Forum: HF, Funk und Felder Punktladung vor leitender Platte


von Michael W. (Gast)


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Eine elektrische Punktladung q im Abstand d vor einer unendlich 
ausgedehnten und insgesamt neutralen leitenden Platte erfährt eine Kraft 
in Richtung der Platte:


Vom energetischen Standpunkt müsste eine Ladung die schließlich an der 
Platte landet (Endabstand d=0) somit einen unendlichen Energiezuwachs 
erhalten, was mir "unphysikalisch" erscheint. Wie ist das im Rahmen der 
klassischen Elektrostatik zu erklären? Oder beschreibt man das Szenario 
nur, wenn man auch Induktionsvorgänge berücksichtigt? Auch wenn man q 
langsam bewegt, wird in der Platte ein Wirbelstrom induziert, der der 
Annäherung entgegenwirkt. Und statisch ist ja im Grunde nichts.

Wo ist hier der Knackpunkt?

von Possetitjel (Gast)


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Michael W. schrieb:

> Vom energetischen Standpunkt müsste eine Ladung die
> schließlich an der Platte landet (Endabstand d=0)
> somit einen unendlichen Energiezuwachs erhalten, was
> mir "unphysikalisch" erscheint.

Aber die Punktladung selbst, d.h. eine endliche Ladung
in einem Volumen von "Null" erscheint Dir "physikalisch"?

von Plasmon (Gast)


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Michael W. schrieb:
> Wo ist hier der Knackpunkt?

Genau, das Modell der Punktladung ist an sich schon unphysikalisch. Es 
ist eine brauchbare Näherung, solange der Abstand zur Ladung nicht 
verschwindet. Es taugt aber nicht mehr, sobald man sich genau an den Ort 
der Ladung begibt.

Das Potenzial einer Punktladung hat am Ort der Punktladung eine 
Singularität 1. Ordnung. Das Integral konvergiert nicht, die Feldstärke 
wird auch unendlich groß. Wenn man zwei Punktladungen an den gleichen 
Ort bringt, wird deshalb unendlich viel Energie benötigt (oder es wird 
unendlich viel frei, je nach Vorzeichen der Ladungen).

Alleine um eine Punktladung herzustellen, wäre schon eine unendlich 
große Energie erforderlich.

von Michael W. (Gast)


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In der klassischen Elektrodynamik kommt das Konzept einer abstrahierten 
Punktladung ja durchaus vor - wenn auch nur als Modellvorstellung. Und 
das "theoretische Gebäude" ist, soviel ich bisher weiß, in sich 
konsistent und führt zu keinen Widersprüchen. Man geht hier ja auch von 
kontinuierlichen Ladungsverteilungen aus - von einer Körnigkeit und 
teilchenartigen Elektronen hat man damals noch nichts gewusst.

Die Frage ist nun, ob man die beschriebene Energie berechnen kann, ohne 
auf weiterführende Modelle wie Quantenmechanik und Festkörperphysik 
zurückzugreifen. Hier taucht ein Elektron ja in den Fermisee des Metalls 
ein und es wird dabei Bindungsenergie frei. Das ist aber 
materialspezifisch. Mich wundert nur, dass ein so elementarer Vorgang in 
der klassischen Elektrodynamik nicht zufriedenstellend erklärt werden 
kann.

von uc (Gast)


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eine "platte" ist ebenfalls nur ein theoretisches konstrukt. wenn du in 
einen abstand im bereich der "größe" der ladung kommst ist die platte 
auch ein kristallgitter. dann darfst du auch nicht mehr mit einem 
"punkt" rechnen.

von ja! (Gast)


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Du verletzt aber bei der Betrachtung (Punktladung an Platte) die 
elementare Annahme dass die Ausdehnung der Ladung im Vergleich zu allen 
anderen Dimensionen (Abstand etc.) vernachlässigbar gering ist. Daher 
kein Fehler des Modells sondern der Anwendung. Wie jedes Modell, besitzt 
auch dieses nur eingeschränkte Gültigkeit.
Bei kleinen Abständen wirst du vermutlich zwangsläufig auf ein diskretes 
Modell zurückgreifen müssen. Vielleicht hat sich auch schon Coulomb 
geärgert, dass seine Gesetzmäßigkeit diesen Fall nicht abdeckt, aber 
hatte keine bessere Lösung ;-) :-D

von Pandur S. (jetztnicht)


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Moment. Eine unendliche geladene Platte hat ein konstantes E-Feld. Dh 
die Kraft ist daher auch konstant, unabhaengig vom Abstand.

von ja! (Gast)


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Verstehe ich jetzt nicht ganz, warum? "Gültig" ist hier doch die 
Influenzladung als Bildladung und Coulombsches Gesetz?

von Michael W. (Gast)


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Jetzt Nicht schrieb:
> Moment. Eine unendliche geladene Platte hat ein konstantes E-Feld. Dh
> die Kraft ist daher auch konstant, unabhaengig vom Abstand.

ja, aber nur wenn man keine Ladung davor bringt ;)
Hier geht es um Influenz an einer ungeladenen Platte.

von Michael W. (Gast)


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ja! schrieb:
> Du verletzt aber bei der Betrachtung (Punktladung an Platte) die
> elementare Annahme dass die Ausdehnung der Ladung im Vergleich zu allen
> anderen Dimensionen (Abstand etc.) vernachlässigbar gering ist. Daher
> kein Fehler des Modells sondern der Anwendung. Wie jedes Modell, besitzt
> auch dieses nur eingeschränkte Gültigkeit.
> Bei kleinen Abständen wirst du vermutlich zwangsläufig auf ein diskretes
> Modell zurückgreifen müssen. Vielleicht hat sich auch schon Coulomb
> geärgert, dass seine Gesetzmäßigkeit diesen Fall nicht abdeckt, aber
> hatte keine bessere Lösung ;-) :-D

Dann wäre meine Erklärung die, dass die klassische Bindungsenergie 
einer "Punktladung" innerhalb einer kontinuierlichen Ladungsverteilung 
in einem Leiter eben unendlich groß ist. Diese Bindungsenergie 
verhindert, dass die Ladungsträger sich in kleinen Portionen einfach von 
der Oberfläche entfernen und ermöglicht erst einen stabilen Zustand. In 
der Realität beträgt diese Bindungsenergie pro Elektron ein paar eV und 
kann nur quantenmechanisch erklärt werden.

von Sven B. (scummos)


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Plasmon schrieb:
> Michael W. schrieb:
>> Wo ist hier der Knackpunkt?
>
> Genau, das Modell der Punktladung ist an sich schon unphysikalisch. Es
> ist eine brauchbare Näherung, solange der Abstand zur Ladung nicht
> verschwindet. Es taugt aber nicht mehr, sobald man sich genau an den Ort
> der Ladung begibt.

Klingt gut, deckt sich aber nicht ganz mit der gängigen Meinung in der 
Physik, dass das Elektron als punktförmiges Teilchen anzusehen ist. 
Insofern finde ich diese Argumentation vom pragmatischen Standpunkt aus 
etwas fragwürdig.

von Mike A. (Gast)


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Michael W. schrieb:
> Eine elektrische Punktladung q im Abstand d vor einer unendlich
> ausgedehnten und insgesamt neutralen leitenden Platte erfährt eine Kraft
> in Richtung der Platte:

Das müßte die gleiche Kraft sein, wie zwischen zwei entgegengesetzen 
Ladungen auftritt, die spiegelsymmetrisch zur Platte liegen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Spiegelladung

von Plasmon (Gast)


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Sven B. schrieb:
> Klingt gut, deckt sich aber nicht ganz mit der gängigen Meinung in der
> Physik, dass das Elektron als punktförmiges Teilchen anzusehen ist.

Soso, "gängige Meinung" ... da bist du aber noch nicht weit in die 
Physik vorgestoßen. Von der Heisenberg-Unschärfe und den Aussagen der 
Quantenmechanik hast du anscheinend noch gar nichts gehört.

Mag ja sein, dass man das Punktmodell gelegentlich dort verwendet, wo es 
ausreichend ist. In der Physik ist man sich über dessen 
Unzulänglichkeiten aber durchaus bewusst. Als die "gängige Meinung in 
der Physik" kannst du das nicht bezeichnen. Schon im Chemieunterricht in 
etwas höheren Schulklassen wirft man das Bohrsche Atommodell über den 
Haufen und spricht von Orbitalen und Aufenthaltswahrscheinlichkeiten.

> Insofern finde ich diese Argumentation vom pragmatischen Standpunkt aus
> etwas fragwürdig.

Was soll das jetzt? Ein elektrostatisches Potenzial mit einer 
1/r-Singularität hat an Ort der Singularität ein energetisches Problem. 
Punkt! Das kriegst du auch mit deinem Pragmatismus nicht weg. Der TO ist 
auf genau dieses Problem gestoßen und wollte es erläutert haben.

von Sven B. (scummos)


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Du hast eben gesagt "wenn man sich genau an den Ort der Ladung begibt". 
Vielleicht solltest du diesen Satz auch mal im Lichte der 
Unschärferelation betrachten. Dort liegt nämlich meiner Meinung nach der 
Fehler, nicht in dem "punktförmig" -- das behält man nämlich bei. Das 
Teilchen ist nach wie vor punktförmig, nur sein Ort ist unscharf.
Klar, das kann man äquivalent auch so betrachten, dass das Teilchen eine 
Ausdehnung hat. Dann hängt die Ausdehnung aber vom Impuls (bzw. der 
Impulsunschärfe) ab, und das finde ich nicht so hübsch. Da bleibe ich 
lieber bei der "punktförmig"-Sichtweise.

Das Problem sehe ich hier auch irgendwie wo anders. Du hast eine 
Punktladung vor einer leitenden Platte. Wenn du näher dran gehst, 
kriegst du eine größere (bzw. eigentlich kleinere) Energie, egal wie 
nahe du bist. Problematisch wird es erst dann, wenn deine Ladung 
tatsächlich in der Platte liegt. Und dann ist die Randbedingung mit der 
leitenden Platte verletzt, weil du nicht gleichzeitig konstantes 
Potential in der Platte und eine inhomogene Ladungsverteilung auf der 
Platte haben kannst. Das ist halt die Idealisierung, dass du eine ideale 
leitende Platte hast, die hat bei Abstand 0 diese "Unstetigkeit". Real 
passiert da vorher schon was anderes, weil deine Platte ab irgendeinem 
Abstand nicht mehr wie eine ideal leitende Fläche aussieht.

Oder anders gesagt: Ich glaube nicht, dass man zur Lösung dieses 
Dilemmas irgendwas mit Quantenmechanik rumargumentieren muss.

: Bearbeitet durch User
von Plasmon (Gast)


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Sven B. schrieb:
> Oder anders gesagt: Ich glaube nicht, dass man zur Lösung dieses
> Dilemmas irgendwas mit Quantenmechanik rumargumentieren muss.

Ja und??? Hast du es jetzt gelöst, ohne Quantenmechanik?

Du hast doch auch bloß gesagt: "Mach den Abstand nicht Null, weil sonst 
die Randbedingung verletzt ist". Ich hab gesagt: "Mach den Abstand nicht 
Null, weil das Potenzial dafür nicht gemacht ist und bekanntermaßen ein 
energetisch unsinniges Ergebnis liefert".

Es ist doch egal, wie man das aufzäumt. Du kannst mit der leitenden 
Ebene arbeiten oder mit der Spiegelladung. Übrig bleibt immer die 
gleiche Schwäche dieses Modells. Punktladung ist Mist, wenn man sich 
genau an deren Ort begibt.

Das Dilemma ist nicht lösbar, außer mit einem anderen Modell. Es ist 
eine inhärente Schwäche dieses Modells, dass es physikalisch unsinnige 
Ergebnisse liefert, wenn r -> 0 geht.

von Sven B. (scummos)


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Plasmon schrieb:
> Das Dilemma ist nicht lösbar, außer mit einem anderen Modell. Es ist
> eine inhärente Schwäche dieses Modells, dass es physikalisch unsinnige
> Ergebnisse liefert, wenn r -> 0 geht.

Jaja, stimmt schon. Ich glaube der aus der Diskussion zu erwartende 
Erkenntnisgewinn ist nicht hoch genug um die fortzuführen.

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