Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Wie empfindlich sind uC-AUSgänge gegen ESD?


von Jake (Gast)


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Hallo,

ich habe mich immer gefragt, wie gefährdet die Ausgänge eines uC gegen 
ESD sind. Bei den Eingängen ist es mir klar, weil dort eine Ladung 
idealerweise nicht abfließen kann und sich dementsprechend eine hohe 
Spannung aufbaut.
Wie sieht es aber nun bei Ausgängen aus, also wenn diese auf low oder 
high geschaltet sind? Habt ihr Erfahrungen, ob sie eine "normale" 
Bastler-läuft-über-Teppich-und-fasst-dann-den-Pin-an-Entladung 
aushalten?

von m.n. (Gast)


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Doch, doch.
Hast Du mal ein Foto zu "Bastler läuft über Teppich"? Dann kann man mehr 
dazu sagen.

von Max M. (jens2001)


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Jake schrieb:
> "normale"
> Bastler-läuft-über-Teppich-und-fasst-dann-den-Pin-an

nur ein "unnormaler"
Bastler-läuft-über-Teppich-und-fasst-dann-den-Pin-an

von Leute (Gast)


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Man muss mit allem rechnen. Wenn Bösartigkeit als Erklärung nicht in 
Frage kommt, reicht schon Unvermögen.

von Peter II (Gast)


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Jake schrieb:
> ich habe mich immer gefragt, wie gefährdet die Ausgänge eines uC gegen
> ESD sind. Bei den Eingängen ist es mir klar, weil dort eine Ladung
> idealerweise nicht abfließen kann und sich dementsprechend eine hohe
> Spannung aufbaut.

bei den meisten µC sind die Pins ein und Ausgang gleichzeitig.

Und zum Schutz haben sie Schutzdioden die zu hohe Spannungen ableiten. 
Also so empfindlich sind sie auch nicht.

von Marc V. (Firma: Vescomp) (logarithmus)


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Max M. schrieb:
> nur ein "unnormaler"
> Bastler-läuft-über-Teppich-und-fasst-dann-den-Pin-an

 Sicher.
 Normale Bastler springen drüber.
 Erfahrene Bastler nehmen den uC überall mit.

 Und Experten levitieren einfach.

von H-G S. (haenschen)


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Man muss nicht erst über einen Teppich laufen ...

Als ich damals einen PC zusammenbaute erdete ich mich immer bevor ich 
Komponenten anfasste. Als ich einmal nur aufstand und die verstaubte 
Windows DVD aus dem Regal oben in die Hand nahm überkam mich das 
Bedürfnis mich vorsichtshalber noch einmal abzuerden an dem Erdkontakt 
der Steckdose.

So einen Schlag hatte ich schon lange nicht mehr bekommen :-)

: Bearbeitet durch User
von Clemens L. (c_l)


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Peter II schrieb:
> bei den meisten µC sind die Pins ein und Ausgang gleichzeitig.

Bei aktiviertem Ausgang kann die Ladung vom Gate des 
Eingangs-Transistors aber gleich abfließen, und muss sich nicht erst 
einen Weg durch die Gate/Kanal-Isolierung bahnen.

> Und zum Schutz haben sie Schutzdioden die zu hohe Spannungen ableiten.

Die gehen auch nur zu Vcc und GND, und sind meist für geringere Ströme 
spezifiziert als die Ausgänge. Auf jedem Fall sollte ein aktiver Ausgang 
parallel zu den Schutzdioden den Pin insgesamt robuster machen.

von Jobst M. (jobstens-de)


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Sie sind empfindlich. Die eingebauten Schutzmaßnahmen sind nur bedingt 
wirkungsvoll. Auch wenn das Bauteil nicht sofort ausfällt, kann es das 
später noch (Latente Schädigung). Alle Halbleiter sind mehr oder weniger 
ESD empfindlich. Es ist also egal, ob Eingang oder Ausgang.

Wenn Du sicher sein möchtest, arbeitest Du immer mit ESD-Matte und 
Handgelenkband und legst Deine Schaltung so aus, dass nur Bauteile 
getroffen werden, die diese Energie aufnehmen (Kondensatoren) oder in 
Wärme umwandeln können (Widerstände, Varistoren, Suppressordioden).


Gruß

Jobst

von me (Gast)


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Wenn durch ein ESD-Event die max. Ratings überschritten werden, gibt es 
Probleme. So einfach ist das im Prinzip.
Welche Ströme ein Pin bzw. dessen Schutzstruktur verkraftet, findet sich 
meist in den hinteren Kapiteln der Datenblätter, oder in eigenständigen 
Designdokumenten. Unter NDA sollten auch noch weitere Informationen 
erhältlich sein.

Wenn du versuchst dir einen Überblick über die Thematik zu verschaffen, 
mach dich zuerst einmal über ESD und EMV Normen für System und Chiplevel 
schlau.  Human Body Model (HBM), Machine Model (MM), Charged Device 
Model (CDM),
and IEC 61000-4-2, IEC61132, Transmission Line Pulse (TLP) Testing,... 
sind interessante Schlagworte.

Eine nette Einführung und Links findet man z.B. bei Langer EMV, aber 
auch die Atmel AppNotes AVR042 und AVR040 sind eine nette 
Einstiegslektüre.

und ja, ein IC im Steckbrett lebt durchaus nicht ungefährlich...

von Jake (Gast)


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Und kriege ich eigentlich irgendwie raus, von welchem Pin die Misere 
ausging? Also habe ich mit z.B. einem Diodentest per Multimeter eine 
Chance, einen ESD-Schaden an einem Pin zu diagnostizieren?

von Die Erdung (Gast)


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H-G S. schrieb:

> So einen Schlag hatte ich schon lange nicht mehr bekommen :-)

Sicher, dass es der Erdkontakt gewesen ist? =)

von Jobst M. (jobstens-de)


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Jake schrieb:
> Und kriege ich eigentlich irgendwie raus, von welchem Pin die Misere
> ausging? Also habe ich mit z.B. einem Diodentest per Multimeter eine
> Chance, einen ESD-Schaden an einem Pin zu diagnostizieren?

Wenn Du einen handfesten Schaden an einem Bauteil hast, kannst Du den 
feststellen. Solange es sich um einen latenten Schaden handelt, nicht.


Gruß

Jobst

von Hp M. (nachtmix)


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Jake schrieb:
> Und kriege ich eigentlich irgendwie raus, von welchem Pin die Misere
> ausging?

Manchmal nur durch Erinnerung.
Bei CMOS-Schaltungen gibt es die Erscheinung des Latch-Up.
Dabei wird, unter Mitwirkung der Schutzdioden, durch ESD ein parasitärer 
Thyristor gezündet, der die positiven und negativen 
Versorgungsanschlüsse miteinander kurzschliesst.
Wenn die Versorgung ausreichend leistungsfähig ist, verglüht dann meist 
der Chip, oder die Bonddrähtchen brennen durch.
Der Pin, der das Desaster ausgelöst hat, kann dabei prinzipiell 
unbeschädigt bleiben.

Mit ein bischen Pech reicht dafür eine Meßstrippe, die etwas aufgeladen 
ist, weil die andere Leitung des Meßgeräts noch nicht mit Masse bzw. GND 
verbunden ist(!).
Ob der Latch-Up durch ein ESD-Ereignis an einem Eingang oder einem 
Ausgang  ausgelöst wird ist unerheblich. Nach meiner persönlichen 
Einschätzung trifft es sogar öfter einen Ausgang.

von Jake (Gast)


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Ohje, da müssten doch die Gewährleistungsfälle von Arduino gigantisch 
zahlreich sein!? Kennt jemand Zahlen?

von H-G S. (haenschen)


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Ich würde gerne wissen wie viele PC-Selbstbauer ihre Komponenten 
zerschossen haben :-)

Vielleicht haben die dem Arduino ein paar Abblock-Kondensatoren und 
Spulen verpasst an den Ports.

von Jobst M. (jobstens-de)


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Jake schrieb:
> da müssten doch die Gewährleistungsfälle von Arduino gigantisch
> zahlreich sein!?

Aus welchem Grund? Weil der Kunde es kaputt gemacht hat? Wohl kaum ...


Gruß

Jobst

von Jake (Gast)


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Ja, natürlich. Wenn die Chips so empfindlich sind, dürfte die Rate bei 
10% liegen, wenn nicht noch höher. Aber natürlich haben die das 
eingepreist.

von Jobst M. (jobstens-de)


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Jake schrieb:
> Ja, natürlich. Wenn die Chips so empfindlich sind, dürfte die Rate bei
> 10% liegen, wenn nicht noch höher.

Und? Ist die Fehlbehandlung durch den Kunden das Problem der 
Arduino-Hersteller?

Nein.


Gruß

Jobst

von Jake (Gast)


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Meinst du nicht, dass die Diagnose jeder einzelnen defekten Platine 
(innerhalb der gesetzlichen Gewährleistung vor Umkehr der Beweislast) 
teuer wäre, als die Produktion einer Ersatzplatine?

von Jobst M. (jobstens-de)


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Na, dann schau doch einfach, was passiert ...


Gruß

Jobst

von m.n. (Gast)


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Erst geht es um einen einzigen µC, mit dem ein Bastler über den Teppich 
läuft. (Oder etwa ein fliegender Teppich?)
Dann um einen AVR und zuletzt um einen Arduino.

Wer seine Schaltungen so baut, daß Ein- oder Ausgänge eines µC direkt 
nach außen geführt sind, dem sollen die Teile meinetwegen sterben wie 
die Fliegen: das macht man einfach nicht!

von Jake (Gast)


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Der Arduino war ein Beispiel, als bekanntestes Produkt, wo es genau so 
gemacht ist, wie von dir bemängelt (direkt nach außen geführt). Mich 
interessiert es einfach, wie empfindlich die Teile wirklich sind (als 
Einzelner hätten meine Stichproben wenig Aussagekraft: Deswegen frage 
ich die Masse). Warum hier manche auf Schutzdioden bestehen, warum es 
dann aber hier dann kommerziell anders gemacht wird und wie der 
Hersteller dann trotzdem keine Probleme zu haben scheint. Ist euch diese 
Frage noch nie gekommen?

von m.n. (Gast)


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Jake schrieb:
> Der Arduino war ein Beispiel, als bekanntestes Produkt, wo es genau so
> gemacht ist, wie von dir bemängelt (direkt nach außen geführt).

Ein Arduino ist kein µC; es gibt mehr als einen Arduino; es gibt 
bekanntere Produkte als den Arduino; beim Arduino ist nichts nach außen 
geführt, er ist ein nacktes Board.

Wie bei allen Dingen des Lebens obliegt es dem Anwender, etwas 
Brauchbares daraus zu machen. Allgemeine Fragen lösen kein konkretes 
Problem - auch, wenn es immer wieder probiert wird ;-)

von H-G S. (haenschen)


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Der Arduino kostet bestimmt sehr wenig als Massenprodukt - die haben 
bestimmt nicht viele Unkosten wenn sie mal einen ersetzen müssen.

von MaWin (Gast)


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Jake schrieb:
> Hallo,
>
> ich habe mich immer gefragt, wie gefährdet die Ausgänge eines uC gegen
> ESD sind. Bei den Eingängen ist es mir klar, weil dort eine Ladung
> idealerweise nicht abfließen kann und sich dementsprechend eine hohe
> Spannung aufbaut.
> Wie sieht es aber nun bei Ausgängen aus, also wenn diese auf low oder
> high geschaltet sind? Habt ihr Erfahrungen, ob sie eine "normale"
> Bastler-läuft-über-Teppich-und-fasst-dann-den-Pin-an-Entladung
> aushalten?

Eingänge haben Schutzdioden, die hohe Spannung ist also keine Problem, 
aber die Schutzdioden haben oft ein Stromlimit, z.B. 40mA (Atmel).

Wenn du mit 2kV in Form eines geladenen 40pF Kondensators auf einen 
Eingang kommst, steigt die Spannung also schnell bis VCC+0.7V und dann 
fliesst Strom (der die Ladung entlädt), und wenn der 40mA übersteigt, 
darf der Eingahng kaputt gehen.

Kurze Zeit nach RESET sind alle Ausgänge noch Eingänge !

Ist der Pin als Ausgang konfiguriert, ist er über einen MOSFET von ca. 
25 Ohm mit VCC oder GND verbunden. Ab 28mA wird also die Spannung so 
weit steigen, daß auch hier die "Eingangs"-schutzdiode leitet, und ab 
68mA wird sie überlastet.

Der Ausgang ist also nicht so viel robuster als ein Eingang. Aber beide 
sind erheblich robuster als Gates ohne jeden Schutz (BS170).

von Bernd K. (prof7bit)


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>> [über Teppich laufen]

Marc V. schrieb:
> Und Experten levitieren einfach.

Das verhindert keine statische Ladung. Nur wenn er gleichzeitig auch 
angebunden ist damt er nicht versehentlich aus dem Fenster schwebt beim 
Levitieren.

von Hp M. (nachtmix)


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Jake schrieb:
> Mich
> interessiert es einfach, wie empfindlich die Teile wirklich sind

Das steht im Einzelfall in den Datenblättern.
Dabei geht es aber in den allermeisten Fällen nur um die Handhabung, 
damit also das IC das Anfassen (HBM) oder das Einlegen in den 
Bestückungsautomaten (CDM) überlebt.
Dafür sind ganz bestimmte Versuchsbedingungen hinsichtlich Spannung, 
Kapazität und Übergangswiderstände festgelegt.

Die Beständigkeit gegen Mißhandlungen durch den Kunden, und wenn das IC 
in Betrieb ist, wird nur selten, z.B. bei Schnittstellen-ICs (RS232, 
USB, ...) quantifiziert.
Deshalb steht auch in den meisten Betriebsanleitungen, dass man das 
Gerät ausschalten soll, bevor man irgendwelche anderen Geräte 
anschliesst.

https://de.wikipedia.org/wiki/ESD-Simulationsmodelle

: Bearbeitet durch User
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