Forum: Offtopic Management von Anforderungen und Tests


von Reinhard H. (reinhardh)


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Ein Produkt ändert sich im Laufe seiner Lebensdauer immer wieder. Es 
gibt Änderungen und es gibt Derivate. Wie managt man die  Anforderungen 
und wie die dazu nötigen Tests?

Ich möchte das Problem an einem Beispiel darstellen was sich im Laufe 
der Lebensdauer eines Produktes und deren Derivaten mehr und mehr 
komplex darstellt. Wie schaffe ich es für so etwas den Überblick zu 
behalten? Wie schaffe ich es die Anforderungen zu managen, sodass ich 
bei P3 oder folgenden Varianten sehen kann, welche der Anforderungen 
bereits geprüft wurden, welche nicht nötig sind und welche ich noch 
machen muss? Ideal wäre es ja, wenn automatisch eine Übersicht generiert 
werden könnte, anhand der ich sehe was nötig ist, was nicht nötig ist, 
welche Tests bereits ausreichend sind und welche nicht.

Und wie schaffe ich es, dass ich z.B. bei A1.3a (Entfall des Schalters) 
keine anderen Punkte übersehe, die dadurch beeinflusst werden könnten? 
Da könnte ja z.B. die Dichtheit darunter leiden, die aber ja in einem 
ganz anderen Test geprüft wurde und ggf. nochmals neu angesehen werden 
müsste.

Ebenso ist es bei P3 denkbar, dass ich nicht nur die Änderungen als 
Solche betrachten muss, sondern auch deren Einflüsse auf völlig andere 
Punkte.

Zunächst gibt es ein Produkt P1 mit verschiedenen Anforderungen, z.B.

A1 Elektrische Werte
A1.1 Stromaufnahme, 5 A
A1.2 Versorgungsspannung, 5 V
A1.3 Hauptschalter verfügbar

A2, Gehäuse
A2.1 Gewicht, 1 kg
A2.2 Material, Alu
A2.3 Farbe blau

A3 Umgebungsbedingungen
A3.1 rel. Feuchte, bis 60%
A3.2 Umgebungstemperatur, -40...+50°C
A3.3 Dichtheit, IP67

Dazu werden Tests gemacht und jeweils ein Bericht dazu geschrieben:

T1 Elektrische Werte
T1.1 Strom messen
T1.2 Spannung bei diversen Tests einstellen und messen
T1.3 Hauptschalter testen

T2 Gehäuse
T2.1 Gehäuse wiegen
T2.2 Material prüfen
T2.3 Farbe prüfen

T3 Umgebungsbedingungen
T3.1 Betrieb 100 Stunden bei 60% Feuchte betreiben, währenddessen Werte 
mitschreiben und danach prüfen
T3.2 Betrieb bei verschiedenen Temperaturen prüfen
T3.3 Dichtheit prüfen


Im Laufe des Produktlebens gibt es Änderungen und wird zu P1.1:
A1.2a 12 V
dazu gibt es
T1.2a

Im Laufe des Produktlebens gibt es Änderungen und wird zu P1.2:
A1.3 entfällt
dazu gibt es
T1.3a welche Auswirkungen hat der Entfall?

Als nächstes ist eine neue Variante P2 gewünscht, die soll identisch mit 
P1.2 sein, aber folgende Änderungen haben:

A1.4 zusätzlicher Schaltausgang
T1.4 Ausgang in Tests prüfen

Dann kommt eine weitere neue Variante P3. Diese soll alle Funktionen von 
P1.2 und P2 haben, außerdem folgende Änderungen haben.

A2.2b Material Kunststoff
A2.3b Farbe rot
mit
T2.2b
T2.3b


P1.2 soll gleichzeitig weiter verkauft werden, aber auch A2.2b erfüllen.

In der Praxis sind das natürlich nicht nur ein paar Punkte, sondern 
hunderte. Ich habe hier nur versucht anhand einiger Beispiele möglichst 
einfach aufzuzeigen wo die Probleme liegen

von D. I. (Gast)


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Dazu betreibt man Requirement Engineering. Dafür gibt es dann spezielle 
Software um das verwaltbar zu machen (z.B. Caliber, HP Quality Center 
(welches auch für Tests verwendet wird), ...).
Ich persönlich empfinde es als eine sehr dröge Aufgabe, aber es gibt 
auch bürokratisch angehauchte Kollegen, die da wirklich Spaß dran haben. 
Wenn ein System eine gewisse Komplexität hat kommt man auch kaum daran 
vorbei Requirement Engineering zu betreiben.

von Reinhard H. (reinhardh)


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Ich empfinde das auch als sehr lästig und langweilig. Aber die Erfahrung 
zeigt mir, dass es bei manchen Projekten die nach und nach wachsen, 
völlig unmöglich wird noch eine Übersicht und Verfolgbarkeit zu haben 
wenn man nicht mal eine Systematik rein bringt.

Mir scheint aber, dass das nur funktioniern kann, wenn eine Firma dies 
von Anfang bis Ende durchzieht. Ich vermute das muss schon bei der 
Lastenhefterstellung oder spätestens bei der Pflichtenhefterstellung 
schon umgesetzt werden, dann während der Entwicklung konsequent 
eingehalten und ggf. erweitert werden und in der Testphase weiterhin 
gepflegt und test cases angehängt werden.

Mal sehen, ob ich da einen Einstieg finden kann. Ich befürchte nur, dass 
nicht alle Beteiligten mitziehen wollen oder aus zeitlichen Gründen 
nicht können und deshalb doch nichts erreicht wird :-/

von D. I. (Gast)


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Reinhard H. schrieb:
> Mir scheint aber, dass das nur funktioniern kann, wenn eine Firma dies
> von Anfang bis Ende durchzieht. Ich vermute das muss schon bei der
> Lastenhefterstellung oder spätestens bei der Pflichtenhefterstellung
> schon umgesetzt werden, dann während der Entwicklung konsequent
> eingehalten und ggf. erweitert werden und in der Testphase weiterhin
> gepflegt und test cases angehängt werden.
>
> Mal sehen, ob ich da einen Einstieg finden kann. Ich befürchte nur, dass
> nicht alle Beteiligten mitziehen wollen oder aus zeitlichen Gründen
> nicht können und deshalb doch nichts erreicht wird :-/

Ja es bringt ordentlich zeitlichen Overhead. Sehe ich hier ja tagtäglich 
beim Kunden und merke ich selber wenn ich mal wieder Caliber oder HPQC 
anfassen muss schauder

von Henrik V. (henrik_v)


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D. I. schrieb:
> schauder

https://de.wikipedia.org/wiki/DOORS

ist noch so ein Tool...

Macht man, weil man muss...  (Kundenanforderung)
oder weil die Schmerzen schon groß sind.
(In welcher EXcel-Tabelle war DASS jetzt :> )

von Unbekannt U. (Gast)


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Requirement Engineering wird immer wichtiger, ich bin auch nach der 
Suche eines System, wenn's irgendwie geht, OpenSource und nicht 
Web-basierend. Es gibt und gab immer wieder Ansätze, aber das meiste ist 
wieder schnell eingeschlafen.

Alternativ wäre auch eine (bezahlbare) kommerzielle Lösung denkbar, darf 
aber nicht so unglaublich fett und überladen sein.

Irgendwer eine Idee?

von Reinhard H. (reinhardh)


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In meinem Fall sind es die Schmerzen... Und die Einsicht, dass es ohne 
einfach nicht mehr geht. Man hat ab einem bestimmten Grad keine Chance 
mehr zu finden wo was gemacht wurde, in welchem der vielen Anforderungs- 
und Änderungsdokumenten die nötige Anforderung steht und was nun gültig 
ist und was nicht.

Wenn man auditiert wird, hat man kaum eine Chance dem Kunden auf all 
seine Fragen eindeutig nachvollziehbare Antworten zu geben. In dem 
Moment wird einem noch klarer wo man noch Lücken hat und wie viele das 
tatsächlich sind.

Polarion scheint auch so eine Software zu sein mit der man so etwas 
aufziehen kann. Aber bei anfänglichen Versuchen kam für mich heraus, 
dass nur ein Teil der Mechanismen die wir bräuchten darin abgedeckt ist. 
Dazu kommt noch die Problematik, dass interne Strukturen und Workflows 
einfach nicht zu diesem neuen System passen würden. Die komplette Firma 
müsste angepasst werden. An meinem Punkt (Test) scheint nicht der 
richtige Punkt zu sein dort einzusteigen.

Aber schön dass ich nicht allein mit dem Problem bin :-)

von N. N. (clancy688)


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Henrik V. schrieb:
> https://de.wikipedia.org/wiki/DOORS
>
> ist noch so ein Tool...

DOORS ist kein Tool sondern ein Folterinstrument aus dem tiefsten 
Mittelalter (frühe 90er... so fühlt sich die Technik vom Aussehen und 
der Geschwindigkeit her an). Es vergeht kein Tag an dem ich mir nicht 
wünsche, dass jemand endlich mal das Rechenzentrum mit den Servern und 
allen Backups abfackelt. .___.

von Daniel V. (danvet)


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Lu R. schrieb:
> Henrik V. schrieb:
>> https://de.wikipedia.org/wiki/DOORS
>>
>> ist noch so ein Tool...
>
> DOORS ist kein Tool sondern ein Folterinstrument aus dem tiefsten
> Mittelalter (frühe 90er... so fühlt sich die Technik vom Aussehen und
> der Geschwindigkeit her an). Es vergeht kein Tag an dem ich mir nicht
> wünsche, dass jemand endlich mal das Rechenzentrum mit den Servern und
> allen Backups abfackelt. .___.

DOORS: uuaaaahh

Vor kurzem habe ich mit Codebeamer gearbeitet 
(http://intland.com/codebeamer/product-overview/). Das ist ähnlich 
gestrickt wie DOORS bietet aber mehr Möglichkeiten.
Nichtsdestotrotz ist das ganze Requirement-engineering öde und lästig, 
aber notwendig.

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