Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Phasen- und Amplitudenreserve bestimmen


von Lukas Bommes (Gast)


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Hallo alle Zusammen,

zunächst erstmal bitte ich um Verzeihung, wenn meine Frage nicht ganz in 
das Themenfeld Mikrocontroller passt, aber ich dachte mir, da hier viele 
Elektrotechniker unterwegs sind, wäre dies eine geeignete Stelle um 
nachzufragen.

Und zwar geht es um die Bode-Diagramme im Anhang (bitte die 
eingetragenen Phasen- und Amplitudenreserven ignorieren, sie sind 
falsch). Diese gehören zu zwei Temperaturreglern und stellen den 
Frequenzgang der offenen Regelkreise dar (jeweils für zwei Sätze von 
Reglerparametern). Die gleichen Frequenzgänge sind auch im 
Nyquist-Diagramm zu sehen.
Nun habe ich folgendes Verständnisproblem: Ganz offensichtlich sind die 
geschlossenen Regelkreise stabil, wenn man das vereinfachte 
Nyquistkriterium auf den Nyquist-Plot anwendet (der Punkt -1 liegt links 
der in Richtung wachsender Frequenzen durchlaufenen Ortskurven). 
Allerdings frage ich mich nun, wieso die Amplitudenreserven im Falle von 
Bode-Diagramm (a) negativ sind und im Bode-Diagramm (b) gar keine 
Amplitudenreserve abgelesen werden kann (kein Schnittpunkt mit der 
-180°-Linie vorhanden).
Hat jemand zufällig eine Idee, warum das so ist? Die Plots wurden mit 
dem Linear Analysis Tool in Matlab erstellt, deshalb schließe ich einen 
Fehler bei der Diagrammerstellung aus.

Viele Dank schonmal und noch einen schönen Abend!

Grüße
Lukas

von aSma>> (Gast)


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Lukas Bommes schrieb:
> Allerdings frage ich mich nun, wieso die Amplitudenreserven im Falle von
> Bode-Diagramm (a) negativ sind und im Bode-Diagramm (b) gar keine
> Amplitudenreserve abgelesen werden kann (kein Schnittpunkt mit der
> -180°-Linie vorhanden).

Servus,
Zu a) Weil das System durch die negativen Koeffitieten KI eine 
Phasenumkehr bekommen hat. Das System müsste ab KR<=-180(omega) stabil 
sein.
Zu b) Das System kann bei diesen Frequenzgang nicht instabil werden. Du 
kannst jedes KR wählen.

von Joschua C. (Gast)


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Note: Regelstrecke meint den Regler und z.B. dein Wasserbecken mit 
Heizwendel. Der Regler ist also mit drin. Kann sein, dass das falsch 
ist. Grad keine Ahnung.

Ich hab grad den Wall-of-Erklärung geschrieben, aber mein Surfstick 
hatte keinen Bock das zu senden und jetzt klemmen die Bits irgendwo im 
USB-Hub und haben Angst. Also nochmal:

Du kannst eine Phasen- oder eine Amplitudenreserve ablesen. Entscheident 
ist folgendes:

Dort, wo die Phasenkennlinie auf -180° absackt, dort muss dein Betrag 
schon unter 0dB gefallen sein. Sonst ist das System instabil.

Hintergrund:
Stell dir einen Standardregelkreis vor, in dem die Führungsgröße 0 ist. 
Wir betrachten die Eigendynamik von deinem System. Nur die Pole der 
Ü-Funktion. Das System wurde mit einem Testsignal angeregt, die 
Führungsgröße wurde 0 und wir schauen jetzt, wie das System abklingt.

1. Frequenzanteile, deren Phase noch nicht um -180° abgesenkt wird, wenn 
sie die Strecke durchlaufen, sind im System gegengekoppelt. 
Verantwortlich dafür ist das Minus am Vergleicher. Der Rechnet 
Führung-Istgröße=0-Istgröße=-Istgröße
Du ballerst einen Sinusberg in deine Strecke, der Berg kommt mehr oder 
weniger aus deiner Strecke raus, der Vergleicher rechnet 
Sinusberg-verschobenerSinusberg=NichtGanzSoGroßerSinusberg.
Durch die Gegenkopplung werden diese Frequenzanteile abklingen und 
spucken dir nicht in deine Stabilität rein.

2. Frequenzanteile, deren Phase um -180° abgesenkt werden, oder 
vielleicht sogar noch übler, kommen in die Mitkopplung statt in die 
Gegenkopplung. Der Vergleicher haut einen Berg rein, die Strecke macht 
ein Tal draus (Phasenverschiebung um -180° = Vorzeichenkipper), der 
Vergleicher rechnet Sinusberg-Sinustal=2Sinusberg. Irgend jemand anderes 
muss also diese Frequenzanteile dämpfen. Wenn die Strecke diese Anteile 
mit -xdB dämpft, wird sie diese Anteile auch dämpfen, die Gegenkopplung 
ist dafür nicht mehr unbedingt nötig, die Phasendrehung ist also 
scheißgleich.

Wenn die Strecke aber diese Anteile noch nicht im Betrag dämpft, sondern 
noch verstärkt, ist die Kacke am dampfen. Deine Strecke dämpft die 
Anteile nicht, deine eigentliche Gegenkopplung auch nicht. Keiner dämpft 
irgendwas. Alles eskaliert hart.

Also Strg+A Strg+C, senden und wenns dann nicht ankommt, kommts nie mehr 
an. Dann ist der Súrfstick im Päckchen durchbohrt von einem Lötkolben 
unterwegs zur Telekom.

von Lukas Bommes (Gast)


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Ich danke euch beiden vielmals für die schnellen Antworten! An die 
Phasenumkehr hatte ich gar nicht gedacht, ist aber natürlich genau wie 
die unendlich große Amplitudenreserve im Falle von Diagramm b) eine 
plausible Erklärung für das Verhalten des Systems.

Viele Grüße
Lukas

@Joshua: Ich gehe davon aus, dass dein Surfstick noch lebt? :D

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