Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Übertragung von analogem Lock-In Amp auf digitalen Lock-In Amp


von Peter (Gast)


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Moin zusammen,

ich stehe vor einem Problem und würde gern etwas externen Input erhalten 
:-).

Wir haben einen analogen Lock-In-Verstärker gebaut, mit dem wir eine 
Messbrücke auslesen. Der Sinus für die Brückenversorgung hat eine 
Frequenz von 10 kHz. Nach einem steilen Tiefpass werden am Ausgang des 
Verstärkers noch (mechanisch erregte) 1 kHz ausgegeben. Die 
Rauschunterdrückung funktioniert gut, wir können 
Brückendiagonalspannungen in der Größenordnung von 10 nV auflösen. Das 
Teil wurde in einem PSOC mit ein paar Teilen drumherum implementiert und 
funktioniert so, wir wir das gerne hätten.

Nun stoßen wir allerdings an die Grenzen des Designs: Dummerweise gibt 
es in einer der beiden Leitungen von der Messbrücke (die, über die die 
Diagonalspannung abgegriffen wird) zum Verstärker eine Kapazität in der 
Größenordnung von 30 nF, die wir aus technischen Gründen nicht weg 
kriegen. Das bedeutet, dass wir nicht wie bisher die beiden Leitung an 
einen Instrumentenverstärker legen können, weil die beiden Signale durch 
die Kapazität in der einen Leitung phasenverschoben sind und das eine 
Signal dazu auch noch eine kleinere Amplitude hat.

Das müssen wir also irgendwie kompensieren.

Möglichkeit 1: In die andere, bisher nicht von der Kapazität betroffene 
Leitung eine Kondensator zur Kompensation hängen. Gefällt mir nicht, 
weil die Störkapazität sich im Betrieb ändern kann. Zu unflexibel.

Möglichkeit 2:
Aus dem analogen Lock-In Verstärker einen digitalen machen. Dazu würden 
wir die beiden Leitungen (ich nenne sie mal A und B) von der Brücke 
kommend jeweils mit einem PGA etwas vorverstärken und anschließend 
Tiefpassfiltern, damit schonmal die Frequenzanteile über 20 kHz (die 
Brücke wird ja mit 10 kHz gespeist) raus sind damit wir kein Aliasing 
bekommen. Dann AD-Wandlung der beiden Signale. Anschließend würde ein 
Signal eine Phasenverschiebung verpasst bekommen, sodass beide Signale 
wieder Phasengleich sind. Dann wird die Differenz der beiden Signale 
(A-B) gebildet, also das was der Instrumentenverstärker bei der analogen 
Schaltung gemacht hat). Zum Schluss der Lock-In-Kram, also 
Multiplikation mit dem Referenzsignal und anschließende 
Tiefpassfilterung.
Da ab der AD-Wandlung das ganze ja Software ist, lässt sich auch die 
Phasenverschiebung entsprechend anpassen und somit die Störkapazität 
ausgleichen.
Womit ich jetzt ein Problem habe, ist die Auflösung. Der PGA kann keine 
große Verstärkung haben, weil ja beide Signale zunächst einzeln 
verstärkt, dann digitalisiert und dann subtrahiert werden und nicht die 
Differenz zuerst gebildet und dann Versärkt werden kann. Also muss der 
AD-Wandler eine genügend hohe Auflösung mitbringen.
Mit einem 24-bit-ADC und einem max. Signalhub von 5V ließen sich 
theoretisch etwa 300 nV auflösen. Wenn das Signal vorher um einen Faktor 
2 Verstärkt wurde, bedeutet das eine Änderung der Brückenspannung von 
150 nV. Das kommt dummerweise nicht an die 10 nV 
Brückenspannungsänderung unserer jetzigen, analogen Lösung heran.

Eigentlich bräuchten wir 28 bit Auflösung aber ich mag schon gar nicht 
an 24 bit echte Auflösung glauben, weil das PCB ja auch noch ein 
Wörtchen mitzureden hat... Habt ihr einen Tipp, womit wir weiterkommen 
könnten? Oversampling? Irgendeine andere Idee, wie man diese 
Störkapazität flexibel ausgleichen kann?

Viele Grüße
Peter

von Pandur S. (jetztnicht)


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Weshalb auf eine komplizierte Loesung ausweichen wenn es einfacher gehen 
koennte ?
Leitungen neu legen ? Differentielle Leitungen sollten eh verdrillt 
sein.
Eine verdrillte Leitung fuer die Anregung, eine verdrillte Leitung fuer 
die Messstellen. Allenfalls einen Verstaerker bei der Bruecke 
platzieren.

von Achim S. (Gast)


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Wird die Brücke derzeit asymmetrisch versorgt? D.h. über die 30nF fällt 
die vergleichsweise riesige Gleichtaktspannung ab (halbe 
Versorgungsspannung)?

Dann würde dir eine symmetrische Brückenversorgung etwas weiter helfen. 
Der Kondensator sieht dann nur noch die wahrscheinlich viel kleinere 
Differenzspannung und verzieht die Brücke nicht ganz so sehr.

Trotzdem würde ich keine Widerstandsbrücke betreiben wollen, an deren 
einem Ende 30nF hängen. Und ich glaube nicht, dass deine 
Digitalisierungsideen dir weiter helfen. Wie Jetzt Nicht geschrieben 
hat: das Problem an der Wurzel anpacken, ggf. direkt am Ausgang der 
Brücke verstärken.

Woher kommen eigentlich diese 30nF.

von Peter (Gast)


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Moin zusammen,

vielen Dank für die Antworten. Das mit den verdrillten Leitungen wissen 
wir, nur funktioniert das in dieser Anwendung leider nicht, weil es sich 
um ein mikrosystemtechnisches Bauteil in Dünnschichttechnik handelt, bei 
dem dummerweise die Leitungen auch in Dünnschichttechnik aufgebaut sind. 
Und zwischen der Leitung und dem (geerdeten) Substrat befinden sich nur 
einige 10 nm Isolation. Mit Verdrillen is also nich...

Aus baulichen Gründen können wir auch mit der Elektronik nicht dichter 
an die Messstelle heran. Die Kapazität bleibt also vorhanden, egal wie 
wir uns drehen oder wenden :-(.

Mal ein Gedanke: Am meisten stört die Phasenverschiebung zwischen den 
beiden Messleitungen der Diagonalspannung. Die Sache mit der Amplitude 
lassen wir mal außen vor - da uns eh die Differenz der beiden Signal 
interessiert, kann uns die absolute Höhe der Signale erst einmal egal 
sein. Dann bräuchten wir in der einen Messleitung einen Phasenschieber, 
der das Signal der anderen Leitung als Referenzsignal nutzt und so beide 
Signale wieder phasengleich macht. Was ich bisher gefunden habe, wird 
meist für Mikrowellen eingesetzt... Kennt sich damit jemand näher aus 
und kann mich in die richtige Richtung stubsen?

von Possetitjel (Gast)


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Peter schrieb:

> Und zwischen der Leitung und dem (geerdeten) Substrat
> befinden sich nur einige 10 nm Isolation. Mit Verdrillen
> is also nich...

Nun ja, wenn eine bestimmte Brückenleitung zwangsweise
kapazitiv geerdet ist, dann richtet Ihr die Speisung
eben so ein, dass diese Leitung TATSÄCHLICH Erdpotenzial
hat. Dann ist die Wirkung der Kapazität eliminiert.

von Achim S. (Gast)


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Peter schrieb:
> Am meisten stört die Phasenverschiebung zwischen den
> beiden Messleitungen der Diagonalspannung. Die Sache mit der Amplitude
> lassen wir mal außen vor - da uns eh die Differenz der beiden Signal
> interessiert, kann uns die absolute Höhe der Signale erst einmal egal
> sein.

Wenn der Kondensator die Phase verschiebt, dann hat die 
Differenzspannung auch die falsche Amplitude (30nF bei 10kHz sind 
~550Ohm). Und das kannst du einfach durch einen Phasenschieber nicht 
ausgleichen.

Possetitjel schrieb:
> Nun ja, wenn eine bestimmte Brückenleitung zwangsweise
> kapazitiv geerdet ist, dann richtet Ihr die Speisung
> eben so ein, dass diese Leitung TATSÄCHLICH Erdpotenzial
> hat. Dann ist die Wirkung der Kapazität eliminiert.

das geht in die ähnliche Richtung wie mein Vorschlag:

Achim S. schrieb:
> Dann würde dir eine symmetrische Brückenversorgung etwas weiter helfen.
> Der Kondensator sieht dann nur noch die wahrscheinlich viel kleinere
> Differenzspannung und verzieht die Brücke nicht ganz so sehr.

Wenn nicht ein Ende der Brückenversorgung auf Masse festgenagelt ist: 
versorgt die Brücke über einen Übetrager und legt den kapazitiv 
belasteten Brückenausgang auf Masse.

von Possetitjel (Gast)


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Achim S. schrieb:

> Possetitjel schrieb: [...]
>
> das geht in die ähnliche Richtung wie mein Vorschlag:

Stimmt, in der Tat.

> Achim S. schrieb:
>> Dann würde dir eine symmetrische Brückenversorgung etwas
>> weiter helfen. Der Kondensator sieht dann nur noch die
>> wahrscheinlich viel kleinere Differenzspannung und verzieht
>> die Brücke nicht ganz so sehr.
>
> Wenn nicht ein Ende der Brückenversorgung auf Masse
> festgenagelt ist: versorgt die Brücke über einen Übetrager
> und legt den kapazitiv belasteten Brückenausgang auf Masse.

Kann man bei 10kHz sicher auch mit OPVs machen, mit Rückführung
der virtuellen Masse. Hmm, mir ist jetzt so, als hätte ich
solche Vorschläge schon von AD oder BB gesehen. - Nicht als
Widerspruch zu Deinem Beitrag gedacht, eher als Ergänzung.

von Pandur S. (jetztnicht)


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Man koennte per Transformator (Uebertrager) speisen, und per Uebertrager 
das Signal abgreifen. Mit etwas Glueck muss mich dann gar nichts 
interessieren. Wenn das Sensorsignal eine Phasenverschiebung hat, kann 
man mit der leben, oder sie ignorieren. Ueber alles muss man eh 
kalibrieren.

von Peter (Gast)


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Moin zusammen,

da habe ich ein Verständnisproblem: Bei einer Viertelbrücke steckt meine 
Messinformation lediglich in einer der beiden Messleitungen. Die Leitung 
(Leitung A), die die Seite mit dem DMS abgreift verändert sich durch 
einen veränderten Widerstand des DMS, die andere Leitung (Leitung B) 
sieht nur den Spannungsteiler, vorausgesetzt, die Speisespannung der 
Brücke ist konstant.

Wenn ich nun, wie vorgeschlagen, Leitung A auf Masse lege (weil genau 
diese Leitung kapazitiv verseucht ist), messe ich doch nichts mehr? Oder 
habe ich da einen Denkfehler?

von Achim S. (Gast)


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Wenn die Brücke einen weiteren Erdbezug hat (z.B. durch ein Ende der 
Versorgung), dann hast du Recht: dann schließt du mit der 
Masseverbindung am Ausgang das Signal kurz.

Aber wenn alle anderen Potentiale der Brück floaten, dann kannst du 
einen beliebigen Knoten der Brücke Masse nennen (bzw. ihn mit Masse 
verbinden). Das Signal wird dadurch nicht kurzgeschlossen, weil von 
keinem anderen Punkt der Brücke Ströme nach Masse fließen können (außer 
den gewünschten Strömen über die Brückenwiderstände).

Vielleicht ist es einfache, sich die Sache schrittweise verständlich zu 
machen:

a) mal dir zunächst mal eine Viertelbrücke auf, die an einem Ende mit 
einer Wechselspannung, am anderen Ende mit Masse versorgt wird. Wie groß 
ist jetzt die Spannung an dem parasitären Kondensator?

b) jetzt betrachte die selbe Brücke mit symmetrischer Versorgung (oben 
Wechselspannung, unten die invertierte Wechselspannung). Welche Spannung 
sieht der Kondensator nun?

c) als drittes kannst du dir überlegen, wie sich die Versorgung der 
Brücke einstellt, wenn sie potentialfrei über einen Übertrager zugeführt 
wird.

von Peter (Gast)


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Hallo Achim,

danke für deine Erklärung. Ich habs kapiert, stand vorhin auf dem 
Schlauch. Ich hatte irgendwie noch den Erdbezug der Anregung ohne 
Übertrager in meinen Gedanken drin.

Wir werden das mal ausprobieren.  Mal sehen, was dabei herauskommt. Wir 
haben noch ein paar andere Ideen und werden mal die Simulation bemühen 
um zu sehen, was uns wie gut weiterbringt.

Vielen Dank schonmal an alle Antworter!

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