Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Wieso funktioniert TDR mit Rückleiter besser?


von Ludwig (Gast)


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Hallo,

ich wollte mich gerade über Time Domain Reflectometry(TDR) schlau machen 
und frage mich nun warum man da eigentlich immer zwei parallele Leiter 
braucht (zB: Koaxialkabel oder verdrillte Drähte).

Ich weiß ich stelle mir das sehr Laienhaft vor (weil ich leider noch 
einer bin) aber wenn ich ein mit Luft gefülltes Rohr habe und da nun 
eine Schallwelle reinschicke die zum Teil an einer Verjüngung zur Quelle 
reflektiert wird brauch ich ja auch kein zweites Rohr das daneben liegt.

Wieso funktioniert das bei der Zeitbereichsreflektometrie nicht?
(Laut Aussagen in diesem Forum geht es schon aber nur sehr aufwändig: 
https://www.physicsforums.com/threads/reflectometry-in-single-wire.779230/)
Also anders gefragt: Aufgrund welcher physikalischen Grundlagen geht es 
besser mit einem Rückleiter?

LG, Ludwig

von Falk B. (falk)


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@ Ludwig (Gast)

>ich wollte mich gerade über Time Domain Reflectometry(TDR) schlau machen
>und frage mich nun warum man da eigentlich immer zwei parallele Leiter
>braucht (zB: Koaxialkabel oder verdrillte Drähte).

Weil es auch bei HF ein StromKREIS ist. Man brauch Hin- und Rückleiter.

>Ich weiß ich stelle mir das sehr Laienhaft vor (weil ich leider noch
>einer bin) aber wenn ich ein mit Luft gefülltes Rohr habe und da nun
>eine Schallwelle reinschicke die zum Teil an einer Verjüngung zur Quelle
>reflektiert wird brauch ich ja auch kein zweites Rohr das daneben liegt.

In Kabeln breiten sich Signale nicht wie Mikrowellen oder Licht aus, 
sondern als elektromagnetische Interaktion zwischen den Leitern. Die 
wissenschaftliche Erklärung mit Maxwell dürfen hier gern andere bringen, 
nur wirst du die noch weniger verstehen. :-0

>Wieso funktioniert das bei der Zeitbereichsreflektometrie nicht?

Siehe oben.

>Also anders gefragt: Aufgrund welcher physikalischen Grundlagen geht es
>besser mit einem Rückleiter?

TDR funktioniert nicht wie eine Stabantenne, die auch mit nur einem 
scheinbaen Leiter Energie abstrahlen kann.

von Markus -. (mrmccrash)


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Ich versuche es mal etwas Laienfreundlich zu erklären:

Um bei deinem Rohrbeispiel zu bleiben: Deine Schallwelle braucht ein 
Transportmedium (Luft) und einen Leiter, der die Ausbreitung begrenzt 
(Rohr). Würdest du deinen Impuls jetzt nicht in ein Rohr hinein senden, 
sondern in die freie Luft, hörst du zwar immer noch ein Echo, aber 
dieses ist deutlich undefinierter und verfälscht durch die Umgebung.

Wenn wir das jetzt auf einen elektrischen Leiter übertragen, heißt das: 
Der Impuls auf ein Koaxialkabel gesendet wird sich innerhalb dessen 
ausbreiten und dir Echos entlang der Laufzeit im Kabel zurückgeben. Wenn 
du den Impuls allerdings auf einen losen Draht sendest, hast du eine 
Antenne, die dir alles aus dem Äther empfängt ;-)

Optisches TDR (Glasfasermessung) funktioniert übrigens auch so: Der 
relevante Teil einer Glasfaser besteht aus 2 Glaskomponenten (Core und 
Cladding) mit unterschiedlichem Brechungsindex, die dafür sorgen, dass 
das Optische Signal im Faser-Kern bleibt.

Ich hoffe, für genug Verwirrung gesorgt zu haben ;-)

MfG

von Peter R. (pnu)


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Wenn Du einen Leiter "allein" benutzt, ist das in Wirklichkeit nie der 
Fall.

 Schließlich muss ein elektrischer Stromkreis vorhanden sein, der sich 
dann über Erde oder leitfähige Gegenstände in der Umgebung bildet. Es 
besteht immer ein elektrisches Feld, das andre Leiter einschließt oder 
in der Umgebung endet.

Nun ist aber das Feld um einen einzelnen Leiter offen und sehr von der 
Umgebung abhängig, sodass da im Verlauf der Leitung Kapazitäts- und 
Wellenwiderstandssprünge entstehen können. Das Reflektometer wird meist 
anstelle eines eindeutigen Signals vielfache Reflexionen anzeigen.

Wenn zum Beispiel neben dem offenen Leiter ein Metallgegenstand steht, 
wird an ihm schon eine Reflektion stattfinden.

Bei einem  Rückleiter ist das Feld nahezu immer begrenzt und von der 
Umgebung des Leiterpaars unabhängig, auch werden Abstrahlungs- und 
Empfangsvorgänge weitgehend verhindert, vor Allem bei Koaxialkabeln oder 
Zwillingsadern.

Es bestehen entlang eines gleichmäßigen Leiterpaars also weitgehend 
keine Sprungstellen bezüglich Kapazität, Induktivität, Wellenwiderstand, 
Belastung usw. sodass die Reflektionen an Störstellen wirklich eindeutig 
erkannt werden.

Auch sind die Verluste beim Einzelleiter durch Abstrahlung derart groß, 
dass nach relativ kurzen Strecken Reflexionen nicht mehr messbar sind..

: Bearbeitet durch User
von Marian (phiarc) Benutzerseite


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Ludwig schrieb:
> Ich weiß ich stelle mir das sehr Laienhaft vor (weil ich leider noch
> einer bin) aber wenn ich ein mit Luft gefülltes Rohr habe und da nun
> eine Schallwelle reinschicke die zum Teil an einer Verjüngung zur Quelle
> reflektiert wird brauch ich ja auch kein zweites Rohr das daneben liegt.

Um bei dem Rohrvergleich zu bleiben: Bei einem Koaxkabel sind nicht die 
Leiter, sondern das Dielektrikum das Medium (für die elektromagnetische 
Welle im Kabel). Und von dem hast du auch nur eines.

von Georg (Gast)


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Marian B. schrieb:
> Um bei dem Rohrvergleich zu bleiben: Bei einem Koaxkabel sind nicht die
> Leiter, sondern das Dielektrikum das Medium (für die elektromagnetische
> Welle im Kabel). Und von dem hast du auch nur eines.

Tolle Theorie - dann könnte man also Innenleiter und Mantel weglassen 
und das Signal nur durch ein Schaumstoffrohr schicken? Unglaublich was 
man da einsparen kann.

Georg

von wusel wusel (Gast)


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Jaja

Man kann auch den Hohlleiter mit Schnaps füllen und austrinken....

von Arno H. (Gast)


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Georg schrieb:
> Tolle Theorie - dann könnte man also Innenleiter und Mantel weglassen
> und das Signal nur durch ein Schaumstoffrohr schicken? Unglaublich was
> man da einsparen kann.
>
> Georg

OT: Fast, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Goubau-Leitung

Arno

von Peter R. (pnu)


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Georg schrieb:
> Tolle Theorie - dann könnte man also Innenleiter und Mantel weglassen
> und das Signal nur durch ein Schaumstoffrohr schicken? Unglaublich was
> man da einsparen kann.

Natürlich gibt es das, als sog. dielektrischen Wellenleiter. Hat halt 
nicht die Verlustarmut wie ein Hohlleiter, ist aber durchaus verwendbar. 
Da braucht man nur am Ende und am Anfang eine Antenne, die das Signal an 
den Wellenleiter übergibt.

Übrigens ist ein Glasfaser-Lichtleiter nichts andres als solch ein 
Wellenleiter ohne Metalldraht oder Metallmantel.

von Walter T. (nicolas)


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Georg schrieb:
> Tolle Theorie - dann könnte man also Innenleiter und Mantel weglassen
> und das Signal nur durch ein Schaumstoffrohr schicken?

Genau wie bei der Wasserleitung. Das eigentliche Transportmedium ist ja 
nicht die Rohrwand, sondern der Hohlraum dazwischen. Und das 
funktioniert sogar praktisch:

https://www.youtube.com/watch?v=aArEzu8upuo

von Ludwig (Gast)


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Okay, das hilft mir schonmal weiter!

Das heißt man kann sagen, dass
- bei Koaxial- oder Zwillingskabeln der Wellenwiderstand konstant ist, 
wodurch wirklich nur am Ende des Kabels (oder etwaige Fehlstellen) etwas 
reflektiert wird und
- die Schirmung eine Abstrahlung des Impulses verhindert und somit am 
Ende auch noch was da ist das reflektiert und an der Quelle empfangen 
werden kann.

So weit, so gut.
Angenommen ich bau das auf. Funktionsgenerator - Koaxialkabel - 
BNC-T-Stück mit Oszilloskop - noch ein Koaxialkabel und da dran am 
Innenleiter den Innenleiter meines zu messenden Koaxialkabels.
Was passiert nun wenn ich die Schirmung des zu messenden Koaxialkabels 
nicht mit der Schirmung/Masse von Signalgenerator und Oszilloskop 
verbinde?

Ich nehme an dass ich dann wieder nichts messe. Aber warum ist das so?
Wieso brauche ich den Bezug zum Schirm wenn am Innenleiter eine Welle an 
Elektronen daherschwappt und ins Oszi fließt?



Sorry für die bildlichen Vergleiche, ich hoffe davon bekommt niemand 
graue Haare ;)

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Ludwig schrieb:

> Das heißt man kann sagen, dass
> - bei Koaxial- oder Zwillingskabeln der Wellenwiderstand konstant ist,

Idealerweise ja.

> wodurch wirklich nur am Ende des Kabels (oder etwaige Fehlstellen) etwas
> reflektiert wird

Ja.

Falls du zwischendrin Stoßstellen mit Impedanzsprüngen hast, kannst
du diese ebenfalls herausfinden.

> somit am
> Ende auch noch was da ist das reflektiert und an der Quelle empfangen
> werden kann.

Das ist der springende Punkt, weshalb man das nicht endlos weit
treiben kann.

> Was passiert nun wenn ich die Schirmung des zu messenden Koaxialkabels
> nicht mit der Schirmung/Masse von Signalgenerator und Oszilloskop
> verbinde?

Du wirst eine starke Stoßstelle messen.  Je nachdem, wieviel Signal
dort überhaupt noch weitergeleitet wird, kannst du damit das Ende
u. U. gar nicht mehr erkennen.

von Wolfgang A. (Gast)


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Falk B. schrieb:
> TDR funktioniert nicht wie eine Stabantenne, die auch mit nur einem
> scheinbaen Leiter Energie abstrahlen kann.

Dazu kommt noch, dass eine Stabantenne de facto ein aufgeklappter 
Schwingkreis mit Kondensator ist. Und der hat nun  mal auch zwei Leiter.

p.s. Ohne den zweiten Leiter (Gegengewicht) ist der Wirkungsgrad einer 
Stabantenne bekanntlich unterirdisch.

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