Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Rauschen bei Verstärker für Elektret-Kapseln mit single rail


von Fortgeschrittener (Gast)


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Ein rauscharmer Verstärker für Elektret-Kondensator Kapseln mit single 
rail (z.B. 3V) ist mein Ziel. Das Netz bietet viele Vorschläge und ein 
paar habe ich bereits probiert.

Meistens finde ich Schaltungen mit invertierendem Verstärker wie diese:
Beitrag "Application Note AVR335 (Mikrofonverstärker)"

Ich habe ein Rauschproblem im tiefrequenten Bereich und habe versucht, 
der Sache auf den Grund zu gehen, brauche aber hier und da Feedback 
("nein, da hast Du falsch gerechnet, das geht eher so...", "Jo, ... 
stimmt so"). Ganz konkret an obiger Schaltung sehe ich mittlerweile das 
Problem des thermischen Widerstandsrauschens am Minuseingang:

Der Gesamtwiderstand ergibt sich (da man für die NF-Wechselspannung der 
Kapsel den Kondensator C1 durch einen sehr kleinen Widerstand ersetzen 
darf) durch die Parallelschaltung der Kapsel (Ersatzwiderstand sagen wir 
2k) mit R1 (1k, ergibt 667Ohm) in Reihe mit R2 (1k, ergibt 1.67k) und 
schließlich noch parallel zu R5 (10k).

Ergibt 1.43k, zunächst mal schön niedrig (abgesehen davon, daß R1 und R2 
einen Spannungsteiler darstellen, der das Ausgangssignal der Kapsel 
halbiert).

Aber mein Punkt ist nun, daß C1 mit 1µF auch schon bei tiefen Frequenzen 
einen Widerstand erheblich über 0Ohm darstellt, denn der -3dB-Punkt 
liegt bei 1/(2*pi*0.000001*1000) = 159Hz.

Folge: Z.B. bei 16Hz ist der Quelle-Zweig mit R2 auf ein 10tel 
verringert (da das Hochpassfilter -20dB/Dekade hat), was vermutlich (da 
weiß ich nicht, wie mans rechnet!) einer Verzehnfachung der Impedanz 
dieses Quelle-Zweigs entspricht und damit statt zuvor 1.67k geschätzt 
16.7k.

Plötzlich ist das Widerstandsrauschen am Minuseingang erheblich größer. 
Und es nimmt noch erheblich zu, denn bei 1.6Hz schätze ich den 
Quelle-Zweig auf 167kOhm (wie genau?), so daß bei ganz tiefen Frequenzen 
im Wesentlichen nur noch R5 mit 10k das Widerstandsrauschen bestimmt.

Puh, das war jetzt anstrengend, aber das hieße, daß das tieffrequente 
Rauschen unter 160Hz mit fallender Freuquenz auf bis zu +10dB zunimmt. 
Wo ist jetzt mein Denkfehler?

von ArnoR (Gast)


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Fortgeschrittener schrieb:
> Folge: Z.B. bei 16Hz ist der Quelle-Zweig mit R2 auf ein 10tel
> verringert (da das Hochpassfilter -20dB/Dekade hat), was vermutlich (da
> weiß ich nicht, wie mans rechnet!) einer Verzehnfachung der Impedanz
> dieses Quelle-Zweigs entspricht und damit statt zuvor 1.67k geschätzt
> 16.7k.

Ja. Der kapazitive Blindwiderstand des Kondensators nimmt mit fallender 
Frequenz zu. Xc=1/(2Pi*f*C) Der Gesamtwiderstand berechnet sich wie in 
einem rechtwinkligen Dreieck, der ohmsche Anteil und der kapazitive 
Anteil stehen wegen der -90° Phase im Kondensator rechtwinklig 
aufeinander, der Gesamtwiderstand ist die Hypotenuse.

Dieser Gesamtwiderstand ist für den Eingangsrauschstrom des OPV von 
Bedeutung, weil an ihm durch den Rauschstrom eine Rauschspannung 
hervorgerufen wird.

> Wo ist jetzt mein Denkfehler?

Ich sehe keinen.

Warum nimmst du keinen nichtinvertierenden Verstärker? Da hat man die 
Teilung Quellwiderstand/Eingangswiderstand nicht, der Quellwiderstand 
steigt nicht an und den Gegenkoppelpfad kann man viel niederohmiger 
auslegen.

von Fortgeschrittener (Gast)


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Vielen Dank, ArnoR! Deine Formel muß ich mir jetzt mal durch den Kopf 
gehen lassen. Aber klar, dann stiegen die von mir geschätzten 
Widerstandswerte für den Quelle-Zweig bei tiefen Frequenzen zu schnell 
an.

Deinem Vorschlag gehe ich auch gleich mal nach. Dann melde ich mich 
wieder, habe ja heute mal so richtig Zeit für sowas.

Der übliche Standardausweg scheint wohl zu sein, den Koppelkondensator 
C1 erheblich zu vergrößern. Bei vergleichbaren sonstigen Widerständen 
habe ich schon 100µF gesehen, konnte sie mir aber bisher nicht erklären.

von Hp M. (nachtmix)


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Fortgeschrittener schrieb:
> Plötzlich ist das Widerstandsrauschen am Minuseingang erheblich größer.
> Und es nimmt noch erheblich zu, denn bei 1.6Hz schätze ich den
> Quelle-Zweig auf 167kOhm (wie genau?), so daß bei ganz tiefen Frequenzen
> im Wesentlichen nur noch R5 mit 10k das Widerstandsrauschen bestimmt.

Ich habe deinen Überlegungen nicht nachvollzogen, aber in diesem 
Frequenzbereich kannst du nicht mehr einfach thermische Rauschleistungen 
kalkulieren, sondern bekommst es mit 1/f Rauschen und evtl. auch Popcorn 
zu tun.
Beide Erscheinungen minimiert man durch ausprobieren, vornehmer gesagt 
durch "selektieren" von Widerständen und Transistoren.
Wie gesagt habe ich mir die Details dev Schaltung nicht angesehen, aber 
da du irgendwo auf den Blindwiderstand eines Kondensators eingehst, 
möchte ich noch erwähnen: Blindwiderstände rauschen nicht.
https://de.wikipedia.org/wiki/1/f-Rauschen
https://en.wikipedia.org/wiki/Burst_noise

: Bearbeitet durch User
von Achim S. (Gast)


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ich glaube, ihr Arno und Forteschrittener behandeln bei ihren 
Betrachtungen zwei unterschiedliche Dinge.

Klar: der Blindwiderstand des Kondensators wächst bei niedrigen 
Frequenzen. Arno hat korrekt vorgerechnet, welchen Einfluss das auf das 
Eingangsstromrauschen des OPV hat - soweit passt alles.

Im Eröffnungsbeitrag habe ich aber den Eindruck, dass es um etwas 
anderes geht. Dort wird vom Widerstandsrauschen die Rede. Ich hätte es 
so verstanden, dass es Fortgeschrittener um das thermische 
Nyquist-Rauschen geht (also um die Spannung U=Wurzel(4 k T R df), die 
ein Widerstand von sich aus als Rauschspannung ausgibt). Diese 
thermische Rauschspannung tritt an ohmschen Widerständen auf, aber die 
Formel gilt nicht für Blindwiderstände von idealen Kondensatoren (oder 
Spulen).

Wenn du ein Noise-Problem hast, würde ich erst mal überlegen, den LM358 
aus der verlinkten AN gegen etwas mit geringerem Rauschen auszutauschen. 
Selbst der 10kOhm-Widerstand hat "nur" ein Rauschen von 13nV/sqrt(Hz), 
der LM358 hat ein Vielfaches davon.

von Lurchi (Gast)


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Der nicht invertierende Verstärker ist in der Regel vom Rauschen her 
günstiger. Das Rauschen kommt auch nur zu einem Eher kleinen Teil von 
den Widerständen. Auch das Mikrofon selber hat auch schon Rauschen, und 
dabei auch einen Anteil der etwa wie 1/f zu tiefen Frequenzen hi 
zunimmt. Das ist auch nicht verwunderlich, denn intern ist der Sensor 
ein eher kleiner Kondensator, der zu niedrigen Frequenzen immer 
hochohmiger wird.

von Helmut S. (helmuts)


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Das Problem diser Schaltung ist, dass die Störungen auf der 
Versorgungsspannung zu mindestens 50% direkt als Eingagngssignal 
erscheinen und somit mitverstärkt werden. Meine Schulnote für diese 
Schaltung wäre eine 5.

von oszi40 (Gast)


Angehängte Dateien:

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Fortgeschrittener schrieb:
> ein Rauschproblem im tiefrequenten Bereich

Neben Bauteilauswahl könnte der Arbeitspunkt und wird der gewählte 
Eingangswiderstand eine Rolle spielen, wie man am beiliegenden, alten 
Beispiel sieht.

von Mark S. (voltwide)


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Helmut S. schrieb:
> Das Problem diser Schaltung ist, dass die Störungen auf der
> Versorgungsspannung zu mindestens 50% direkt als Eingagngssignal
> erscheinen und somit mitverstärkt werden. Meine Schulnote für diese
> Schaltung wäre eine 5.

Korrekt. Von daher ist es sinnvoll, mit zwei Arbeitswiderständen 
verteilt auf die pos und neg Leitung zu arbeiten und dann einen echten 
Differenzverstärker hinter zu schalten.
Und was das Rauschen betrifft: Alles graue Theorie, das Eigenrauschen 
der Elektret-Kapsel dominiert i. A. sogar das Rauschen eines LM358.

von Helmut S. (helmuts)


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Mark S. schrieb:
> Helmut S. schrieb:
>> Das Problem diser Schaltung ist, dass die Störungen auf der
>> Versorgungsspannung zu mindestens 50% direkt als Eingagngssignal
>> erscheinen und somit mitverstärkt werden. Meine Schulnote für diese
>> Schaltung wäre eine 5.
>
> Korrekt. Von daher ist es sinnvoll, mit zwei Arbeitswiderständen
> verteilt auf die pos und neg Leitung zu arbeiten und dann einen echten
> Differenzverstärker hinter zu schalten.
> Und was das Rauschen betrifft: Alles graue Theorie, das Eigenrauschen
> der Elektret-Kapsel dominiert i. A. sogar das Rauschen eines LM358.

Normalerweise nimmt man RC-Filter mit sehr großer Zeitkonstante für die 
Versorgung der Mikrofonkapsel und des u/2 Spannungsteilers. Genau diese 
RC-Filter fehlen in dieser Schaltung.

von Fortgeschrittener (Gast)


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Danke für die vielen Hinweise. Zu den Bauteilen: der OPA stand für mich 
noch nicht fest, aber alle Widerstände sind Metallfilm. Zum Rauschen, ja 
es geht um das thermische Widerstandsrauschen, da der OPA so gewählt 
wird, daß das Stromrauschen am Plus- und Minuseingang zu vernachlässigen 
ist und das Spannungsrauschen des OPA geringer als das thermische 
Widerstandsrauschen.

Sehr interessant fand ich außerdem die Grafik von oszi40, das verstehe 
ich so ohne Erklärungen aber nicht vollständig.

Dank ArnoR ging ich erneut auf Suche und mir gefiel folgender Entwurf: 
Beitrag "Re: Vorverstärker für Elektret-Mikrofon"

Den habe ich für meine Zwecke modifiziert:
                 ___
       .----o---|___|---o-----o------------o 3V
       |    |   R5 220  |     |
      .-.  --- C4       |    --- C5
 R1   | |  --- 470µ     |    --- 100n
 4.7k | |   |           |     |
      '-'  ---       |\ |    ---
   _   |             | \|
| / \--o-------------|+ \
|(Mic)               |   )----o--||----.
| \_/--.           o-|- /     |  C3    |
       |           | | /|     |  2.2µ  |
      ---          | |/---    |       .-.
                   |          |       | | R4 (Last)
                   o----||----o       | | 2.35k
                   |    C2    |       '-'
                   |    2.2n  |        |
                   |    ___   |       ---
                   o---|___|--'
                   |    R3
                  .-.   2.2k
              R2  | |
              680 | |
                  '-'
                   |
              C1  ---
              10µ ---
                   |
                  ---

Warum habe ich Änderungen vorgenommen?

0) Dank Helmut S. habe ich einen Tiefpaß (R5,C4) gegen Störungen auf der 
Versorgungsspannung hinzugefügt -3dB@1.54Hz: 1/(2*pi*0.000470*220). 
Tiefere Störungen werden durch die zwei späteren Hochpässe wirkungsvoll 
beseitigt. (Hier stellt sich die Frage, wie groß R5 maximal sein darf, 
um C4 möglichst klein zu bekommen? Faustregel?)

1) Meine Mikro-Kapsel hat einen großen Innenwiderstand von etwa 5kOhm 
und um den Arbeitspunkt anzupassen, mußte R1 größer. Das 
Widerstandsrauschen am Pluseingang wird entsprechend durch etwa 2.42k 
definiert und beträgt etwa 0.90µV bei 27°: 
sqrt(4*1.38065*10-23*(27+273.15)*20000*2420).

2) R2 und R3 bestimmen das Widerstandsrauschen am Minuseingang und 
sollten daher so klein wie möglich sein (ohne den Ausgang des OPV zu 
stark zu belasten). Hier ergibt sich nun 519Ohm und 0.41µV.

3) Der OPV wird so gewählt, daß das Stromrauschen der Eingänge und sein 
Spannungsrauschen deutlich geringer sind, als das Widerstandsrauschen am 
Pluseingang, so daß das Gesamtrauschen hauptsächlich durch die 
Quellimpedanz entsteht. Dies leistet z.B. ein MAX4477 (der sich auch mit 
3V betreiben läßt). Er hat 4.5nV/sqrt(Hz) und damit 0.64µV 
Spannungsrauschen.

4) C1/R2 ergeben einen Hochpaß mit -3dB@23.4Hz: 1/(2*pi*0.00001*680), 
wobei unterhalb von 5.5Hz die Verstärkung nicht unter 0dB fällt: 
1/(2*pi*0.00001*(680+2200)).

5) R2/R3 ergeben 12.5dB Verstärkung: 20*log10(1+2200/680).

6) C2/R3 ergeben einen Tiefpaß mit -3dB@32.9kHz: 
1/(2*pi*0.0000000022*2200). Der -1dB-Punkt liegt bei 16.7kHz.

7) C3 ergibt mit R4 (Last der folgenden Eingangsstufe) einen weiteren 
Hochpaß mit -3dB@30.8Hz: 1/(2*pi*0.0000022*2350).


Ich habe mich bemüht, daß die Gesamtlast für den OPA deutlich über 1k 
liegt. Sie besteht aus der Parallelschaltung von R4 und der Serie aus R2 
und R3 und liegt bei 1.3k: 1/(1/2350+1/(680+2200))).

Mein Problem ist nun, daß die Impedanz von C2 bei hohen Frequenzen gegen 
0 geht, daß also die Gesamtlast am OPA für Frequenzen überhalb von 
32.9kHz deutlich ansteigt, bis sie 527Ohm erreicht: 1/(1/2350+1/680)

Da nimmt bei vielen OPAs der Klirrfaktor deutlich zu. Trotzdem ist es 
doch eine gängige Schaltung, C2 als Tiefpaß hinzuzufügen, oder? 
Zumindest 100pF sind häufig zu sehen. Wenn R2 zu klein ist, müßte ein 
großer C2 hörbaren Klirr verursachen?

Ich könnte:
1) einen besser geeigneten OPA nehmen
2) C2 verringern (dann würde aber der Tiefpaß weniger stark zupacken)
3) R2 und R3 vergrößern (dann würde das Widerstandsrauschen am 
Minuseingang ansteigen)
4) die Last der nächsten Stufe verringern (z.B. mit R4=5k ergäbe sich 
bei hohen Frequenzen minimal eine eigentlich akzeptable OPA-Last von 
600Ohm)
5) hohe Frequenzen ev. schon am Pluseingang filtern durch einen kleinen 
C gegen Masse (wie dimensionieren, welche Nachteile brächte das, Last 
für die Kapsel, Klirrfaktor?).

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