Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Steuertrafo, Ausgangsseite geerdet, Sinn der Schaltung


von Elias (Gast)


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Hi.

Bei uns auf der Arbeit sind Schaltanlagen, in denen vor der 
Stromversorgung der Steuerung ein Steuertrafo sitzt.

Und zwar ein Trafo 230V -> 230V

Die 0V Ausgangsklemme ist fest mit der Gehäusemasse verbunden, und somit 
geerdet.

Es erfolgt also keine Spannungsumsetzung, und auch keine 
Potentialtrennung. Ausgangsseitig ist also wieder eine erdbezogene 230V 
Wechselspannung (geerdeter Null-Leiter) vorhanden.

Die Eingangsspannung der Anlagen ist generell 3 Phasen+N+PE, TN-S Netz.

Warum wird aber dann der Trafo eingebaut? Wenn man direkt vom Netz 
abgreifen würde, hätte man genau die gleiche Spannung, und zwar auch mit 
Erdbezug.

von Peter II (Gast)


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ein Unterschied ist das die Anlage den (externen) FI nicht auflösen kann 
- ob das gewollt ist?

von Elias (Gast)


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Die Anlagen sind fest angeschlossen, ein FI hängt nicht davor.

von mpl (Gast)


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Begrenzt kurzschlussströme und haltet spannungsspitzen gering

von Achim H. (anymouse)


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(1) Die Polarität des Eingangs ist uninteressant.
(2) Die Spannung ist immer auf das lokale Erdpotential bezogen (falls 
der Neutralleiter der Speisung einmal etwas wegdriftet).
(3) Der Trafo bietet eine gewissen Schutz gegen Bursts.

: Bearbeitet durch User
von Elias (Gast)


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Kurzschluss-Strom Begrenzung und Spannungsspitzen abfedern würde aber 
auch mit einer einfachen Drossel und EMV Filter funktionieren, meiner 
Meinung nach.

Die Anlagen haben aber alle pauschal so einen Steuertrafo eingebaut.

So ein Trafo kostet ja Geld. Eine Firma wird kein Geld verbauchen wenn 
es nicht unbedingt sein muss. Also gehe ich davon aus, dass man sich was 
dabei gedacht hat.
Aber was?

von Flip (Gast)


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umklemmbar auf 400V?

von Elias (Gast)


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Achim Hensel schrieb:
> (1) Die Polarität des Eingangs ist uninteressant.

Das stimmt, aber da sie fest angeschlossen sind, sollte das garnicht 
auftreten.

> (2) Die Spannung ist immer auf das lokale Erdpotential bezogen (falls
> der Neutralleiter der Speisung einmal etwas wegdriftet).

Wenn eine Sternpunktverschiebung auftritt, wegen Neutralleiterfehler, 
wird die fehlerhafte Spannung aber auch auf die Steuerseite 
transformiert, es ist ja ein 1:1 Trafo.
Einzigster Vorteil wäre, dass die Sekundärspannung bzw der Sekundär-N 
immer noch den Bezug zur Gehäuseerde hat.

> (3) Der Trafo bietet eine gewissen Schutz gegen Bursts.

Ja, aber Drossel/EMV Filter würde da ja auch helfen.

Ein Überpsannungsableiter ist übrigens auch standardmäßig mit eingebaut, 
also ist diese Absicherung eigentlich schon vorhanden.

von Elias (Gast)


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Flip schrieb:
> umklemmbar auf 400V?

Ja, aber wird nie gemacht.
Die nutzen noch nicht mal die +/- 5% / 10% Anpassungsklemmen, obwohl in 
der Firma 240V Netzspannung ist.

 (230 Nennspannung, real aber 240 V Netzspannung, damit sie geringfügig 
mehr Leistung über das Niederspannungsnetz zur Verfügung haben. An der 
20kV Umspannanlage ist auf 240 V Ausgangsspannung eingestellt.)

Wird alles auf 1:1 Transformation verklemmt.

von Achim H. (anymouse)


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Manchmal ist es logistisch einfacher, nur mit einem Standard-Setup zu 
arbeiten, als immer speziell ein angepasstes Setup zu erstellen, zu 
dokumentieren und zu warten (und für Ersatzzwecke als Ersatzteil auf 
Lager zu haben).

Ich glaube, wenn da ein paarmal die Steuerungsanlage abgeraucht oder 
fehlerhaft war, weil zwischne Neutral und PE unerwarteterweise doch 
einige zig Volt auftraten, oder jemand den Schuko verkehrt herum 
eingesteckt hat, gibt mal lieber ein paar Euro mehr aus.

von Elias (Gast)


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Es ist ja so, dass noch nicht mal die Meister und Techniker mir eine 
Erklärung liefern können, sondern einfach sagen, das Ingenieurbüro hat 
dass so geplant, also bauen wir das so.

Aber ich gebe mich damit nicht zufrieden, ich möchte die technischen 
Hintergründe erfahren, und warum man nicht einfacherer/billigere 
Lösungen genommen hat.

von Elias (Gast)


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Achim Hensel schrieb:
> Manchmal ist es logistisch einfacher, nur mit einem Standard-Setup zu
> arbeiten, als immer speziell ein angepasstes Setup zu erstellen, zu
> dokumentieren und zu warten (und für Ersatzzwecke als Ersatzteil auf
> Lager zu haben).
>
> Ich glaube, wenn da ein paarmal die Steuerungsanlage abgeraucht oder
> fehlerhaft war, weil zwischne Neutral und PE unerwarteterweise doch
> einige zig Volt auftraten, oder jemand den Schuko verkehrt herum
> eingesteckt hat, gibt mal lieber ein paar Euro mehr aus.

Ja, allerdings ist das alles Sonderanfertigung, in manueller Herstellung 
für die Firma, und fest angeschlossen.
Nix was in Serie gebaut wurde, wo man dann eben den Trafo damit erklären 
könnte, dass man für alle Anschlussfälle gewappnet sein will, oder dass 
er eben standardmäßig vorhanden ist.

von Peter II (Gast)


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Elias schrieb:
> Aber ich gebe mich damit nicht zufrieden, ich möchte die technischen
> Hintergründe erfahren, und warum man nicht einfacherer/billigere
> Lösungen genommen hat.

hier habt es doch gekauft. Wenn das macht was ihr wollt ist doch alles 
ok.

Wenn ihr weniger ausgeben wollt, hättet ihr ein anderes Produkt wählen 
müssen.

von Elias (Gast)


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Naja ich musste es ja nicht bezahlen, bei einer Anlage mit dem wert 
kommt es auf ein paar hunderter mehr oder weniger für einen Trafo auch 
nicht an, und die Anlagen machen ja was sie sollen.

Die Projektleitung sich jedenfalls komplett auf das Ingenieurbüro 
berufen und wir haben genau die Teile gekauft die auf der Liste waren 
und alles 1:1 aufgebaut, ohne auch nur die geringste Anpassung. (also 
noch nicht mal die +/- 5 % Klemmen zu nutzen)

Aber über den technischen Hintergrund grübel ich eben. Das weiß in der 
Firma irgendwie auch gar keiner. Selbst die Projektleitung nicht.

von b35 (Gast)


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Der Steuerstromkreis elektrischer Maschinen wird auf der Sekundärseite 
(Trafo, Netzteil, etc.) gerne geerdet oder mit einer 
Isolationsüberwachung ausgerüstet (ersteres ist billiger).

Grund ist eine Anforderung aus der Norm EN 60204-1, Kap. 9.4 
"Steuerfunktionen im Fehlerfall".

In 9.4.3.1 "Erdschlüsse" des Steuerstromkreises werden 3 Methoden (das 
sind nicht alle) -mit Bild- beschrieben um eine Gefährdung wie z. B.:
- unbeabsichtigter Anlauf
- gefahrbringende Bewegung
- unterbinden der Stillsetzung der Maschine
zu verhindern.

Dort wird das Thema auch diskutiert:

Beitrag "24V= mit PE verbunden?"

Um einer kommenden Frage vorzubeugen, eine Steuerspannung muß nicht 
24VDC sein, sie darf nur 277V nicht überschreiten.

von Route_66 H. (route_66)


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Hallo!
DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1)
9.1.1 Versorgung von Steuerstromkreisen
"Wo Steuerstromkreise von einer Wechselstromquelle gespeist werden, 
müssen Steuertransformatoren für die Versorgung der Steuerkreise 
verwendet werden. Solche Transformatoren müssen getrennte Wicklungen 
haben."

von Elias (Gast)


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Hi,

Also wegen einer Vorschrift ist der Trafo also immer vorhanden, auch 
wenn er nicht gebraucht würde.

von b35 (Gast)


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Nein, hat die Maschine Wechselstromsteuerkreise muß ein (oder mehrere) 
Steurtransformator verwendet werden, wenn entsprechend dieser Norm und 
diesem Abschnitt konstruiert wird.
Dafür braucht man ihn.

@schöne Straße, was willst Du mit den getrennten Wicklungen sagen?

von Andrew T. (marsufant)


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b35 schrieb:
> @schöne Straße, was willst Du mit den getrennten Wicklungen sagen?

Dies hier: Das die Trafos mit sogenannter Sparwicklung nicht zulässig 
sind.

Sofern man sich an die Ausführugnsnorm hält.

von Georg H. (Gast)


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Ein Spartrafo ist wohl wg. der Potentialtrennung nicht zulässig.
Die Pflicht zum Erden der Sekundärseite kam dann wohl später. Nun weiss 
keiner mehr was der Absatz der Norm soll, deswegen wird das auch nicht 
mehr geändert.

xxx

von Andrew T. (marsufant)


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Georg H. schrieb:
> Ein Spartrafo ist wohl wg. der Potentialtrennung nicht zulässig.

So ist es. Insbesondere wenn man historisc hschaut, wie "lax" der N in 
weitläufigen Industireanlagen war (und tw. ist).

> Die Pflicht zum Erden der Sekundärseite kam dann wohl später.

Kommt aus: Eine einseitig geerdete Sekundärwicklung macht halt mit wenig 
Aufwand (d.h. ohne Einsatz von Iso-Wächter, RCD, etc) einen Isofehler im 
Trafo absicherbar.

>  Nun weiss
> keiner mehr was der Absatz der Norm soll, deswegen wird das auch nicht
> mehr geändert.


Nun, diese Ausführung von H. Hörmann  im Web fand ich recht gut als 
Erklärung, möglicherweise auch für andere Leser interessant,  daher 
quote ich mal:

**************** quote de 07 2005 ***

Der ursprüngliche Sinn für die Forderung nach einem 
Steuerspannungstransformator hat sich aus folgenden Konfigurationen 
ergeben.

Früher beschränkte Verwendung des N

Frühere Ausgaben der DIN EN 60204-1 (VDE 0113 Teil 1) erlaubten die 
Verwendung des Neutralleiters nicht oder nur mit Zustimmung des 
Betreibers der Maschinenausrüstung. Ohne Neutralleiter ließ sich aber 
die übliche Steuerspannung 220 VAC bzw. die heute übliche Spannung 230 
VAC nur mit Hilfe eines Steuertransformators realisieren.

Früher waren Schaltkontakte geringer balastbar

Der zweite Grund ergab sich in früheren Zeiten durch die relativ geringe 
zulässige Kurzschlussbeanspruchung der Schaltkontakte in den 
Steuerstromkreisen – welche weit unter den heute zulässigen Werten 
lagen. Durch den Steuertransformator konnte man die Beanspruchung 
wesentlich reduzieren.

Spezielle Forderungen für ungeerdeten Betrieb

Ein weiterer Grund ergab sich dadurch, dass man im Steuerstromkreis 
üblicherweise einen Außenleiter auf der Sekundärseite mit 
Erde/Schutzleiter verbunden hat – was auch heute noch zutrifft. Beim 
Auftreten eines Fehlers (Erd- oder Körperschluss) schaltete eine 
Schutzeinrichtung den Fehler ab. Aufgrund dieser notwendigen Abschaltung 
hatte man die Idee, die Verbindung zum Schutzleiter/ zur Erde 
vorübergehend aufzuheben, um die laufende Produktion beenden zu können.

Daher war auch immer gefordert, dass es eine lösbare Verbindung sein 
muss. Außerdem sollte es auch dem Anwender überlassen sein, ob er von 
Anfang an den Steuerstromkreis ungeerdet betreibt. So hatte er die 
Chance, bei einem ersten Fehler die Abschaltung zu vermeiden – 
insbesondere bei problematischen Werkstücken.

Für diesen ungeerdeteten Betrieb musste der Anwender unabhängig von der 
Höhe der Steuerspannung eine Isolationsüberwachung vorsehen.
Neutralleiter und Ausschaltvermögen gelten heute nicht mehr als 
entscheidende Argumente

Unter heutigen Gesichtspunkten treffen die zuvor genannte Argumente nur 
noch bedingt zu. Die Verwendung des Neutralleiters ist nicht mehr 
verboten, somit ließe sich die Steuerspannung auch zwischen Außenleiter 
und Neutralleiter abnehmen.
Die Reduzierung der Kurzschlussleistung ist eher ein Nachteil, da 
aufgrund der höheren Impedanz nur ein geringerer Abschaltstrom zum 
Fließen kommen kann. Außerdem verfügen die Schaltglieder meist über ein 
höheres Kurzschluss-Ausschaltvermögen und es ergibt sich auch eine 
verbesserte Zuordnung von Schutzeinrichtungen für den Schutz bei 
Kurzschluss.
Steuertransformator auch heute in der Regel vorgeschrieben

Auch der dritte Punkt ist kaum noch von Bedeutung, da die 
Kabel-/Leiterisolierungen wesentlich bessere Eigenschaften aufweisen und 
somit Erd- oder Körperschlüsse weit weniger auftreten. Aber auch das 
Einfügen einer Isolationsüberwachungseinrichtung wurde in den meisten 
Fällen übersehen, sodass man grundsätzlich den Betrieb mit einem 
geerdeten Außenleiter bevorzugt. Dies fordert auch der Abs 9.4.3.1 der 
DIN EN 60204-1 (VDE 0113 Teil 1). Nur in Ausnahmefällen – dann aber von 
vornherein – sieht diese Norm den ungeerdeten Betrieb mit 
Isolationsüberwachung vor.

Ein Steuertransformator hat natürlich noch andere Vorteile, z.B. 
Spannungsanpassung für lange Leitungen. Ungeachtet dessen, ob ein 
Steuertransformator Sinn macht oder nicht, ist im Abs. 9.1.1 ein solcher 
Steuertransformator fast immer zwingend vorgeschrieben, ausgenommen sind 
einzelne Motoranlasser mit höchstens zwei Steuergeräten.
Abweichung von denVDE-Bestimmungen?

Natürlich kann im Einvernehmen mit dem Betreiber in Eigenverantwortung 
von den VDE-Bestimmungen abgewichen werden, wenn die gleiche Sicherheit 
auf andere Weise erbracht wird. Durch den damit verbundenen Verlust der 
»Vermutungswirkung« müssen Sie im Falle eines Falles den Nachweis 
erbringen, dass der fehlende Steuertransformator nicht die Ursache für 
die aufgetretene Gefährdung ist.
Allerdings kann ich mir persönlich kaum vorstellen, dass ein nicht 
vorhandener Steuertransformator zu einer erhöhten Gefährdung führen 
würde.

W. Hörmann

************* quote ende ****

: Bearbeitet durch User
von Soul E. (Gast)


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Georg H. schrieb:

> Die Pflicht zum Erden der Sekundärseite kam dann wohl später. Nun weiss
> keiner mehr was der Absatz der Norm soll, deswegen wird das auch nicht
> mehr geändert.

Normen werden von Industrievertretern gemacht. Das Abendessen hat der 
Trafohersteller bezahlt, also muss ein Trafo rein. Jeder vertritt in 
diesen Gremien erstmal seine Interessen. Oder was glaubst Du, warum die 
Elektriker jedes Jahr dickere Leitungen und andere Sicherungs-Nennwerte 
verbauen dürfen?


Für das Wohl und den Nutzen an der Gesellschaft sind die Politiker in 
Berlin und Brüssel zuständig. Die sind objektiv und unparteiisch ;-)

von Georg H. (Gast)


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soul eye schrieb:
> Für das Wohl und den Nutzen an der Gesellschaft sind die Politiker in
> Berlin und Brüssel zuständig. Die sind objektiv und unparteiisch ;-)

Entnehme ich da Gesellschaftskritik?
Du siehst das falsch. Mann kann doch nicht an der Institution der 
Normungsbehörden zweifeln. Das grenzt doch an Insubordination. 
Schließlich hat man von den höheren Positionen in Berlin/Brüssel doch 
den besseren Überblick auf das große Ganze!

xxx

von b35 (Gast)


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@ Andrew: Von Sparwicklung hatte bisher doch keiner gesprochen. Ich muss 
aber nicht alles verstehen wollen.

Es werden noch weitere Vorteile von Steuertransformatoren genannt:
- eine einheitliche Steuerspannung und entsprechende Steuerbauteile sind 
möglich, unabhängig von Speisespannung und Netzart. Daher hohe 
Zuverlässigkeit durch "bewährte" Komponenten.
- Sek. Kurzschluss Strom ist kleiner
- Vorteile bei Spannungs- und Isolationsprüfungen
- Neben dem geerdeten ist auch ungeerdeter Betrieb möglich (Trennung und 
Umschaltung auf Isowächter ==> Verfügbarkeit, Fehlerbehebung)
- Kleinere sek. Überspannungkategorie
- Flicker auf der sek. Seite kleiner

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