Forum: Offtopic Wirkungsgrad bei BLDC-Motor ohne Lagegeber


von Patrick D. (paddyd84)


Lesenswert?

Hallo,

ich hab mich jetzt mal auch hier angemeldet, weil ich mit einer 
Fachfrage in anderen Foren nicht mehr weiter gekommen bin und auf dieses 
mikrocontroller.net verwiesen wurde. Und zwar:

geht es um den Wirkungsgrad eines BLDC-Motors, also eines bürstenlosen 
Gleichstrommotors. Bei diesem erfolgt ja die Kommutierung elektronisch, 
in Abhängigkeit von der Lage des Rotors. Jetzt gibt es bekanntlich auch 
Spar-Varianten dieser Motoren, bei denen kein Lagegeber in Form von 
Hall-Sensoren verbaut wird. Die Rotorposition kann also nur durch 
Rückwirkung auf die Statorspulen (Strommessung) über ein Motormodell 
geschätzt werden, das auf dem Antriebs-µC mitläuft.
Meine Frage: Hat die Genauigkeit des Motormodells einen Einfluss auf den 
Wirkungsgrad des Motors?
Ein BLDC kann ja wie eine fremderrregte Synchronmaschine betrachtet 
werden. Dort ist der Wirkungsgrad abhängig vom Polrad. Wenn sich jetzt 
mein Motormodell auf dem µC verschätzt und die Statorspulen nicht 
100-prozentig richtig ansteuert, müsste das doch auch das Polrad und 
damit den Wirkungsgrad beeinflussen, oder?

Ich bin mir nicht sicher, ob die Frage hier im Off-Topic bereich richtig 
angesiedelt ist, aber habe kein Unterforum gefunden, dass mir besser 
geeignet schien. Wenn nötig, kann das Thema gerne verschoben werden.

Ich hoffe, es gibt hier Antriebsexperten, die mir weiterhelfen können.

von Michael B. (laberkopp)


Lesenswert?

Der Wirkungsgrad ist nicht abhängig davon, ob der Motor elektronisch 
oder mechanisch kommutiert wird, und ob elektronische Kommutierung durch 
Hallsensoren oder Incrementalgeber oder Rückermittlung aus der BackEMF 
bestimmt wird.

Aber der Wirkungsgrad hängt (bei ansonsten identischem Motor) schon 
davon ab, ob die Umschaltzeitpunkte der Spulen zum idealen Zeitpunkt 
erfolgen, und ob mit primitivem Rechteck oder idealem Sinus kommutiert 
wird.
Aber so lange nicht gerade Laien pfuschen, wird der Hersteller es schon 
nahe optimal hinbekommen.

Letztlich hängt der Wirkungsgrad aber vor allem vom Drahtwiderstand und 
magnetischen Fluss ab, grössere Motoren sind prinzipiell im Vorteil 
gegenüber kleineren.
Wenn man aus einem gegebenen Motor den optimalen Wirkunsgrad holen will, 
sollte man die Rotorposition genauer auflösend erfassen als mit 
Hallsensoren, sondern mit Incrementaldecodern. Dann kann man optimale 
Sinuskommutierung auch bei unterschiedlichen Drehzahlen erreichen, 
Vektorkommutierung/Raumzeigermodulation. Die ist, wenn man sie statt mit 
Komparatoren besser mit A/D-Wandlern erfasst, auch per BackEMV möglich, 
allerdings nur wenn der Motor ohne Last anlaufen kann.

Man braucht also Sensoren wenn der Motor unter Last anlaufen soll und 
langsam laufen muss. Da kann per Hallsensor erfolgen. Dreht er erst mal 
schnell genug, kann man per BackEMF die genauerer Rotorlageposition 
ermitteln die für optimalen Wirkungsgrad nötig wäre. Muss der Motor das 
auch bei niedrigen Drehzahlen haben, braucht man Incrementalencoder.

von Winfried J. (Firma: Nisch-Aufzüge) (winne) Benutzerseite


Lesenswert?

Für besonders anspruchsvolle Steuerungen (Feinpositionierung mit 
Lastausgleich) wird auch gern auf externe Sinuskosinusgeber 
zurückgegriffen
dies ist selbstverständlich nicht nur bei Schrittmotorens sondern auch 
für Synchron~ und Brushlessmotoren optimal, erfordert aber einen 
Synchronisierprozess um die Geberposition anzulernen.

http://www.schrittmotoren.de/fachwissen/geber/f_beitr_00_410.htm

Diese Seite bietet imho insgesammt einen sehr guten Überblick und eine 
gute didaktische Aufbereitung zum Thema

http://www.schrittmotoren.de/fachwissen/fachw_main.htm


Namaste

: Bearbeitet durch User
von Thorsten O. (Firma: mechapro GmbH) (ostermann) Benutzerseite


Lesenswert?

Die Sinus-/Cosgeber verwendet man aber nicht für eine genauere/bessere 
Kommutierung, sondern für ein höher aufgelöstet Positions- und 
Drehzahlsignal in den überlagerten Regelkreisen. Normalerweise wird bei 
Verwendung eines (externen) hochauflösenden Gebers weiterhin auf den 
Motor-internen Geber kommutiert. Das darf dann ruhig ein preiswerter 
Resolver sein (bei größeren Servomotoren) oder eben Hallsensoren.

Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Ostermann

von Winfried J. (Firma: Nisch-Aufzüge) (winne) Benutzerseite


Lesenswert?

Bei Closed loop Synchronmaschinen wird zumindest bei Aufzügen sehr wohl 
auf den sin/cos oder A/B kommutiert da meist nur diese beiden signale 
jeweils symetrisch am Frequeenzumrichter ausgewertet werden.
 Auf das Positionssignal wird verzichtet sofern der Geber eines liefert, 
der Motor gibt dies ohnehin mangels Sensor nicht aus. Vorraussetzung ist 
wie beschrieben eine Synchronisierung des Gebers. Moderne FUs  haben 
dafür eine spezielle Funktion wie sie auch vorpprogrammierte 
motortypspezifische Aufzugsprogramme bereits ab Firmware aufweisen und 
nur noch feinparametriert werden müssen.

Namaste

: Bearbeitet durch User
von Patrick D. (paddyd84)


Lesenswert?

Klasse, hier scheine ich ja wirklich richtig zu sein!
Danke für die vielen kompetenten Antworten!

Um das Thema mal wieder in die richtige Richtung zu lenken:

Meine eingangs gestellte Frage bezog sich ausschließlich auf Motoren, 
die ohne einen externen Positionsgeber auskommen müssen.

Ich denke, dazu hat Michael Bertrandt mir schon die für mich relevanten 
Informationen geben können. Als Ergänzung von meiner Seite:

Dass die wesentlichen Einflussgrößen für die Verluste die Bauweise des 
Motors ist, hatte ich schon erwartet. Man wird ja immer versuchen, die 
Antriebsregelung so auszulegen, dass für die wesentlichen 
Betriebszustände eine optimale Ansteuerung vorliegt. Ich weiß aber, dass 
zum Beispiel in Haushaltsgeräten mittlerweile vermehrt Brushless-Motoren 
eingesetzt werden, bei denen aus Kostengründen auf einen separaten 
Positionsgeber verzichtet wird.  Wenn der abzudeckende Drehzahl / 
Lastbereich dann entsprechend groß ist, kann ich mir schon vorstellen, 
dass eine solche Regelung dann auch mal gewissen Ungenauigkeiten 
unterworfen ist. Vor allem weil solche Motoren meiner Meinung nach eher 
nicht die Eigenschaften eines typischen Servomotors aufweisen. Da hat 
sich mir dann die Frage gestellt, ob der Wirkungsgrad durch die ungenaue 
Regelung beeinflusst wird.

Im Grunde ist meine Frage aber beantwortet. Es sei denn, mir kann das 
zwecks besserem Verständnis noch jemand anhand eines Motormodells eines 
Brushless-Motors erklären. ;-)

von Winfried J. (Firma: Nisch-Aufzüge) (winne) Benutzerseite


Lesenswert?


von Thorsten O. (Firma: mechapro GmbH) (ostermann) Benutzerseite


Lesenswert?

Hallo Patrick,

> Im Grunde ist meine Frage aber beantwortet. Es sei denn, mir kann das
> zwecks besserem Verständnis noch jemand anhand eines Motormodells eines
> Brushless-Motors erklären. ;-)

Ich würde mal folgendes Modell in den Raum werden:

Ein Extrem ist die "perfekte" Kommutierung durch Messung der 
Rotorposition. Das andere Extrem ist gar nicht zu wissen wo der Rotor 
steht. Dann kann man den Motor nur gesteuert betreiben und hat im 
Prinzip einen Schrittmotor mit niedriger Polzahl. Der hat im Stillstand 
einen Wirkungsgrad von quasi Null, weil die gesamte elektrische Leistung 
in der Windung verheizt wird. Und das ist so, weil das erzeugte Feld 
kein Moment erzeugt, da der Rotor schon ausgerichtet ist. Polt man dann 
eine Wicklung um, hat man kurzzeitig den optimalen Winkel von 90° 
zwischen Rotorfeld und Statorfeld und erzeugt maximales Moment.

Die sensorlose Regelung wird irgendwo zwischen diesen beiden Extremen 
liegen. Wo genau, hängt davon ab, wie gut die Modelle sind und wie genau 
die Rotorposition ermittelt werden kann. Die ganzen sensorlosen 
Regelungsverfahren basieren ja auf einer Messung der Back-EMF (also der 
induzierten Gegenspannung). Das funktioniert erst ab einer gewissen 
Drehzahl, darunter werden Anlaufverfahren verwendet, die dem oben 
geschilderten gesteuerten Betrieb entsprechen. Soweit zumindest mein 
Kenntnisstand. Dementsprechend kann man auch davon ausgehen, dass bei 
niedrigen Geschwindigkeiten der Wirkungsgrad von sensorlosen 
Regelungsverfahren gegenüber einer Messung des Rotorwinkels deutlich 
abfällt.

Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Ostermann

von Patrick D. (paddyd84)


Lesenswert?

Ein einfach verständlicher und für mich logischer Erklärungsansatz.

Danke!

von Martin S. (led_martin)


Lesenswert?

Thorsten Ostermann schrieb:
> Das funktioniert erst ab einer gewissen
> Drehzahl, darunter werden Anlaufverfahren verwendet, die dem oben
> geschilderten gesteuerten Betrieb entsprechen. Soweit zumindest mein
> Kenntnisstand.

Das ist korrekt. Sensorlose Konzepte werden vorallem da eingesetzt, wo 
erst ab einer gewissen Drehzahl Leistung gefordert ist, z.B. Lüfter, 
oder Propeller. Sensorloser Anlauf unter Last ist schwierig bis 
unmöglich. Je nach Motor-Geometrie kann man aber die Rotorposition durch 
Messung der Induktivität der einzelnen Wicklungen bestimmen, im 
Stillstand, oder bei langsamem Lauf.

Mit freundlichen Grüßen - Martin

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.