Forum: Platinen SMD Löten mit Reichelt Lötpaste im Backofen


von Simon (Gast)


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Hallo,

ich habe einen alten Backofen mit Umluft und Ober/Unterhitze, den ich 
nicht mehr für Lebensmittel nutze (ist in der Garage an Kraft 
angeschlossen).

Nun würde ich gerne ein paar Platinen bestücken. Kann ich diese Lötpaste 
von Reichelt verwenden?

http://www.reichelt.de/Flussmittel-Loetpasten/CR-44/3/index.html?&ACTION=3&LA=2&ARTICLE=6833&GROUPID=4132&artnr=CR+44&SEARCH=L%F6TPASTE

Die Schmelztemperatur ist mit > 179° angegeben.

http://cdn-reichelt.de/documents/datenblatt/D200/CR44%24%23EDS.pdf

Reicht es da aus, wenn ich die Platinen auf ein Blech (ggf. mit 
Backpapier dazwischen) in 200°C stecke bei Umluft und mit der 
Taschenlampe schaue, ob das Lötzinn verläuft.

: Verschoben durch Moderator
von Rainer U. (r-u)


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Das ist eine witzige Idee, aber die Bauteile werden wohl zu lange zu 
heiß werden. Lies mal hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Reflow-L%C3%B6ten

vielleicht ist das mit der Heizplatte (Herdplatte) was für Dich..

Andersrum - wenn es nicht so teure Bauteile sind - probier es aus. Was 
die einzelnen Chips an Wärmeenergie vertragen, steht meist im 
Datenblatt.

von strabe (Gast)


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kann man den Ofen nicht vorheizen und dann die Platine "kurz" 
reinlegen...?

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Simon schrieb:
> bei Umluft und mit der Taschenlampe schaue, ob das Lötzinn verläuft.

Und dann?  Rausnehmen, und alles verwackelt?

Hab' sowas schon in einem alten Elektrogrill gemacht, allerdings kann
man dort die Oberhitze nach Erreichen der Löttemperatur ausschalten,
sodass sich die Platine zumindest ein wenig wieder abkühlen kann.
Danach kann man sie entnehmen, ohne dass die Bauteile verrutschen.

von Herbert (Gast)


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strabe schrieb:
> kann man den Ofen nicht vorheizen und dann die Platine "kurz"
> reinlegen...?

So einfach ist es auch nicht. Die Bauteile müssen sich langsam erhitzen 
damit die Feuchtigkeit langsam aus dem Plastik des Gehäuses bzw. dem 
Kleber mit dem der Die befestigt ist herausgeht.

Wenn du zu langsam erhitzt (im Backofen heiss machen) dann setzt die 
lange Wirkdauer der Hitze dem Bauteil (erhöhte Diffusion im 
Halbleitermaterial, LED Linsen werden trüb, ...).

Wenn du es zu schnell machst (Aussentemperatur -> Backofen) verdampft 
das Wasser plötzlich, das Bauteil bricht oder platzt auf. Stichwort: 
"Popcorn Effekt".

Damit das nicht passiert gibt es Reflowprofile die das verhindern 
sollen. Zuerst werden Bauteile meistens feuchtigkeitsdicht verpackt 
angeliefert. Wenn das nicht mehr reich / zu lange verpackt war tempert 
man die Bauteile bei ~80°C mehrere Stunden lang. Auch beim eigentlichen 
Reflow Vorgang wird zuerst bei moderater Temperatur getempert, dann wird 
das Bauteil erhitzt (~2°C/s) bis zur Schmelztemperatur des Zinns und 
dann wird sofort (aber kontrolliert) abgekühlt. Zu schnelles abkühlen 
hat Risse im Bauteil  Die  Bondverbindungen zur Folge.

von Stefan (Gast)


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Mach ich regelmäßig so. Hilfreich ist eine "Schmelzprobe", soll heißen 
ein Klecks Lötpaste irgendwo neben das Board oder auf den Lötstop. 
Sobald der Klecks schmilzt, gebe ich dem ganzen noch 60 Sekunden, dann 
Ofen aus und die Tür einen Spalt öffnen.

Sicher halte ich die empfohlenen Temperaturprofile nicht ein. Vielleicht 
wird da mal ein Bauteil zu warm. Vielleicht bekomme ich damit Probleme 
in der Serie. Ich mache aber keine Serienproduktion. Hatte damit noch 
Probleme. QFN, TQFP, BGA - alles machbar, wenn man einen Stencil hat.

Ok, ein Problem hatte ich mal. Lag aber nicht an der Methode. Hinweis: 
Die Bauteile müssen für Reflow absolut trocken gelagert werden. Viele 
Kunststoffe / Vergussmaterialien ... nehmen in gewissen Grenzen 
Feuchtigkeit auf. Bei Reflow wird's so schnell heiß, dass die evtl. 
nicht schnell genug entweichen kann. Resultat: Gehäuse können reißen, 
Teile fliegen von der Platine...
Im Zweifel bei >100°C für ein paar Stunden trocknen.

von Thomas (Gast)


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Simon schrieb:
> Reicht es da aus, wenn ich die Platinen auf ein Blech (ggf. mit
> Backpapier dazwischen) in 200°C stecke bei Umluft und mit der
> Taschenlampe schaue, ob das Lötzinn verläuft.

naja dadurch kann die Platine zerstört werden, schon oft genug erlebt 
das irgendwelche Vias danach gebrochen sind.
Mit den regulären Lötprofilen hat man solche Probleme üblicherweise 
nicht.

von Simon (Gast)


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Auf der Platine sitzen 9 WS2812B ICs sowie 9 Kerkos (805) und ein 
Widerstand (805). Da ich das ganze vervielfälltigen möchte (mindestens 
10 Platinen), kam mir die Idee mit dem Ofen. Einzeln die WS2812B löten 
möchte ich die nicht.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Simon schrieb:
> Einzeln die WS2812B löten möchte ich die nicht.

Heißluft wäre auch noch 'ne Option, mit so einer einfachen
chinesischen Heißluftstation.  Damit habe ich zumindest schon mal
knapp 500 SMD-LEDs verlötet. ;-)

von Simon (Gast)


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Mit einer Bosch Lötpistole könnte ich das ganze versuchen, wäre ein 
versuch wert. Heiß genug sollte diese sein. Wie sieht es mit den 
Bauteilen aus, reicht die Lötpaste, um die ICs/SMD5050 und Hühnerfutter 
ausreichend festzuhalten, damit diese sich verrutschen?

von Georg A. (georga)


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Da ich auch gerade so eine kleine Eigenbedarfs-Massenfertigung eines 
Nutzens mit ca. 23*5cm mache (aber bleifreie Lötpaste mit ca. 230Gad), 
mal meine McGyver-Lösung:

Ich habe eine geregelte Herdplatte als "Unterhitze". Darauf dann ein 
langes Alu-Flachstück. Wenn man auf Stufe 11 stellt, bekommt das Alu 
direkt über der Platte so ca. 200-210 Grad. Weiter vorne ist quasi die 
Vorwärmzone mit ca. 80Grad. Da kommt die Platine für ca. 30s drauf. Wenn 
von der Lötpaste ein leichter Rauch aufsteigt, wird die Platine langsam 
Richtung Herdplatte geschoben.

Als Oberhitze gibts ein Heissluftgebläse von Steinel, eingestellt auf 
380 Grad bei wenig Wind (Stufe 1).

Der Platinenteil vor dem "Ende" der Platte wird dabei mit dem Gebläse 
aus ca. 5cm Entfernung erwärmt. Nach 5-10s schmilzt die Paste deutlich 
sichtbar auf und die Bauelemente renken sich alle ein ;) Dann immer 
schön weiterschieben und blasen... Bei mir landet der fertiggelötete 
Teil dann gleich per Ablenkung durch den Eisenanschlag (der die 
Aluplatte hinten auf die Herdplatte drückt) auf dem Glasschneidbrett 
(man beachte das Internet-konforme Motiv ;). Damit wird sie relativ 
schnell wieder abgekühlt und man kann sie nach ca. bequem 90s anfassen.

Funktioniert mit etwas Übung super. Eine Erfahrung ist auch, lieber 
etwas länger drauf zubleiben, damit die Lötpaste auch wirklich überall 
vollständig aufschmilzt. Wenn man das nicht macht, hat sie nach dem 
Abkühlen manchmal noch eine etwas rauhe Oberfläche und die 
Oberflächenspannung hat dann nicht gereicht, die IC-Pins im 0.5mm-er 
Grid sauber zu trennen.

von Mike (Gast)


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Georg A. schrieb:
> Wenn man das nicht macht, hat sie nach dem Abkühlen manchmal noch eine
> etwas rauhe Oberfläche und die Oberflächenspannung hat dann nicht
> gereicht, die IC-Pins im 0.5mm-er Grid sauber zu trennen.

Kinder betet - Vati lötet

SCNR


Wie wäre mal ein Versuch mit einem kleinen Tischbackofen und einem 
Reflow-Controller.
http://www.amazon.de/dp/B005SNXPD8/
http://hobbybotics.com/projects/hobbybotics-reflow-controller-v8-03/

von Georg A. (georga)


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> Wie wäre mal ein Versuch mit einem kleinen Tischbackofen und einem
> Reflow-Controller.

War da nicht das Ergebnis, dass diese kleine Tischöfchen trotz aller 
Controller die Temperaturkurve nie einhalten können, weil ihnen die 
Leistung fehlt und sie viel zuviel thermische Trägheit haben?

Ich mach jetzt seit 15 Jahren Löten für "Arme" (zB. auch das 
Bügeleisen-Ding für BGAs umara 2001 rum, Website leider nicht mehr 
online), da gibt es schon so gewisse Erfahrungen, was geht und was 
nicht.

Und für die grossen Stückzahlen habe ich natürlich Bestücker+Fertiger, 
für 20 von den Nutzen lohnt sich das aber hinten und vorne nicht. Da 
mache ich lieber eine weihnachtliche Platinen-Back-Session ;)

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Georg A. schrieb:
> zB. auch das Bügeleisen-Ding für BGAs umara 2001 rum

Ja, das war legendär. :-)

von geb (Gast)


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Hmmm... ich hab zwar einen sehr guten Reflow-Ofen, aber die Idee mit dem 
Backrohr ist vielleicht nicht ganz abwegig. Würd ich auf so 240° stellen 
mit Umluft, dann sollte innerhalb von 5-6 Minuten die Paste 
aufgeschmolzen sein. Viel länger ist schlecht, weil's die Bauteile nicht 
mögen. Allerdings sind in meinem Ofen auch schon Platinen 
steckengeblieben, die dann 10min. drin waren, Platine angkohlt,ein 
interessehalber abgelöteteter OPAmp hat aber noch tadellos funktioniert. 
Also der Prozess scheint auch weitab jedlicher Spezifikation zu 
funktionieren. Massenproduktion ist so natürlich nicht drin.

Grüsse

von sigges (Gast)


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Frage an die Profis, was spricht eigentlich grundsätzlich dagegen z.B 
sn45pb35bi20 Lotpaste einzusetzen, welches,laut google, ab 138 Grad C 
schmilzt.
cheers

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Selbstauslötende Sicherungen bauen?

Es gibt FETs, die haben eine maximale Sperrschichttemperatur von 175 °C.

Die Industrie baut ringsum mit Loten, die bei ca. 220 °C schmelzen,
und das Zeug funktioniert alles.  Als Bastler steht einem ja die
Alternative mit dem bleihaltigen Lot noch offen, da wird es ja ohnehin
schon weniger.

von sigges (Gast)


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Scherzkeks ... Du kannst davon ausgehen, das ich sehr wohl den mögliche 
Einsatz differenzieren kann. Wozu gibt es denn ein solches Lot ?
Sag bloß für Schmelzsicherungen zu bauen ?
Tut nicht jeder seine Bastelbude mit Powermosfets heizen.;-)
Meine Schaltungen brauchen maximal 10mA und im Mittel 0,01 mA.
Spaß beiseite, ein BLE Modul wie das PAN1740 würde ich ungern mit 
bleifreiem Lot bei 270 Grad grillen.
Es geht hier nur um Prototypen.
cheers

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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sigges schrieb:
> Wozu gibt es denn ein solches Lot ?

Musst du die fragen, die es nehmen …

> Spaß beiseite, ein BLE Modul wie das PAN1740 würde ich ungern mit
> bleifreiem Lot bei 270 Grad grillen.

Sollst ja auch 230 … 250 °C nehmen, siehe Datenblatt.

Das größte Problem bei solchen Modulen ist, dass die Blechdeckel beim
Löten an normaler Luft unansehnlich oxidieren.  Ein Freund hat einen
Pizzaofen so umgebaut, dass er ihn mit Stickstoff fluten kann, das
hilft wohl ganz gut dagegen.

> Es geht hier nur um Prototypen.

Das war zu erwarten, denn für einen Durchlaufofen würdest du gewiss
nicht fragen.

von Wolfgang (Gast)


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Georg A. schrieb:
> War da nicht das Ergebnis, dass diese kleine Tischöfchen trotz aller
> Controller die Temperaturkurve nie einhalten können, weil ihnen die
> Leistung fehlt und sie viel zuviel thermische Trägheit haben?

Kann ich nicht sagen. Bei bleihaltigem Lot mit seinen 193°C 
Schmelztemperatur ist das alles halb so wild. Ein 9 Liter Ofen mit 1000W 
schafft das schon ganz gut.

Notfalls kann man durch Nachrüstung von zusätzlicher Isolation und einer 
kräftige Innenbeleuchtung mit ein paar Halogenlamenlampen/Halogenstab 
noch etwas nachhelfen.
Den Abkühlvorgang muss man durch gefühlvolles Öffnen der Tür ausreichend 
beschleunigen, wenn man keine Lust hat, einen Lüfter nachzurüsten.

Präziser als bei einem nach Gefühl über die Herdplatte geschobenen 
Alublech wird das Profil allemal.

von Georg A. (georga)


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> Bei bleihaltigem Lot mit seinen 193°C
> Schmelztemperatur ist das alles halb so wild.

Bleihaltig ist ja auch für Weicheier :)

> Präziser als bei einem nach Gefühl über die Herdplatte geschobenen
> Alublech wird das Profil allemal.

a) schiebe ich die Platine übers heisser werdende Alublech und
b) habe ich den Temperaturverlauf des Alublechs mit Thermoelement 
aufgenommen
und
c) ist mein Gefühl für die Befindlichkeit von Lötzinn unschlagbar :P

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