Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Schwingkreisverständnisproblem


von Wissensammler (Gast)


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Freunde der Elektrotechnik,

ich brauche eure Hilfe bei dem leidigen Thema Schwingkreis.

Ich fasse hier mal kurz mein bisheriges Wissen zusammen:

Freier elektrischer Schwingkreis aus Komponenten L,C,R:

Start: Der Kondensator wurde z.B. mit einer Gleichspannungsquelle 
aufgeladen und die wird nun abgehängt.

Drei Fälle:
- schwache Dämpfung: Die Schwingungsamplitude nimmt langsam ab
- Starke Dämpfung: Es kommt maximal zu einer Schwingung
- Aperiodischer Grenzfall: Es kommt zu gar keiner Schwingung


Angeregter elektrischer Schwingkreis:

Hier ist jetzt eigentlich nur der Fall der schwachen Dämpfung 
interessant.
Wenn ich einen schwach gedämpften Schwingkreis mit der 
Resonanzfrequenz/Eigenfrequenz anrege, kommt es zur Resonanzüberhöhung. 
Bei anderen Frequenzen kommt es zu Phasenverschiebungen und die 
Amplitude wird geschwächt.

Rege ich einen von den anderen beiden (stark gedämpft/aperiodischer 
Grenzfall) mit irgendeiner Frequenz an (auch Resonanzfrequenz) passiert 
kein Unterschied. Es kommt immer zu der einem starken Amplitudenabfall.

Sicherlich ist sind die untere beiden Fälle, z.B. bei für Bremsvorgänge 
technisch sehr interessant. Hier soll eben genau die Anregung möglichst 
schnell untergedämpft werden.


Fragen:
- Ist mein bisheriges Verständnis richtig?
- Wo sollte ich nochmal genauer hinschauen?

Ein Schwingkreis hat seine Eigenfrequenz/Resonanzfrequenz. Wenn die 
anregende Frequenz sich von der Eigenfrequenz unterscheidet, wird dem 
Schwingkreis diese quasi aufoktroyiert. Der Schwingkreis mag das nicht 
und dann kommt es zur Phasenverschiebung und zur Amplitudendämpfung.
=> Ist das so richtig?


Ich freue mich auf eure Antworten!

: Verschoben durch Admin
von Rainer V. (rudi994)


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Wissensammler schrieb:
> Wenn die anregende Frequenz sich von der Eigenfrequenz unterscheidet...
> Der Schwingkreis mag das nicht und dann kommt es zur Phasenverschiebung
> und zur Amplitudendämpfung.

Sonderfall: Frequenzvervielfachung durch Herausfiltern einer Oberwelle 
(ganzzahliges Vielfaches) der Erregerfrequenz.

von Wissensammler (Gast)


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ok vielen Dank für die Anmerkung!

Habe ich es sonst richtig verstanden?


Ich habe noch ein Problem mit der Resonanzkatastrophe:

Wenn ich mir einen einfachen Schwingkreis im Badediagramm anschauen, 
sehe ich ja eine maximale Amplitude bei der Resonanzfrequenz.

Wenn der Schwingkreis gedämpft ist (in der Natur immer der Fall), dann 
kann die Amplitude nicht maximal werden, sondern lediglich sehr hoch.

Wenn der Schwingkreis angedampft (rein aus LC, nur theoretisch möglich), 
dann ist die Amplitude bei der Resonanzfrequenz unendlich groß.

Wann spricht man jetzt genau von der Resonanzkatastrophe?

von Ulrich F. (Gast)


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> Wann spricht man jetzt genau von der Resonanzkatastrophe?
z.B. dann wenn der Kondensator wegen der gegen unendlich gehenden 
Spannung durchschlägt.

Oder die Brücke, oder ein Hochhaus, zerbröselt.

von Wissensammler (Gast)


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Wenn der Schwingkreis gedämpft ist (in der Natur immer der Fall), dann
kann die Amplitude nicht maximal werden, sondern lediglich sehr hoch.

Wenn der Schwingkreis ungedampft (rein aus LC, nur theoretisch möglich),
dann ist die Amplitude bei der Resonanzfrequenz unendlich groß.



Also beim unteren Fall?
Ich dachte bisher, dass der Fall mit unendlicher Überhöhung nur 
theoretisch möglich ist...

von Ulrich F. (Gast)


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Wissensammler schrieb:
> Also beim unteren Fall?
> Ich dachte bisher, dass der Fall mit unendlicher Überhöhung nur
> theoretisch möglich ist...

Nöö....
Die berühmten marschierenden Soldaten bringen stetig neue Energie in die 
Brücke.
Erdbeben, oder Wind, in die Hochhäuser.

Und für dein LC System mag einiges elektrisches gut genug sein.

von Wissensammler (Gast)


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Sonst habe ich das Thema Schwingkreis richtig verstanden?

von Rainer V. (rudi994)


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Wissensammler schrieb:
> Amplitude bei der Resonanzfrequenz unendlich groß.

Kann eine Amplitude unendlich groß werden? Selbst wenn, dann wäre es 
keine Schwingung, weil schon der Flankenanstieg unendlich hoch/lang wäre 
und so kein Maximum erreicht werden würde. Eine Schwingung besteht aber 
aus einem periodischen Wechsel, hier Wechsel zw. Maximum und Minimum.

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Rainer V. schrieb:
> Wissensammler schrieb:
>> Amplitude bei der Resonanzfrequenz unendlich groß.
>
> Kann eine Amplitude unendlich groß werden?

In der Praxis ganz offensichtlich nicht.

> Selbst wenn, dann wäre es
> keine Schwingung, weil schon der Flankenanstieg unendlich hoch/lang wäre
> und so kein Maximum erreicht werden würde.

Der Widerspruch liegt nicht hier. Natürlich müßte für eine unendliche 
Amplitude die Anstiegsgeschwindigkeit ebenfalls unendlich sein.

von Ulrich F. (Gast)


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Rainer V. schrieb:
> Kann eine Amplitude unendlich groß werden?
Nein!
Die Resonanzkatastrophe wird das wirksam verhindern.

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Wissensammler schrieb:
> Sonst habe ich das Thema Schwingkreis richtig verstanden?

Du verwendest ein paar Begriffe komisch oder ungewöhnlich.
Aber im Prinzip schon.

Beispielsweise Dämpfung: ganz offensichtlich gibt es von Dämpfung 0 
(ungedämpft) hin zu höheren Dämpfungen ein Kontinuum. Je größer die 
Dämpfung ist, desto schneller fällt die Schwingung auf 0.
Der aperiodische Grenzfall (aka: kritische Dämpfung) ist dann gegeben, 
wenn die Amplitude ausgehend vom Startwert gerade nicht mehr die 
Nulllinie überquert. Alle höheren Dämpfungen ergeben qualitativ das 
gleiche Bild, nur eben noch langsamer.

Und wenn man einem Schwingkreis Energie zuführt, dann ist die 
Phasenverschiebung zwischen Eigenschwingung und Anregung 
ausschlaggebend, ob dem Schwingkreis Energie zugeführt wird oder ob 
Energie entnommen wird: Anregung voreilend = Zufuhr, Anregung nacheilend 
= Entnahme. Offensichtlich ist die Phasenlage nur dann konstant, wenn 
die Anregung bei der Eigenfrequenz geschieht. Sobald die Frequenzen 
abweichen, kommt es zu ständigen Phasenänderungen. So daß mal Energie 
zugeführt wird und dann auch wieder entnommen.

Bei einem hinreichend langsamen Pendel kann man das auch experimentell 
beobachten. Wenn man z.B. ein Pendel mit 1Hz Eigenfrequenz mit 1.01Hz 
anregt, dann schwingt es erst auf bis es vollkommen im Gegentakt mit der 
Anregung ist. Und dann schwingt es wieder ab bis praktisch zum 
Stillstand.

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Ulrich F. schrieb:
> Rainer V. schrieb:
>> Kann eine Amplitude unendlich groß werden?
> Nein!
> Die Resonanzkatastrophe wird das wirksam verhindern.

Eine Resonanzkatastrophe setzt nicht voraus, daß die Amplitude unendlich 
wird. Sie muß nur hoch genug werden. Oder (was am Ende auf das gleiche 
hinausläuft) es muß genügend Energie in das schwingfähige Gebilde 
hineingepumpt worden sein.

Beispiel Schwingkreis: wenn das Dielektrikum des Kondensators infolge 
der durch Resonanz erhöhten Spannung durchschlägt, dann ist das eine 
Resonanzkatastrophe. Trotzdem muß die Spannung dafür nicht unendlich 
groß werden. Nur eben groß genug.

von rmu (Gast)


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Rainer V. schrieb:
> Kann eine Amplitude unendlich groß werden?

Da pro Schwingung ja nur eine endliche Energiemenge in die Schwingung 
übertragen werden kann, müsste man für eine unendlich große Amplitude 
auch unendlich lang warten...

von Wissensammler (Gast)


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https://elearning.physik.uni-frankfurt.de/data/FB13-PhysikOnline/lm_data/lm_324/daten/kap_8/node36.htm

Leider verstehe ich den Zusammenhang des Dämpfungsgrades hier noch nicht 
so ganz.

Nach euren Ausführungen nehme ich an:

0<D<1: Schwache Dämpfung

D=0: Aperiodischer Grenzfall => System schwingt genau nicht mehr

D>0: Starke Dämpfung => System schwingt nicht mehr und geht noch 
schneller in Ruhelage zurück als beim Aperiodischen Grenzfall


In dem Link oben, steht aber, dass bei D>1 (Kriechfall) das System 
langsam in die Ruhelage zurückkehrt als beim Aperiodischen Grenzfall.

Was ist jetzt richtig?

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Wissensammler schrieb:
> 
https://elearning.physik.uni-frankfurt.de/data/FB13-PhysikOnline/lm_data/lm_324/daten/kap_8/node36.htm
>
> Leider verstehe ich den Zusammenhang des Dämpfungsgrades hier noch nicht
> so ganz.
>
> Nach euren Ausführungen nehme ich an:
>
> 0<D<1: Schwache Dämpfung

0 = ungedämpft

größere Werte von D -> höhere Dämpfung

> D=0: Aperiodischer Grenzfall => System schwingt genau nicht mehr

D=1 ist der aperiodische Grenzfall. Das System kehrt in die Ruhelage 
zurück ohne dabei den Ruhepunkt zu überqueren. Für alle kleineren Werte 
der Dämpfung wird der Ruhepunkt wenigstens einmal überschritten.

> D>0: Starke Dämpfung => System schwingt nicht mehr und geht noch
> schneller in Ruhelage zurück als beim Aperiodischen Grenzfall

Für D>1 kehrt das Sytem langsamer in die Ruhelage zurück als für den 
aperiodischen Grenzfall. Wieso sollte eine höhere Dämpfung denn auch zu 
einer schnelleren Bewegung führen?

von Wissensammler (Gast)


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Naja höhere Dämpfung bietet weniger Möglichkeiten zur Bewegung für das 
System und damit wird die Ruhelage schneller erreicht.
Das scheint nur eine falsche Argumentation zu sein.

von Rainer V. (rudi994)


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Wissensammler schrieb:
> höhere Dämpfung bietet weniger Möglichkeiten zur Bewegung für das
> System und damit wird die Ruhelage schneller erreicht.

So einfach ist das auch wieder nicht. Höhere Dämpfung bedeutet z.B., daß 
in kürzerer Zeit mehr Energieverlust entsteht oder daß zur Überwindung 
eines größeren Hindernisses ein erhöhter Energieaufwand nötig ist. Erst 
durch den höheren Energieverbrauch wird der Ruhezustand relativ schnell 
erreicht, wenn die verfügbare Energiemenge begrenzt ist. Ginge es nur um 
Bewegungsfreiheit als solche, dann könnte man sagen, daß die Ruhelage 
bei eingeschränkter Bewegung nicht so schnell erreicht wird, weil in 
diesem Fall die Energie nicht so schnell abgegeben werden kann.

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Wissensammler schrieb:
> Naja höhere Dämpfung bietet weniger Möglichkeiten zur Bewegung für das
> System und damit wird die Ruhelage schneller erreicht.

Wie kommst du auf diese blöde Idee?

Stell dir einfach ein mechanisches Pendel vor. Das tauchst du jetzt in 
Flüssigkeiten verschiedener Viskosität (Wasser, Heizöl, Honig, Teer).
Je zäher die Flüssigkeit ist, desto mehr Dämpfung hast du. Jetzt lenkst 
du das Pendel aus (z.B. 45° aus der Senkrechten) und läßt es los.

Preisfrage: wann wird das Pendel eher den Ruhepunkt erreichen ... wenn 
die Flüssigkeit zäh ist oder wenn sie dünnflüssig ist? Und ich frage 
hier nicht nach der Zeit bis das Pendel endgültig stehen bleibt, sondern 
nach der Zeit bis das Pendel den Ruhepunkt das erste Mal erreicht [1].

Oben hast du argumentiert, daß eine hohe Dämpfung (zähe Flüssigkeit) das 
Pendel den Ruhepunkt schneller erreichen läßt. Das ist so offensichtlich 
falsch (und auch noch unintuitiv) daß ich mir beim besten Willen nicht 
vorstellen kann, wie man auf eine solche Idee kommen kann.


[1] bei niedriger Dämpfung wird das Pendel natürlich ein paarmal um den 
Ruhepunkt schwingen bevor es endgültig zur Ruhe kommt. Aber um diesen 
Fall geht es ja ausdrücklich nicht: es geht um Dämpfungen ab der 
kritischen Dämpfung aufwärts.

Wenn man mit der Zeit bis zum endgültigen Stillstand des Pendels 
argumentiert, dann stellt sich heraus, daß der aperiodische Grenzfall 
derjenige ist, bei dem das Pendel nach der kürzestmöglichen Zeit zur 
Ruhe kommt.

von Rainer V. (rudi994)


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Axel Schwenke schrieb:
> ...daß der aperiodische Grenzfall derjenige ist, bei dem das Pendel
> nach der kürzestmöglichen Zeit zur Ruhe kommt.

Genau! Man könnte da von Leistungsanpassung sprechen. Im Fall, daß D=1 
ist, wird die gesamte, vorhandene Energie abgegeben, während das System 
von der Auslenkung in die Ruhelage zurückkehrt. Bei geringer oder keiner 
Dämpfung geht pro Zeit nur wenig oder keine Leistung verloren und die 
Amplitude wird nur langsam oder gar nicht kleiner. Bei hoher Dämpfung 
bzw. hohem Widerstand ist auch der Stromfluß klein und es dauert lange, 
bis die vorhandene Energiemenge abgegeben ist.

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