Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Standard-Kleinsignaltransistor: P_tot?


von Max Mustermann (Gast)


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Hallo,

ich bin gerade dabei einen kleinen diskreten 10MHz Versärker aufzubauen. 
Mein Problem ist nun die Wahl des Transistors der Ausgangsstufe 
(Kollektorschaltung).

Im Betrieb treten am Transistor folgende Werte auf:
V_ce,max 8V
I_c,max 160mA
W_max 517mA
W_avg 340mA
(bei einer maximalen Arbeitsfrequenz von 10MHz)

Nun zur eigentlichen Frage:
In den Datenblättern der Transistoren ist ja bekanntermaßen die Leistung 
P_tot angegeben. Um welchen Faktor sollte in der Praxis die tatsächlich 
auftretende Leistung niedriger als dieser Wert sein 
(Standard-Kleinsignaltransitoren im TO 92 Gehäuse)?

PS: Im Artikel 
https://www.mikrocontroller.net/articles/Standardbauelemente#Analog sind 
für die gängisten Transitoren sinnvolle Stromwerte angegeben (Warum?). 
Muss man in der Praxis nicht viel mehr auf die im Transistor auftretende 
Leistung achten?

lg
Micheal

von ArnoR (Gast)


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Max Mustermann schrieb:
> Im Betrieb treten am Transistor folgende Werte auf:
> V_ce,max 8V
> I_c,max 160mA

Kling nach 50R.

> W_max 517mA
> W_avg 340mA

Hää?

> In den Datenblättern der Transistoren ist ja bekanntermaßen die Leistung
> P_tot angegeben.

Ja, unter ganz bestimmten Bedingungen und nicht einfach so.

> Um welchen Faktor sollte in der Praxis die tatsächlich
> auftretende Leistung niedriger als dieser Wert sein
> (Standard-Kleinsignaltransitoren im TO 92 Gehäuse)?

Hängt von den Betriebsbedingungen bei dir (Derating) und der gewünschten 
Lebensdauer ab.

von Max Mustermann (Gast)


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ArnoR schrieb:
>> W_max 517mA
>> W_avg 340mA
>
> Hää?

Oh verdammt. Ich meinte P_max = 517mW (Spitzenleistung) und P_avg = 
340mW (Leistungs-Mittelwert).

ArnoR schrieb:
> Hängt von den Betriebsbedingungen bei dir (Derating) und der gewünschten
> Lebensdauer ab.

Die Lebensdauer ist nicht so kritisch, da der Verstärker nicht dauernd 
im Betrieb ist.

Kann man die üblichen Standard-Transistoren unter diesen Bedingungen 
noch einsetzen. Zum Beispiel haben BC337 und BC639 einen Wert von P_tot 
= 625mW angegeben. Ich gehe mal davon aus, dass bei 10MHz der 
Leistungsmittelwert ausschlaggebend ist. Das entspräche einem Verhältnis 
von P_tot / P_avg = 1,8.

Kann man mit diesen Werten einen Versuch mit einem BC337 wagen oder ist 
davon auszugehen, dass der Transistor ohnehin gleich stirbt?

von MaWin (Gast)


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P_tot heisst: Dann ist er tot.

Man tut wirklich gut daran nicht mal die Hälfte real umzusetzen.

340mW in TO92 wird schon warm, geht aber noch.

Wenn die 517mW nur so kurz sind daß die thermische Trägheit überwiegt, 
geht das auch.

Sind die 517mW aber lange genug um das Plastik aufzuwärmen, würde ich 
das lassen.

von Max Mustermann (Gast)


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MaWin schrieb:
> P_tot heisst: Dann ist er tot.

Kann man sagen, dass dann die maximale Betriebstemperatur vom Silizium 
(~125°C) erreicht wird, oder besteht damit kein zusammenhang?

> Man tut wirklich gut daran nicht mal die Hälfte real umzusetzen.
>
> 340mW in TO92 wird schon warm, geht aber noch.
>
> Wenn die 517mW nur so kurz sind daß die thermische Trägheit überwiegt,
> geht das auch.
>
> Sind die 517mW aber lange genug um das Plastik aufzuwärmen, würde ich
> das lassen.

Rein theoretisch pulsiert die Leistung dann ja mit den 10MHz bzw. 20MHz. 
Ich vermute mal dass die genannte thermische Trägheit bei dieser 
Frequenz schon überwiegt.

von ArnoR (Gast)


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Max Mustermann schrieb:
>> P_tot heisst: Dann ist er tot.
>
> Kann man sagen, dass dann die maximale Betriebstemperatur vom Silizium
> (~125°C) erreicht wird, oder besteht damit kein zusammenhang?

Natürlich geht es um die Sperrschicht-Temperatur. In deinem Fall aber 
150°C, Ta=25°C + 0,625W*200K/W = 150°C. Und je heißer, desto schneller 
die Alterung und desto geringer die Zuverlässigkeit.

> Rein theoretisch pulsiert die Leistung dann ja mit den 10MHz bzw. 20MHz.
> Ich vermute mal dass die genannte thermische Trägheit bei dieser
> Frequenz schon überwiegt.

Ja.

von Matthias K. (kannichauch)


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Über 600mW verträgt so ein kleiner mit Kunststoffgehäuse nicht. Ich hab 
was mit meistens 300mW in Erinnerung. Die Angaben sind oft 
gekühlt/ungekühlt.
Überhaupt ist das Datenblatt ausschlaggebend.
Die mit Metallgehäuse vertragen allgemein mehr und lassen sich besser 
kühlen.
Die Umgebungstemperatur, und ich würde sagen, die elektrische 
Belastung(Spannung) spielt auch eine Rolle.
Kurzzeitig, also sehr kurze Impulse, können wesentlich größere 
Leistungen vertragen werden. Da geht es dann um die erreichte 
Substrattemperatur und Stromverträglichkeit der Bonds.

Nimm einen mit etwas mehr als ausreichender Leistung, doppelte Leistung 
ist bei den kleinen auch kein Problem und sicherer, und kühl den gut. Im 
Datenblatt stehen meist auch die Sachen drin, welche die zulässige 
Verlustleistung(Ptot) verringern.
Bei Leistungstransistoren kann es sein, das man Berechnungen mit 
Wärmeleitfähigkeiten durchführen muss.

MfG

von Schreiber (Gast)


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Max Mustermann schrieb:
> )
>
> Nun zur eigentlichen Frage:
> In den Datenblättern der Transistoren ist ja bekanntermaßen die Leistung
> P_tot angegeben. Um welchen Faktor sollte in der Praxis die tatsächlich
> auftretende Leistung niedriger als dieser Wert sein
> (Standard-Kleinsignaltransitoren im TO 92 Gehäuse)?

Da muss man messen und rechnen.
kurze Anschlussbeine und große Kupferflächen auf der Platine können 
helfen. Viel freier Platz auf der Platine und gute Belüftung kann auch 
helfen.

Bei Transistoren mit Kunststoffgehäuse gilt: wenn sie unangenehm heiß 
werden, ist die Leistung definitiv viel zu hoch.
Bei normaler Nutzung sollte man maximal 25% der im Datenblatt 
angegebenen Verlustleistung nutzen. Bei Impulsbelastung die 
Wärmekapazität berücksichtigen.

Kleintransistoren mit Metallgehäuse und Kühlfähnchen sind nicht so 
teuer, dass man sie bei Kleinstserien nicht verwenden könnte.

Max Mustermann schrieb:
> Kann man mit diesen Werten einen Versuch mit einem BC337 wagen oder ist
> davon auszugehen, dass der Transistor ohnehin gleich stirbt?

nicht sofort sterben, aber besonders Zuverlässig wird es vermutlich 
nicht werden. Mit einem vorteilhaften Platinendesign (große 
Kupferflächen auf der Platine, kurze Anschlussbeinchen, gut belüftetes 
Behäuse...) sollte es aber funktionieren.

von Max Mustermann (Gast)


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Dann werde ich mich wohl nach einem anderen Transistor umschauen müssen. 
Konnte jetzt auf die Schnelle keinen heraussuchen. Es ist gar nicht so 
einfach einen passenden Transistor mit den anforderungen P_tot > 1W und 
f_t >100MHz zu finden.

vielen Dank

von ArnoR (Gast)


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Max Mustermann schrieb:
> Dann werde ich mich wohl nach einem anderen Transistor umschauen müssen.
> Konnte jetzt auf die Schnelle keinen heraussuchen. Es ist gar nicht so
> einfach einen passenden Transistor mit den anforderungen P_tot > 1W und
> f_t >100MHz zu finden.

2N2219A im gut kühlbaren TO-Gehäuse.

von Schreiber (Gast)


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MaWin schrieb:
> P_tot heisst: Dann ist er tot.

nein, man kann bei sehr vorteilhaften Umgebungsbedingungen sogar über 
P_tot hinaus gehen ohne ein Bauteil zu überlasten, wirtschaftlich ist es 
aber meist nicht.

Eine Sperrschichttemperatur von 10°C bei Volllast zu erreichen ist zwar 
möglich, ökonomisch vertretbar ist es aber höchstens bei arktischem 
Winterwetter. In der Praxis geht man eher auf 50-100°C 
Sperrschichttemperatur und muss bei der Verlustleistung das Derateing 
berücksichtigen.

von Possetitjel (Gast)


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Max Mustermann schrieb:

> ich bin gerade dabei einen kleinen diskreten
> 10MHz Versärker aufzubauen. Mein Problem ist nun die
> Wahl des Transistors der Ausgangsstufe
> (Kollektorschaltung).

Man kann ggf. mehrere Transistoren parallelschalten
(Ausgleichswiderstände nicht vergessen).

Für 10 MHz findet man auch in TO126 noch was.

> Nun zur eigentlichen Frage:
> In den Datenblättern der Transistoren ist ja bekanntermaßen
> die Leistung P_tot angegeben.

Ja.

> Um welchen Faktor sollte in der Praxis die tatsächlich
> auftretende Leistung niedriger als dieser Wert sein
> (Standard-Kleinsignaltransitoren im TO 92 Gehäuse)?

Die totale Verlustleistung Ptot bezieht sich i.d.R. auf
bestimmte Kühlbedingungen (--> Wärmewiderstand) und eine
bestimmte zulässige Sperrschicht-Temperatur.

Rein theoretisch darfst Du diese Werte voll ausschöpfen.

In der Praxis bemühe ich mich, die Sperrschicht nicht
heißer als ungefähr 100°C werden zu lassen. Das bedeutet,
bei einem Drittel bis der Hälfte von P_tot_zulässig zu
bleiben.

> https://www.mikrocontroller.net/articles/Standardbauelemente#Analog
> sind für die gängisten Transitoren sinnvolle Stromwerte
> angegeben (Warum?).

Warum nicht?

Der Strom ist genauso ein Grenzwert wie die Verlustleistung;
bei der häufigsten Anwendung - nämlich als Schalter - ist
der Strom primäres Auswahlkriterium.

> Muss man in der Praxis nicht viel mehr auf die im Transistor
> auftretende Leistung achten?

Nein - man muss natürlich beides respektieren, Strom UND
Verlustleistung.

Bei Schaltanwendungen wird man häufig durch Ic_max limitiert,
bei linearen Verstärkeranwendungen jedoch durch Pv_max.

von Possetitjel (Gast)


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Matthias K. schrieb:

> Über 600mW verträgt so ein kleiner mit Kunststoffgehäuse
> nicht.

TO92 wird häufig mit 625 mW angegeben; allerdings bei
Sperrschicht-Temperatur 150°C, Umgebungstemperatur 25°C,
Wärmewiderstand 200 K/W.

Wenn man mit Umgebungstemperatur 50°C und maximaler
Sperrschicht-Temperatur von 100°C rechnet, bleiben
nur noch 250 mW übrig.

von Schreiber (Gast)


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ArnoR schrieb:
> Max Mustermann schrieb:
>> Dann werde ich mich wohl nach einem anderen Transistor umschauen müssen.
>> Konnte jetzt auf die Schnelle keinen heraussuchen. Es ist gar nicht so
>> einfach einen passenden Transistor mit den anforderungen P_tot > 1W und
>> f_t >100MHz zu finden.
>
> 2N2219A im gut kühlbaren TO-Gehäuse.

Auch hier: Kühlung nicht vergessen.
Bei 25° Umgebungstemperatur und 0,8W Verlutleistung hat man eine 
Sperrschichttemperatur von 177°C Das Datenblatt lässt 200°C 
Sperrschichttemperatur zu, die Zuverlässigkeit verbessert man auf diesem 
Wege jedoch nicht...

Wer auf Zuverlässigkeit wert legt, der sollte noch einen Kühlstern 
aufstecken. Die paar Cent lohnen sich.

von ArnoR (Gast)


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Schreiber schrieb:
>> 2N2219A im gut kühlbaren TO-Gehäuse.
>
> Auch hier: Kühlung nicht vergessen.

Oh man, was glaubst du wohl hab ich mit "gut kühlbaren TO-Gehäuse" 
gemeint? Natürlich die bekannten Kühlsterne bzw. Klemmkühlkörper.

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