Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Auswirkunen Oberschwingungen im Netz


von Dennis S. (eltio)


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Hallo zusammen,
ich lese gerade ein bisschen über Oberschwingungen im Stromnetz. Mir 
sind die konkreten Auswirkungen auf angeschlossene Geräte nicht richtig 
klar. Frage: Was genau ist schlimm an einem unsauberen Sinus? Meine 
Gedanke bisher:

Auswirkung von Schaltreglern / nichtlinearen Verbrauchern:
- Sinus des Netzes nicht mehr sauber ("Dellen" in Amplitude, 
Spannungseinbrüche)
- Hohe, plötzliche (transiente) Stromaufnahmen
- Frequenzspektrum nicht mehr auf 50Hz sondern mit ganzzahligen 
Vielfachen
- Asymmetrische Belastung im Drei-Leiter-Netz (Höhere Erwärmung von N 
und Außenleiter)

Auswirkungen von Oberschwingungen
- Stromspitzen führen zu höheren Verlusten (thermische Probleme)
- Blindanteil im Netz der keine nutzbare Leistung liefert

Gruß Dennis

von Chris F. (chfreund) Benutzerseite


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Beim "Stromnetz" geht es um eine Leistungsübertragung. Die nutzbare 
Leistungsübertragung passiert durch die Wirkleistung.

Das heißt die Geräte die Du anschliesst verwenden Wirkleistung um 
irgendwas zu tun.

Zusätzlich zur Wirkleistung überträgt das Netz aber auch die 
Blindleistung. Verbraucher und Leitungen erzeugen Blindleistung.

Da Dein Verteilnetz nun eine Scheinleistung (Wirkleistung + 
Blindleistung) übertragen muss, muss es für diese höhere Leistung 
ausgelegt sein.

Wenn die Verbraucher eine Phasenverschiebung, wodurch auch immer, 
erzeugen, dann erhöht das die Blindlast. So einfach ist das.

Mit Oberwellen sind die höherfrequenten Schwingungsanteile eines 
Mischsignales gemeint. Wenn das Mischsignal eine andere Frequenz hat 
oder phasenverschoben zum Netz ist, dann ist das auch eine Blindlast.

von Dennis S. (eltio)


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@Chris F: Danke für deine Erklärung. Das ist das Thema aus Netzsicht: 
Wenn Blindleistung --> höhere Scheinleistung --> Anforderungen an die 
Auslegung des Netzes werden höher.

Was mich aber primär interessiert: was ist das schädliche für die 
angeschlossenen Geräte?

Gruß
Dennis

von Peter II (Gast)


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Dennis S. schrieb:
> Was mich aber primär interessiert: was ist das schädliche für die
> angeschlossenen Geräte?

Kondensatornetzteile bekommen Probleme, wenn zu viele Oberschwingungen 
da sind.

von Dennis S. (eltio)


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Peter II schrieb:
> Kondensatornetzteile bekommen Probleme, wenn zu viele Oberschwingungen
> da sind.

Ja.. das steht überall. Aber nie wird beschrieben welche Probleme 
auftreten! Thermische Probleme? Schnellere Alterung? Überspannung? 
Durchschlag? Keuchhusten?

von mahwe (Gast)


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Kondensatornetzteile rauchen schneller ab, da die in ihnen verbauten 
Durchschlagsfesten Metalfilmkondensatoren defekt stellen bekommen durch 
die höheren Spannungsspitzen, welche Durchschläge in den Kondensatoren 
verursachen und so Löcher in die Kondensatorplatten brennen die immer 
größer werden.

von Marcel P. (Gast)


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Berechne doch einfach mal ein Kondensatornetzteil für 50mA, 50Hz
Die errechneten Werte für R und C nimmst du nun, und berechnest den 
Ausgangsstrom bei 150Hz statt bei 50Hz. - Was fällt dir auf? Was kann 
mit dem Verbraucher dahinter dann passieren?

von Chris F. (chfreund) Benutzerseite


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Mit einem Entstörkondensator kann man viel rausfiltern, selbst wenn das 
Teil in einem anderen Gerät als Hilfs-Netzteil für die Elektronik 
missbraucht wird. So kann man z.B. mit einer eingesteckten 
Senseo-Maschine einige Oberwellen wegfiltern.

Aber ernsthaft, wenn gewisse Geräte (die sich nicht davor schützen) 
hochfrequentes Beiwerk bekommen können die einem das übel nehmen, wie 
Peter schon schreibt. Das kann sich auch auf das Laufverhalten von 
Motoren auswirken und Funkanlagen oder Steueranlagen stören. Es 
verringert grob gesagt die Standzeit von angeschlossenen Geräten.

von Peter R. (pnu)


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Bei Motoren bilden die Oberwellen z.B. ein 150-Hz Drehfeld oder ein 
100-Hz-Drehfeld. Dann gibt es Blindströme, die in der Wicklung in Wärme 
umgesetzt werden.

Bei Transformatoren kann es in Dreieckschaltung zum Kurzschluss der 
Oberwellen kommen, sodass diese Oberwelle thermisch "abgebaut" wird und 
den Trafo erwärmt.

Höhere Oberwellen stören/belasten Rundsteueranlagen (gibts die noch?)

von Chris F. (chfreund) Benutzerseite


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Peter R. schrieb:
> Höhere Oberwellen stören/belasten Rundsteueranlagen (gibts die noch?)
Große PV-Anlagen haben sowas als Speisesteuerung, glaube ich.

von Günter Lenz (Gast)


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Wenn alle Hersteller in ihren Geräten Blindstromkompensation
einbauen würden, gäbe es damit weniger Probleme,
und die PLC-Verbreiter hätten dann auch Probleme und
würden dann vielleicht aufgeben. Wird aber nicht gemacht,
weil es ja Geld kostet.

von Dennis S. (eltio)


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Marcel P. schrieb:
> Berechne doch einfach mal ein Kondensatornetzteil [...]
Kann ich nicht (ad-hoc), bin kein Hardware-Entwickler. Aber ich werde es 
heute Abend mal in einer ruhigen Minute versuchen. :-)

mahwe schrieb:
> [...] da die in ihnen verbauten Durchschlagsfesten Metalfilmkondensatoren
> [...] Durchschläge in den Kondensatoren verursachen [...]
Warum kommt es bei duchschlagsfesten Met.-Kondensatoren zu 
Durchschlägen? Ist damit lediglich gemeint, dass die 
"durchschlagstolerant" sind? Ich meine klar: irgendwann sind 
physikalische Grenzen erreicht.

Aber wie ich das raushöre ist der Ursprung allen Übels die thermische 
Erwärmung die durch die höheren Ströme hervorgerufen werden.

Nochmal zur Verdeutlichung: am Netz hängen zwei Geräte, beide haben ein 
internes Netzteil. NT 1 "versaut" das Netz durch schnelle 
Schaltvorgänge. NT 2 "sieht" dadurch einen verbogenen Sinus mit vielen 
Oberschwingungen. Wieso genau ist der Strom an NT 2 höher? Das Netz ist 
doch eine Spannungsqeuelle und NT 2 holt sich nur den Strom den es 
benötigt...
1
-----|-------------|----------Netz
2
     |             |
3
  --------     --------
4
  | NT 1 |     | NT 2 |
5
  --------     --------
6
  |Gerät |     |Gerät |
7
  --------     --------

Fragen über Fragen! ;-)
Gruß
Dennis

von Dennis S. (eltio)


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Günter Lenz schrieb:
> und die PLC-Verbreiter hätten dann auch Probleme und

PLC? https://de.wikipedia.org/wiki/PLC

von Günter Lenz (Gast)


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Dennis S. schrieb:
>PLC?

Ich meine damit dies hier:
"Powerline Communication, so bezeichnet man eine Technologie
zur Sprach- oder Datenübertragung vorwiegend über das Stromnetz."

von Dennis S. (eltio)


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Günter Lenz schrieb:
> Ich meine damit dies hier:
> "Powerline Communication, so bezeichnet man eine Technologie
> zur Sprach- oder Datenübertragung vorwiegend über das Stromnetz."
Ah okay... also nichts zum Thema.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Marcel P. schrieb:
> Die errechneten Werte für R und C nimmst du nun, und berechnest den
> Ausgangsstrom bei 150Hz statt bei 50Hz.

So rechnen aber bloß Milchmädchen, denn das ist jetzt keine „Oberwelle“
mehr, sondern eine völlig andere Grundwelle.

von Soul E. (Gast)


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Dennis S. schrieb:
> Peter II schrieb:
>> Kondensatornetzteile bekommen Probleme, wenn zu viele Oberschwingungen
>> da sind.
>
> Ja.. das steht überall. Aber nie wird beschrieben welche Probleme
> auftreten! Thermische Probleme? Schnellere Alterung? Überspannung?
> Durchschlag? Keuchhusten?

Berechne mal den Effektivwert einer Spannung mit sinusförmigem Verlauf 
(null Oberwellen) und mit rechteckförmigem Verlauf (sehr viele 
Oberwellen).

Neben dem höheren Effektivwert ist auch der Anstieg der Spannung (du/dt) 
steiler. Entsprechend sind die Impulsströme in Gleichrichtern, 
Filterelkos, PFC-Schaltungen etc größer und die Bauteile werden stärker 
belastet.


Ein Extremfall sind die billigen Wechselrichter für's Auto. Die haben 
fast rechteckförmige Ausgangssignale, daher sehr viele Oberwellen. Es 
gibt genug Leute, die damit ihre Geräte zerschossen haben.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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soul e. schrieb:
> Ein Extremfall sind die billigen Wechselrichter für's Auto.

Ist aber eben auch 'ne andere Nummer als ein etwas verbogener Sinus.

von Elektrofan (Gast)


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Chris F. schrieb:
> Mit Oberwellen sind die höherfrequenten Schwingungsanteile eines
> Mischsignales gemeint. Wenn das Mischsignal eine andere Frequenz hat
> oder phasenverschoben zum Netz ist, dann ist das auch eine Blindlast.

Das "Mischsignal" hat mehere harmonische Frequenzen.
Für die Leistungsumsetzung muss jede Teilschwingung mit der Frequenz fn 
für sich behandelt werden:

P(fn) = Un*In*cos(n,φ)

Oder anders:
Solange die Spannung rein sinusförmig ist, kann nur durch den 
Grundschwingungsstrom (im öffentlichen Netz 50 Hz) Wirkleistung 
übertragen werden.

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