Forum: HF, Funk und Felder Durchschlagsfestigkeit linear proportional zur Materialdicke?


von J.T. (flyleaf83)


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Guten Abend,

weiss nicht, ob das hier die richtige Rubrik ist, aber immerhin geht es 
um Felder. ;) Mich hat jemand heute gefragt ob, die 
Durchschlagfestigkeit eines Kabels (oder eines Schrumpfschlauchs z.B.) 
linear proportional zur Materialdicke ist. Zuerst dachte ich "na klar". 
Dafür spricht meiner Meinung nach schon die Einheit [kV/mm]. Als ich 
länger drüber nachgedacht habe, ist mir eingefallen, dass die 
elektrische Feldstärke ja mit 1/r abnimmt. Heisst das, dass z.B. bei 
doppelter Materialdicke die Durchschlagsfestigkeit höher ist als doppelt 
so groß? Irgendwo ist hier sicher ein Denkfehler, aber es lässt mir 
gerade keine Ruhe. Vielen Dank für Eure Hilfe!

von Hp M. (nachtmix)


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Jan T. schrieb:
> Heisst das, dass z.B. bei
> doppelter Materialdicke die Durchschlagsfestigkeit höher ist als doppelt
> so groß?

Nein, weniger als doppelt so groß.
Theoretisch beginnt der Durchschlag ja am Ort mit der grössten Krümmung, 
also am Innenleiter, weil dort die Feldlinien zusammenlaufen, also die 
höchste Feldstärke herrscht.
Mit wachsendem Abstand vom Innenleiter wird die Isolation immer weniger 
belastet.

Solche Überlegungen sind aber mit Vorsicht zu geniessen, denn die 
Feldverteilung hängt auch von der Umgebung ab. Eigentlich gilt das in 
dieser einfachen Form nur für koaxiale Leitungen oder in Flüssigkeiten.

Praktisch ist es aber durchaus denkbar, dass auf einem dick isolierten 
Hochspannungskabel ein einzelner dünner geerdeter Draht aufliegt.
Dann ist dort die Feldstärke am grössten, und wenn das Kabel mit 
Wechselspannung betrieben wird, kann die Isolation dort durch 
Coronaentladungen (Ozon, UV-Licht) allmählich beschädigt werden.

von Hosenmatz (Gast)


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Ich hatte auch keine Ahnung und habe mal im Internet gesucht:

Unter "Durchschlagsfestigkeit" sagt Wikipedia, dass im Gegenteil dünnere 
Schichten durchschlagsfester sind als dickere. Gleichstarke Anordnungen 
von mehreren dünnen Schichten sind durchschlagsfester als homogenes 
Material gleicher Gesamt-Dicke. Das, weil das Feld inhomogener Wird.

Siehe ergänzend auch auch 
https://en.wikipedia.org/wiki/Dielectric_strength

Etwas Suche mit "Durchschlagsfestigkeit Dicke" ergibt z.B. für 
Polystyrol konkrete Daten: 
http://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/9/mac/werkstoff_polystyren/eigenschaften/elektrisch.vlu/Page/vsc/de/ch/9/mac/werkstoff_polystyren/eigenschaften/elektr/durchschlag/festigkeit.vscml.html

Du hast also nicht falsch gedacht. Aber Felder und Material verhalten 
sich andersherum als man naiv erwartet.

von J.T. (flyleaf83)


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Hallo,

vielen Dank für Eure Antworten!!! Das hilft mir schon mal sehr weiter. 
:)
Gibt es denn Formeln zur Berechnung der Durchschlagsfestigkeit? 
Vielleicht mit einem Materialfaktor? Oder muss man diese sogar 
experimentell ermitteln?
Und wisst Ihr vielleicht über Bücher die sich mit dieser Thematik 
beschäftigen. In meinen Unterlagen konnte ich leider fast nichts dazu 
finden. :(

Hosenmatz schrieb:
> Unter "Durchschlagsfestigkeit" sagt Wikipedia, dass im Gegenteil dünnere
> Schichten durchschlagsfester sind als dickere.

Das kann man aber nicht generell sagen, oder? Doch nur für mehrere dünne 
Schichten seriell geschaltet... Ansonsten würden Hochspannungskabel doch 
nicht eine so dicke Isolation haben, oder? "etwas-verwirrt-bin"

Noch einen schönen Sonntag!!!

von Elektrofan (Gast)


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Wär's proportional, gäb's bei Gewitter keine Blitze ...

von Hosenmatz (Gast)


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Jan T. schrieb:

> [...]
> Gibt es denn Formeln zur Berechnung der Durchschlagsfestigkeit?
> Vielleicht mit einem Materialfaktor? Oder muss man diese sogar
> experimentell ermitteln?
Da kann ich nur raten mal die Unis mit Fachbereich für 
Materialwissenschaften/Festkörperphysik durchzusuchen oder ggf. 
anzurufen.

> [...]
>
> Hosenmatz schrieb:
>> Unter "Durchschlagsfestigkeit" sagt Wikipedia, dass im Gegenteil dünnere
>> Schichten durchschlagsfester sind als dickere.
>
> Das kann man aber nicht generell sagen, oder? Doch nur für mehrere dünne
> Schichten seriell geschaltet... Ansonsten würden Hochspannungskabel doch
> nicht eine so dicke Isolation haben, oder? "etwas-verwirrt-bin"

Naja. Du hast doch den Wikipedia-Artikel auch gelesen. Da steht, dass es 
für "viele" Stoffe so ist. Mehr weiß ich auch nicht.
Ich nehme aber an, da ich wie Du beobachte dass die Isolationen, die mir 
so unterkommen, nicht aus Schichten bestehen, dass sie eben aus einem 
der "wenigen" Stoffe bestehen. Bei Hochspannungskabeln kann ich nicht 
reingucken; ich habe nur zur Verfügung, was bei meiner lokalen 
Umspannstation herumhängt und da könnte ich mir höchstens die Fingerchen 
ankokeln, falls ich es über den Zaun schaffen würde. :-)

von Michael B. (laberkopp)


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Jan T. schrieb:
> ist mir eingefallen, dass die
> elektrische Feldstärke ja mit 1/r abnimmt

Nein.

Nicht zwischen 2 Elektroden.

Denn sie sind wie ein Plattenkondensator.

Kein Radius.

Allerdings sind Durchschläge eher an Stellen zu erwarten, wo das Feld 
inhomogen wird, die Nadelspitze oder die im Material eingeschlossenen 
Luftbläschen oder Materialkörnchen.

Trotzdem, wenn die Fehlstellen gleich verteilt sind und so klein sind 
daß sie schon bei der dünnsten Materialdicke gleich verteilt sind, dann 
nimmt die Durchschlagfestigkeit linear mit der Dicke zu.

von noch n Gast (Gast)


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Elektrofan schrieb:
> Wär's proportional, gäb's bei Gewitter keine Blitze ...
                                --------
Und das wäre dann was?

von Nuss (Gast)


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Jan T. schrieb:
> Gibt es denn Formeln zur Berechnung der Durchschlagsfestigkeit?
> Vielleicht mit einem Materialfaktor? Oder muss man diese sogar
> experimentell ermitteln?
> Und wisst Ihr vielleicht über Bücher die sich mit dieser Thematik
> beschäftigen. In meinen Unterlagen konnte ich leider fast nichts dazu
> finden. :(

Formeln gibt es nicht wirklich - das hängt hauptsächlich vom Material 
ab. Für Feststoffe gilt prinzipiell ein linearer Zusammenhang. Nur ist 
es so, dass dünne Schichten von vielen Isolationsstoffen "fehlerfreier" 
hergestellt werden können und dadurch ist deren Durchschlagsfestigkeit 
höher. Wird die Schichtdicke vergrössert nehmen die Inhomogenitäten zu 
und die Durchschlagsfestigkeit (kV/mm) ab. Bei Gasen und Flüssigkeiten 
(z.B. Isolationsöl) sieht das anders aus, hier ist der Zusammenhang von 
vornherein nichtlinear.

Leider ist es keine Option, eine Feststoffisolation aus mehrern dünnen 
Schichten anstelle von einer dicken aufzubauen. Grund ist, dass zwischen 
den Schichten immer Luft eingeschlossen wird (mikroskopisch kleine 
Blasen). Bedingt durch die unterschiedlichen Dielektrizitätskonstanten 
von Luft und dem Festkörper wird das Feld im schwächeren Medium (Luft) 
verstärkt und im Festkörper schwächer. Die Luft wird durch die hohe 
Feldstärke ionisiert und beschädigt dadurch den Feststoff. Dieser wird 
dadurch langsam zersetzt bis die Isolation irgendwannn durchschlägt. 
Eine Isolation aus mehreren Schichten wird also im ersten Moment 
tatsächlich halten bis nach einigen Wochen/Monaten/Jahren die einzelnen 
Schichten zerstört wurden und ein Durchschlag eintritt (Das 
entsprechende Stichwort wäre "Feldverdrängung").

Diese Tatsache ist der Grund warum bei der Herstellung von Isolationen 
absolute Blasenfreiheit garantiert werden muss, was beispielsweise beim 
Vergiessen von Druchführungen oder dem Extrudieren von Kabelisolationen 
wichtig ist. Eine einzige Luftblase mit 0.1mm Durchmesser in der 
Isolation eines Hochspannungskabels kann zum Versagen der Isolation mit 
40mm Stärke führen - es dauert eben einige Zeit bis zum Durchschlag.

http://www.springer.com/us/book/9783540784128

Jan T. schrieb:
> Als ich
> länger drüber nachgedacht habe, ist mir eingefallen, dass die
> elektrische Feldstärke ja mit 1/r abnimmt. Heisst das, dass z.B. bei
> doppelter Materialdicke die Durchschlagsfestigkeit höher ist als doppelt
> so groß? Irgendwo ist hier sicher ein Denkfehler, aber es lässt mir
> gerade keine Ruhe. Vielen Dank für Eure Hilfe!

Wie sich die Felder mit der Distanz verhalten hängt von der 
geometrischen Anordnung ab (und muss gegebenenfalls berücksichtig 
werden). Eine pauschale Aussage kann man ohne weiteres nicht machen.

von Analoger (Gast)


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Hosenmatz schrieb:
> Unter "Durchschlagsfestigkeit" sagt Wikipedia, dass im Gegenteil dünnere
> Schichten durchschlagsfester sind als dickere.

Die einfachste Art, das zu erklären ist, dass der Durchschlag dadurch 
geschieht, daß sich eine Ladungsverschiebung aufbaut. Dazu muss das 
Medium leitfähig sein. Wenn die Schichten von einander getrennt sind 
bauen sich mehrere in Reihe geschaltete Dielektrische Anordnungen auf, 
statt einer.

Und es ist klar dass auch bei homogenem Material die gesamte 
Spannungsfestigkeit steigt. Nur die kv/mm sind nicht konstant gleich 
gross.

Bei einer guten Luftisolation rechnet man z.B. mit 2000 Volt für 1 
Millimeter, aber nur noch 1000, bei 10 Millimeter, als 10kV/cm. Für eine 
weitere Größenordnung geht es nochmal runter.

Bei Luft kommt hinzu, dass sich Schmutzteile aufladen und zwischen den 
Elektroden laufen. Gfs auch zwischen Haaren und Hochspannungsleitung.

Bei einer schlechten Luftisolation nehmen wir daher 1kV/1mm, 3kV,1cm und 
10kV/10cm und 30kV/100cm.

von Hosenmatz (Gast)


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@ Analoger

Danke für Deine weiteren Erläuterungen. Sie brachten mich darauf, dass 
es vermutlich nötig ist, die Frage in zweifacher Hinsicht zu beantworten 
und ich möchte eine Antwort formulieren, die Deine in gewisser Hinsicht 
lediglich paraphrasiert.

1. In Bezug auf das Maß der Durchschlagsfestigkeit.
Da das auf eine bestimmte Länge bezogen ist, ist es auch korrekt zu 
sagen, dass bei den meisten Materialien, die Durchschlagsfestigkeit mit 
zunehmender Dicke sinkt. Das geht aus der Kurve für das Polystyrol 
hervor und auch aus den Zahlen die Analoger für Luft genannt hat.

> Bei einer schlechten Luftisolation nehmen wir daher 1kV/1mm, 3kV,1cm und
10kV/10cm und 30kV/100cm. (Schreibst Du eigentlich "wir" weil Du 
Elektrizitäter bist)?

Auf die Einheit der Durchschlagsfestigkeit, nämlich kV/mm, umgerechnet 
sind das:
1kV/mm, 0,3kV/mm, 0,01kV/mm und 0,003kV/mm.

2. Der TO Jan hat aber sicherlich eher nach der Spannung fragen wollen, 
bei der eine bestimmte Anordnung durchschlägt und ob die proportional 
zur Dicke ist. Nicht eigentlich nach der Durchschlagsfestigkeit.

Das ist ein Unterschied. Diese Spannung in Abhängigkeit von der Dicke 
ist das Integral der Kurve, wie sie etwa für das Polystyrol gezeigt 
wurde oder der die sich aus den Angaben von Analoger für Luft ergeben 
würde. Dieses Integral nimmt natürlich (im wesentlichen) zu, je dicker 
die (einzelne) Schicht wird.
Anders ausgedrückt: Je dicker die Schicht wird, desto geringer wird die 
Durchschlagsfestigkeit aber je größer wird die Spannung bei der ein 
Durchschlag erfolgt.

Das dürfte auch Deine Verwirrung auflösen, Jan.
Das Problem lag darin, dass Du nach der Durchschlagsfestigkeit gefragt 
hast und nicht nach der Spannung, bei der eine gewisse Schichtdicke 
durchschlägt. Sie nimmt allerdings nicht linear mit der Dicke zu, 
sondern ungefähr (wenn ich mir die Kurve für PS anschaue) mit 1/c * e^x. 
Ich hoffe der Unterschied ist jetzt klarer.

P.S.
Ich hätte mir das allerdings denken können, da wenige Leute dieser 
Unterschiede wirklich gewahr sind. Mein Fehler.

von Gerald B. (gerald_b)


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Das mit 2 Materialien als Dielektrikum die Durchschlagfestigkeit sogar 
abnimmt, ist eine ganz böse Falle, die ich ebenfalls schon erleben 
mußte.
Am Schwingkreis einer Plasmakammer traten am heißen Ende der Spule, wo 
der Kondnesator angeschlossen ist, sporadisch Überschläge auf. Von einem 
Kupferprofil auf einen in einem Isolator versenkt sitzenden 
Schraubenkopf. meine Idee war, ein passgenau gedrehter TEFLON Stift, der 
den Schraubenkopf abdeckte.
Schockiert mußte ich feststellen, das die Überschläge signifikant 
zunahmen, weil eben der TEFLON Stift nicht 100% passgnau sitzen konnte 
und die Luftblasen eine höhere Feldstärke aufwiesen, als sie in der 
reinen Luftstrecke auftrat.
Version 2.0 war dann erfolgreicher. Ein TEFLON Stift mit Pilzkopf und 
breitem Rand. So wurde die Luftstrecke so weit verlängert, das ich den 
gewünschten Effekt erreichte und keine Überschläge mehr auftraten.

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