Forum: Platinen High Speed Signale auf Außenlagen


von Sebastian P. (dazligth)


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Hallo Forengemeinde,

ich beschäftige mich schon seit einigen Wochen mit dem Thema High Speed 
Design auf Leiterplatten und arbeite mich Stück für Stück näher ans 
Thema ran. Vieles wird immer klarer, aber zu einer Sache hätte ich mal 
gern Feedback von den Profis :)

Als Beispiel:
In der PCB-Design-Empfehlung vom STM32F7xx (AN4661) sind für ein 4 und 
6-Lagen Board jeweils die Außenlagen für die HighSpeed-Signale 
vorgesehen. Diese Empfehlung habe ich schon an vielen anderen Stellen 
genauso gefunden. Meine Frage:
Warum ist das so? Ist das ein "wäre gut" oder eine "dringende 
Empfehlung"?

Meine Überlegung hierzu ist folgende:
Signale auf den Außenlagen werden schneller Übertragen.
Außenlagen -> Dielektrizitätskonstante ~3..3.5 -> ~16,5cm/ns @ 3.3
Innenlagen -> Dielektrizitätskonstante ~4.5..5 -> ~14cm/ns @ 4.5
Bin ich mit dieser Überlegung auf dem richtigen Weg? Oder womit hat die 
Empfehlung zu tun?

Wenn das der Grund ist, komme ich zur nächsten (zugegebenermaßen 
vielleicht auch hypotetischen) Überlegung.
Klar, in einem guten Design, dass alles beachtet(wenn möglich) macht das 
sicher Sinn. Aber wer ist noch nicht über EMV Probleme bei z.B. der 
Störaussendung gestolpert?

Daher:
So groß ist der Unterschied zwischen Außen- und Innenlagen ja garnicht. 
Oder übersehe ich was?
Macht es nicht viel mehr Sinn die "etwas" langsamere Signalübertragung 
in Kauf zu nehmen und die high speed Signale nach Innen zu verlegen, 
dass für den Fall der Fälle je zwei außenliegende GND-Planes schon 
einiges Abschirmen/wegnehmen?

Vielleicht auch zwei konkrete Anwendungsfälle die mich bewegen:
1. SDRAM 16bit Bus 133 MHz - noch relativ human ?!?
2. HDMI 1.2 mit bis zu 4Gbit/s und LVDS Paaren.

Wie macht/seht ihr das?

: Bearbeitet durch User
von Georg (Gast)


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Sebastian P. schrieb:
> dass für den Fall der Fälle je zwei außenliegende GND-Planes schon
> einiges Abschirmen/wegnehmen?

Der Unterschied ist nicht so gross wie du denkst - eine 
Microstrip-Konfiguration bewirkt, dass der Rückstrom direkt unter der 
(aussenliegenden) Signal-Leiterbahn verläuft, dadurch wird die Fläche 
der Leiterschleife stark reduziert und somit die EMV verringert. Als 
Faustformel gilt, dass das "Einziehen" der Massefläche unter einer 
Microstrip-Leitung ungefähr so wirksam ist wie die Massefläche über 
einer Stripline. Flapsig formuliert, auch eine Massefläche unter der 
Leitung hat eine Schirmwirkung.

Dazu kommt, dass ja z.B. alle Anschlüsse für SMD sowieso auf den 
Aussenlagen sind, daher ist der Ansatz mit Signalen aussen so 
verbreitet. Die Leute die so was machen haben sich in der Regel schon 
was dabei gedacht.

Striplines werden erst bei höheren Lagenzahlen sinnvoll, so etwa ab 8. 
Aber da spielen viele Punkte eine Rolle, z.B. die Symmetrie des 
Lagenaufbaus, das würde hier viel zu weit führen.

Georg

von Christian B. (luckyfu)


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Um noch ein Wider dieser Technik anzugeben:
Üblicherweise werden die Außenlagen bei der PCB Herstellung selektiv 
aufgekupfert. Dies bewirkt, daß man Dickentoleranzen von +100% hat. D.h. 
du bestellst eine Platine mit 35µm Aussenkupfer. Die real zu messende 
Dicke ist jedoch ca. 50µm. Wie kommts: Der Hersteller verpresst außen 
eine 17µm Kupferfolie. Dieser Pressling wird anschließend mit den 
Durchzukonaktierenden Löchern gebohrt (Vias Bauteilanschlüsse bei 
THT...) anschließend wird selektiv aufgekupfert. Um nun die 20µm in der 
Hülse zu erhalten wird außen fast doppelt so viel Kupfer abgeschieden, 
also gut 35µm. Macht zusammen mit den 17µm vom Start und abzüglich 2-3µm 
durch Reinigungsprozesse dann die besagten 50µm. Allerdings ist der 
Abscheidungsprozess nicht gleichmäßig. Hast du z.B. eine Dünne 
Leiterbahn direkt neben einer Fläche, so bekommt die Fläche mehr Kupfer 
und die Leiterbahn weniger. Willst du also sehr genau abgestimmte 
Impedanzen haben, empfiehlt es sich diese auf der Innenlage zu routen. 
Ein weiterer Vorteil davon ist: Man kann problemlos unter Bauteilen 
hindurchtauchen. Das spart ggf. sonst notwendige Umgehungen.

Du siehst: Es ist nicht schwarz / weiß und alles hat seine Berechtigung. 
Wenn man jedoch einen 6 Lagen Aufbau hat und recht viele 
unterschiedliche Betriebsspannungspegel benötigt (Die jeweils eigene VCC 
Flächen bekommen) bleibt einem kaum etwas anderes übrig, als die 
Außenlagen zu nutzen für die Signale. Der Aufbau wäre dann :Top + 
Signale, GND, VCC1, VCC2, GND, BOT + Signale. Wenn du nur sehr wenig VCC 
Potentiale benötigst und du es schaffst, daß eine VCC Plane komplett 
unter den Impedanzkontrollierten Leitungen ist, kannst du auch diese 
Fläche als Referenzfläche nutzen, VCC und GND sind durch die vielen 
Abblockkondensatoren zumeisst sowieso HF mäßig kurzgeschlossen, sodaß 
dies problemlos machbar ist. Der Rückstrom fließt dann über VCC, nicht 
über GND und steigt bei den Bauteilanschlüssen auf GND um. Das bedeutet 
allerdings auch, daß du bei Steckverbindern in diesem Fall ebenfalls 
Abblockkondensaotren benötigst, um den Rückstrom dort auf GND umleiten 
zu können. Außerdem sollte bei jedem Lagenwechsel eines 
Impedanzkontrollierten Signales, welches das GND - VCC Paket durchstößt, 
auch ein GND Via angebracht werden, damit der Rückstrom in unmittelbarer 
Nähe folgen kann.

von Joe F. (easylife)


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Christian B. schrieb:
> Willst du also sehr genau abgestimmte
> Impedanzen haben, empfiehlt es sich diese auf der Innenlage zu routen.

Das kann man auch genau anders herum sehen.

a) Die Aussenlagen haben den Vorteil, dass man impedanzkontrollierte 
Signale nicht über VIAs führen muss, die Impedanzsprünge bedeuten.

b) Ausserdem ist die Impedanz auf der Aussenlage vergleichsweise einfach 
zu kontrollieren, da lediglich der Abstand zur nächsten Lage (Plane), 
eine Rolle spielt.
In Innenlagen hast du 2 benachbarte Lagen, die die Impedanz 
beeinflussen.
Der PCB Aufbau sieht in der Regel so aus, dass jeweils mehrere Cores mit 
2 Kupferseiten mit Prepregs verpresst werden.

4 Lagen so:
Aussenlage TOP
CORE
Innenlage 1
PREPREG
Innenlage 2
CORE
Aussenlage BOT

6 Lagen so:
Aussenlage TOP
CORE
Innenlage 1
PREPREG
Innenlage 2
CORE
Innenlage 3
PREPREG
Innenlage 4
CORE
Aussenlage BOT

Die Cores haben eine relativ genau definierte Dicke, der Abstand der 
Lagen zwischen denen ein Prepreg liegt ist ungenauer (durchs Verpressen 
bedingt).

von Uwe N. (ex-aetzer)


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Aussenliegende Kerne wie in deinen Lagenaufbau sollte man vermeiden.
Mein Vorschlag:

1. Top
 Prepregs
2. Innenlage 1
 Core
3. Innenlage 2
 Prepreg
4. Bottom

Ähnlich beim 6Lagen Aufbau.

von Georg (Gast)


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Joe F. schrieb:
> Die Cores haben eine relativ genau definierte Dicke, der Abstand der
> Lagen zwischen denen ein Prepreg liegt ist ungenauer

Es ist aber nunmal so, dass bei einer Stripline immer auf einer Seite 
ein Core, auf der anderen ein Prepreg liegt, egal wie man es anstellt.

Joe F. schrieb:
> 4 Lagen so:
> Aussenlage TOP
> CORE
> Innenlage 1

Das ist fertigungstechnisch äusserst ungünstig: den aussenliegenden Core 
müsste man auf einer Seite (der inneren) belichten und ätzen, während 
die äussere Cu-Lage erst nach dem Verpressen bearbeitet werden kann. 
Möglich aber dumm, und daher nicht üblich.

Georg

von Christian B. (luckyfu)


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Das ist der Sog. Laminataufbau, den gibt es, aber der kommt nur dann zum 
Einsatz, wenn man entweder sehr genau definierte Abstände oder sehr 
große / sehr kleine Abstände zwischen der Außenlage und der ersten 
Innenlage benötigt, beides ist mit normalen Prepregs nur schwer zu 
schaffen. Bei großen Abständen kann man sich noch behelfen, aber durch 
die Forderung, daß man immer mindestens 2 Prepregs verpressen muss, ist 
der Mindestabstand festgelegt, unter 80µm geht nicht. Aber es gibt 
Laminat, welches dünner ist.
Auch gibt es dann keine Dickenschwankungen, die jedoch beim Verpressen 
mit Prepregs unausweichlich sind.

Joe F. schrieb:
> a) Die Aussenlagen haben den Vorteil, dass man impedanzkontrollierte
> Signale nicht über VIAs führen muss, die Impedanzsprünge bedeuten.

Das ist richtig, es gibt aber auch hier wieder Ausnahmen: Setze ich die 
Vias z.B. direkt hinter dem Sender / Empfänger spielt der Impedanzsprung 
durch das Via faktisch keine Rolle, dann habe ich nur die Vorteile (ok, 
ich hab mindestens einen weiteren um wieder an den nächsten IC / SVB zu 
kommen. Beim IC ist es kein Problem, beim SVB hab ich nen Sprung, den 
ich aber im SVB sowieso habe, sodaß die Störstellen nicht zwangsläufig 
häufiger sind als bei Layout auf Oberfläche

Joe F. schrieb:
> b) Ausserdem ist die Impedanz auf der Aussenlage vergleichsweise einfach
> zu kontrollieren, da lediglich der Abstand zur nächsten Lage (Plane),
> eine Rolle spielt.
> In Innenlagen hast du 2 benachbarte Lagen, die die Impedanz
> beeinflussen.

Die man aber berechnen und somit berücksichtigen kann. Außerdem kann man 
Impedanzen nach der Fertigung sehr gut messen, entweder mit speziellen 
Meßstrukturen oder, zerstörend, mit Schliffbildern. (Oder man kombiniert 
beide Verfahren um noch sicherer zu sein in der Vorhersage)

Ich will ja nicht in Abrede stellen, daß es sinnvoll ist, 
Impedanzkontrollierte Leitungen auf den Aussen Lagen zu führen, aber es 
gibt genausogut Gründe, dies nicht zu tun. Ein weiterer kann sein, daß 
auf Innenlagen häufig kleinere Line / Space Werte realisierbar sind als 
auf Außenlagen. Desweiteren hat man auf Innenlagen eine Homogenere 
Kupferkante an den Leitungen, da diese nur von Oben geätzt werden, 
während bei Außenlagen nur die Hälfte geätzt und die andere Hälfte 
galvanisch aufgetragen wird.

von Sebastian P. (dazligth)


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Hallo Forengemeinde!

WOW, sooo viele Rückmeldungen.

Danke Georg für deine Meinung und deine Zeit!
Danke Christian B für deine Meinung und deine Zeit!
Danke Joe F für deine Meinung und deine Zeit!
Danke Uwe N. für deine Meinung und deine Zeit!

Alle haben mir sehr geholfen die Lage besser beurteilen zu können.

von Marcus H. (Firma: www.harerod.de) (lungfish) Benutzerseite


Angehängte Dateien:

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Sebastian P. schrieb:
> ich beschäftige mich schon seit einigen Wochen mit dem Thema High Speed
> Design auf Leiterplatten und arbeite mich Stück für Stück näher ans
> Thema ran. Vieles wird immer klarer, aber zu einer Sache hätte ich mal
> gern Feedback von den Profis :)

Eine unterhaltsame Lektüre wäre das "handbook of black magic".
Danach ggf. "high speed signal propagation" a.k.a "advanced black 
magic".
Beide von Howard Johnson...

von Sebastian P. (dazligth)


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Hmmm der Einband kommt mir bekannt vor. Den hab ich schon mal gesehen. 
Morgen gleich mal auf der Arbeit schauen, das haben wir bestimmt da :)
Danke!

: Bearbeitet durch User
von Georg (Gast)


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Hallo,

noch besser zum Thema passend:

Transmission Line Design Handbook
Brian C. Wadell
ISBN 0-89006-436-9

Die beiden Bücher liegen bei mir immer zusammen am Arbeitsplatz rum.

Beide Bücher sind übrigens recht alt (meine 91 und 93), aber aktuell. 
Die Physik elektrischer Leitungen hat sich in den letzten hundert Jahren 
nicht geändert.

Georg

von Sebastian P. (dazligth)


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Georg schrieb:
> Beide Bücher sind übrigens recht alt (meine 91 und 93), aber aktuell.
> Die Physik elektrischer Leitungen hat sich in den letzten hundert Jahren
> nicht geändert.

Merkwürdig ^^ :D
Es ist doch sonst alles so schnelllebig geworden. Ist man gar nicht mehr 
gewohnt :/

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