Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Wie kann man mit einem Kelvin-Varley-Divider korrekt teilen?


von Steffen (Gast)


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Hallo,

ich habe eine Frage zur Präzisionsmessung mit einem 
Kelvin-Varley-Divider. Ich stelle mir das eigentlich so vor, dass ich 
eine sehr gut bekannte Referenzspannung habe. ZB ein Fluke 732B, welcher 
mir 10,000...V liefert. Nun nehme ich ein Nullmeter und schließe das 
zwischen den Ausgang meines KVD (zB Fluke 720A) und meiner 
Referenzspannung an (also die Differenz der Spannungen).

Jetzt würde ich an den KVD die zu messende Spannung anlegen und den KVD 
solange "verstellen" bis das Nullmeter 0V anzeigt. Anschließend kann ich 
aus dem eingestellten Verhältnis und meiner Referenz die gesuchte 
Spannung ausrechnen.

Wenn ich mir nun aber den Eingangswiderstand des Fluke 720A ansehe, dann 
steht dort 100k. Das erscheint mir sehr niederohmig. Bedeutet das nicht, 
dass meine Quellimpedanz der zu untersuchende Spannung nur 0,1ppm der 
100k haben darf, damit mein letztes Stellrad überhaupt noch eine 
Bedeutung hat?

Das wären dann ja aber nur 10mR. In der Größenordnung liegen ja 
wahrscheinlich schon die Steckkontakte am KVD?

Wo liegt hier mein Denkfehler?

kopfkratz Steffen

von Elektrofan (Gast)


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Bei Null-Abgleich fliesst kein Ausgleichsstrom mehr.

Dann fällt an diesen 100 kOhm auch keine Spannung mehr ab.

von Steffen (Gast)


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Wieso das nicht? Es fließt doch nur durch das Nullmeter kein Strom. Die 
zu untersuchende Spannungsquelle sieht ja immer die 100k des KVD 
unabhängig von der Einstellung des KVD.

von Ernst O. (ernstj)


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Elektrofan schrieb:
> Bei Null-Abgleich fliesst kein Ausgleichsstrom mehr.
>
> Dann fällt an diesen 100 kOhm auch keine Spannung mehr ab.

Steffen schrieb:
> Wieso das nicht?

Weil das Ohm'sche Gesetz weiterhin gilt:

U = R * I

Bei Nullabgleich fliesst kein Strom, deshalb kann an dem Widerstand auch 
keine Spannung mehr abfallen. Zur weiteren Lektüre empfehle ich: Schau 
dir noch einmal die Sache mit der Wheatstone-Brücke an, vielleicht 
klingelt es dann.

von Steffen (Gast)


Angehängte Dateien:

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Der Nullabgleich hat doch aber keine Auswirkungen auf den Eingang des 
KVD. Die zu untersuchende Quelle sieht immer den Eingangswiderstand des 
KVD. Es fließt nur kein Strom mehr aus dem KVD hinaus, wenn sein Ausgang 
die gleiche Spannung hat wie die Referenz.

In Wikipedia ist der KVD ja auch noch mal dargestellt. Auch das Beispiel 
dort hat 100k am Eingang. Daran ändert sich auch nichts, wenn man 
irgendetwas am KVD einstellt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kelvin-Varley-Spannungsteiler

Die zu untersuchende Quelle wird ja an den Eingang des KVD geschaltet 
und bekommt so vom Nullabgleich gar nichts mit. Oder wird der nicht so 
verwendet?

Ich habe mal angehängt wie ich den Messaufbau machen würde. Und bei dem 
Aufbau würde nur durch das Nullmeter und die Referenz kein Strom mehr 
fließen. Das DUT sieht immer die 100k und damit fließt durch R Kontakt 
(Kabel, Übergänge usw) auch immer Strom.

von Lurchi (Gast)


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So hat man tatsächlich das Problem mit der Belastung des DUT und den 
Übergangswiderständen.

Normal nutzt man die Referenz zum Treiben des KVD. Die Referenzen habe 
oft auch noch extra Senseanschlüsse - die Kontaktwiderstände kann man 
damit weitgehend kompensieren. Das geht dann aber nur für DUTs mit 
Spannungen unter der der Referenz. Für höhere Spannungen bräuchte man 
eine Referenz für höhere Spannung oder einen Teiler (mit Verstärker), 
der das DUT nicht belastet.

von Steffen (Gast)


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Vielen Dank für den Hinweis!

Es andersrum zu betreiben hatte ich noch gar nicht in Erwägung gezogen. 
Gerade auch, weil die "alten" Normale mit Standardzellen ja eher bei 1V 
lagen und man ja doch meist größere Spannungen messen möchte. Und soweit 
ich weiß, darf man Weston-Zellen auch nicht belasten.

Andererseits stelle ich mir Verstärker um Spannungen bis 1kV (das kann 
der 720A ja) sub-ppm stabil zu verstärken auch schwierig vor.

So langsam wird mir auch klar, warum Kalibratoren Sense Anschlüsse haben 
obwohl die nur wenige mA liefern können. Bei 7 Stellen kommt man ja ganz 
schnell in den Bereich in dem auch weniger als 1R durch Kabel usw zum 
Problem wird.


Also könnte ich mit einer Weston-Zelle oder auch mit einem Fluke 732B 
und KVD gar nicht präzise messen? (ohne Verstärker mit Sense-Ausgang)

Ich könnte einen Kalibrator mit Sense-Anschlüssen verwenden um den KVD 
zu speisen, aber dann brauche ich den KVD eigentlich nicht mehr und kann 
den Kalibrator gleich mit einem Nullmeter verwenden um die Spannung des 
DUT zu finden.

Hmm, so ganz klar ist mir noch nicht wie man früher präzise Messungen 
mit solchen Geräten angestellt hat.

von Werner H. (werner45)


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Literaturtip:

Auf der Seite der Physikalisch-Technische Bundesanstalt kann man den 
Klassiker "Kohlrausch - praktische Physik" kostenlos herunterladen.

https://www.ptb.de/cms/presseaktuelles/wissenschaftlich-technische-publikationen/buecher/nicht-in-navigation/der-kohlrausch.html

Da steht das drin.

Empfehlenswert ist es, nur die einzelnen Kapitel zu laden, dann ist das 
PDF schneller.

Gruß   -   Werner

von Philipp C. (e61_phil) Benutzerseite


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Im Manual zum 720A sind verschiedenen Aufbauten dargestellt. Um mit 
einem Weston-Element zu messen scheint man doch noch etwas mehr zu 
brauchen. Da ist ein Referenz-Teiler, zwei Null-Detektoren und noch ein 
Voltage Standard. (Figure 2-10). Als weiteres Beispiel ist da noch ein 
Aufbau mit einem 332D der den Teiler speist und nur einem Nullmeter. 
Also so wie Lurchi es beschrieb.

Dabei verstehe ich allerdings auch nicht warum man dann überhaupt einen 
Kelvin-Varley-Divider benutzt und nicht einfach den Null-Detektor 
zwischen die zu messende Spannungsquelle und das 332D hängt.


Noch ein Wort zum Innenwiderstand beim Nullabgleich: Es wird zwar bei 
vielen Multimetern ein Eingangswiderstand angegeben, aber oft ist es 
eher ein Eingangsstrom. Bei meinem HP 3456A fließen zB fast immer rund 
3pA in das Gerät. Dabei ist es ziemlich egal ob man 1µV oder 1V anlegt. 
Ich kenne den 720A nicht weiter, aber bei meinem RV722 
Kelvin-Varley-Divider beträgt die ungüntigste Ausgangsimpedanz 66k. Das 
bedeutet bei einer 10V Referenz dürfen nicht mehr als 15pA aus dem 
Divider fließen um nicht schon die 0,1ppm zu verschieben. Das sollte man 
beachten, wenn man sich einen Buffer für den Teiler baut.

Viele Grüße
Philipp

von Ernst O. (ernstj)


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Sehr zu empfehlen auch die drei Artikel von Conrad Hoffman zu dem Thema,
insbesondere die allerletzte Seite, auf der die verschiedenen 
Verwendungsmöglichkeiten zusammengefasst sind:

http://conradhoffman.com/mini_metro_lab.html

von Harald W. (wilhelms)


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Ernst O. schrieb:

> Artikel von Conrad Hoffman

Das ist jetzt zwar sehr OT, aber wie kann man verhindern, das der
Vorname vom Autor vom Forum als Link gekennzeichnet wird?

von Marian (phiarc) Benutzerseite


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Steffen schrieb:
> Andererseits stelle ich mir Verstärker um Spannungen bis 1kV (das kann
> der 720A ja) sub-ppm stabil zu verstärken auch schwierig vor.

Sowas wie ein 343A sollte das hinbekommen

von Lurchi (Gast)


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Mit einer 1,xx V Referenzzelle kann man z.B. eine Hilfsspannung nutzen, 
die für die Dauer der Messung stabil ist. Einmal wird die Hilfsspannung 
mit der 1,xxx V Referenz und dann die Hilfsspannung mit dem DUT 
verglichen. Damit kann man dann auch Spannungen etwas größer und keiner 
als die Referenz messen. Man braucht halt 2 Messungen, bzw. zur 
Korrecktur von Drif da ganze mehrmals wiederholt.

Die klassischen chemischen Ref. Zellen sind aber eigentlich weitgehend 
aus der Mode.

von Ernst O. (ernstj)


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Harald W. schrieb:
> Das ist jetzt zwar sehr OT, aber wie kann man verhindern, das der
> Vorname vom Autor vom Forum als Link gekennzeichnet wird?

Hat mich auch geärgert...

von Harald W. (wilhelms)


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Lurchi schrieb:

> Die klassischen chemischen Ref. Zellen sind aber eigentlich weitgehend
> aus der Mode.

Wie sieht bei denen eigentlich die Stabilität über
die Zeit und die Temperatur im Vergleich zu "modernen"
integrierten Spannungsreferenzen aus?

von Philipp C. (e61_phil) Benutzerseite


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Marian  . schrieb:
> Steffen schrieb:
>> Andererseits stelle ich mir Verstärker um Spannungen bis 1kV (das kann
>> der 720A ja) sub-ppm stabil zu verstärken auch schwierig vor.
>
> Sowas wie ein 343A sollte das hinbekommen

Naja, verstärken kann der 343A ja nicht und wenn er eh einen 343A hat, 
dann kann er den ja auch direkt zum Vergleichen nutzen.
(So wirklich sub-ppm stabil ist meiner allerdings nicht)

von Philipp C. (e61_phil) Benutzerseite


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Wenn man noch mal drüber nachdenkt, dann kann man den 343A einfach als 
Hilfsquelle degradieren. Also 343A an den Eingang des Kelvin Varley und 
dann, wie Lurchi schon beschrieb, einmal die Referenz Nullen und dann 
die gesuchte Spannung. Dafür bräuchte man nicht mal die Sense 
Anschlüsse, wenn es sich zwar verschiebt, aber dort stehen bleiben 
würde.

von Marian (phiarc) Benutzerseite


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Deswegen schlug ich die Kiste bzw. einen vergleichbaren Kalibrator ja 
als Verstärker vor ; sofern während dem ganzen Kabel umstecken etc. der 
Kalibrator stabil genug bleibt, bestimmt der KVD und die verwendete 
Referenz den Ausgang. Quasi ein Transferverstärker, der Bediener ist die 
Regelschleife, der KVD die Rückkopplung. Reine Poesie!

von Philipp C. (e61_phil) Benutzerseite


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Das hat mich ja nun doch gereizt :)

Ich habe gerade mal den 343A auf 10V gestellt und so direkt an den 
Eingang meines RV722 KVD gehängt (ohne Sense usw).

Dann habe ich in mit dem 3456A zwischen meiner LTZ1000 und dem RV722 
Ausgang gemessen und den RV722 so eingestellt, dass das 3456A im 
kleinsten Bereich zwischen + und - hin und hergesprungen ist. 
Anschließend noch einmal das Ganze aber statt LTZ1000 eine 5,0000V 
Quelle angeschlossen.

Beide Quellen dann noch mal direkt mit dem 3456A gemessen:

LTZ1000  7,16367 V
5V       5,00003 V

Beide stehen (auch über lange Zeit, wie ich von anderen Versuchen weiß) 
ohne das auch nur ein Digit am 3456A wackelt

Ich habe folgende Einstellungen am RV722 machen müssen:

LTZ1000 0,7163551
5V      0,4999841

7,16367 / 0,7163551 = 10,00017 V

(passt am 343A waren ca. 10V eingestellt, aber hierfür ja auch egal)

7,16367 / 0,7163551 * 0,4999841 = 4,999924 V

Das sind aber 100µV daneben...
Da hab ich wohl irgendwo noch etwas vermurkst

Aber ne nette Spielerei :)

von Uhu U. (uhu)


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Philipp C. schrieb:
> Dafür bräuchte man nicht mal die Sense Anschlüsse

Kannst du mal kurz erklären, was es mit diesen Sense Anschlüsse auf sich 
hat?

von Philipp C. (e61_phil) Benutzerseite


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Uhu U. schrieb:
> Kannst du mal kurz erklären, was es mit diesen Sense Anschlüsse auf sich
> hat?

Das ist einfach die Rückkopplung für den Spannungsausgang. Damit kann 
man sicherstellen, dass an der Stelle an der die Senseleitungen 
angeschlossen sind die eingestellte Spannung eingestellt wird.

Normalerweise kennt man so etwas auch von kräftigen Netzteilen. So wird 
der Spannungsfall über den Zuleitungen kompensiert. Vom Netzteil (oder 
Kalibrator) gehen dann 4 Leitungen zur Senke. Zwei Leitungen liefern den 
Strom und die anderen beiden Leitungen bleiben stromlos und messen die 
Spannung direkt an der Senke. Dadurch das durch die Sense Leitungen kein 
Strom fließt fällt hier auch keine Spannung ab. Ähnlich wie eine 
Vierleiter Widerstandsmessung.

von Hp M. (nachtmix)


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Harald W. schrieb:
> Wie sieht bei denen eigentlich die Stabilität über
> die Zeit und die Temperatur im Vergleich zu "modernen"
> integrierten Spannungsreferenzen aus?

Es werden, je nach Konstruktion, Werte von -41 bis +13µV/°C für 
Weston-Zellen genannt, aber so einfach ist die Sache nicht.
So etwas schaltet man auch nicht einfach ein und aus. Die Zellen wurden 
in Gruppen kontinuierlich auf das Genaueste thermostatisiert, und 
dennoch hatten sie individuelle Abweichungen von ein paar µV.
Hier gibts etwas zum Nachlesen: 
http://www.nist.gov/calibrations/upload/mn84.pdf


P.S.:
Wenn man in einem nicht thermostatisierten Raum auch noch Probleme mit 
den Thermospannungen der Kontakte bekommt, kann man solche 
Präzisionsmessungen überhaupt vergessen.

: Bearbeitet durch User
von Philipp C. (e61_phil) Benutzerseite


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Hp M. schrieb:
> P.S.:
> Wenn man in einem nicht thermostatisierten Raum auch noch Probleme mit
> den Thermospannungen der Kontakte bekommt, kann man solche
> Präzisionsmessungen überhaupt vergessen.

Meine bisherige Erfahrung dabei ist, dass man dabei nicht zu große Angst 
haben sollte. Selbst wenn ich hier die Pollin-Laborkabel verwende und 
diese einfach nur verdrillt anschließe ohne die Buchsen noch mit einem 
Tuch zu umwickeln usw., dann messe ich bei einem Kurzschluss so 
300-400nVpp. Das sind weit weniger als 0,1ppm bezogen auf die LTZ1000.

Es sollten nicht gerade Leute ständig vorbeilaufen oder die Fenster 
aufgerissen werden, so etwas sieht man dann schon.

Deutlich kritischer ist zB das LTZ1000 Board selbst. Das sollte schon 
gut gegen Luftzüge geschützt werden.

von Tippgeber (Gast)


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>  von Hp M. (nachtmix) 08.01.2016 21:26
> Hier gibts etwas zum Nachlesen:
> http://www.nist.gov/calibrations/upload/mn84.pdf
Da der Text teilweise abgeschnitten ist, hier der reine Text in ziemlich 
guter Qualität:
https://archive.org/stream/precisionmeasure3003herm/precisionmeasure3003herm_djvu.txt

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