Forum: HF, Funk und Felder Spannungsanpassung


von Suchender_2015 (Gast)


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Hallo zusammen,

ich habe ein kleines Problem im Verständnis von 
Leistungsanpassung/Spannungsanpassung.

- Details
Leistungsanpassung: Ri = Ra => Wirkungsgrad 50 %; max. Leistung aus 
Quelle
Spannungsanpassung: Ri << Ra => Wirkungsgrad sehr hoch (kaum Verluste am 
Innenwiderstand der Quelle)

Was ich überhaupt nicht verstehe:
- Bei Leistungsanpassung entsteht keine reflektierende Welle von der 
Last.
- Bei einer starken Spannungsanpassung müsste der Reflexionsfaktor fast 
1 sein. Passt ja auch soweit, es fällt schließlich deutlich weniger 
Leistung am Lastwiderstand ab. Was passiert allerdings mit der 
reflektierten Welle? Der Eingangswiderstand nimmt ja auch kaum Leistung 
auf. Wohin geht die Leistung der reflektierten Welle?

Vielen Dank!

von Possetitjel (Gast)


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Suchender_2015 schrieb:

> ich habe ein kleines Problem im Verständnis von
> Leistungsanpassung/Spannungsanpassung.

Gräuslich.

Gibt es im dritten Jahrtausend tatsächlich noch
Lehrbücher, die von "Spannungsanpassung" reden?

Die Begriffe "Leerlauf", "Anpassung" und "Kurzschluss"
sind offenbar zu klar und zu gut verständlich...

> Leistungsanpassung: Ri = Ra => Wirkungsgrad 50 %; max.
> Leistung aus Quelle

Ja.

> Spannungsanpassung:

 = (Quasi-)Leerlauf

> Ri << Ra => Wirkungsgrad sehr hoch (kaum Verluste am
> Innenwiderstand der Quelle)

Richtig.

> Was ich überhaupt nicht verstehe:
> - Bei Leistungsanpassung entsteht keine reflektierende
> Welle von der Last.

Stopp. Die Betriebsfälle Leerlauf/Anpassung/Kurzschluss
sind erstmal unabhängig von Wellen und Laufzeiteffekten;
die lassen sich auch an Netzwerken aus konzentrierten
Zweipolen definieren.

Abgesehen davon: Ja, Aussage ist richtig.

> - Bei einer starken Spannungsanpassung müsste der
> Reflexionsfaktor fast 1 sein. Passt ja auch soweit, es
> fällt schließlich deutlich weniger Leistung am
> Lastwiderstand ab.

Ja.

> Was passiert allerdings mit der reflektierten Welle?

Die läuft zurück zur Quelle. Was soll sie auch sonst
tun? :)

> Der Eingangswiderstand nimmt ja auch kaum Leistung
> auf.

??? Welcher Eingangswiderstand?

Falls Du den Wellenwiderstand des Kabels meinst: Doch,
im Prinzip nimmt der die Energie der Welle auf. Allerdings
wird die Energie nicht dissipiert (=in Wärme umgewandelt),
sondern im Kabel gespeichert.
Nach Abklingen aller Übergangsvorgänge sind die Leiter
des Kabels gegeneinander geladen, und die gespeicherte
Energie ist 1/2CU^2.

> Wohin geht die Leistung der reflektierten Welle?

Die steckt, genauso wie die Leistung der vorlaufenden
Welle, in der Aufladung des Kabels. Eine andere
Möglichkeit gibt es nicht; die Energie kann nicht
verschwinden.

von Kelvin Klein (Gast)


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Lesenswert zu dem Thema:

Uwe Siart, TU München: Wirkleistung, Blindleistung, Effektivwert.
http://www.siart.de/lehre/leistung.pdf

und die Anhänge in diesem Dokument:
http://www.qsl.net/zl1an/Downloads/Bruene_explanation_V13.pdf

von Suchender_2015 (Gast)


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Danke für die Antwort!

Aber leider habe ich es immer noch nicht verstanden. Die rücklaufende 
Welle wird ja nicht nur im Kabel gespeichert, sondern auf den 
Innenwiderstand der Quelle reflektiert. Es werden ja auch 
HF-Verstärkerschaltungen mit einem Zirkulator und einen 
Abschlusswiderstand gegen Fehlanpassung geschützt.

Nehmen wir mal an, wir haben bei oben angenommenen Netzwerk eine 
niedrige Frequenz und kurze Leitungen, also die Wellenlänge spielt keine 
Rolle. Wo wird dann die rücklaufende Welle gespeichert. Ich weiß, dass 
man in solchen Fällen nicht von hin und rücklaufenden Welle spricht, 
aber die Elektrotechnik müsste sich doch zwischen diesen Fällen nicht 
prinzipiell ändern.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Die Leistung wird dem Generator dann einfach nicht abgenommen.
(Von einer vor- und rücklaufenden Welle kannst du erst sprechen, wenn
da eine Leitung dazwischen ist.)

Inwiefern der Generator damit zurecht kommt, ist dann schlicht sein
Problem …

von B e r n d W. (smiley46)


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Durch die stehende Welle im Kabel ändert sich dessen Eingangsimpedanz. 
Je nach Phasenlage kann das für die Quelle eine niederohmige = 
Kurzschluss oder hochohmige = Überspannung Last bedeuten. Ob das Eine 
oder Andere der Fall ist, hängt von der Wellenlänge und der Länge des 
Kabels ab.

von Possetitjel (Gast)


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Suchender_2015 schrieb:

> Die rücklaufende Welle wird ja nicht nur im Kabel
> gespeichert, sondern auf den Innenwiderstand der
> Quelle reflektiert.

Ähh... ja.

Ich bin oben, bei meiner ersten Erklärung, fälschlicherweise
von einem Einschaltvorgang ausgegangen. Also, man schaltet
am Kalbelanfang eine (Gleich-)Spannungsquelle ein, die
"Stoßwelle" läuft zum Kabelende, wird dort reflektiert und
läuft wieder zur Quelle. Dann ist Ruhe --> stationärer
Zustand.

Wenn wir jetzt mal annehmen, dass eine Sinuswelle ins Kabel
eingespeist wird, dann spielt das Verhältnis von Frequenz
zu Kalbellaufzeit eine Rolle. Wenn die reflektierte Welle
genau gleichphasig an der Quelle eintrifft, sieht die
Quelle einen Leerlauf; trifft sie gegenphasig ein, sieht
die Quelle einen Kurzschluss.

> Es werden ja auch HF-Verstärkerschaltungen mit einem
> Zirkulator und einen Abschlusswiderstand gegen
> Fehlanpassung geschützt.

Ja - genau aus dem Grund, den ich oben nannte:
Leitungsstücken können Impedanzen transformieren. Es kann
also, je nach Frequenz und Leitungslänge, passieren, dass
Du den Verbraucher am Ende des Kabels entfernst (=Leerlauf)
und die Quelle einen Kurzschluss sieht.

> Nehmen wir mal an, wir haben bei oben angenommenen
> Netzwerk eine niedrige Frequenz und kurze Leitungen,
> also die Wellenlänge spielt keine Rolle. Wo wird dann
> die rücklaufende Welle gespeichert.

Dort, wo auch die vorlaufende Welle ist: In der Leitung.

> Ich weiß, dass man in solchen Fällen nicht von hin und
> rücklaufenden Welle spricht, aber die Elektrotechnik
> müsste sich doch zwischen diesen Fällen nicht prinzipiell
> ändern.

Das stimmt auch.

Eine (verlustlose) Leitung ist gewissermaßen ein Blindwiderstand,
denn sie hat die Eigenschaft, Energie zu speichern - nämlich in
Form der Felder, die die vor- und die rücklaufende Welle bilden.

Man kann aber ohne Kenntnis von Frequenz und Laufzeit nicht sagen,
welchen "Wert" dieser Blindwiderstand hat: Es kann eine Kapazitiät,
eine Induktivität, ein Kurzschluss oder ein Leerlauf sein.

von Suchender_2015 (Gast)


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Hmm, aber unabhängig von der Leitung bedeutet der Leerlauffall doch, 
dass wir einen Reflexionsfaktor von 1 haben. Demnach muss doch (egal bei 
welcher Frequenz) die elektromagnetische Welle zurückreflektiert werden. 
Wenn die Leistung dann nicht vom Generator abgenommen wird und nicht im 
Kabel gespeichert wird, wohin geht die Energie dann?

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Suchender_2015 schrieb:
> die elektromagnetische Welle zurückreflektiert werden.

Vorsicht mit der Terminologie: eine elektromagnetische Welle wird
das Ding erst, wenn du es über eine Antenne abstrahlst.

> Wenn die Leistung dann nicht vom Generator abgenommen wird und nicht im
> Kabel gespeichert wird, wohin geht die Energie dann?

Irgendwer wird sie bei genügend Energiezufuhr schon in Wärme umsetzen. 
:)

von Possetitjel (Gast)


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Suchender_2015 schrieb:

> Hmm, aber unabhängig von der Leitung bedeutet der
> Leerlauffall doch, dass wir einen Reflexionsfaktor
> von 1 haben.

Du machst einen Fehler in Deinem Denkmodell.

> Demnach muss doch (egal bei welcher Frequenz) die
> elektromagnetische Welle zurückreflektiert werden.

Hier ist der Fehler: Eine Welle ist ein räumlich
ausgedehntes Ding. Wenn es keine Leitung gibt, gibt
es keine Welle - egal, ob vor- oder rücklaufend.

> Wenn die Leistung dann nicht vom Generator abgenommen
> wird und nicht im Kabel gespeichert wird, wohin geht
> die Energie dann?

Ich verstehe die Frage nicht. Wenn das Wasser nicht
durch die Abwasserleitung fließt und nicht in der Küche
verdunstet, wo geht das Wasser hin?

Naja, der Hahn ist zugedreht, und das Wasser bleibt in
der Leitung. Weiter passiert nix.

Der Generator erzeugt erstmal eine Schwingung . Die
Spannung an der Ausgangsbuchse schwankt halt periodisch.
Solange da kein Strom irgendwo fließt, wird keine Leistung
umgesetzt.

Eine Welle wird daraus erst, wenn eine räumliche Ausbreitung
erfolgt. Dann fließt aber Strom, und dann kann man auch
über Leistungen diskutieren.

Ein Generator ohne Leitung ist einfach ein zugedrehter
Wasserhahn.

von Kelvin Klein (Gast)


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Jörg Wunsch schrieb:
> Vorsicht mit der Terminologie: eine elektromagnetische Welle wird
> das Ding erst, wenn du es über eine Antenne abstrahlst.

Da irrst du Jörg.
Maxwell und die moderne Elektrodynamik sieht dies anders:
Der Energietransport entlang einer Übertragungsleitung erfolgt durch 
Transversal-Elektromagnetische-Wellen (TEM). Die Richtung des 
Energieflusses bestimmt der Poynting Vektor der superponierten Wellen 
auf der Leitung.

Die kindliche Vorstellung, dass da Elektronen im Leiter entlangkullern 
reicht nicht aus, um Leitungsphänomene zu erläutern.

Jörg Wunsch schrieb:
> Irgendwer wird sie bei genügend Energiezufuhr schon in Wärme umsetzen.
> :)

Nicht unbedingt. Wie ein Kondensator oder eine Spule speichert auch eine 
Leitung Energie. Irgendwann wird sie an einem Ende rausgelassen :-)

Grüße

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Possetitjel schrieb:
> Ein Generator ohne Leitung ist einfach ein zugedrehter Wasserhahn.

Wobei je nach Pumpe (= Generator) u. U. das System für diesen
Betriebsfall nicht ausgelegt ist.  Sie pumpt dann immer weiter, bis
die Leitung platzt.

Dasselbe passiert mit einem HF-Generator, der nicht dafür konzpiert
ist, dass ihm niemand seine erzeugte Energie abnimmt.  Früher dauerte
es noch ein paar Sekunden, bis die Anodenbleche der PA-Röhre dann
„rote Backen“ bekamen, heute sind Transistoren da sehr viel schneller
und legieren innerhalb einiger 10 Millisekunden durch.

: Bearbeitet durch Moderator
von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Kelvin Klein schrieb:
> Der Energietransport entlang einer Übertragungsleitung erfolgt durch
> Transversal-Elektromagnetische-Wellen (TEM).

OK, überredet. ;-)

von Suchender_2015 (Gast)


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Danke an alle!

Ich denke ich habe wieder etwas Ordnung in meine E-Technik Welt 
gebracht! ;-)

von knallbär (Gast)


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Also eigentlich is es ganz einfach:

Wenn die Energie, die in eine Kabel eingebracht wird weder von der Last
noch von der Quelle
aufgenommen werden kann, dann läuft die Welle solange hin und zurück, 
bis Sie vom Kabel durch die Dämpfung in Wärme umgewandelt wird.

Ohne Kabel passt der Vergleich mit dem Wasserhahn ganz gut (platz 
möglicherweise oder auch nicht, je nach Auslegung).

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