Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Vom Ingenieur zum Teamleiter


von Teamleiter (Gast)


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Hallo zusammen,

ich arbeite seit mehr als 8 Jahren als Entwicklungsingenieur in den 
neuen Bundesländern.

Aktuelle sieht es bei mir so aus:
Ausbildung: Dipl.-Ing.
Alter:          34 Jahre
Erfahrung:   8 Jahre
Fachgebiet: Hardwareentwicklung
Gehalt:       Ges. Brutto ~61k€ (IG-Metall E10 + 10%, 13,2 Gehälter)
A.Zeit:        38 Std.
Ü.Stunden:  Auf Gleitzeitkonto

Nun habe ich mich auf eine Stelle als Teamleiter beworben.
Dort müsste ich mehr als 15 Hardwareentwickler disziplinarisch und 
fachlich führen. Also eine ganze andere Liga als ein normaler Ingenieur. 
Ich fühle mich der Aufgabe aber aus verschiedenen Gründen gewachsen!

Wie weit kann ich mit meinen Gehalts-Vorstellungen gehen?
In Anbetracht der viel größeren Verantwortung, des ganz anderen 
Arbeitspensums und dem Stress hätte ich jetzt nicht unter 90k€ 
angesetzt. Mein Leben würde sich schon deutlich Richtung Job verschieben 
und das möchte ich zumindest finanziell ausgeglichen wissen.

Ist ein derartiges Gehalt gerechtfertigt?
Andere Randbedingungen wie Urlaubstage etc. kenne ich von der neuen 
Firma noch nicht. Aber die Stellung dürfte eh einen "verkaufe deine 
Seele dem Unternehmen" Passus enthalten, so dass es keine Überstunden 
oder sowas geben wird.

Vielen Dank!

von CEO (Gast)


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Grundsätzlich sind 90k für einen Teamleiter nicht viel.

Allerdings ist es schwer, den Sprung von deinem bisher geringen Gehalt 
plausibel zu machen. An deiner Stelle würde ich 70k als 
Gehaltsvorstellung angeben und darauf pochen, dass es bei positiver 
Leistung schrittweise in Richtung 120k angepasst wird.

von Nemesis (Gast)


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Teamleiter schrieb:
> so dass es keine Überstunden
> oder sowas geben wird.

Überstunden wird es schon geben, aber unbezahlt.

Teamleiter schrieb:
> Ist ein derartiges Gehalt gerechtfertigt?

Da wirst du immer in der unterlegenen Position sein, weil du
ja den Markt nicht kennst und dir auch keiner sagen kann wie
hoch man pokern kann. Daher ja auch dieser Thread.
Du bewirbst dich zwar, bist aber trotzdem nur ein Anbieter.
Entweder man nimmt dein Angebot an, oder nicht.
Anhand deiner Unterlagen und wenn es um richtig Kohle geht, kann
sich der neue Arbeitgeber leicht über deine Einkommenssituation
beim alten Arbeitgeber erkundigen. Die alternative Möglichkeit
hast du nicht. Backgrundrecherche zwar nicht erlaubt, aber am
Telefon, insbesondere wenn man sich kennt oder man fragt dich
einfach mal aus, wird man vielleicht gefühlt ein Gehalt +-10k
von deinem jetzigen tolerieren oder weiter suchen. In aller
Regel kommen Firmen auch erst mal eine Zeit lang ohne Neuzugang
aus, bis sich einer findet den man über den Tisch ziehen kann.
Die Beweggründe für eine Entscheidung werden meist immer im
Dunkeln bleiben.
Das ist ja das Dilemma am Arbeitsmarkt. Anders sähe die Sache aus,
wenn man dich abwerben würde, also man dich schon kennt und auch
weiß was du wert bist. Dann könnten 90-100k/a durchaus möglich sein.
Mir hat man auch schon leitende Stellen angeboten, aber die Gehalts-
vorstellungen der Arbeitgeber waren alles andere als angemessen.
Über den Tisch ziehen ist da noch maßlos untertrieben.

von Teamleiter (Gast)


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Hallo und vielen Dank!

CEO schrieb:
> Grundsätzlich sind 90k für einen Teamleiter nicht viel.

Ich habe ja noch keine Führungserfahrung, so dass ich das eigentlich als 
angemessen erachten würde. Aber ob mein Weltbild dazu nun passt - das 
weiß ich nicht. Daher dieser Thread...

CEO schrieb:
> Allerdings ist es schwer, den Sprung von deinem bisher geringen Gehalt
> plausibel zu machen.

Die neue Firma kennt mein aktuelles Gehalt nicht und ich werde es auch 
nicht verraten, sollten sie auch noch so lange bohren. Ich werde mir 
ausreichend ausweichende Antworten zurecht legen und bei der 10. Frage 
die darauf abzielt auch direkt darauf eingehen, dass mein aktuelles 
Gehalt nicht zur Diskussion steht. Hier sollte einzig und allein eine 
Rolle spielen, was meine Arbeit der Firma wert ist.

CEO schrieb:
> An deiner Stelle würde ich 70k als
> Gehaltsvorstellung angeben und darauf pochen, dass es bei positiver
> Leistung schrittweise in Richtung 120k angepasst wird.

Das Problem ist, dass ich für 70k und Vielleicht-Aussichten meine 
aktuell komfortable Stelle nicht aufgeben werde. Zumal dieses oder 
nächstes Jahr die E11 gut zu begründen ist. Dazu ist mir das Risiko zu 
hoch. Das es einen variablen Anteil geben wird, das ist sicher wie das 
Amen in der Kirche. Aber dieser Bonus sollte Bonus sein und schon das 
Grundgehalt sollte meine finanzielle Motivation zu wechseln 
wiederspiegeln.
Für ein paar hundert Euro mehr im Monat übernehme ich nicht die 
Verantwortung für so viele Mitarbeiter, mit dem dazugehörigen Stress und 
Arbeitspensum.

Aber schon diese Aussage hilft mir, meine Vorstellung etwas besser 
einzuordnen. Denn wenn es deutlich 6-stellig wird, nach ein paar Jahren 
erfolgreicher Arbeit, kann ich schon zufrieden sein.

Nemesis schrieb:
> Da wirst du immer in der unterlegenen Position sein, weil du
> ja den Markt nicht kennst und dir auch keiner sagen kann wie
> hoch man pokern kann.

Da ich keine erfahrene Führungskraft bin, stimmt das leider. Aber ich 
habe nichts zu verlieren und bin dadurch bereit, etwas höher zu pokern 
als jemand. der auf eine Neuanstellung angewiesen ist.

Viele Grüße!

von Trau keinem (Gast)


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Teamleiter schrieb:
> Die neue Firma kennt mein aktuelles Gehalt nicht und ich werde es auch
> nicht verraten, sollten sie auch noch so lange bohren.

Sag einfach, dass in Deinem Vertrag steht, dass Du über Dein Gehalt mit 
niemandem reden darfst.

Ob Deine Gehaltsforderung gerechtfertigt ist? Natürlich. Du schreibst 
ja, selber, dass Du es für weniger nicht machen willst/wirst. Ob die 
Firma soviel Budget hat und das zahlt, kann Dir keiner vorhersagen. 
Manche zahlen das locker, andere im Leben nicht.

von Weltbester FPGA Pongo (Gast)


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Im Osten wird es da nix werden mit 100k und schon gar nicht, als 
Dreissiger! Ich kenne da Klitschen, die uns zuliefern, wo die Entwickler 
bei 50k liegen, die hier im Westen 50% mehr hätten. Die Teamleiter 
liegen da so 20% bis 30% höher, will heißen: Im Westen bekommst Du als 
Entwickler mehr, als als Teamleiter im Osten.

Meistens suchen Firmen ja auch den billigen und stellen unerfahrene 
Leute ein, weil sie sparen wollen.

Um mal einen Anhaltspunkt zu geben, was ich so kenne und angeboten 
bekomme:

2013: Teamleitung Entwicklung FPGA-Gruppe mit 7 Personen in einem 
Konzern in Thüringen: Keine Leitungserfahrung nötig, da technisch und 
zunächst  nicht disziplinarisch:  70k für 35h (wegen 35h Haustarif) + 
Bonus Kann nach 1 Jahr auf 40h hochskaliert werden, hätte noch höher 
verhandelt werden können, steht also bei mir mit rund 85k im Gedächtnis.

2014: Mischstelle FPGA-Entwicklung und Projektbetreuung ohne 
Leitungsfunktion in Nordbayern bei de facto Konkurrenz: ERA-basierter 
Tarif + Zulagen + Bonus mit 90k Grundgehalt + Dienstwagen, macht 100k.

2015: Selbe Firma wie oben, 100k+Dienstwagen, 50% Projektabwicklung

2015: Entwicklung FPGA, Projektgruppenbetreuung, 
Teamleitereinstiegsposition bei einer Firma in Stuttgart, Richtung 
ASIC-Prototyping, 10% Reiseanteil Ausland, 90k geboten, 100k in Aussicht 
gestellt und letztlich zugesagt, mit Bonus bei 110k für geschätzte 45h.

2015 Sales ASICs and FPGA Location München, 20% Reiseanteil, keine 
Leitungsfunktion, Beraterfunktion bei Kunden, 100k + 40k variabel, je 
nach Erfolg - schätze ich auf 120k.


Habe ich alle nicht angenommen, da keine nennenswerte Verbesserung.

Viele gute Leute sitzen eben schon in guten Positionen, haben auch eine 
gewisse "Macht" in ihrer Firma, die sie gfs verlieren, wenn sie den Job 
aufgeben würden. Man weiß nie, wie es woanders ist. Also bleibt man bei 
seinen Leisten.

Wobei: Die Salesposition wäre auf Dauer schon interessant: Dann komme 
ich zu euch und verticke euch die Maskenentwürfe :-)

von Weltbester FPGA Pongo (Gast)


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von Teamleiter (Gast)


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Danke für die wertvollen Infos!

Weltbester FPGA Pongo schrieb im Beitrag #4433966:
> 2013: Teamleitung Entwicklung FPGA-Gruppe mit 7 Personen in einem
> Konzern in Thüringen: Keine Leitungserfahrung nötig, da technisch und
> zunächst  nicht disziplinarisch:  70k für 35h (wegen 35h Haustarif) +
> Bonus Kann nach 1 Jahr auf 40h hochskaliert werden, hätte noch höher
> verhandelt werden können, steht also bei mir mit rund 85k im Gedächtnis.

Das klingt doch ziemlich gut?
Ich habe ja nicht nach dem 100k gefragt, sondern ob meine 90k 
Vorstellung realistisch ist.
Das Team wäre größer, zusätzlich disziplinarische Führung (die ich mir 
noch erarbeiten muss!).
40h sind in einem Beispiel ja schon 80k + Bonus.
Wenn ich mich also mit 80k zufrieden stelle (wegen mangelnder 
Führungserfahrung) und dann noch einen Bonus aushandle, wenn ich es denn 
dann schnell und gut schaffe, dahingehend Kompetenzen aufzubauen, dann 
liege ich nicht so verkehrt.

von Poltergeist (Gast)


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Teamleiter schrieb:
> zusätzlich disziplinarische Führung (die ich mir
> noch erarbeiten muss!).

DAS ist das, was ich immer sehe: Irgendeiner, der nicht einmal weiß, was 
er wert ist, wird zum Leiter der Fachgruppe benannt und stellt sich dann 
vor seine Leute und verkündet:

"Ich möchte lernen, ein guter Teamleiter zu sein" :-D

von Hans-Peter (Gast)


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Poltergeist schrieb:
> DAS ist das, was ich immer sehe: Irgendeiner, der nicht einmal weiß, was
> er wert ist, wird zum Leiter der Fachgruppe benannt und stellt sich dann
> vor seine Leute und verkündet:
>
> "Ich möchte lernen, ein guter Teamleiter zu sein" :-D

"Learning on the job" ist nicht die schlechteste Methode, und zuzugeben, 
dass man in einer neuen Position noch viel lernen muss, keine Schande. 
Allerdings muss man genügend Selbstbewusstsein ausstrahlen, um von 
seinen Mitarbeitern von Anfang an auch als Führungskraft respektiert zu 
werden.

von gb (Gast)


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Hallo Teamleiter,

Deine Überlegungen sind schon gut und realistisch. Die 90k€ sind 
angemessen, auch wenn Du noch nicht erfahren bist. Das Entgelt sollte 
sich mit Deinem Erfahrungsschatz dann später auch erhöhen.

Auch wenn Du vielleicht intuitiv einige Fuehrungsaspekte schon gut 
abdeckst, achte bitte auf die methodische Weiterbildung und besuche 
Fuehrungskurse. Das erhöht Deinen Wirkungsgrad deutlich und lässt Dich 
schneller wachsen. Außerdem sinkt die Wahrscheinlichkeit von groben 
Managementfehlern, die Dir und der Firma großen Schaden zufügen koennen. 
Fordere solche Weiterbildung am Besten gleich beim Bewerbungsgespräch 
mit ein. Das unterstreicht Deine Ernsthaftigkeit und vermittelt 
realistische Selbsteinschätzung.

Lass Dich durch die harte Zeit am Anfang nicht entmutigen. Führung wird 
Dir lange Zeit keine oder deutlich weniger Erfolgserlebnisse bescheren 
als die Entwicklertaetigkeit. Das ist schwierig für die Motivation, aber 
absolut normal. Ich nenne es immer "Wachstumsschmerzen".

Viel Erfolg!

gb

von Ingenieur (Gast)


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Hallo angehender Teamleiter,

es gilt: Jetzt oder nie!

Die Möglichkeit in eine Führungsposition zu kommen ist nach ca. 10 
Jahren Berufserfahrung am größten. Danach wird es zunehmend schwieriger.

Hat man erst einmal Führungserfahrung tun sich nach oben weitere 
Möglichkeiten auf, die man als Sachbearbeiter ab 40 nicht mehr bekommt.

Deswegen ist das Gehalt beim ersten Sprung auch nicht das Entscheidende. 
Lieber mit 70K (+15%, üblich!)den Einstieg in die Führungsebene 
schaffen, als mit 80K abgelehnt zu werden. Wenn Du Dich als Teamleiter 
bewährst, kommt das Geld in den Folgejahren von selbst.

Deine Gehaltsvorstellung  muss irgendwie auch von der Größe, dem 
Unternehmenserfolg und dem Standort der neuen Firma abhängig sein.

Konkret: Kostet die Doppelhaushälfte am neuen Standort 150.000€ dann 
sind 70K o.k., muss man 400.000€ investieren, dann eher 80K.

Mein Schritt zum Abteilungsleiter (20 Mitarbeiter) war mit einem 
sinkenden Stundenlohn verbunden (Geld +15%, Arbeitszeit +25%).

Du solltest aber in jedem Fall schon mal geführt haben, mindestens als 
Projektleiter. Ansonsten kann das Wasser sehr kalt sein.

Gruß

von Projektleiter (Gast)


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Und weil das Wasser in der Tat sehr kalt ist, habe ich mir es verbeten, 
den Abteilungsleiter zu machen, der von oben eins aufs Dach bekommt :-)

Ganz im Ernst: Bei uns hammse wieder mal einen Neuen. Der ist jung und 
naiv und zum Zerfleischen freigegeben.

von Pandur S. (jetztnicht)


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> Das Team wäre größer, zusätzlich disziplinarische Führung (die ich mir
noch erarbeiten muss!).

Vergiss disziplinarische Fuehrung. ROFL. Weder sind die Mitarbeiter 
Bananenpfluecker, noch bist du beim Militaer. Es geht eher in der 
Richtung deine Mitarbeiter sind Balerinen, und du bist der Butler & 
Fahrer. Wenn es regnet holst du die Leute am Bahnhof ab.
Am Abend, und hin und wieder am Wochenende organisierst du 
Motivationsanlaesse, im Sinne von "Wir sind ein tolles Team und rollen 
die Welt auf". Die Leute muessen gut drauf sein, um ein Maximum leisten 
zu koennen, und falls irgendwelche Hinternisse im Weg stehen, 
darfst/musst du die entfernen.

: Bearbeitet durch User
von Projektleiter (Gast)


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So einfach ist es nicht, ein guter Leiter muss schon einige 
Eigenschaften haben, um das Vertrauen seiner Leute aufzubauen und zu 
behalten. Dazu gehört, dass er ihnen der Dreck von oben (ja den Dreck 
und nicht nur den Druck) vom Hals hält. Zu verhindern hat er auch das 
Bashing gegen Entwickler, die man in Probleme hineinmanövriert hat. Er 
muss auch die rechtlichen Randbedinugngen in Firmen handhaben. Hat einer 
keine mail, muss er eine kriegen und nicht illegal die von Kollegen 
nehmen. Hat er keine Schulung, muss er eine kriegen und nicht trotzdem 
agieren oder unbefugt unterschreiben.

U:S:W

Leider sind die meisten dieser Personen nicht sehr lange 
Abteilungsleiter, weil sie abgesägt werden.

von Projektleiter (Gast)


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will heissten, wer den Kompromiss bei all diesen kniffeligen Fragen zu 
Gunsten der Mitarbeiter gestaltet, ist Weg vom Fenster. Also Geben und 
Nehmen und Druck nach beiden Seiten: Zu den Entwicklern und nach oben.

Wenn man sieht, dass ein junger, dummer Unerfahrener im Amt ist, dann 
weiss man, was einem da erwartet. Im schlimmsten Fall ein Weichei, der 
Druck nur weitergibt und einem auf Geheiss die Hölle heiss macht.

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