Forum: Mechanik, Gehäuse, Werkzeug Dielektrizitätskonstante (Änderung) von PEEK


von Transi (Gast)


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Hallo Forumsgemeinschaft

Habe eine Frage zur Werkstoffkunde des Kunststoffes PEEK  (Polyether 
ether ketone).

Dieser Werkstoff wird von mir in einer Apparatur als Isolationsmaterial 
zwischen Edelstahlteilen verwendet.Es zeigt sich jetzt in der 
Messtechnischen Untersuchung  dieser Apparatur, dass sich die 
Kapazitäten, welche sich darin Systembedingt bilden, mit der Temperatur 
verändern. Dies ist jetzt nicht ungewöhnlich und wurde so auch erwartet, 
nur dass bei Temperaturen ab 150°C diese Änderungen plötzlich wesentlich 
stärker ausfällt als unter dieser Temperatur. Interessant ist, dass die 
Glastemperatur von PEEK bei 143°C liegt. Somit liegt es nahe, dass sich 
die Dielektrizitätskonstante oberhalb der Glastemperatur ändert. In der 
Literatur habe ich gefunden, dass man die Änderung der 
Dielektrizitätskonstante zur Bestimmung der Glastemperatur herannimmt. 
Es deutet also doch einiges daraufhin, dass die festgestellt Änderung 
der Kapazität ihre Ursache in der Änderung der Dielektrizitätskonstante 
des Kunststoffes PEEK hat.
Allerdings würde ich die Zusammenhänge gerne verstehen, denn nur dann 
kann ich gegebenenfalls diesen Effekt kompensieren. Dies als 
Vorinformation und jetzt meine eigentliche Frage:

Alles was ich bisher gemessen habe legt nahe, dass die 
Dielektrizitätskonstante oberhalb der Glastemperatur des Kunststoffes 
PEEK ansteigt und genau das ist es, was ich nicht verstehen bez. gerne 
verstehen möchte:
Bei Flüssigkeiten nimmt die Dielektrizitätskonstante mit steigender 
Temperatur ab, da die Dipole sich wegen der erhöhten thermischen 
Bewegung nicht mehr so leicht im elektrischen Feld ausrichten. Ist dies 
bei Kunststoffen grundsätzlich anders?

Mir ist bekannt, dass oberhalb der Glastemperatur die Molekülstrukturen 
noch lange nicht aufbrechen, die Moleküle sich aber wohl (mit meinen 
geringen Werkstoffkundekenntnissen formuliert) irgendwie verändern. Ich 
hätte jetzt auch erwartet, dass sich die Dipole wie bei Flüssigkeiten, 
bei höheren Temperaturen durch das Elektrische Feld nicht mehr so leicht 
ausrichten lassen, da sie wegen der höheren Temperatur eine größere 
Eigenschwingung aufweisen und damit die Dielektrizitätszahl mit höheren 
Temperaturen sinken müsste. Allerdings messe ich genau das Gegenteil.

Um mein System zu verstehen ist es wichtig, dass ich weiß was in diesem 
Kunststoff passiert, denn es kann immer noch sein, dass meine 
Beobachtungen eine ganz andere Ursache haben, was die Sache nicht 
einfacher macht, aber ich könnte dann den Isolationsstoff PEEK wenigsten 
ausschließen.

Hat jemand einen Link zu einem Fachartikel, Datenblatt wo die 
Abhängigkeit der Dielektrizitätszahl von der Temperatur von Kunststoffen 
speziell von PEEK aufgeführt ist?

Herzlichen Dank
Transi

von Georg (Gast)


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Transi schrieb:
> dass sich die Dipole wie bei Flüssigkeiten,
> bei höheren Temperaturen durch das Elektrische Feld nicht mehr so leicht
> ausrichten lassen, da sie wegen der höheren Temperatur eine größere
> Eigenschwingung aufweisen

Vermutung: es ist das Gegenteil der Fall, weil die Moleküle oberhalb der 
Glastemperatur beweglicher werden ( genau das sagt ja die Glastemperatur 
aus - darunter ist die freie Bewegung eingefroren).

Transi schrieb:
> Allerdings messe ich genau das Gegenteil.

Da gibt es nichts zu wundern.

Georg

von Transi (Gast)


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@Georg
> Vermutung:

Genau so ist es. Habe ein Datenblatt (von der NASA) gefunden, wo die 
Werte genau aufgelistet sind.
Epsilon bei 20°C 3,13; bei 100°C 3,30 und bei 185°C 4,9
Dies erklärt genau meine (bisher nicht zu deutenden) Messergebnisse.

Im gleichen Datenblatt sind noch einige andere Werkstoffe aufgeführt die 
bezüglich des Epsilon wesentlich stabiler sind. Denke wir bekommen dies 
gebacken. Super ist, dass wir die Zusammenhänge jetzt verstehen.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, --> Problem gelöst.

Herzlichen Dank

von Schnappi (Gast)


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Wo hast du das Datenblatt gefunden?
Link?

von Ansgar Z. (osram)


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Transi schrieb:
> Um mein System zu verstehen ist es wichtig, dass ich weiß was in diesem
> Kunststoff passiert

Das Stichwort lautet:
Van der Waals &oder Wasserstoffbrückenbindung.

Wenn du diese "Bindungsarten" kennst und dir die Strukturformel deines 
Stoffes anguckst kansst du abschätzen was los ist.

Ps.: Reichst du bitte das Datenblatt weiter?
thx

Gruß,
OsRam

von subru (Gast)


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Transi schrieb:
> Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, --> Problem gelöst.

Eventuell solltest du auch berücksichtigen, dass der Einsatz von 
(teil-)amorphen Thermoplasten über der Glastemperatur auch dauerhafte 
Veränderungen durch zunehmende Kristallisation bedingt.

Ich habe da eine Untersuchung an PEEK-Folien ausgegraben, die zeigt:

* der Kristallisationsgrad steigt mit Dauer und Temperatur über Tg 
(Table 1) und ist irreversibel (die Proben wurden kalt gemessen).

* die Leitfähigkeit sinkt mit steigendem Kristallisationsgrad (Fig. 7/8)

* Dielektrizitätskonstante und Kristallisationsgrad sind unkorreliert 
(Fig. 10)

* Spannungsfestigkeit sinkt (Fig. 11)

* die Sprödigkeit nimmt zu (S. 21 Probleme mit Dickenmessung)

http://www.dtic.mil/get-tr-doc/pdf?AD=ADA266027&amp%3BLocation=U2&amp%3Bdoc=GetTRDoc.pdf&origin=publication_detail


Schnappi schrieb:
> Link?
Ich vermute
http://ntrs.nasa.gov/archive/nasa/casi.ntrs.nasa.gov/19920019432.pdf

von Transi (Gast)


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Ihr seid ja super.

> Link?
> Ich vermute ...
Ja, Genau das ist der Link.

Herzlichen Dank

von Andreas R. (rebirama)


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Bedenke auch, dass oberhalb von Tg der Wärmeausdehnungskoeffizient 
schlagartig zunimmt (unabhängig von epsilon). Wenn dein 
Kondensatorplattenabstand durch den Kuststoff bestimmt ist, dann wird 
der Temperaturgang einen zusätzlichen Knick bekommen.

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