Guten Abend, weiss nicht, ob das hier die richtige Rubrik ist, aber immerhin geht es um Felder. ;) Mich hat jemand heute gefragt ob, die Durchschlagfestigkeit eines Kabels (oder eines Schrumpfschlauchs z.B.) linear proportional zur Materialdicke ist. Zuerst dachte ich "na klar". Dafür spricht meiner Meinung nach schon die Einheit [kV/mm]. Als ich länger drüber nachgedacht habe, ist mir eingefallen, dass die elektrische Feldstärke ja mit 1/r abnimmt. Heisst das, dass z.B. bei doppelter Materialdicke die Durchschlagsfestigkeit höher ist als doppelt so groß? Irgendwo ist hier sicher ein Denkfehler, aber es lässt mir gerade keine Ruhe. Vielen Dank für Eure Hilfe!
Jan T. schrieb: > Heisst das, dass z.B. bei > doppelter Materialdicke die Durchschlagsfestigkeit höher ist als doppelt > so groß? Nein, weniger als doppelt so groß. Theoretisch beginnt der Durchschlag ja am Ort mit der grössten Krümmung, also am Innenleiter, weil dort die Feldlinien zusammenlaufen, also die höchste Feldstärke herrscht. Mit wachsendem Abstand vom Innenleiter wird die Isolation immer weniger belastet. Solche Überlegungen sind aber mit Vorsicht zu geniessen, denn die Feldverteilung hängt auch von der Umgebung ab. Eigentlich gilt das in dieser einfachen Form nur für koaxiale Leitungen oder in Flüssigkeiten. Praktisch ist es aber durchaus denkbar, dass auf einem dick isolierten Hochspannungskabel ein einzelner dünner geerdeter Draht aufliegt. Dann ist dort die Feldstärke am grössten, und wenn das Kabel mit Wechselspannung betrieben wird, kann die Isolation dort durch Coronaentladungen (Ozon, UV-Licht) allmählich beschädigt werden.
Ich hatte auch keine Ahnung und habe mal im Internet gesucht: Unter "Durchschlagsfestigkeit" sagt Wikipedia, dass im Gegenteil dünnere Schichten durchschlagsfester sind als dickere. Gleichstarke Anordnungen von mehreren dünnen Schichten sind durchschlagsfester als homogenes Material gleicher Gesamt-Dicke. Das, weil das Feld inhomogener Wird. Siehe ergänzend auch auch https://en.wikipedia.org/wiki/Dielectric_strength Etwas Suche mit "Durchschlagsfestigkeit Dicke" ergibt z.B. für Polystyrol konkrete Daten: http://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/9/mac/werkstoff_polystyren/eigenschaften/elektrisch.vlu/Page/vsc/de/ch/9/mac/werkstoff_polystyren/eigenschaften/elektr/durchschlag/festigkeit.vscml.html Du hast also nicht falsch gedacht. Aber Felder und Material verhalten sich andersherum als man naiv erwartet.
Hallo, vielen Dank für Eure Antworten!!! Das hilft mir schon mal sehr weiter. :) Gibt es denn Formeln zur Berechnung der Durchschlagsfestigkeit? Vielleicht mit einem Materialfaktor? Oder muss man diese sogar experimentell ermitteln? Und wisst Ihr vielleicht über Bücher die sich mit dieser Thematik beschäftigen. In meinen Unterlagen konnte ich leider fast nichts dazu finden. :( Hosenmatz schrieb: > Unter "Durchschlagsfestigkeit" sagt Wikipedia, dass im Gegenteil dünnere > Schichten durchschlagsfester sind als dickere. Das kann man aber nicht generell sagen, oder? Doch nur für mehrere dünne Schichten seriell geschaltet... Ansonsten würden Hochspannungskabel doch nicht eine so dicke Isolation haben, oder? "etwas-verwirrt-bin" Noch einen schönen Sonntag!!!
Wär's proportional, gäb's bei Gewitter keine Blitze ...
Jan T. schrieb: > [...] > Gibt es denn Formeln zur Berechnung der Durchschlagsfestigkeit? > Vielleicht mit einem Materialfaktor? Oder muss man diese sogar > experimentell ermitteln? Da kann ich nur raten mal die Unis mit Fachbereich für Materialwissenschaften/Festkörperphysik durchzusuchen oder ggf. anzurufen. > [...] > > Hosenmatz schrieb: >> Unter "Durchschlagsfestigkeit" sagt Wikipedia, dass im Gegenteil dünnere >> Schichten durchschlagsfester sind als dickere. > > Das kann man aber nicht generell sagen, oder? Doch nur für mehrere dünne > Schichten seriell geschaltet... Ansonsten würden Hochspannungskabel doch > nicht eine so dicke Isolation haben, oder? "etwas-verwirrt-bin" Naja. Du hast doch den Wikipedia-Artikel auch gelesen. Da steht, dass es für "viele" Stoffe so ist. Mehr weiß ich auch nicht. Ich nehme aber an, da ich wie Du beobachte dass die Isolationen, die mir so unterkommen, nicht aus Schichten bestehen, dass sie eben aus einem der "wenigen" Stoffe bestehen. Bei Hochspannungskabeln kann ich nicht reingucken; ich habe nur zur Verfügung, was bei meiner lokalen Umspannstation herumhängt und da könnte ich mir höchstens die Fingerchen ankokeln, falls ich es über den Zaun schaffen würde. :-)
Jan T. schrieb: > ist mir eingefallen, dass die > elektrische Feldstärke ja mit 1/r abnimmt Nein. Nicht zwischen 2 Elektroden. Denn sie sind wie ein Plattenkondensator. Kein Radius. Allerdings sind Durchschläge eher an Stellen zu erwarten, wo das Feld inhomogen wird, die Nadelspitze oder die im Material eingeschlossenen Luftbläschen oder Materialkörnchen. Trotzdem, wenn die Fehlstellen gleich verteilt sind und so klein sind daß sie schon bei der dünnsten Materialdicke gleich verteilt sind, dann nimmt die Durchschlagfestigkeit linear mit der Dicke zu.
Elektrofan schrieb: > Wär's proportional, gäb's bei Gewitter keine Blitze ... -------- Und das wäre dann was?
Jan T. schrieb: > Gibt es denn Formeln zur Berechnung der Durchschlagsfestigkeit? > Vielleicht mit einem Materialfaktor? Oder muss man diese sogar > experimentell ermitteln? > Und wisst Ihr vielleicht über Bücher die sich mit dieser Thematik > beschäftigen. In meinen Unterlagen konnte ich leider fast nichts dazu > finden. :( Formeln gibt es nicht wirklich - das hängt hauptsächlich vom Material ab. Für Feststoffe gilt prinzipiell ein linearer Zusammenhang. Nur ist es so, dass dünne Schichten von vielen Isolationsstoffen "fehlerfreier" hergestellt werden können und dadurch ist deren Durchschlagsfestigkeit höher. Wird die Schichtdicke vergrössert nehmen die Inhomogenitäten zu und die Durchschlagsfestigkeit (kV/mm) ab. Bei Gasen und Flüssigkeiten (z.B. Isolationsöl) sieht das anders aus, hier ist der Zusammenhang von vornherein nichtlinear. Leider ist es keine Option, eine Feststoffisolation aus mehrern dünnen Schichten anstelle von einer dicken aufzubauen. Grund ist, dass zwischen den Schichten immer Luft eingeschlossen wird (mikroskopisch kleine Blasen). Bedingt durch die unterschiedlichen Dielektrizitätskonstanten von Luft und dem Festkörper wird das Feld im schwächeren Medium (Luft) verstärkt und im Festkörper schwächer. Die Luft wird durch die hohe Feldstärke ionisiert und beschädigt dadurch den Feststoff. Dieser wird dadurch langsam zersetzt bis die Isolation irgendwannn durchschlägt. Eine Isolation aus mehreren Schichten wird also im ersten Moment tatsächlich halten bis nach einigen Wochen/Monaten/Jahren die einzelnen Schichten zerstört wurden und ein Durchschlag eintritt (Das entsprechende Stichwort wäre "Feldverdrängung"). Diese Tatsache ist der Grund warum bei der Herstellung von Isolationen absolute Blasenfreiheit garantiert werden muss, was beispielsweise beim Vergiessen von Druchführungen oder dem Extrudieren von Kabelisolationen wichtig ist. Eine einzige Luftblase mit 0.1mm Durchmesser in der Isolation eines Hochspannungskabels kann zum Versagen der Isolation mit 40mm Stärke führen - es dauert eben einige Zeit bis zum Durchschlag. http://www.springer.com/us/book/9783540784128 Jan T. schrieb: > Als ich > länger drüber nachgedacht habe, ist mir eingefallen, dass die > elektrische Feldstärke ja mit 1/r abnimmt. Heisst das, dass z.B. bei > doppelter Materialdicke die Durchschlagsfestigkeit höher ist als doppelt > so groß? Irgendwo ist hier sicher ein Denkfehler, aber es lässt mir > gerade keine Ruhe. Vielen Dank für Eure Hilfe! Wie sich die Felder mit der Distanz verhalten hängt von der geometrischen Anordnung ab (und muss gegebenenfalls berücksichtig werden). Eine pauschale Aussage kann man ohne weiteres nicht machen.
Hosenmatz schrieb: > Unter "Durchschlagsfestigkeit" sagt Wikipedia, dass im Gegenteil dünnere > Schichten durchschlagsfester sind als dickere. Die einfachste Art, das zu erklären ist, dass der Durchschlag dadurch geschieht, daß sich eine Ladungsverschiebung aufbaut. Dazu muss das Medium leitfähig sein. Wenn die Schichten von einander getrennt sind bauen sich mehrere in Reihe geschaltete Dielektrische Anordnungen auf, statt einer. Und es ist klar dass auch bei homogenem Material die gesamte Spannungsfestigkeit steigt. Nur die kv/mm sind nicht konstant gleich gross. Bei einer guten Luftisolation rechnet man z.B. mit 2000 Volt für 1 Millimeter, aber nur noch 1000, bei 10 Millimeter, als 10kV/cm. Für eine weitere Größenordnung geht es nochmal runter. Bei Luft kommt hinzu, dass sich Schmutzteile aufladen und zwischen den Elektroden laufen. Gfs auch zwischen Haaren und Hochspannungsleitung. Bei einer schlechten Luftisolation nehmen wir daher 1kV/1mm, 3kV,1cm und 10kV/10cm und 30kV/100cm.
@ Analoger
Danke für Deine weiteren Erläuterungen. Sie brachten mich darauf, dass
es vermutlich nötig ist, die Frage in zweifacher Hinsicht zu beantworten
und ich möchte eine Antwort formulieren, die Deine in gewisser Hinsicht
lediglich paraphrasiert.
1. In Bezug auf das Maß der Durchschlagsfestigkeit.
Da das auf eine bestimmte Länge bezogen ist, ist es auch korrekt zu
sagen, dass bei den meisten Materialien, die Durchschlagsfestigkeit mit
zunehmender Dicke sinkt. Das geht aus der Kurve für das Polystyrol
hervor und auch aus den Zahlen die Analoger für Luft genannt hat.
> Bei einer schlechten Luftisolation nehmen wir daher 1kV/1mm, 3kV,1cm und
10kV/10cm und 30kV/100cm. (Schreibst Du eigentlich "wir" weil Du
Elektrizitäter bist)?
Auf die Einheit der Durchschlagsfestigkeit, nämlich kV/mm, umgerechnet
sind das:
1kV/mm, 0,3kV/mm, 0,01kV/mm und 0,003kV/mm.
2. Der TO Jan hat aber sicherlich eher nach der Spannung fragen wollen,
bei der eine bestimmte Anordnung durchschlägt und ob die proportional
zur Dicke ist. Nicht eigentlich nach der Durchschlagsfestigkeit.
Das ist ein Unterschied. Diese Spannung in Abhängigkeit von der Dicke
ist das Integral der Kurve, wie sie etwa für das Polystyrol gezeigt
wurde oder der die sich aus den Angaben von Analoger für Luft ergeben
würde. Dieses Integral nimmt natürlich (im wesentlichen) zu, je dicker
die (einzelne) Schicht wird.
Anders ausgedrückt: Je dicker die Schicht wird, desto geringer wird die
Durchschlagsfestigkeit aber je größer wird die Spannung bei der ein
Durchschlag erfolgt.
Das dürfte auch Deine Verwirrung auflösen, Jan.
Das Problem lag darin, dass Du nach der Durchschlagsfestigkeit gefragt
hast und nicht nach der Spannung, bei der eine gewisse Schichtdicke
durchschlägt. Sie nimmt allerdings nicht linear mit der Dicke zu,
sondern ungefähr (wenn ich mir die Kurve für PS anschaue) mit 1/c * e^x.
Ich hoffe der Unterschied ist jetzt klarer.
P.S.
Ich hätte mir das allerdings denken können, da wenige Leute dieser
Unterschiede wirklich gewahr sind. Mein Fehler.
Das mit 2 Materialien als Dielektrikum die Durchschlagfestigkeit sogar abnimmt, ist eine ganz böse Falle, die ich ebenfalls schon erleben mußte. Am Schwingkreis einer Plasmakammer traten am heißen Ende der Spule, wo der Kondnesator angeschlossen ist, sporadisch Überschläge auf. Von einem Kupferprofil auf einen in einem Isolator versenkt sitzenden Schraubenkopf. meine Idee war, ein passgenau gedrehter TEFLON Stift, der den Schraubenkopf abdeckte. Schockiert mußte ich feststellen, das die Überschläge signifikant zunahmen, weil eben der TEFLON Stift nicht 100% passgnau sitzen konnte und die Luftblasen eine höhere Feldstärke aufwiesen, als sie in der reinen Luftstrecke auftrat. Version 2.0 war dann erfolgreicher. Ein TEFLON Stift mit Pilzkopf und breitem Rand. So wurde die Luftstrecke so weit verlängert, das ich den gewünschten Effekt erreichte und keine Überschläge mehr auftraten.
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