Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik 21V hochohmig auf µC Pin


von Bernd (Gast)


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Hallo zusammen,

eine wahrscheinlich etwas blöde Frage: Was passiert, wenn ich 21V über 
einen großen Widerstand (sagen wir 100k) auf den I/O eines µC schalte?
a) Wenn der µC aus ist?
b) Wenn der PIN ein Eingang ist?
c) Wenn der Pin ein Ausgang ist?

Bei C) würde ich mal sagen, dass der µC die Spannung am Pin definiert 
und dann eben so viel Strom in den Pin fließt, wie nach I=U/R eben durch 
die Widerstand fließen würde. Sollte ja unkritisch sein. Aber was ist 
mit den anderen Fällen? Könnte das dem Controller schaden?

Ich kann mir denken, dass das auch ein bisschen auf den µC ankommt, aber 
bestimmt lassen sich auch pauschale Aussagen Treffen.

von Falk B. (falk)


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@Bernd (Gast)

>eine wahrscheinlich etwas blöde Frage: Was passiert, wenn ich 21V über
>einen großen Widerstand (sagen wir 100k) auf den I/O eines µC schalte?
>a) Wenn der µC aus ist?

Was ist bei dir "aus"? Stromlos? Dann lädt der IO-Pin über die interne 
Klemmdiode die Versorgung des uC auf. Ggf. läuft der dann los, wenn der 
Stromverbrauch sehr klein ist.

>b) Wenn der PIN ein Eingang ist?

Der Strom fließt über die Klemmdiode nach Vcc.

>c) Wenn der Pin ein Ausgang ist?

Der Strom fließt über die Ausgangstransistoren nach Vcc oder GND, je 
nach Ausgangspegel.

>die Widerstand fließen würde. Sollte ja unkritisch sein. Aber was ist
>mit den anderen Fällen? Könnte das dem Controller schaden?

Nein.

von Uwe B. (Firma: TU Darmstadt) (uwebonnes)


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In der Regel werden digitale Teile Deines uCs weiter funktionieren. 
AnalogeTeile wie ADCs kommen dagegen gerne dabei durcheinander. Siehe 
"injected current" in den STM32 Datenblaettern.

von Jim M. (turboj)


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Bernd schrieb:
> Sollte ja unkritisch sein. Aber was ist
> mit den anderen Fällen? Könnte das dem Controller schaden

Unwahrscheinlich. Aber falls die Block-Elkos ausreichend Ladung 
bekommen, könnte der µC unerwartet eingeschaltet werden. Wenn dann noch 
wichtige Sachen wie Brownout-Reset aus sind, könnte durchaus Flash 
Inhalt durch Unterspannungsausfälle gelöscht werden.

Aber bei 100k Widerstand ist es sehr unwahrscheinlich, dass die µC 
Versorgung über die Reset-Schwelle kommt. Kommt aber auf die konkrete 
Schaltung und den µC an.

Note: Es gibt µCs, die im Power-off nur noch nA brauchen. Die könnte man 
mit 21 Volt über 100k am Pin IMO sogar zerstören.

: Bearbeitet durch User
von Bernd (Gast)


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Vielen Dank für die Antworten. Die unterschiedlichen Fälle waren 
hauptsächlich fürs Verständnis. In meinem Fall ist der µC immer an und 
der Pin immer als Eingang verschaltet. Somit werde ich es mal so 
probieren.

von Planlos (Gast)


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Bernd schrieb:
> Somit werde ich es mal so
> probieren.

Achte aber darauf, ob dein µC die oben angesprochenen Klemmdioden 
("ESD-Schutz-Dioden") tatsächlich besitzt.

Atmel-AVRs haben diese, bis auf den Reset-Pin, bei dem fehlt die Diode 
"nach oben", um HV-Programmierung zu erlauben.

von Ingo L. (corrtexx)


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Jim M. schrieb:
> Unwahrscheinlich. Aber falls die Block-Elkos ausreichend Ladung
> bekommen, könnte der µC unerwartet eingeschaltet werden.
Um das zu unterdrücken kann man dem Spannungsregler eine Mindestlast 
verpassen, die leitet dann die Ströme durch die Klemmdioden des µCs 
wieder nach GND ab und alles bleibt bei definierten Zuständen

von Der Andere (Gast)


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Bernd schrieb:
> In meinem Fall ist der µC immer an und
> der Pin immer als Eingang verschaltet. Somit werde ich es mal so
> probieren.

Und was spricht gegen einen einfachen Spannungsteiler oder eine Z Diode 
mit Vorwiderstand?

von Ulrich F. (Gast)


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Der Andere schrieb:
> Und was spricht gegen einen einfachen Spannungsteiler oder eine Z Diode
> mit Vorwiderstand?
Telepathie!
Die Z Diode und auch der Spannungsteiler beherrschen keine Telepathie.
Sie wissen nicht ob die Versorgung abgeschaltet ist.
Und sowieso könnten sie nicht darauf reagieren, selbst wenn sie wollten.
Keine Arme, keine Kekse.

von Bernd K. (prof7bit)


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Planlos schrieb:
> Achte aber darauf, ob dein µC die oben angesprochenen Klemmdioden
> ("ESD-Schutz-Dioden") tatsächlich besitzt.

Die sind da nicht als "ESD-Schutz-Dioden" drin sondern deshalb weils gar 
nicht anders geht, weil die Mosfets der Ausgangstreiber prinzipbedingt 
parasitäre PN-Übergänge haben die sich so auswirken als hätte man da 
eine Diode eingabaut, die sogenannte Body-Diode (<-- Google das).

> Atmel-AVRs haben diese, bis auf den Reset-Pin, bei dem fehlt die Diode
> "nach oben", um HV-Programmierung zu erlauben.

Die Body-Diode ist selbstverständlich auch im Ausgangstreiber des 
Reset-Pin enthalten, nur zusätzlich hat man an diesem Pin noch ne 
weitere Diode in Reihe zwischen High-Side-Treiber und Ausgangspin 
eingebaut so daß dieser Pin dort von außen höher als Vcc getrieben 
werden könnte, ohne daß ein Kurzschluß entstünde. Das Vorhandensein 
dieser zusätzlichen Diode merkt man daran daß dieser eine Pin (sofern 
man ihn als Ausgang verwendet) bei high immer noch ein paar hundert 
Millivolt niedriger ist als alle anderen.

: Bearbeitet durch User
von eagle user (Gast)


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Diese "Schutzdioden" hier wirken wie normale Dioden nach VCC und GND, 
leiten aber 99% des Stroms direkt nach GND ab. Nach VCC fließt nur noch 
der Basisstrom.

von Planlos (Gast)


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Bernd K. schrieb:
> Die sind da nicht als "ESD-Schutz-Dioden" drin

Anhang 1 aus dem Mega328-Datenblatt,
Anhang 2 aus AVR-Appnote 040.

Wenn Atmel die als "ESD-Protection-Diodes" betiteln darf, dann darf ich 
das auch.

von Bernd (Gast)


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Habe ich es nun richtig verstanden, dass ich durch die Ausgangstreiber 
immer Body-Dioden am Ausgang habe und somit mit den Klemmdioden rechnen 
kann, auch wenn sie im Datenblatt nicht erwähnt werden? Die Suche nach 
"Diode" im Datenblatt führte zu keinem relevanten Treffer.

von WehOhWeh (Gast)


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Bernd schrieb:
> Habe ich es nun richtig verstanden, dass ich durch die
> Ausgangstreiber
> immer Body-Dioden am Ausgang habe und somit mit den Klemmdioden rechnen
> kann, auch wenn sie im Datenblatt nicht erwähnt werden? Die Suche nach
> "Diode" im Datenblatt führte zu keinem relevanten Treffer.

Sicher nicht!
Sonst wären 5V-Tolerante Eingänge generell nicht möglich. Es gibt aber 
µC  die Ausgänge mit push-pull-Stufe mit 5V-toleranten Eingängen 
multiplexen (konkretes Beispiel: STM32F072).

Näheres kann dir nur das Datenblatt deines µControllers sagen.

Und Folgendes wäre auch zu beachten:
Oft ist zwar ein zulässiger Strom durch die Clampingdioden angegeben, 
aber nur in den "Maximum Ratings".

Das bedeutet:
Der µC verkraftet diesen Strom ohne Schaden, ABER die Funktion als 
Eingang / Ausgang wird nicht garantiert.
Das wäre bei einer solchen Schaltung ebenfalls zu berücksichtigen.

Ein weiteres Problem kann das Hochdriften deiner Versorgung sein, du 
musst zu 100% sicher sein, dass die Stromaufnahme in deiner 
µC-Versorgung in allen Betriebsfällen höher ist als der geklemmte Strom. 
Auch im Reset oder sleep. Die Stromaufnahme vieler µC ist im Reset ist 
aber oft sehr gering.
Ein simpler Widerstand zwischen Versorgung und GND kann das Problem 
lösen.

von Planlos (Gast)


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Bernd schrieb:
> Habe ich es nun richtig verstanden, dass ich durch die Ausgangstreiber
> immer Body-Dioden am Ausgang habe

Nein.
Die "Body"- oder "Substrat"-Dioden gehen "Zum Substrat".

Bei den "Dreibeinigen" FETs zum selberlöten verbindet man das Substrat 
mit Source, und hat so eine definierte Diode.

Innerhalb eines Chips ist das nicht so einfach, alle FETs teilen sich 
dasselbe Substrat, sie liegen am selben Silizium-Kristall.

Mit CMOS wird's komplexer, die dazu nötigen P-Kanal-FETs liegen in 
eigenen "Inseln". (Bild)
Ob und wohin diese Inseln verbunden sind, ist dem Chipdesigner 
überlassen
('B'-Anschluss im Wiki-Bild)

Deswegen tut man sich leicht, "5V-Tolerante"-GPIOs in 3.3V-Chips 
einzubauen, aber "Minus 1.7V-Tolerante"-GPIOs sind schwer :)


---

"Cmos impurity profile" by Reza Mirhosseini - originally uploaded to 
en.wikipedia (file log). Licensed under Public Domain via Commons - 
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cmos_impurity_profile.PNG#/media/File:Cmos_impurity_profile.PNG

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Planlos schrieb:
> Bernd schrieb:
>> Habe ich es nun richtig verstanden, dass ich durch die Ausgangstreiber
>> immer Body-Dioden am Ausgang habe
>
> Nein.

Du spaltest Haare.

> Die "Body"- oder "Substrat"-Dioden gehen "Zum Substrat".
> Bei den "Dreibeinigen" FETs zum selberlöten verbindet man das Substrat
> mit Source, und hat so eine definierte Diode.
>
> Innerhalb eines Chips ist das nicht so einfach, alle FETs teilen sich
> dasselbe Substrat, sie liegen am selben Silizium-Kristall.

Richtig. Und dieses Substrat ist praktisch immer Vss (für all n-MOSFET 
auf dem Chip) bzw. Vcc (für all p-MOSFET auf dem Chip). Die MOSFETs des 
Ausgangstreibers hängen mit ihren Source-Anschlüssen aber ebenfalls an 
Vss bzw. Vcc. Womit sich für diese MOSFET exakt die selbe Situation wie 
für einen diskreten MOSFET ergibt: Substrat=Source und deswegen eine 
Diode zwischen Source und Drain. Wobei das je nach µC auch eigene Vcc_io 
und Vss_io Anschlüsse sein können.

von Planlos (Gast)


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Bernd schrieb:
> immer

Axel S. schrieb:
> praktisch immer

Deshalb die Haarspalterei.

WehOhWeh schrieb:
> Sonst wären 5V-Tolerante Eingänge generell nicht möglich.

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