Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Widerstandsfähigkeit von Thyristoren gegen µs-lange kA-Impulsströme?


von Arno Nyhm (Gast)


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Hallo!

Ich bin dabei einen solid-state Ersatz für eine Funkenstrecke/ein 
Thyratron zu konzipieren.
Da ich viele Thyristoren für ein Schaltmodul benötige, 16x 1200V für 
eine Betriebsspannung von 15kV, möchte ich natürlich einen möglichst 
günstigen Thyristor einsetzen - Zwischen den Preisen von Thyristoren in 
lötbaren Gehäusen und den Hockeypucks liegen ja Welten, daher meine 
Frage hier.

Der Strom meines Impulses, wenn der Schalter schließt und den geladenen 
Speicherkondensator an die Last koppelt, ist etwa sinusförmig, 30µs lang 
und erreicht einen Spitzenwert von 5kA.
Der I²t-Wert dieses Pulses liegt also unter 0.15A²/s!
Die Repetitionsrate liegt bei nur 0,1-1Hz.

Nur die sehr großen, auch für hohe Verlustleistungen ausgelegten 
Hockeypuck-Thyristoren verfügen über ein entsprechendes 
Impulsstrom-Rating, wie z.B. der VS-ST230C (ca. 60EUR pro Stück):
Itsm(50Hz): 5700A
Itsm(60Hz): 5970A
I²t(50Hz):   163kA²s
I²t(60Hz):   149kA²s

Der maximale Impulsstrom wird also gerade toleriert, der I²t-Wert nicht 
einmal gekitzelt...

Und dann ist da die Größenordnung der Thyristoren die ich gern verwenden 
würde, Print-Thyristoren im TO-247 Gehäuse oder ähnliches, wie den 
VS-30TPS12 (weniger als 2EUR pro Stück):
Itsm: 300A
I²t:  442A²s

Ich kenne die Module von Behlke (http://www.behlke.com/) und habe schon 
mit diesen gearbeitet, von der Größe her können da ja auch keine 
riesigen Halbleiter enthalten sein, sie sind sehr klein für die hohen 
Impulsströme und Spannungen die geschaltet werden können.

Letztendlich würde ich gern wissen wer Praxiserfahrung mit dem 
Missbrauch von Thyristoren in diesem Bereich hat.
Wie reagiert ein solcher, kleiner Thyristor auf sehr kurze, sehr hohe 
Impulsströme?

Beste Grüße
Sascha

von lrep (Gast)


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Arno Nyhm schrieb:
> 30µs lang
> und erreicht einen Spitzenwert von 5kA.
> Der I²t-Wert dieses Pulses liegt also unter 0.15A²/s!

Das ist nicht alles.
Wichtig ist vor allem die Stromanstiegsgeschwindigkeit, denn die 
leitendende Zone breitet sich nach der Zündung vom Gate her allmählich 
aus.
Wenn dann die Stromanstieg zu schnell erfolgt, kann sich ein Hot Spot 
bilden, an dem der SCR stirbt.
Günstig ist hier ein möglichst starker Triggerimpuls, aber auch der 
Hersteller des SCR kann hier konstruktiv eingreifen.

In der Frühzeit der Halbleiterimpulslaser gab es z.B. recht kleine 
speziell dafür entwickelte Thyristoren, die iirc einen 40A Impuls mit 
einer Gesamtdauer von 200ns schalten konnten.
Der Spannungsabfall am SCR dabei war aber enorm, in der Größenordnung 
von über 100V, - und das nicht nur wegen der Induktivitäten des Aufbaus.

Haute würde ich, wenn es um schnelles Schalten geht, duchaus auch an 
MOSFETs denken.

von I²t-Wert (Gast)


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Arno Nyhm schrieb:
> I²t-Wert

Wie berechnet man denn den? Einfach den gegebenen Strom hoch zwei, mal 
die Zeit? Ggf. käme ich bei 5KA und 30µs auf deutlich höhere Werte.

von Pandur S. (jetztnicht)


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Erst mal sollte man sich fragen was das sollt, ob man's  auch anders 
machen kann.

Wenn ein Thyratron das kann, weshalb moechte man's in Halbleiter haben ? 
Eine Roehre ist ein Stueck robuster.

von oszi40 (Gast)


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Arno Nyhm schrieb:
> (ca. 60EUR pro Stück)

Bis Deine Erfindung perfekt ist, könnte ein Eimer Thyristorschrott das 
Ergebnis sein. Eine Reihenschaltung und gleichzeitig sind da schon mal 
zwei interessante Faktoren, die auch bei der späteren Ersatzbeschaffung 
noch viel Freude bereiten können.

von Oleg A. (oga)


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Arno Nyhm schrieb:
> Letztendlich würde ich gern wissen wer Praxiserfahrung mit dem
> Missbrauch von Thyristoren in diesem Bereich hat.

Hatte ein änliches Problem vor 2 Jahren.

> Wie reagiert ein solcher, kleiner Thyristor auf sehr kurze, sehr hohe
> Impulsströme?

Recht gutmütig. In den Datenblätter ist der Itsm (max. forward surge 
current) üblicherweise für  t = 10 ms angegeben. Bei Dir ist die Zeit 
2-3 Zehnerpotenzen kürzer, Du kannst also ruhig an die Grenze gehen.

Wie gross ist den Dein Speicherkondensator?

Es gibt da noch einige Kleinigkeiten mit dem Spannungsausgleich und der 
Zündung, aber die kennst Du sicher.

: Bearbeitet durch User
von Falk B. (falk)


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@ Arno Nyhm (Gast)

>Ich bin dabei einen solid-state Ersatz für eine Funkenstrecke/ein
>Thyratron zu konzipieren.

Sowas hab ich auch mal gemacht.

>Speicherkondensator an die Last koppelt, ist etwa sinusförmig, 30µs lang
>und erreicht einen Spitzenwert von 5kA.

Ganz ordentlich.

>Der I²t-Wert dieses Pulses liegt also unter 0.15A²/s!

A^2s

>Der maximale Impulsstrom wird also gerade toleriert,

Denn würde ich aber auch nicht überschreiten wollen.

>Und dann ist da die Größenordnung der Thyristoren die ich gern verwenden
>würde, Print-Thyristoren im TO-247 Gehäuse oder ähnliches, wie den
>VS-30TPS12 (weniger als 2EUR pro Stück):

CS60 von IXYS! Kann ich empfehlen!

Itsm: 1500A
I²t:  11200A²s

>Letztendlich würde ich gern wissen wer Praxiserfahrung mit dem
>Missbrauch von Thyristoren in diesem Bereich hat.

Me too! Allerdings waren es nur 2kV, darum auch nur je 2 in Reihe, davon 
4 Zeige parallel. Pulsstrom im Normalfall ~4kA, also 1kA/Zweig; 
Anstiegszeit im Bereich von 10us. Zu Testzwecken haben wir dann mal 
einen Test bis zur Zerstörung gemacht, bei ca. 2,5kA/Zweig hat es 
geknallt ;-)

>Wie reagiert ein solcher, kleiner Thyristor auf sehr kurze, sehr hohe
>Impulsströme?

Wichtig war ein knackiger Zündpuls, steil mit viel Strom. Wir haben ca. 
2A mit um die 5us Anstiegszeit reingepumpt, kann auch noch weniger 
gewesen sein.

Trotzdem würde ich überlegen, ob es den Stress und Aufwand wert ist. Ein 
robustes Thyratron ist ein robustes Thyratron.

von oszi40 (Gast)


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Falk Brunner schrieb:
> nur je 2 in Reihe

Falk hat an dieser Stelle sicher mehr Erfahrung. Aber bei höherer Anzahl 
steigt natürlich das Risiko (wie bei der Weihnachtsbaumbeleuchtung), daß 
ein Teil davon ausfällt und durch ein genau GLEICHWERTIGES ersetzt 
werden muß. Der Aufbau der AUSREICHEND spannungsfesten Ansteuerung würde 
mich auch interessieren bei dieser Reihenschaltung.

von Falk B. (falk)


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@ oszi40 (Gast)

>werden muß. Der Aufbau der AUSREICHEND spannungsfesten Ansteuerung würde
>mich auch interessieren bei dieser Reihenschaltung.

Bei unseren 2kV war es eine Ringkerndrossel, welche als Stromwandler 
fungierte. Durch das Auge lief eine HV-Leitung als Primärwicklung.
Das klappt bei 15kV auch noch problemlos, in der Firma gibt es diese 
Lösung bis zu 80kV (mit einem dicken HV-Kabel).

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