Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Verständnisfrage zum RC Tiefpass


von Verzweifelter (Gast)


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Studium ist schon 20 Jahre her .... und beim Suchens und Interpretieren 
der Suchergebnisse stelle ich mich gerade zu dumm an.


Ich habe eine reines Sinusignal das über einen einfachen RC Tiefpass 
läuft.

Angenommen die Frequenz des Sinussignals ist sehr viel kleiner als die 
Grenzfrequenz des Filters.

Als z.B. Tiefpass fg = 10kHz und das Signal irgendwas zwischen 10Hz und 
1kHz.


Kann jemand das Folgende bestätigen oder falsifiziern, besser nen link 
reichen wo es so steht, dass ichs verstehe?

- Die Zeit zwischen den Nulldurchgängen der Eingangs und 
Ausgangsspannung
ist nur von fg (und nicht von der Signalfrequenz) abhängig.

- Wie groß ist die Zeit zwischen den Nulldurchgängen?

- Wie sieht die Formel dazu aus?

von Possetitjel (Gast)


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Verzweifelter schrieb:

[Tiefpass]

> - Die Zeit zwischen den Nulldurchgängen der Eingangs
> und Ausgangsspannung ist nur von fg (und nicht von der
> Signalfrequenz) abhängig.

Normalerweise falsch.
Das ist nur bei bestimmten Filtern, die extra dafür
konstruiert sind (konstante Gruppenlaufzeit) der Fall.

Deine Aussage oben ist übrigens mehrdeutig. Ich habe
angenommen, dass Du von der Zeitverzögerung zwischen
Eingangs- und Ausgangssignal sprichst.

> - Wie groß ist die Zeit zwischen den Nulldurchgängen?

Gleich der Gruppenlaufzeit.

> - Wie sieht die Formel dazu aus?

Hängt vom genauen Typ und der Ordnung des Tiefpasses ab.
--> Nicht allgemein beantwortbar.

von Helmut S. (helmuts)


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RC Tiefpass 1. Ordnung, also nur ein R und ein C.

fg=1/(2*pi*R*C)

T=R*C


phi = -arctan(w*T)
phi = -arctan(2*pi*f*T)

Für stationäre Signale ist phi die Phasenverschiebung des 
Ausgangssignals.
Im Bereich bis 1kHz steigt die Phasenverschiebung(nacheilen) praktisch 
linear mit der Frequenz.


Group delay = dphi/dw = T/(1+(w*T)^2) = annähernd T für w*T<<1

fg=10kHz

Group delay ca. 15,9us


Die gestrichelte Linie im angehängten Bild ist die Phase.
Mit der .asc-Datei kannst du das Ganze mit dem kostenlose Programm 
LTspice simulieren.

: Bearbeitet durch User
von Axel S. (a-za-z0-9)


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Verzweifelter schrieb:
> Ich habe eine reines Sinusignal das über einen einfachen RC Tiefpass
> läuft.
>
> Angenommen die Frequenz des Sinussignals ist sehr viel kleiner als die
> Grenzfrequenz des Filters.

> Kann jemand das Folgende bestätigen oder falsifiziern, besser nen link
> reichen wo es so steht, dass ichs verstehe?
>
> - Die Zeit zwischen den Nulldurchgängen der Eingangs und
> Ausgangsspannung
> ist nur von fg (und nicht von der Signalfrequenz) abhängig.

Falsch.

I.d.R. betrachtet man die Phasenverschiebung zwischen Eingangs- und 
Ausgangssignal. Allerdings wird die als (Phasen)Winkel angegeben und 
nicht als absolute Zeit. Für letzteres muß man die Phasenverschiebung 
mit der Periodendauer des Signals zu einer Zeit verrechnen. s.u.

Qualitativ sieht das so aus, daß die Phasenverschiebung für Signal- 
Frequenzen weit unterhalb der Grenzfrequenz sehr klein ist (genähert: 
0). Bei der Grenzfrequenz ist sie genau 45°. Bei Frequenzen weit 
oberhalb der Grenzfrequenz ist sie annähernd 90°.

Google Suchbegriff "Phasenverschiebung Tiefpass"

> - Wie groß ist die Zeit zwischen den Nulldurchgängen?

Wenn man die Phasenverschiebung \phi hat, ergibt sich die Zeit zu:


> - Wie sieht die Formel dazu aus?

Phasenverschiebung in Abhängigkeit von der Frequenz:


bzw. wenn man f_g = 1/(2 \pi RC) setzt:


(https://de.wikipedia.org/wiki/Tiefpass)

von Possetitjel (Gast)


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Axel Schwenke schrieb:

> Falsch.

Meistens - aber nicht immer.

> I.d.R. betrachtet man die Phasenverschiebung zwischen
> Eingangs- und Ausgangssignal.

Meistens - aber nicht immer.

> Allerdings wird die als (Phasen)Winkel angegeben und
> nicht als absolute Zeit.

Meistens - aber nicht immer: Als absolute Zeit ist es
gerade die Gruppenlaufzeit.

von Helmut S. (helmuts)


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> Meistens - aber nicht immer: Als absolute Zeit ist es
gerade die Gruppenlaufzeit.

Achtung aus der Gruppenlaufzeit kann man nicht die exakte 
Phasenverschiebung für ein eingeschwungenes Signal mit konstanter 
Frequenz und Amplitude berechnen sondern für den Fall nimmt man 
phi=-arctan(f/fg).

Die Gruppenlaufzeit ist eher die Laufzeit der Einhüllenden für ein sich 
änderndes Signal.

: Bearbeitet durch User
von Uwe B. (uwe_beis)


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Hallo du armer Verzweifelter,

Die meisten (oder alle) Antworten hier knallen dir ein FALSCH vor den 
Kopf. Mit mathematischen Berechnungen und Simulationen beweisen sie es, 
und zwar völlig korrekt.

Aber ich widerspreche: In der Schule gäbe es für diese Antworten kein 
gute Zensur, denn die Fragestellung wurde nicht richtig gelesen und die 
Antworten sind deswegen am Thema vorbei:

Verzweifelter schrieb:
> Angenommen die Frequenz des Sinussignals ist sehr viel kleiner als die
> Grenzfrequenz des Filters.
>
> Als z.B. Tiefpass fg = 10kHz und das Signal irgendwas zwischen 10Hz und
> 1kHz.

Die Frage zielt also bewusst nicht auf eine mathematisch exakte Antwort 
hinaus, sondern auf eine Näherung, mit der man in der Praxis antworten 
kann. Und dafür lautet die Antwort: Ja, deine Annahme ist RICHTIG!

Anbei die Gruppenlaufzeit für dein Beispiel. Sie beträgt für tiefe 
Frequenzen 15,9 µs. Man sieht wie minimal sie sich ändert und erst ab 
ca. 1 kHz erste sichtbare(!) Anzeichen von Veränderung zeigt.

: Bearbeitet durch User
von Axel S. (a-za-z0-9)


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Possetitjel schrieb:
> Axel Schwenke schrieb:

>> I.d.R. betrachtet man die Phasenverschiebung zwischen
>> Eingangs- und Ausgangssignal.
>
> Meistens - aber nicht immer.
>
>> Allerdings wird die als (Phasen)Winkel angegeben und
>> nicht als absolute Zeit.
>
> Meistens - aber nicht immer: Als absolute Zeit ist es
> gerade die Gruppenlaufzeit.

Meistens - aber nicht immer.

:P

Beim einfachen RC-Tiefpaß stimmt die Gruppenlaufzeit mit der 
Verschiebung des Nulldurchgangs eines stationären Signals überein. Bei 
Filtern höherer Ordnung, die eine Phasenverschiebung größer als 2 pi 
erreichen, stimmt das nicht mehr.

Was die Abhängigkeit der Gruppenlaufzeit angeht, so nehme ich mein 
"falsch" zurück: für Frequenzen weit unterhalb der Grenzfrequenz ist die 
tatsächlich näherungsweise konstant und nur abhängig von der 
Zeitkonstante des Tiefpasses. Bis ca. f=fg/10 geht das in Ordnung.

Das kann man sicher ausrechnen, indem man mal für meine Formel für die 
Laufzeit den Grenzübergang f->0 ausrechnet. Da dürfte näherungsweise 
etwas in der Art sin(2 pi RC) rauskommen.

von Uwe B. (uwe_beis)


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Axel Schwenke schrieb:
> Da dürfte näherungsweise
> etwas in der Art sin(2 pi RC) rauskommen.

Es ist genau die Zeitkonstante R*C.

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