Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Temperaturkoeffizient von Quarzen


von Jonny S. (zonk)


Lesenswert?

Hallo

Ich habe eben ein Verständnisproblem mit der Schwingeigenschaft eines 
Quarzes.

Ich musste feststellen, dass mein Quarz (4.304.194) bei Raumtemperatur 
(ca. 20°C) langsamer schwingt, als bei tieferen Temperaturen.

Bin gerade dabei mir mit einem µC und einem Quarz eine Uhr zu bauen. Bei 
Raumtemperatur läuft sie einigermaßen genau. Nun habe ich den Aufbau 
heute Nacht in einem kalten (ca. +3°C) Abstellraum laufen lassen.
Das Resultat hat mich umgehauen: Die Uhr ging heute Morgen um 12 
Sekunden vor. Ich erwartete, das die Uhr geringfügig nach geht, aber 
auch nicht in diesem Ausmaß.

Kann mir dieses Verhalten jemand verständlich machen ?

Vielen Dank !

von Alle J. Wider (Gast)


Lesenswert?

Dem Quarz wird kalt. Daher muß er schneller schwingen, damit ihm wieder 
wärmer wird.

Jonny S. schrieb:
> Ich habe eben ein Verständnisproblem mit der Schwingeigenschaft eines
> Quarzes.

Zeig bitte sein Datenblatt und das der Last-Cs.

von Jonny S. (zonk)


Lesenswert?

Alle J. Wider schrieb:
> Dem Quarz wird kalt. Daher muß er schneller schwingen, damit ihm wieder
> wärmer wird.

Darauf muss man erst mal kommen :-)


Datenblatt habe ich leider keines. Keine Ahnung wo ich diesen Quarz mal 
gekauft habe. Er steckt in einem HC49S-Gehäuse. Und er ist neu, war noch 
nicht eingesetzt.

Der µC ist ein Atmega8.

von Lurchi (Gast)


Lesenswert?

Die Temperaturabhänggkeit ist nicht nur einfach linear. Bei Temperaturen 
deutlich unter oder über der normalen Temperatur steigt die 
Temperaturabhängigkeit meist deitlich an, denn die Quarze sind so 
gewählt (Richtung der Kristallachsen), dass man die minimale 
Temperaturabhägigkeit gerade bei der normalen Arbeitstemperatur hat.

Der Temperaturgang ist im groben eigentlich immer gleich - zu hohen 
Temperaturen nimmt die Frequenz ab, zu tiefen zu, und nahe 
Raumtemperatur gibt es einen kleinen Bereich wo es umgekehrt ist, bzw. 
die Frequenz näherungsweise unabhägig von der Temperatur ist. Wie gut 
der mittlere Bereich passt kann schwanken, vor allem bei billigen 
Quarzen.

Neben dem Quarz selber hat auch der Temperaturkoeffizient der 
Kondensatoren einen Einfluss.

von HildeK (Gast)


Lesenswert?

Jonny S. schrieb:
> Datenblatt habe ich leider keines.

Schau einfach in Datenblätter diverser Quarze. Da findest du 
Informationen zum Temperaturgang. Die müssen nicht allgemeingültig sein, 
weil der Hersteller noch diverse Maßnahmen zur Verfügung hat, um das zu 
beeinflussen, aber die Abhängigkeiten kannst du schon sehen.

von Peter R. (pnu)


Lesenswert?

Vielleicht hast Du auch einen Kondensator in der Oszillatorschaltung, 
der bei Kälte geringere Kapzität hat. Das "zieht" den Quarz zu höherer 
Frequenz hin.

12 sec  pro Tag wären 140ppm Abweichung der Quarzfrequenz. bzw bei 4,3 
MHz  560Hz.

Solch starke Abweichung gibts bei üblichen Quarzen nicht.

Entweder der Quarz hat einen Herstellungsfehler (falsche Schnittrichtung 
der Quarzscheibe) oder die Oszillatorschaltung ist sehr 
temperaturabhängig.

btw. 4,3 MHz? Das erinnert mich an die PAL-TV Trägerfrequenz. Üblich 
sind bei Uhren 2^22 Hz = 4,19...MHz

von Alle J. Wider (Gast)


Lesenswert?

Wie auch immer, die Drift ist für einen 'normalen' Quarz viel zu hoch.
Welche Lastkondensatoren hast Du denn verwendet? In der Regel dürfen 
diese keine TK aufweisen, was durch einen schwarzen Farbtupfer 
gekennzeichnet wird.

Falls vorhanden, nimm einen anderen Quarz, wobei die Frequenz nicht so 
wichtig ist: 4, 8, 10 oder 16 MHZ. Mit einem ATmega8 kann man damit ganz 
bequem einen Sekundentakt erzeugen.

von Werner H. (werner45)


Lesenswert?

Bei einem Quarz aus unbekannter Quelle weiß man nie über seine 
Eigenschaften Bescheid. Es gibt verschiedene Arten.
Eine brauchbare Übersicht ist Wikipedia "Schwingquarz".

Für Uhren haben die kleinen 32.768-kHz-Stimmgabelquarze eine geringe 
Temperaturabhängigkeit.

Fertige Quarzmodule sind meist auch besser als handgestrickte, die 
optimalen Kondensatoren sind bereits drin.

Gruß   -   Werner

von larx (Gast)


Lesenswert?

>Welche Lastkondensatoren hast Du denn verwendet?
Gibts bei <100pF denn auch andere, als NP0?

von Jonny S. (zonk)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Peter R. schrieb:
> btw. 4,3 MHz? Das erinnert mich an die PAL-TV Trägerfrequenz. Üblich
> sind bei Uhren 2^22 Hz = 4,19...MHz

Oh, Sorry - habe oben die Frequenz falsch geschrieben: Es sind 
4.194.304Mhz

Alle J. Wider schrieb:
> Falls vorhanden, nimm einen anderen Quarz,

Ich habe noch zwei oder drei dieser Quarze. Sie sind aber bestimmt von 
der selben Charge.

Zum Kerko habe ich natürlich auch kein Datenblatt - ist aber auch neu, 
also ungebraucht.
Er ist grün mit orangen Häubchen (siehe Bild).

von Dieter W. (dds5)


Lesenswert?

Oranges Hütchen bedeutet TK N330.

Das ist suboptimal, aber nicht ausreichend um die verhältnismäßig große 
Abweichung zu erklären.

von hinz (Gast)


Lesenswert?

Jonny S. schrieb:
> Er ist grün mit orangen Häubchen (siehe Bild).

N150, nicht NP0.

von Alle J. Wider (Gast)


Lesenswert?

Ich komme auch auf N150 => -150ppm/K.
Nicht gut!

von hinz (Gast)


Lesenswert?

Dieter W. schrieb:
> Oranges Hütchen bedeutet TK N330.

Nein, das wäre grün.

von Alle J. Wider (Gast)


Lesenswert?

Falls jemand noch blau ist ;-)
http://www.funkcom.ch/pdf/kennz%20keramikkond.pdf

von Axel S. (a-za-z0-9)


Lesenswert?

Jonny S. schrieb:
> Ich habe eben ein Verständnisproblem mit der Schwingeigenschaft eines
> Quarzes.
>
> Ich musste feststellen, dass mein Quarz (4.304.194) bei Raumtemperatur
> (ca. 20°C) langsamer schwingt, als bei tieferen Temperaturen.

Ach?

> Bin gerade dabei mir mit einem µC und einem Quarz eine Uhr zu bauen. Bei
> Raumtemperatur läuft sie einigermaßen genau. Nun habe ich den Aufbau
> heute Nacht in einem kalten (ca. +3°C) Abstellraum laufen lassen.
> Das Resultat hat mich umgehauen: Die Uhr ging heute Morgen um 12
> Sekunden vor. Ich erwartete, das die Uhr geringfügig nach geht, aber
> auch nicht in diesem Ausmaß.
>
> Kann mir dieses Verhalten jemand verständlich machen ?

Rechnen wir doch mal. Nehmen wir an, der Aufbau lag 10 Stunden bei 3°C. 
Das sind 36000 Sekunden. 12 Sekunden davon sind 333ppm. Die Temperatur- 
differenz zu Raumtemperatur sind ca. 22°C. Dein Quarz hat also einen 
Temperaturkoeffizienten von ca. 15ppm/K. Das ist in der Tat etwas viel. 
Ich hätte ca. Faktor 10 weniger erwartet.

Allerdings ist der Quarz nicht das einzige Bauelement in deinem 
Oszillator das einen Temperaturgang hat. Auch die Lastkondensatoren 
ändern ihre Kapazität mit der Temperatur. Und sie haben einen Einfluß 
auf die Frequenz.

Schlußfolgerung: deine Meßwerte sind etwas zweifelhaft. Zum einen ist 
unklar wieviel der Drift von den Kondensatoren verursacht wird. Und auch 
die Einschätzung "Bei Raumtemperatur ... einigermaßen genau" ziehe ich 
in Zweifel. Wenn du Pech hast, ist dein Quarz gar keiner, sondern 
vielleicht ein Keramikresonator in einem Quarzgehäuse.

Was den Tempco von Quarzen angeht - da hat schon die Wikipedia genug 
wissenswertes: https://de.wikipedia.org/wiki/Schwingquarz

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


Lesenswert?

Oder in der Quarzbibel - nein Quarzkochbuch heisst es:

Übersicht hier:
http://axtal.de/Deutsch/TechnInfo/Quarzkochbuch/

Kapitel 2: http://axtal.de/cms/iwebs/download.aspx?id=87528
Auf Seite 25 sind typische Temperaturkurven für AT-Schnitt gezeigt.

von Purzel H. (hacky)


Lesenswert?

Die Quarze, die ich als Schuettgut, dh 100 Stueck fuer 20 Euro, kaufe 
sind als -10..+60Grad mit einer Frequenztoleranz von +-50ppm 
spezifiziert, sowie einer Temperaturabhaengigkeit von +-50ppm, drift 
+-5ppm/Jahr. Es gibt aber guenstigere, die sind dann noch etwas 
schlechter.

Unter uns ... 20cents sind schon unglaublich guenstig fuer so ein Stueck 
Technologie.

von Jonny S. (zonk)


Lesenswert?

Siebzehn F. schrieb:
> Unter uns ... 20cents sind schon unglaublich guenstig fuer so ein Stueck
> Technologie.

Ich denke ich diese Quarze vor ein paar Jahren bei Conrad gekauft - weis 
es aber nicht mehr genau. Conrad nimmt heute 30 Cent pro Stück. Klar ist 
das billig und man kann nicht allzuviel erwarten.
Einen dieser Quarze habe ich damals mit einem anderen IC (kein µC) 
verbaut, der ebenfalls einen Sekundentakt generiert. Dieser Oszillator 
läuft heute noch immer zufriedenstellend genau. Deshalb denke ich nicht, 
dass die Abweichung von 12 Sekunden in 12 Stunden am Quarz alleine 
liegt. Wie bereits oben erwähnt sind sicher auch die Kondensatoren 
schuld.
Mich hat nur gewundert, dass der Quarz schneller schwingt, wenn ihm kalt 
ist. Ich dachte es sei umgekehrt.
Wie auch immer - mit dieser Temperaturdrift wird keine Uhr draus ;-)
War ja blos ein erster Versuch.

Danke allen Helfern und alles Gute im neuen Jahr !

lg

von Peter R. (pnu)


Lesenswert?

Jonny S. schrieb:
> Mich hat nur gewundert, dass der Quarz schneller schwingt, wenn ihm kalt
> ist. Ich dachte es sei umgekehrt.

Wenn der Quarz kälter wird, wird er kleiner, also ist ein schnelleres 
Schwingen genau so logisch.

Hier überlagern sich aber mehrere mögliche Gründe: kleineres Last-C, 
geringerer Strom im Transistor/Oszillator, andrer Begrenzungseinsatz im 
Oszillator usw.

Von der Größe des Fehlers her spricht Vieles dafür, dass daran nicht der 
Quarz schuld ist. So schlechte Quarze gibt es eigentlich garnicht, außer 
es ist ein Temperatur-Messquarz (Gabs früher mal)

Wenn die Lastkapazität, mit der der Quarz zusammenarbeitet, kleiner wird 
(siehe N150 beim C), ergibt das höhere Schwingfrequenz (generell bei 
Schwingkreisen: kleineres C-> höhere Frequenz.
 Vielleicht hat aber der Kondensator auch einen Fehler, dass zum 
Beispiel bei niedriger Temperatur der Kontakt zum Belag abreißt und nur 
noch die Streukapazität als Last-C wirksam ist.

Nur, bist Du sicher, dass dieses 1sec-je-Stunde zu-schnell-Gehen 
wirklich vorhanden ist und kein Messfehler?

von Jonny S. (zonk)


Lesenswert?

Peter R. schrieb:
> Nur, bist Du sicher, dass dieses 1sec-je-Stunde zu-schnell-Gehen
> wirklich vorhanden ist und kein Messfehler?

Ja, da bin ich sicher !

Aber, wie bereits gesagt, das Thema hat sich momentan erledigt.

lg

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.