Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik verbotene Zustände RS-Flipflop


von Schüler (Gast)


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Hallo, ich habe ein Problem mit einem RS-Flipflop.

Mein RS-Flipflop hat zwei Eingänge R und S sowie zwei Ausgänge mit Q und 
notQ. Da der eine Ausgang immer das Gegenteil von dem anderen Ausgang 
sein muss, ist in der Wahrheitstabelle ein Zustand vorhanden, der als 
"verboten" gekennzeichnet ist - das ist dann der Fall, wenn R=S=1 ist.

Angenommen, ich würde mir die Schaltung so auf einem Steckbrett 
nachbauen und zwei Taster erstellen, die für R und S stehen. Laut 
Wahrheitstabelle darf es den Zustand, dass dann beide Taster synchron 
gedrückt werden, nicht geben. Aber ich könnte es ja dennoch tun... - und 
genau darin liegt mein Problem.

Müsste ich dann z.B. mechanisch dafür sicherstellen, dass man nicht 
gleichzeitig beide Schalter drücken kann, wenn dieser Fall nicht sein 
darf?

: Gesperrt durch Moderator
von rs (Gast)


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Die verbotenen Zustände zerstören das IC nicht.

Wenn du sie verhinden willst, kannst du das mechanisch, elektrisch oder 
sonst wie tun.

von H.Joachim S. (crazyhorse)


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von Hp M. (nachtmix)


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Schüler schrieb:
> Aber ich könnte es ja dennoch tun...

Das ist nicht unbedingt ein Problem, sondern wird auch genutzt.

Je nachdem ob das RS-FF aus 2 NOR oder 2 NAND aufgebaut ist, sind dann 
beide Ausgänge zugleich H oder L.
Mit dieser Schaltung kann man z.B. feststellen, welches der beiden 
Signale zuerst da war, oder welches zuerst verschwindet.

von Schüler (Gast)


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H.Joachim S. schrieb:
> http://www.rs-flip-flop.de/index.php?page=rs

Dieser Link ist echt super, vielen Dank dafuer.

von Hp M. (nachtmix)


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P.S.:
In dem von crazyhorse verlinkten Artikel steht:

> Wer solch eine "Wahrheitstabelle" kreiert oder verteidigt,
> der kann nur von einem Planeten eines entfernten Sonnensystems,
> auf dem andere physikalische Naturgesetze wirken, stammen.

Das scheint mir auf den Autor jener Webpage besonders zuzutreffen.

von Georg A. (georga)


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Das mit dem "verboten" ist absoluter Quatsch, der immer noch in den 
Büchern auftaucht und wohl nicht auszurotten ist. Die Polizei kommt 
nicht vorbei, es gibt keinen Strafzettel, der Chip raucht nicht ab und 
beide Ausgänge sind in dem Fall sauber 0 (NAND-RS) oder 1 (NOR-RS).

Dieser Zustand hat nur zwei Probleme:

a) Zum einen stimmt die Sache mit der Invertierung nicht mehr. Es heisst 
ja Q und /Q, was impliziert, dass der einer immer das invertierte vom 
anderen ist. Ist aber eigentlich völlig egal. Wenn man das braucht, muss 
man halt einen Ausgang ausssuchen und einen extra Inverter nehmen.

b) Wenn man S und R gleichzeitig zurücknimmt, also wieder in den 
speichernden Zustand geht, ist nicht definiert, wie das RS-FF aus Q=(/Q) 
sich auf Q= / (/Q) festlegt, da muss das mit der Invertierung ja wieder 
stimmen. Prinzipiell kann man zwar sagen, dass das letzte aktive S oder 
R gewinnt, es gibt aber wirklich ein kleines Zeitfenster, in dem das 
nahezu gleichzeitige Zurücknehmen das FF in einem etwas verwirrten 
Zustand zurücklässt (aka Metastabilität). In dem muss es die Sache mit 
der Invertierung erstmal auflösen. Je nach Schaltungsaufbau kann das 
etwas dauern oder anders aussehen. Das Ergebnis ist dann, dass die 
Ausgänge für einige Zeit oszilieren, analoge Werte annehmen (d.h. keine 
eindeutige 0/1) oder sich auch im Nachhinein noch wieder spontant anders 
entscheiden. Das ist für das Schaltungsdesign und vermutlich die 
Funktion insgesamt etwas lästig, ist also zu vermeiden. Technisch gibt 
es keine Lösung, die Metastabilität zu vermeiden, sie ist immer da, man 
kann nur das Fenster etwas kleiner bekommen. Ist wie das Perpetuum 
Mobile, viele wollen es gefunden haben, bei näherer Betrachtung gehts 
aber dann doch nicht.

BTW: Bei getakteten FFs ist das dann die Setup/Hold-Zeit, die man 
beachten muss. Wenn sich die Eingangsdaten um die Flanke des 
abspeichernden Takts herum verändern, passiert genau dasselbe.

von Harald W. (wilhelms)


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Georg A. schrieb:

> b) Wenn man S und R gleichzeitig zurücknimmt,

Das wirst Du wohl nicht schaffen. Ein Signal wird immer schneller sein.

von Hp M. (nachtmix)


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Georg A. schrieb:
> Technisch gibt
> es keine Lösung, die Metastabilität zu vermeiden, sie ist immer da, man
> kann nur das Fenster etwas kleiner bekommen.

Nicht nur etwas kleiner.
Man kann das Fenster sogar dramatisch verkleinern, indem man ein zweites 
FF, das von der gleichen Clock gesteuert wird, nachschaltet.

von Klaus (Gast)


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In Kürze:

Das gängige FF mit verbotenen Zuständen ist nur eine mögliche Form, die 
aus dem logischen "Ideal" abgeleitet wird.
Es gibt andere FFs bei denen diese Zustände nicht verboten sind. Sowohl 
in der abstrakten Beschreibung als auch als konkrete Schaltung.


Lange Antwort:

Dieses "Verbot" bezieht sich vor allem auf eine logische Voraussetzung. 
Es ist demnach sinnlos, ein Flip-Flop zugleich zu setzen und 
zurückzusetzen.

Wie die konkrete Schaltung darauf reagiert, ist hingegen ein 
elektronisches resp. physikalisches Problem und nicht in erster Linie 
ein logisches.

Wie ja eine der Antworten schon ausgesagt hat, gibt es Schaltungsformen 
eines Flip-Flops die sowohl für den Zustand R=S=1 als auch für den 
nachfolgenden R ungleich S einen determinierten (d.h. klar 
beschriebenen, festgelegten) Zustand erreichen. Das ist sinnvoll, denn 
es ist unter Umständen nicht oder mit Aufwand (der entweder eben in der 
besonderen Form des FF oder der vorherigen Schaltung aufgebracht werden 
muss) vermeidbar, dass dieser "verbotene Zustand" auftritt.

Diese schaltungstechnisch definierten Zustände (sowohl für R=S=1 und die 
nachfolgenden) können logisch (im Sinne der Schaltalgebra) als gegenüber 
dem (von Dir als Referenz benutzen) "Normalfall" veränderte 
Wahrheitstabellen bzw. Zustandsdiagramme abgebildet werden. Sie fallen 
also nicht aus der Logik heraus. Das so beschriebene FF ist halt ein 
wenig anders als die "ideelle" Form - und hat dann keine verbotenen 
Eingangs-Werte mehr.

von Schüler (Gast)


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meine Güte ist das kompliziert :-(

von Georg A. (georga)


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> Das wirst Du wohl nicht schaffen. Ein Signal wird immer schneller sein.

Da gehts um die Theorie. Und da kann man beide wirklich gleichzeitig 
zurücknehmen. Und wenn man das dann im Kopf/auf dem Papier 
durchsimuliert, dreht man sich im Kreis, ohne auf einen stabilen 
Fixpunkt zu kommen. In der Praxis wird das eben zu "nahezu 
gleichzeitig".

> Nicht nur etwas kleiner.
> Man kann das Fenster sogar dramatisch verkleinern, indem man ein zweites
> FF, das von der gleichen Clock gesteuert wird, nachschaltet.

Dann hat das aber nichts mehr mit der Funktion eines (1) FFs zu tun... 
Die diversen Metastabilitätspatente beziehen sich nur darauf.

> meine Güte ist das kompliziert :-(

Nicht anders als bei einem Lichtschalter, da gibts auch immer einen 
Punkt, wo er in der Mitte hängenbleibt ;)

von RS (Gast)


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Verboten heisst dass das Verhalten undefiniert ist. Weil die Material 
von den beiden Transistoren nicht EXAKT gleich sein können, ein 
Transistor kann mehrere hunderte Atome mehr als den anderen haben und 
das führt dazu dass immer ein Signal R oder S vor dem anderen kommt. 
Mann weiss nicht genau welche kommt zuerst trotz man denkt dass man man 
beide gleichzeitig betätigt hat.

von W.A. (Gast)


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Schüler schrieb:
> Laut Wahrheitstabelle darf es den Zustand, dass dann beide Taster synchron
> gedrückt werden, nicht geben.

Die Wahrheitstabelle ist kein Naturgesetz. Was spricht, außer einem 
Stück Papier, gegen den Zustand?

Im übrigen ist Gleichzeitigkeit eine Illusion - die gibt es nicht 
wirklich.

von Georg A. (georga)


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> Verboten heisst dass das Verhalten undefiniert ist.

Nein, auch das stimmt nicht. Das statische Verhalten dieser Zeile der 
Wahrheitstabelle ist absolut definiert, da gibt es keinerlei Zweifel 
oder Spielraum. Lässt sich an einem NOR/NAND-RS-FF auch problemlos 
nachsimulieren.

Undefiniert ist nur das Ergebnis des Übergangs zum speichernden Zustand, 
wenn der Übergang nicht asymmetrisch über die Set oder Reset-Zweige 
läuft. Der Korrektheit halber müsste man in die Wahrheitstabelle eben 
auch die Übergänge reinbringen...

Leider steht das so nur selten in den Grundlagenlehrbüchern, stattdessen 
wird oft der Unfug mit dem "verboten" ausgegraben, der dann irgendwie 
den Leuten als potentielle Atombombenexplosion im Kopf herumspukt. Das 
zeigt eigentlich, dass die Schreiberlinge das auch nicht verstanden 
haben ;)

von chris_ (Gast)


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> Das statische Verhalten dieser Zeile der
> Wahrheitstabelle ist absolut definiert, da gibt es keinerlei Zweifel
> oder Spielraum.
> Lässt sich an einem NOR/NAND-RS-FF auch problemlos nachsimulieren.

Hmm, das wäre auszuprobieren. Ich schätze, es kommt stark auf die 
Simulation an:

https://www.circuitlab.com/editor/#?id=7pq5wm

von S. R. (svenska)


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> Lässt sich an einem NOR/NAND-RS-FF auch problemlos
> nachsimulieren.

Ich habe vor langer Zeit mal ein RS-Flipflop aus NORs simuliert. Das 
Teil fing an, mit der Simulationsgeschwindigkeit zu oszillieren. Das ist 
so ziemlich das Gegenteil von "da sind beide Ausgänge statisch" ist.

von Georg A. (georga)


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Wenn ein Simulator ein Problem damit hat, zB. bei einem NAND-RS einen 
stabilen Zustand mit R=S=0 hinzubekommen, dann ist er kaputt. 
Schliesslich ist je ein Eingang der beiden NANDs 0, was soll da am 
NAND-Ausgang was anderes als 1 rauskommen?

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