Forum: Mechanik, Gehäuse, Werkzeug Wie genau vibrieren Rütteltöpfe/Schwingförderer


von svep (Gast)


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Hallo, ich find ja diese Rütteltöpfe interessant wo sich die Teile 
einfach so im Kreis drehen und verschiedene Schikanen passieren müssen 
um dann am Schluß in nur einer definierten Lage aus der Maschine zu 
kommen. Einfach genial wie einfach aber wirkungsvoll diese Schikanen 
gelöst sind!

https://www.youtube.com/watch?v=QsJzSFVAnhk

Ich wollte mal so ein Rütteltopf in ganz klein nachbauen. Dazu hatte ich 
eine Bon-Bon Blechdose genommen und sie mit dem Bodenmittelpunkt genau 
auf die Drehachse eines Linear Festplattenmotors montiert. Anschließend 
den Linear Motor mit Wechselspannung betrieben so das die Bon Bon Dose 
um die Z-Achse drehend zu vibrieren begann. Ich hatte vergeblich gehofft 
das sich die Teile in der Dose nun durch irgendwelche Unregelmäßigkeiten 
in irgend eine Richtung, wie bei den großen Vorbildern, bewegen.

Wie machen die das? Wie wird der Topf gerüttelt damit die Teile im Topf 
sich im Kreis bewegen?

Zwei Lösungen würden mir noch selber einfallen die ich aber nicht mit 
mit meinem einfachen Aufbau probieren konnte. Vieleicht ist eine davon 
ja schon richtig:
1)
Der Topf wird in eine Richtung langsam vorwärts gedreht so das die Teile 
es schaffen mitzukommen und in der Rückwärtsrichtung ganz schnell so das 
die Teile es durch ihre Trägheit nicht schaffen dem Topf zurück zu 
folgen. So müßten sich die Teile doch endlich im Topf im Kreis drehen?

2)
Oder noch komplizierter: Der Topf rüttelt sich drehend um die Z-Achse 
hin und her, aber gleichzeitig hebt und senkt er sich synchron. Beim 
heben des Topfes hätten die Teile dann nämlich eine bessere Bodenhaftung 
und beim senken eine schlechtere.

von Max M. (jens2001)


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svep schrieb:
> Der Topf rüttelt sich drehend um die Z-Achse
> hin und her, aber gleichzeitig hebt und senkt er sich synchron. Beim
> heben des Topfes hätten die Teile dann nämlich eine bessere Bodenhaftung
> und beim senken eine schlechtere.

Gratulation!
Genau so geht das!
Aber das ist garnicht kompliziert. Die Schwingelemente sind einfach am 
Rand herum schräg angeordnet. Da ergibt sich die Bewegung von allein.

von Peter Vogl (Gast)


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Hallo *.
Das mit den schräg angeordneten Schwingelementen ist richtig. Aber dann 
wird es doch kompliziert: Diese schräg angeordneten Blattfederpakete 
bilden zusammen mit der Masse des Topfes und des Fördergutes ein 
schwingungsfähiges System welches auf seiner Resonanzfrequenz angeregt 
werden muss. Üblicherweise verwendet man hierzu Wechselstrommagnetspulen 
mit U-förmigem Kern aus Trafoblech. Diese Spulen sind an der 
Trägerplatte der Antriebseinheit montiert, wo auch das untere Ende der 
Federpakete schräg angeschraubt ist. Auf der oberen Schwingplatte 
befindet sich mit ca.1mm Luftspalt das zu jedem U-Magneten gehörige Joch 
, das ebenfalls aus Trafoblech besteht. Die Federpakete sind an der 
Schwingplatte ebenfalls angeschraubt und stellen somit den Luftspalt 
konstant.
Wird die Spule nun mit Wechselstrom beaufschlagt, wird das Joch im 
Rhythmus des Stromes von der Spule angezogen. Im Nulldurchgang jeder 
Halbwelle wird das Joch durch die Kraft der Federpakete wieder in die 
ursprüngliche Lage bewegt. Hierdurch entsteht die gewünschte 
Hub-Dreh-Bewegung, welche die Teile im Topf fortbewegt.
Damit das Ganze funktioniert, muss die Erregerfrequenz wie gesagt zur 
Eigenfrequenz des Systems passen. Dies kann erreicht werden, durch 
Hinzufügen oder Entfernen einzelner Federbleche ( bei Betrieb mit 50Hz 
Wechselstrom) oder durch variable elektronisch erzeugte Frequenz.
Hoffe das hilft weiter.
Schönen Gruß
Peter

von Boris O. (bohnsorg) Benutzerseite


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Und der Fachbegriff ist ein feines Ungetüm: Vibrationswendelförderer

von Max M. (jens2001)


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Mit "nicht kompliziert" meinte ich dass dazu keine 2 separaten Antriebe 
für die Drehbewegung und die Hubbewegung erforderlich sind.

von c.m. (Gast)


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Peter Vogl schrieb:

> Damit das Ganze funktioniert, muss die Erregerfrequenz wie gesagt zur
> Eigenfrequenz des Systems passen. Dies kann erreicht werden, durch
> ... durch variable elektronisch erzeugte Frequenz.

wie wird diese frequenz ermittelt? gibt es z.b. mit g-sensoren eine 
möglichkeit "jetzt hab ich resonanz" zu ermitteln?

von PSblnkd (Gast)


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@svep
Solche Vibrationsförderer sind schon seit Jahrzehnten im Einsatz - auch 
bei uns in der damaligen DDR. Als ich im VEB Elektromat Dresden meine 
Lehre als Elektromechaniker absolvierte, hatte ich mit dem Aufbau von 
Widerstands-Schleifautomaten zu tun und dort kamen diese ca. 30cm großen 
"Töpfe" zum Einsatz - Betriebsfrequenz 50Hz.
Die Keramikkörper mit aufgedampfter Kohleschicht mussten in eine 
definierte Lage gebracht werden, damit sie ein Greifarm fassen und in 
die Spindel zum Einschleifen der Wendel setzen konnte. Beim 
Schleifvorgang wurde laufend der Widerstandwert gemessen und wenn der 
vorgegebene erreicht war, fiel der halbfertige Schichtwiderstand einfach 
aus der Spindelhalterung in einen der darunter liegenden 
Aufnahme-Behälter. Dabei wurde auch schon jetzt zwischen "gut" und 
"Ausschuss" unterschieden.
Alles weiter kann nachgelesen werden:
http://www.ps-blnkd.de/Lehrling.htm

Grüsse aus Berlin

PSblnkd

von Max M. (jens2001)


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c.m. schrieb:
> wie wird diese frequenz ermittelt

Messen!
System auslenken, loslassen, Frequenz messen.

Solange keine Umbauten an dem Pott vorgenommen werden bleibt die 
frequenz gleich.

von Vibrateur (Gast)


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> Diese schräg angeordneten Blattfederpakete bilden zusammen
> mit der Masse des Topfes und des Fördergutes ein
> schwingungsfähiges System welches auf seiner
> Resonanzfrequenz angeregt werden muss.
Genaugenommen bilden die beiden über die Federn verbundenen Massen ein 
schwingfähiges System. Man hat also den Topf, die Federn und ein 
Gegengewicht, welches über Puffer vom Boden entkoppelt ist. So wird 
wenig Vibration auf den Stand (die Basis) übertragen.

> wie wird diese frequenz ermittelt? gibt es z.b. mit g-sensoren
> eine möglichkeit "jetzt hab ich resonanz" zu ermitteln?
Ja, die Firma Reovib ist DER Hersteller für solche Frequenzumformer.

Alternativ kann man die Antriebsfrequenz leicht unter oder über der 
Resonanz legen. Durch den Resonanzabstand gewinnt man eine gewisse 
Stabilität. Die alten Braun-Rasierer mit Vib-Antrieb haben eine 
Resonanzfrequenz von 55 Hz, so kann man sie mit 50 oder 60 Hz betreiben.


> Solange keine Umbauten an dem Pott vorgenommen werden
> bleibt die frequenz gleich.
Falsch, die Frequenz sinkt mit der Zeit durch Ermüdung der Federblätter.
Auch die Massenankopplung durch das Produkt verringert die Frequenz 
leicht.

Antrieb über Unwuchtmotoren oder Elektromagnete.
Je nach Aufbau schwingt das System mit der einfachen oder der doppelten 
Frequenz des Stromes (manchmal Wechselstrom, manchmal pulsierender 
Gleichstrom).
Folgende Hersteller sind interessant:
Vibratec, Avitec (ehemals AEG Vibrationstechnik).
Bekannte Blattfedern-Marke ist Scotchplay (ähnlich 
FR4-Platinenmaterial).
Mit diesen Hinweisen findet sich genug weiterführende Literatur.

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