Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Thermische Alterung von Spulenkernen


von Hans Maier (Gast)


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Hallo,

ich habe neulich etwas Interessantes gelesen, und zwar, dass Spulenkerne 
altern und sich aufgrund dessen die Wirbelstromverluste erhöhen. Als 
"Grund" war eine zu hohe Betriebstemperatur angegeben. Woran es 
letztlich physikalisch liegt, darauf wurde aber nicht eingegangen! Und 
genau das interessiert mich. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass es 
eigentlich Bauteile sind, die nicht altern können.
Es stand noch dabei, dass es ein irreversibler Vorgang ist.
Aber was genau passiert dabei?

von Hp M. (nachtmix)


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Hans Maier schrieb:
> dass Spulenkerne
> altern und sich aufgrund dessen die Wirbelstromverluste erhöhen. Als
> "Grund" war eine zu hohe Betriebstemperatur angegeben.

Für welche Art von Kernen soll das gelten?

P.S.:
Ferritkerne sind erst nach dem 2.Wk in Gebrauch gekommen.
Davor gab es aber schon Kunststoff gebundene Eisenpulverkerne und 
solche, die aus hauchdünnem mit Eisenpulver oder Eisenoxid beschichteten 
Papier zusammengeklebt waren.
Bei derartigen Kernen trat tatsächlich Korrosion auf, und die 
Papierstapel lösten sich besonders in feuchter Umgebung allmählich in 
ihre Bestandteile auf.

: Bearbeitet durch User
von Mani W. (e-doc)


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Hans Maier schrieb:
> ich habe neulich etwas Interessantes gelesen, und zwar, dass Spulenkerne
> altern und sich aufgrund dessen die Wirbelstromverluste erhöhen. Als
> "Grund" war eine zu hohe Betriebstemperatur angegeben.

Ich denke, dass es in der Praxis nicht vorkommen wird, ohne die
KERNE auszuglühen...

von Hans Maier (Gast)


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von Knut B. (Firma: TravelRec.) (travelrec) Benutzerseite


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Nimm die Spule mit etwas Reserve in Deine Schaltung und gut ist. Wenn 
der Kern schon auf 150°C kommt, dann ist mit dem Rest der Schaltung 
etwas faul.

von Hans Maier (Gast)


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Mir geht es nur um den physikalischen Vorgang. Probleme habe ich mit 
Spulen keine. Ich will nur wissen, was da passiert. Ich bin momentan 
genauso ungläubig, wie ihr. Aber vielleicht weiß ja jemand zufällig 
etwas darüber...
Hier wird es auch erwähnt, aber genauso wenig erklärt:
http://www.dse-faq.elektronik-kompendium.de/dse-faq.htm

von Bürovorsteher (Gast)


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Wie sollen die Dinger thermisch altern? Man denke an den 
Herstellungsprozess.
Der Schlicker wird bei erheblich höheren Temperaturen gesintert.

von Wolfgang H. (Firma: AknF) (wolfgang_horn)


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Hallo Hans,

Danke für:
> http://www.micrometals.com/thermalaging.html

Aber ich lehne Berichte ab, die Messwerte aufführen, ohne zu sagen, wie 
die zustande gekommen sind.
Ober habe ich die Antwort auf die Hauptfrage überlesen: "Wie bewirkt 
Überhitzung eine Zunahme der Wirbelstromverluste in Eisenpulverkernen?"

Spekulation: Die Eisenpulverteile müssen ja noch heißer sein als der 
Ringkern als Ganzes. Könnten die sogar an die Curie-Temperatur heran 
kommen? Wann verändert sich das Bindemittel und wie?

Ich bleib dabei: Wo "Autsch" beim Anfassen, da ist die Temperatur zu 
hoch.

Ciao
Wolfgang Horn

von Klaus (Gast)


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Hans Maier schrieb:
> Mir geht es nur um den physikalischen Vorgang.

Mir ist keine auf Kerne bezogene Erklärung bekannt, aber eine 
allgemeine. Dir bringt Dich vielleicht weit genug.

Es gibt nur eine Temperatur bei der in Materie auf der atomaren Ebene 
gar nichts passiert. Der absolute Nullpunkt. Das folgt unmittelbar aus 
der Definition der Temperatur, nach beim Nullpunkt keinerlei Bewegung 
(thermische Schwingung) der Atome vorliegt.

Die andere Veränderung, die eintreten kann, ist letztlich auf den 
Übergang von Elektronen zurückzuführen. Ohne das, können keine Ionen 
entstehen und damit keine chemischen Reaktionen. Formal gesehen darf 
dann auch keine andere Energieform einwirken, damit "gar nichts" mit den 
Elektronen passiert.

Je höher die Temperatur steigt, desto wahrscheinlicher werden die zwei 
Möglichkeiten: Die Veränderung von Positionen der Atomen und die von 
Elektronen, wobei letzteres unter Umständen eine Veränderung des 
Materialverbundes bewirkt.

Physikalisch wird das einerseits unter dem Stichwort Bindungsarten 
(hauptsächlich ein Thema in der Chemie) beschrieben. Die üblichen 
Kernmaterialien sind Sinter aus Bindematerial und Metall. Zusätzlich 
spielt die Brownsche-Bewegung (Temperatur) eine Rolle.

Beide Effekte bewirken, dass sich unter Energieeinwirkung die Struktur 
des Kernmaterials unmerklich - je höher die Temperatur ist, desto 
schneller - verändert. Die Wirkung des Kerns beruht aber darauf, dass 
das Material seine definierten Eigenschaften eben hat.

Diese Erklärung ist relativ allgemein und kann unter Gesichtspunkten der 
Permeabilität, Hysterese etc. als Veränderung der 
Strom-Magnetismus-Wechselwirkung auch gezielter beschrieben werden.

Das ist sehr allgemein beschrieben, sollte Dir aber Stichworte für 
eigene Recherchen geben. Es mag auch sein, dass das ein oder andere 
Detail so nicht stimmt. Ich habe das eben aus meinem Gedächtnissieb 
zusammengeklaubt.
Man kann das bestimmt auch besser erklären.

Zusammengefasst, bewirkt Wärme eine Veränderung von Material. Je höher 
desto schneller.


P.S. Da der Einwand kam: Hohe Temperatur an sich, ist allein nicht 
ausschlaggebend, sondern die Energiemenge die über die Zeit einwirkt. 
Ein kurzer Moment mit hoher Temperatur und der Formgebung wirkt anders 
als langfristige Einwirkung, die auf die Dauer höhere Energiemengen 
bedeutet, so das sich die Wirkung akkumuliert.

von hinz (Gast)


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Hans Maier schrieb:
> Mir geht es nur um den physikalischen Vorgang.

Rekristallisation

von Pandur S. (jetztnicht)


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Die Curietemperatur besagt ein Ferromagnet verliert sein statisches 
Feld. Ein Ferrit hat aber kein statisches Feld.

Ist es nicht eher, dass div B =0 meint, es gibt keinen neuen Feldlinien, 
resp wenn die aufgebraucht sind ist auch nichts mehr ?

von Wolfgang H. (Firma: AknF) (wolfgang_horn)


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Hi, Oder D.,

> Die Curietemperatur besagt ein Ferromagnet verliert sein
> statisches Feld. Ein Ferrit hat aber kein statisches Feld.

Wikipedia: "Die materialspezifische Curie-Temperatur ... bezeichnet die 
Temperatur, bei deren Erreichen ferromagnetische bzw. ferroelektrische 
Eigenschaften eines Materials vollständig verschwunden sind,"

Sowie: "Ferrite (je nach Zusammensetzung):   100…460 °C"

Die Arbeit von Micrometals beschrieb aber das Verhalten von 
Eisenpulverkernen. Deren Curie-Temperatur liegt deutlich höher. Mir 
fehlen aber die Informationen, um die Wärmeleitfähigkeit des 
Bindemittels abschätzen zu können und damit, wie heiß die 
Eisenpulverpartikel werden können, wenn der ganze Kern auf nur 100 °C 
kommt.

Ciao
Wolfgang Horn

von Hans Maier (Gast)


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Wäre das denn irreversibel?

von hinz (Gast)


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Die Alterung hat nichts mit der Curietemperatur zu tun.

von Wolfgang H. (Firma: AknF) (wolfgang_horn)


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Hi, Hans,

> Wäre das denn irreversibel?
Hast Recht, sicher wäre das reversibel und hätte nichts mit Alterung zu 
tun.

Nach wie vor hätte ich ganz gern Kenntnis von dem Alterungsprozess, den 
Micrometals da aufgenommen hat.

Ciao
Wolfgang Horn

von Hans Maier (Gast)


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Tja, und genau darüber zerbreche ich mir auch den Kopf. ;) Interessant 
ist ja, dass man davon nirgendwo sonst liest (auch DSE-FAQ hat ja 
eigentlich nur abgeschrieben)...

Wenn es etwas mit Bildung von Kristallen zu tun hat... warum gibt es 
keine Detailinfos darüber.

Im Prinzip heißt das Ganze ja, dass man eigentlich keine Spulen 
"recyclen" sollte. Bei Elkos leuchtet das ein. Aber bei Spulen... Das 
ist der Grund, aus dem mich das interessiert.

von Wolfgang H. (Firma: AknF) (wolfgang_horn)


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Hans,

> Wenn es etwas mit Bildung von Kristallen zu tun hat...
Physikalisch gedacht - Eisen ist ziemlich robust, Eisenpulver auch.
Was sowieso aus der Schmelze gewonnen wurde, das darf auch ruhig 
rekristallisieren.

Die Schwachstelle ist das Bindemittel. Aber auch das dürfte robust sein, 
wenn die Bedingungen laut Datenblatt eingehalten werden.

Ciao
Wolfgang Horn

von Lurchi (Gast)


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Damit es im Eisenmaterial zur Rekritstallisation kommt, müsste die 
Temperatur viel höher (z.B. 500 C) sein. Das Bindemittel (ggf. 
Kunststoff) bzw. die Isolierschicht kann sich aber ggf. schon früher 
verändern und so ggf. Wirbelstromverluste vergrößern. Auch könnte sich 
durch Abbau von inneren Spannungen die Permeabinität vergrößern, so dass 
man ggf. eher in die Sättigung kommt.

von Hp M. (nachtmix)


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Aus dem Link:
>All iron powder cores, regardless of the manufacturer, are susceptible to 
>permanent increases in core loss when exposed to elevated temperatures for 
>extended periods of time.

EISENPULVER-kerne!

Du weisst, wo die Funken beim Schleifen und bei Wunderkerzen herkommen?
Das sind winzige Eisenteilchen, die da mit dem Luftsauerstoff 
verbrennen.

Mit Eisenpulver steht das ganze Spektrum von Korrosion offen, 
einschliesslich Reaktionen mit dem Lack.
Eisenpulver reagiert natürlich mit Sauerstoff, und bildet Eisenoxid und 
dies wiederum kann mit Luftfeuchtigkeit reagieren.
Deshalb verwendet man es ja seit Adolf dem Verrückten nicht mehr für 
Kerne in frequenzbestimmenden Induktivitäten. Auch nicht auf 
Kondensatorpapier geschmiert (Ferrocart).

: Bearbeitet durch User
von hinz (Gast)


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Lurchi schrieb:
> Damit es im Eisenmaterial zur Rekritstallisation kommt, müsste die
> Temperatur viel höher (z.B. 500 C) sein.

Nein.

von hinz (Gast)


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Hp M. schrieb:
> Mit Eisenpulver steht das ganze Spektrum von Korrosion offen,
> einschliesslich Reaktionen mit dem Lack.
> Eisenpulver reagiert natürlich mit Sauerstoff, und bildet Eisenoxid und
> dies wiederum kann mit Luftfeuchtigkeit reagieren.

Das hat aber nichts mit der Alterung von Metallpulverkernen zu tun.

von Wolfgang H. (Firma: AknF) (wolfgang_horn)


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Hi, Hp M.,

> Mit Eisenpulver steht das ganze Spektrum von Korrosion offen,
Bisher habe ich das Bindemittel auch als Luftabschluss verstanden. Ich 
meine, die Eisenpulverpartikel seien lackiert, damit sie eben nicht 
zusammenkleben, sondern im Bindemittel schön fein verteilt sind.

Sollte das nicht der Fall sein, sondern das Eisenpulver dem Sauerstoff 
ausgesetzt, wäre das eine plausible Ursache für eine Alterung infolge 
Oxidierung.

Dann wäre eine neue Generation von Eisenpulverkernen zu erwarten, deren 
Partikel vor Sauerstoff geschützt sind. Kerne, die auch die höheren 
Betriebstemperaturen neuester Halbleiter aushalten.

Ciao
Wolfgang Horn

von hinz (Gast)


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Wolfgang H. schrieb:
> Ich
> meine, die Eisenpulverpartikel seien lackiert, damit sie eben nicht
> zusammenkleben, sondern im Bindemittel schön fein verteilt sind.

Sie sind nicht lackiert.

von Hans Maier (Gast)


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Heißt das, bei Ferritkernen tritt der Effekt nicht auf? Keine Alterung?

von hinz (Gast)


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Hans Maier schrieb:
> Heißt das, bei Ferritkernen tritt der Effekt nicht auf? Keine
> Alterung?

So ist es.

von Georg W. (gaestle)


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Hans Maier schrieb:
> Heißt das, bei Ferritkernen tritt der Effekt nicht auf? Keine Alterung?

Wir haben bei Versuchen im Klimaschrank schon bleibende Änderungen der 
Induktivität gesehen. Das Kernmaterial war N30 und die Temperatur blieb 
unter der Curie-Temperatur. Die vermutete Ursache waren Änderungen der 
mech. Spannungen.

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