa 15V. Das Messgerät zeigt die sporadischen Kurzschlüsse an.
>
> Interessanterweise zeigen alle Kondensatoren mit diesem
> "Zufallskurzschlussphänomen" an meinem Kapazitätsmessgerät fast volle
> Kapazität von 50 nF

Abgesehen von den Kurzschlüssen, wie hoch ist denn der Equivalente 
Parallel-Widerstand?



Ansonsten hört man ja von Mikrofonie-Eigenschaften der Kerkos, 
vielleicht beruht das hier auf einem vergleichbar 
mechanisch-elektrischen Effekt? Es könnte  sein, dass die Isolation 
zwischen den Lagen an einigen Stellen so dünn geworden ist, dass es hier 
zu Überschlägen kommt.

von Jobst M. (jobstens-de)


Lesenswert?

Peter Dannegger schrieb:
> Wenn Du die Sourcen hast und SW anpassen kannst, würde ich die
> Kondensatoren einfach weglassen.

Wird spannend, die SW in einem FlipFlop zu ändern, von dem der TO u.a. 
schrieb.

Gruß

Jobst

von Peter D. (peda)


Lesenswert?

Jobst M. schrieb:
> Wird spannend, die SW in einem FlipFlop zu ändern

Natürlich die SW im Z80, der die FFs einliest, die FFs stören dabei 
nicht.

von Mondo H. (mondoelectra)


Lesenswert?

Danke, dass Ihr Euch Gedanken zu einer Entprellungs-Alternative macht. 
Aber die Z80-Maschine hat seit 1982 Softwareentwicklungsstop. Die Eproms 
sind gebrannt; da wird nichts mehr geändert;-)  (Zumal ich nur den 
Machinecode habe und ich des reverse engineering nicht mächtig bin.)
Außerdem ist das Controlpanel ganz mit Flipflops realisiert, weil da 
noch direkt  zusätzliche Kontrollspannungen erzeugt werden und die LED 
Rückmeldung für jeden Tastenstatus. Damals wollte man einer 4 MHz CPU 
noch nicht die ganze Arbeit überlassen... Wie freundlich.


Nee, ich habe einfach neue Keramikteile eingebaut. Jetzt läuft's weider. 
Ich wollte mit dem Thread nur mitteilen, dass KerKos durchaus seltsame 
elektrische Verhalten zeigen können.

von Mondo H. (mondoelectra)


Lesenswert?

Achim Hensel schrieb:

> Ansonsten hört man ja von Mikrofonie-Eigenschaften der Kerkos,
> vielleicht beruht das hier auf einem vergleichbar
> mechanisch-elektrischen Effekt?

Keine mechanische Beeinflussbarkeit feststellbar - auch bei stärkerem 
Druck mit Zange mit gummibewehrten Backen.

Anwendung von Kältespray führt zu dauerhaftem "Durchschlagen" Richtung 0 
Ohm.
Es braucht übrigens mindestens 5 Volt, damit das randomisierte 
"Durchschlagen" auftritt, weshalb auch mein Kapazitätsmesser und der 
Ohmmeter alles als "normal"(50 nF und >2 GOhm) angezeigt hatten, was 
mich anfänglich in den Wahnsinn getrieben hatte.

: Bearbeitet durch User
von Peter D. (peda)


Lesenswert?

Mondo H. S. schrieb:
> Damals wollte man einer 4 MHz CPU
> noch nicht die ganze Arbeit überlassen... Wie freundlich.

Weniger die CPU, sondern der Programmierer war der Flaschenhals.
Der alte Z80 ist durchaus von der Leistung her mit dem AVR vergleichbar.
Aber die Entwicklungstools waren damals noch lange nicht so 
leistungsfähig und effizient.
Einen C++ Compiler hatten die bestimmt nicht, sondern alles mühsam in 
Assembler gefrickelt. Und Bibliotheken mußte auch erstmal jemand 
schreiben. Da ist es verständlich, daß aus heutiger Sicht popeleinfache 
Aufgaben gerne in Hardware gemacht wurden.

von Michael_ (Gast)


Lesenswert?

Entschuldige, aber du bist wohl ein neumodischer Ganzschlauer!
Deine sonstigen Beiträge sind eigentlich sehr gut und sachlich.
Glaub mir, auch in Assembler war die Soft-Entprellung von Kontakten 
schon bekannt.
Die Leute haben sich da etwas dabei gedacht und du hättest es zu jener 
Zeit auch so gemacht.

von Klaus (Gast)


Lesenswert?

Peter Dannegger schrieb:
> Einen C++ Compiler hatten die bestimmt nicht,

Was eher daran lag, daß es C++ noch nicht gab ..

MfG Klaus

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.