Hallo Forengemeinde, ich beschäftige mich schon seit einigen Wochen mit dem Thema High Speed Design auf Leiterplatten und arbeite mich Stück für Stück näher ans Thema ran. Vieles wird immer klarer, aber zu einer Sache hätte ich mal gern Feedback von den Profis :) Als Beispiel: In der PCB-Design-Empfehlung vom STM32F7xx (AN4661) sind für ein 4 und 6-Lagen Board jeweils die Außenlagen für die HighSpeed-Signale vorgesehen. Diese Empfehlung habe ich schon an vielen anderen Stellen genauso gefunden. Meine Frage: Warum ist das so? Ist das ein "wäre gut" oder eine "dringende Empfehlung"? Meine Überlegung hierzu ist folgende: Signale auf den Außenlagen werden schneller Übertragen. Außenlagen -> Dielektrizitätskonstante ~3..3.5 -> ~16,5cm/ns @ 3.3 Innenlagen -> Dielektrizitätskonstante ~4.5..5 -> ~14cm/ns @ 4.5 Bin ich mit dieser Überlegung auf dem richtigen Weg? Oder womit hat die Empfehlung zu tun? Wenn das der Grund ist, komme ich zur nächsten (zugegebenermaßen vielleicht auch hypotetischen) Überlegung. Klar, in einem guten Design, dass alles beachtet(wenn möglich) macht das sicher Sinn. Aber wer ist noch nicht über EMV Probleme bei z.B. der Störaussendung gestolpert? Daher: So groß ist der Unterschied zwischen Außen- und Innenlagen ja garnicht. Oder übersehe ich was? Macht es nicht viel mehr Sinn die "etwas" langsamere Signalübertragung in Kauf zu nehmen und die high speed Signale nach Innen zu verlegen, dass für den Fall der Fälle je zwei außenliegende GND-Planes schon einiges Abschirmen/wegnehmen? Vielleicht auch zwei konkrete Anwendungsfälle die mich bewegen: 1. SDRAM 16bit Bus 133 MHz - noch relativ human ?!? 2. HDMI 1.2 mit bis zu 4Gbit/s und LVDS Paaren. Wie macht/seht ihr das?
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Sebastian P. schrieb: > dass für den Fall der Fälle je zwei außenliegende GND-Planes schon > einiges Abschirmen/wegnehmen? Der Unterschied ist nicht so gross wie du denkst - eine Microstrip-Konfiguration bewirkt, dass der Rückstrom direkt unter der (aussenliegenden) Signal-Leiterbahn verläuft, dadurch wird die Fläche der Leiterschleife stark reduziert und somit die EMV verringert. Als Faustformel gilt, dass das "Einziehen" der Massefläche unter einer Microstrip-Leitung ungefähr so wirksam ist wie die Massefläche über einer Stripline. Flapsig formuliert, auch eine Massefläche unter der Leitung hat eine Schirmwirkung. Dazu kommt, dass ja z.B. alle Anschlüsse für SMD sowieso auf den Aussenlagen sind, daher ist der Ansatz mit Signalen aussen so verbreitet. Die Leute die so was machen haben sich in der Regel schon was dabei gedacht. Striplines werden erst bei höheren Lagenzahlen sinnvoll, so etwa ab 8. Aber da spielen viele Punkte eine Rolle, z.B. die Symmetrie des Lagenaufbaus, das würde hier viel zu weit führen. Georg
Um noch ein Wider dieser Technik anzugeben: Üblicherweise werden die Außenlagen bei der PCB Herstellung selektiv aufgekupfert. Dies bewirkt, daß man Dickentoleranzen von +100% hat. D.h. du bestellst eine Platine mit 35µm Aussenkupfer. Die real zu messende Dicke ist jedoch ca. 50µm. Wie kommts: Der Hersteller verpresst außen eine 17µm Kupferfolie. Dieser Pressling wird anschließend mit den Durchzukonaktierenden Löchern gebohrt (Vias Bauteilanschlüsse bei THT...) anschließend wird selektiv aufgekupfert. Um nun die 20µm in der Hülse zu erhalten wird außen fast doppelt so viel Kupfer abgeschieden, also gut 35µm. Macht zusammen mit den 17µm vom Start und abzüglich 2-3µm durch Reinigungsprozesse dann die besagten 50µm. Allerdings ist der Abscheidungsprozess nicht gleichmäßig. Hast du z.B. eine Dünne Leiterbahn direkt neben einer Fläche, so bekommt die Fläche mehr Kupfer und die Leiterbahn weniger. Willst du also sehr genau abgestimmte Impedanzen haben, empfiehlt es sich diese auf der Innenlage zu routen. Ein weiterer Vorteil davon ist: Man kann problemlos unter Bauteilen hindurchtauchen. Das spart ggf. sonst notwendige Umgehungen. Du siehst: Es ist nicht schwarz / weiß und alles hat seine Berechtigung. Wenn man jedoch einen 6 Lagen Aufbau hat und recht viele unterschiedliche Betriebsspannungspegel benötigt (Die jeweils eigene VCC Flächen bekommen) bleibt einem kaum etwas anderes übrig, als die Außenlagen zu nutzen für die Signale. Der Aufbau wäre dann :Top + Signale, GND, VCC1, VCC2, GND, BOT + Signale. Wenn du nur sehr wenig VCC Potentiale benötigst und du es schaffst, daß eine VCC Plane komplett unter den Impedanzkontrollierten Leitungen ist, kannst du auch diese Fläche als Referenzfläche nutzen, VCC und GND sind durch die vielen Abblockkondensatoren zumeisst sowieso HF mäßig kurzgeschlossen, sodaß dies problemlos machbar ist. Der Rückstrom fließt dann über VCC, nicht über GND und steigt bei den Bauteilanschlüssen auf GND um. Das bedeutet allerdings auch, daß du bei Steckverbindern in diesem Fall ebenfalls Abblockkondensaotren benötigst, um den Rückstrom dort auf GND umleiten zu können. Außerdem sollte bei jedem Lagenwechsel eines Impedanzkontrollierten Signales, welches das GND - VCC Paket durchstößt, auch ein GND Via angebracht werden, damit der Rückstrom in unmittelbarer Nähe folgen kann.
Christian B. schrieb: > Willst du also sehr genau abgestimmte > Impedanzen haben, empfiehlt es sich diese auf der Innenlage zu routen. Das kann man auch genau anders herum sehen. a) Die Aussenlagen haben den Vorteil, dass man impedanzkontrollierte Signale nicht über VIAs führen muss, die Impedanzsprünge bedeuten. b) Ausserdem ist die Impedanz auf der Aussenlage vergleichsweise einfach zu kontrollieren, da lediglich der Abstand zur nächsten Lage (Plane), eine Rolle spielt. In Innenlagen hast du 2 benachbarte Lagen, die die Impedanz beeinflussen. Der PCB Aufbau sieht in der Regel so aus, dass jeweils mehrere Cores mit 2 Kupferseiten mit Prepregs verpresst werden. 4 Lagen so: Aussenlage TOP CORE Innenlage 1 PREPREG Innenlage 2 CORE Aussenlage BOT 6 Lagen so: Aussenlage TOP CORE Innenlage 1 PREPREG Innenlage 2 CORE Innenlage 3 PREPREG Innenlage 4 CORE Aussenlage BOT Die Cores haben eine relativ genau definierte Dicke, der Abstand der Lagen zwischen denen ein Prepreg liegt ist ungenauer (durchs Verpressen bedingt).
Aussenliegende Kerne wie in deinen Lagenaufbau sollte man vermeiden. Mein Vorschlag: 1. Top Prepregs 2. Innenlage 1 Core 3. Innenlage 2 Prepreg 4. Bottom Ähnlich beim 6Lagen Aufbau.
Joe F. schrieb: > Die Cores haben eine relativ genau definierte Dicke, der Abstand der > Lagen zwischen denen ein Prepreg liegt ist ungenauer Es ist aber nunmal so, dass bei einer Stripline immer auf einer Seite ein Core, auf der anderen ein Prepreg liegt, egal wie man es anstellt. Joe F. schrieb: > 4 Lagen so: > Aussenlage TOP > CORE > Innenlage 1 Das ist fertigungstechnisch äusserst ungünstig: den aussenliegenden Core müsste man auf einer Seite (der inneren) belichten und ätzen, während die äussere Cu-Lage erst nach dem Verpressen bearbeitet werden kann. Möglich aber dumm, und daher nicht üblich. Georg
Das ist der Sog. Laminataufbau, den gibt es, aber der kommt nur dann zum Einsatz, wenn man entweder sehr genau definierte Abstände oder sehr große / sehr kleine Abstände zwischen der Außenlage und der ersten Innenlage benötigt, beides ist mit normalen Prepregs nur schwer zu schaffen. Bei großen Abständen kann man sich noch behelfen, aber durch die Forderung, daß man immer mindestens 2 Prepregs verpressen muss, ist der Mindestabstand festgelegt, unter 80µm geht nicht. Aber es gibt Laminat, welches dünner ist. Auch gibt es dann keine Dickenschwankungen, die jedoch beim Verpressen mit Prepregs unausweichlich sind. Joe F. schrieb: > a) Die Aussenlagen haben den Vorteil, dass man impedanzkontrollierte > Signale nicht über VIAs führen muss, die Impedanzsprünge bedeuten. Das ist richtig, es gibt aber auch hier wieder Ausnahmen: Setze ich die Vias z.B. direkt hinter dem Sender / Empfänger spielt der Impedanzsprung durch das Via faktisch keine Rolle, dann habe ich nur die Vorteile (ok, ich hab mindestens einen weiteren um wieder an den nächsten IC / SVB zu kommen. Beim IC ist es kein Problem, beim SVB hab ich nen Sprung, den ich aber im SVB sowieso habe, sodaß die Störstellen nicht zwangsläufig häufiger sind als bei Layout auf Oberfläche Joe F. schrieb: > b) Ausserdem ist die Impedanz auf der Aussenlage vergleichsweise einfach > zu kontrollieren, da lediglich der Abstand zur nächsten Lage (Plane), > eine Rolle spielt. > In Innenlagen hast du 2 benachbarte Lagen, die die Impedanz > beeinflussen. Die man aber berechnen und somit berücksichtigen kann. Außerdem kann man Impedanzen nach der Fertigung sehr gut messen, entweder mit speziellen Meßstrukturen oder, zerstörend, mit Schliffbildern. (Oder man kombiniert beide Verfahren um noch sicherer zu sein in der Vorhersage) Ich will ja nicht in Abrede stellen, daß es sinnvoll ist, Impedanzkontrollierte Leitungen auf den Aussen Lagen zu führen, aber es gibt genausogut Gründe, dies nicht zu tun. Ein weiterer kann sein, daß auf Innenlagen häufig kleinere Line / Space Werte realisierbar sind als auf Außenlagen. Desweiteren hat man auf Innenlagen eine Homogenere Kupferkante an den Leitungen, da diese nur von Oben geätzt werden, während bei Außenlagen nur die Hälfte geätzt und die andere Hälfte galvanisch aufgetragen wird.
Hallo Forengemeinde! WOW, sooo viele Rückmeldungen. Danke Georg für deine Meinung und deine Zeit! Danke Christian B für deine Meinung und deine Zeit! Danke Joe F für deine Meinung und deine Zeit! Danke Uwe N. für deine Meinung und deine Zeit! Alle haben mir sehr geholfen die Lage besser beurteilen zu können.
Sebastian P. schrieb: > ich beschäftige mich schon seit einigen Wochen mit dem Thema High Speed > Design auf Leiterplatten und arbeite mich Stück für Stück näher ans > Thema ran. Vieles wird immer klarer, aber zu einer Sache hätte ich mal > gern Feedback von den Profis :) Eine unterhaltsame Lektüre wäre das "handbook of black magic". Danach ggf. "high speed signal propagation" a.k.a "advanced black magic". Beide von Howard Johnson...
Hmmm der Einband kommt mir bekannt vor. Den hab ich schon mal gesehen. Morgen gleich mal auf der Arbeit schauen, das haben wir bestimmt da :) Danke!
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Hallo, noch besser zum Thema passend: Transmission Line Design Handbook Brian C. Wadell ISBN 0-89006-436-9 Die beiden Bücher liegen bei mir immer zusammen am Arbeitsplatz rum. Beide Bücher sind übrigens recht alt (meine 91 und 93), aber aktuell. Die Physik elektrischer Leitungen hat sich in den letzten hundert Jahren nicht geändert. Georg
Georg schrieb: > Beide Bücher sind übrigens recht alt (meine 91 und 93), aber aktuell. > Die Physik elektrischer Leitungen hat sich in den letzten hundert Jahren > nicht geändert. Merkwürdig ^^ :D Es ist doch sonst alles so schnelllebig geworden. Ist man gar nicht mehr gewohnt :/
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