Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Unerwartetes Gleichtaktsignal auf Ethernetleitungen


von Kolja W. (kawk)


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Hi,

ich wollte eigentlich einen 100TX-Port eines Ethernet/WLAN-Moduls 
(HLK-RM04 mit Ralink RT5350 SoC) mit dem einer anderen existierenden 
Schaltung verbinden (DP83848 PHY) und dabei die Übertrager einsparen (es 
ist ein kompakter Aufbau, zu Demozwecken).

Normalerweise lässt sich das relativ problemlos machen, ggf. mit kleinen 
Kondensatoren in jeder der vier Leitungen (RX+/- TX+/-), und in anderen 
Konfigurationen habe ich bereits gute Erfahrungen mit dem Prinzip 
gemacht.

Dieses Modul allerdings erzeugt neben den üblichen Pulsen für die 
Autonegotiation jeweils gleichzeitig und etwa gleich lang ausserdem noch 
ein Gleichtaktsignal (d.h. TX+ und TX- wechseln gleichzeitig den Pegel), 
was (auf jeder Leitung gleich) wie zwei asynchron seriell geformte 
Datenbytes hintereinander aussieht.

Leider macht mir das einen Strich durch die Rechnung, denn nur mit 
echten Übertragern in der Leitung würde es beim Empfänger ohne Effekt 
bleiben. Bei kapazitiver Kopplung aber verhindert es die Negotiation (ob 
es bei fixem Setup ohne Autonegotiation nicht kommt, konnte ich noch 
nicht herausfinden).

Auf die Schnelle löse ich das Problem mit einem echten Übertrager 
zwischen beiden Ports, aber ich frage mich trotzdem: Was ist das? Wie 
könnte ich das per Konfiguration noch wegkriegen?! Jemand eine Idee?

Danke,
Kolja

: Verschoben durch Moderator
von Mw E. (Firma: fritzler-avr.de) (fritzler)


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Einfach mal an die Spec halten und doch Übertrager einbauen?
So groß sind die nun auch nicht mehr.

von Eberhard H. (sepic) Benutzerseite


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Kolja W. schrieb:
> Dieses Modul allerdings erzeugt neben den üblichen Pulsen für die
> Autonegotiation jeweils gleichzeitig und etwa gleich lang ausserdem noch
> ein Gleichtaktsignal (d.h. TX+ und TX- wechseln gleichzeitig den Pegel),

Ethernet-Signale und deren Pegel sind leitungsseitig definiert, nicht 
chipseitig.

Chipseitig gibt es zwei unterschiedliche Signalisierungen (die nach dem 
Übertrager leitungsseitig dasselbe Signal und die richtigen Pegel 
liefern).

Eine dieser Signalisierungen* (die du offensichtlich wenigstens auf 
einer Seite hast) lässt nur unter sehr speziellen Bedingungen eine 
kapazitive Kopplung zweier PHYs zu.

In diesem Fall kann man ggf. nur einen der beiden Übertrager pro TX und 
RX einsparen.

D.h. du benötigst für möglichst wenig technische Umstände wenigstens 
einen Übertrager (normalerweise 1:1) pro TX und RX, der auf den beiden 
Seiten (also RT5350  bzw. DP83848) jeweils individuell gemäß Vorschlag 
des Chip-Herstellers angeschlossen wird (Abschlusswiderstände, 
chipseitige Mittenanzapfung etc.).

Im Endeffekt sind in diesem Fall für die vereinfachte Kopplung über eine 
kurze Strecke also zwei entfernte Übertrager + Netzwerkleitung auf einen 
Übertrager zusammengeschrumpft, der aber dennoch beidseitig richtig 
angeschlossen werden muss.

Aber selbst wenn eine kapazitive Kopplung möglich ist, müssen die 
RX/TX-Pins der PHYs diesseits und jenseits der Koppel-Cs richtig (d.h. 
gemäß Vorschlag des Chip-Herstellers) abgeschlossen werden.

* Kann dir gern den Unterschied erklären. Aber vielleicht geht das hier 
zu weit.

von Kolja W. (kawk)


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Hi,

> ggf. nur einen der beiden Übertrager pro TX und RX einsparen.

Das hatte ich gestern tatsächlich schon erfolgreich in einem fliegenden 
Aufbau ausprobiert und werde es in der Anwendung so machen müssen. Für 
einen Übertrager ist gerade noch Platz in dem beengten Gehäuse.

Meine Posting ist die Frage nach den Hintergründen, die mir in diesem 
Fall unklar sind, und da wäre ich dankbar, wenn weitere Erläuterung von 
Dir über die..

> Chipseitig gibt es zwei unterschiedliche Signalisierungen

..Aufschluss bringt!

Dank im Voraus,
Kolja

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Eberhard H. schrieb:
> * Kann dir gern den Unterschied erklären. Aber vielleicht geht das hier
> zu weit.

Nein, das geht keinesfalls zu weit. Bin auch ganz Ohr.

Gruss
WK

von Eberhard H. (sepic) Benutzerseite


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OK, dann so knapp es geht.

Zunächst unterscheidet man bei Ethernet-PHYs zwischen Current-Mode-PHYs 
(meist früher verwendet, normalerweise mit externen 
RX/TX-Abschlusswiderständen) und Voltage-Mode-PHYs (heute üblich, sowohl 
bei 100Base-TX als auch bei 1G, meist integrierte Abschlusswiderstände). 
Wie immer gibt es auch Ausnahmen.

Die PHY-Hesteller erwähnen meist nicht, um welche PHY-Spezies es sich 
handelt, man kann es aber normalerweise an der Beschaltung der 
Übertrager erkennen. Hierzu sollte man aber nur die Vorschläge des 
jeweiligen PHY- bzw. Switch-Herstellers und keinesfalls irgend welche 
anderen Beschaltungsvorschläge, wie z.B. von Übertragerherstellern zu 
Rate ziehen.

Bei 100Base-TX werden für die Übertragung leitungsseitig drei Zustände 
per MLT-3 kodiert.

Die Unterschiede der chipseitigen Signalisierung beim Senden sollen 
anhand der Current-Mode-PHYs beschrieben werden, bei denen die 
PHY-Ausgänge TX+ und TX- Stromsenken sind (gilt bei Voltage-Mode-PHYs 
mit Push/Pull-Ausgängen sinngemäß).

1. Das häufigere Verfahren

Bei Zustand 1 fließen von der analogen Versorgung (meist 3,3V) über die 
chipseitige Mittenanzapfung des TX-Übertragers und eine der beiden 
Wicklungshälften 40mA in den Anschluss TX+ hinein nach GND. Der 
Anschluss TX- ist stromlos.

Bei Zustand 2 fließen von der analogen Versorgung über die chipseitige 
Mittenanzapfung des TX-Übertragers und beide Wicklungshälften jeweils 
20mA in beide Anschlüsse TX+/TX- hinein nach GND.

Bei Zustand 3 fließen von der analogen Versorgung über die chipseitige 
Mittenanzapfung des TX-Übertragers und die andere Wicklungshälfte 40mA 
in den Anschluss TX- hinein nach GND. Der Anschluss TX+ ist stromlos.

Bei richtigen Abschlusswiderständen chipseitig und dem richtigem 
Übersetzungsverhältnis der Übertrager (heute wegen Auto-Crossover 
normalerweise 1:1) wird leitungsseitig die per IEEE-802.3 spezifizierte 
Spannungsamplitude erzeugt.

Die Amplitude des 40mA-Stroms für die Stromsenken des Ethernet-PHYs 
(insgesamt 4) wird mit einem einzigen Widerstand eingestellt (bei einem 
Switch mit integrierten PHYs für alle PHYs). Damit kann man bei Bedarf 
für ein bestimmtes Design insgesamt die TX-Signalpegel auf der Leitung 
anpassen, falls z.B. die Dämpfung des ausgewählten Übertragers von sonst 
üblichem Werten abweicht. Das bemerkt man spätestens bei einem 
Compliance-Test.

2. Das weniger häufige Verfahren

Die Zustände 1 und 3 werden chipseitig genau wie bei Verfahren 1 
erzeugt.

Bei Zustand 2 wird statt "2x halber Strom" dagegen "2x kein Strom" 
verwendet.

Man wird schnell einsehen, dass bei Übertrager-Kopplung beider Verfahren 
auf der Leitung dieselben Signale entstehen.

Der Vorteil von Verfahren 2 ist klar: Die durchschnittliche 
Stromaufnahme des (grundsätzlich stromhungrigen) Ethernet-PHYs ist 
deutlich geringer. Aber moderne Voltage-Mode-PHYs schaffen das auch.

Dieser scheinbare Vorteil der kleineren mittleren Stromaufnahme bei 
Verfahren 2 wird aber wegen dem ständigen Wechsel des Summenstroms 
(40mA/0mA/40mA/0mA etc.) mit größeren Störungen auf der analogen 
Versorgung erkauft, denn bei Verfahren 1 ist der Summenstrom mit 40mA 
konstant, aber mit Mittel damit auch größer als bei Verfahren 2.

Ein weiterer Nachteil von Verfahren 2 ist die (von dir bereits 
festgestellte) Tatsache, dass eine ordentliche kapazitive Kopplung 
zweier PHYs so gut wie nicht möglich ist. Erst wenn man wenigstens einen 
Übertrager nimmt (der richtig beschaltet ist) klappt auch eine solche 
"Back-to-Back-Kopplung" zweier PHYs auch mit PHYs, die das Verfahren 2 
für die MLT3-Signalisierung verwenden.

Es gibt übrigens PHY-Hersteller die beide Verfahren für 100Base-TX-PHYs 
verwenden.

Bei der richtigen chipseitigen Beschaltung der Übertrager (jeweils nach 
PHY-Herstellerangaben!) spielt es keine Rolle, ob es ein 
Current-Mode-PHY oder ein Voltage-Mode PHY ist.

Bei einer kapazitiven Kopplung (soweit sie denn grundsätzlich geht, 
s.o.) entfallen zwar die Übertrager, aber es müssen dennoch zwingend die 
Abschlusswiderstände direkt an den PHYs vorhanden sein (intern oder 
extern, aufpassen by Current-Mode-PHYs), wobei wiederum 
Current-Mode-PHYs und Voltage-Mode PHYs beliebig kombiniert miteinander 
gekoppelt werden können.

von Gerd E. (robberknight)


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Danke für Deine Erklärung.

Eberhard H. schrieb:
> Die PHY-Hesteller erwähnen meist nicht, um welche PHY-Spezies es sich
> handelt, man kann es aber normalerweise an der Beschaltung der
> Übertrager erkennen.

Kannst Du vielleicht kurz in der Praxis zeigen wie das geht?

Als Beispiel habe ich mal den relevanten Ausschnitt aus dem Datenblatt 
des Microchip (ehem. SMSC) LAN8740A angehängt.
http://www.microchip.com/wwwproducts/en/LAN8740A

Wie erkennt man da um was für einen Typ es sich handelt?

von Eberhard H. (sepic) Benutzerseite


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Gerd E. schrieb:
> Als Beispiel habe ich mal den relevanten Ausschnitt aus dem Datenblatt
> des Microchip (ehem. SMSC) LAN8740A angehängt.
>
> Wie erkennt man da um was für einen Typ es sich handelt?

Beim LAN8740A-Beispiel siehst du zunächst die 3,3V mit einer 
Ferrit-Perle entkoppelt. Diese entkoppelte Spannung geht an VDD1A und 
VDD2A und an die chipseitigen Mittenanzapfungen der Übertrager. Dies 
sind alles analoge Versorgungen.

Die Tatsache, dass die analoge Versorgung an die Mittenanzapfungen der 
Übertrager geht, bestätigt, dass es sich um einen Current-Mode-PHY 
handelt, siehe meine obige Beschreibung.

Die vier RX/TX-Abschlusswiderstände gehen ebenfalls an dieselbe analoge 
(unbedingt NICHT an die digitale) Versorgung.

Alternativ (und übertragungstechnisch äquivalent) hätte man die beiden 
Abschlusswiderstände bei TX bzw. die beiden bei RX bei diesem 
Current-Mode-PHY statt an die analoge Versorgung paarweise je an einen 
100nF-Kondensator legen können, der nach GNDA geht.

Du kannst selbst überlegen, welche Spannung sich dann jeweils an diesen 
beiden Kondensatoren im Betrieb einstellen würde.

Anhand der Beschaltung lässt sich nur feststellen, um welche Spezies 
(Current/Voltage-Mode) es geht, nicht welches der beiden beschriebenen 
Signalisierungsverfahren bei 100Base-TX angewandt wird.

Das kann man entweder mit einem Scope ausreichender Bandbreite direkt an 
den beiden TX-Pins* des PHYs feststellen oder (viel umständlicher) indem 
man bei einem Current-Mode-PHY den Strom bei einer kontinuiertlichen 
Übertragung in eine der beiden chipseitigen Mittenanzapfungen (nämlich 
jene, bei der gerade gesendet wird) hinein misst. Ist dieser Strom 
deutlich kleiner als 40mA, ist es vermutlich das seltene Verfahren 2.

Beim LAN8740A (kenne ich nicht aus eigener Erfahrung) würde ich das 
"normale" Verfahren 1 vermuten, so dass damit einer kapazitiven Kopplung 
nichts im Wege steht, sofern der Link-Partner ebenfalls das Verfahren 1 
verwendet und die RX/TX-Pins auf beiden Seiten korrekt terminiert sind.

* Wegen Auto-Crossover kann statt an den TX-Pins auch an den beiden 
RX-Pins gesendet werden (und dann an den TX-Pins empfangen).

Für den Anfänger meist überraschend sind bei einem Current-Mode-PHY die 
Signalpegel chipseitig an den beiden TX-Pins (bzw. an jenem Port, an dem 
gerade gesendet wird) - falls er überhaupt auf die Idee kommt, an dieser 
Stelle mal genauer hinzuschauen.

Und nur wer das verstanden hat, weiß auch, wie man bei einem 
Current-Mode-PHY einen chipseitigen ESD-Schutz der RX/TX-Pins NICHT 
ausführt.

von Kolja W. (kawk)


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Danke für Deine Erklärung.

Nun, mein Modul scheint Zustand 2 mal so, mal so zu erzeugen? Ohne 
Übertrager daran, aber mit je 50 Ohm gegen die Spannung hoch, an die 
sonst auch die Mittelanzapfung chipseitig angeschlossen würde, sieht man 
parallel zu den FLP für die Autonegotiation spannungsmässig mal beide 
low, mal beide high, nur gelegentlich (solange low) eben durch die 
kurzen FLP (high auf nur einer Leitung) unterbrochen.

Wie gesagt, das sieht im Gesamtbild aus wie eine asynchron serielle 
Übertragung, zwei Bytes 8N1, vielleicht 0xAA, 0x55 oder so. Ich kann da 
noch keinen Zusammenhang herstellen oder deuten, was es der Zweck sein 
könnte. Gelegentliches Stromsparen?

Die eigentliche normale Übertragung nach erfolgreicher Negotiation habe 
ich noch gar nicht betrachten können. Vielleicht habe ich morgen mal die 
Zeit, einen Screenshot von den Verläufen zu machen.

Grüsse,
Kolja

von Volker (Gast)


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Hallo zusammen,

wieder einiges gelernt, habe aber noch eine andere Frage, vielleicht 
kann die jemand beantworten.
Im Schaltplanausscnitt von Gerd ist rechts ein 3kV Kondensator 
eingezeichnet, der an Chassis-Gnd angschlossen ist. Oft sieht man diesen 
Kondensator aber auch an die GND -Seite der Phys angeschlossen, diese 
Anschlussform ist meiner Meinung nach richtig, um einen Rückflusspfad 
für die Streukapazität der Übertrager zu liefern.
Bin aber schon mit beiden Varianten durch die EMV Prüfungen gekommen.

Wäre nett, wenn hierzu jemand etwas sagen könnte.

Gruß Volker

von Gerd E. (robberknight)


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Volker schrieb:
> Im Schaltplanausscnitt von Gerd ist rechts ein 3kV Kondensator
> eingezeichnet, der an Chassis-Gnd angschlossen ist. Oft sieht man diesen
> Kondensator aber auch an die GND -Seite der Phys angeschlossen, diese
> Anschlussform ist meiner Meinung nach richtig, um einen Rückflusspfad
> für die Streukapazität der Übertrager zu liefern.

Ist der nicht nur zum Ableiten von ESD gedacht?

Bei z.B. PoE-betriebenen Geräten im Kunststoffgehäuse gibt es dann aber 
nicht so viele Möglichkeiten außer dem GND der Schaltung das 
anzuschließen.

von Eberhard H. (sepic) Benutzerseite


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Kolja W. schrieb:
> Danke für Deine Erklärung.
>
> Nun, mein Modul scheint Zustand 2 mal so, mal so zu erzeugen? Ohne
> Übertrager daran, aber mit je 50 Ohm gegen die Spannung hoch, an die
> sonst auch die Mittelanzapfung chipseitig angeschlossen würde, sieht man
> parallel zu den FLP für die Autonegotiation spannungsmässig mal beide
> low, mal beide high, nur gelegentlich (solange low) eben durch die
> kurzen FLP (high auf nur einer Leitung) unterbrochen.

Hm, offensichtlich hast du noch gar keinen stabilen Link und beide PHYs 
sind ganz "normale" Current-Mode-PHYs?
Bei einem stabilen Link solltest du wenigstens das Idle-Pattern sehen.
Vielleicht für deinen Spezialfall versuchsweise auf beiden Seiten (!) 
Auto-Negotiation abschalten?

Hab inzwischen weiter bezüglich den beiden beschriebenen 
Signalisierungsverfahren recherchiert.
Marvell bezeichnet PHYs nach dem Verfahren 1 als Class-A-PHYs, und PHYs 
nach dem Verfahren 2 als Class-B-PHYs. Aber vielleicht ist das 
inzwischen schon überflüssig, da du bereits drei Zustände feststellen 
kannst.

Zumindest die Methode zur messtechnischen Feststellung, ob Class-A oder 
Class-B muss ich insofern korrigieren, dass man mit angeschlossenen 
Übertragern bei einem Current-Mode-PHY auf jeden Fall den Strom in die 
jeweilige Mittenanzapfung hinein oder (genau so umständlich) direkt in 
den aktiven TX-Leitungen messen muss, da die chipseitigen TX-Pegel bei 
einem Current-Mode-PHY im Normalfall immer symmetrisch zur analogen 
Versorgung sind, egal ob Class-A oder Class-B. Möglicherweise kann man 
aber auch ohne Eingriff in die Zuleitungen bei Class-B einen kleinen 
Spannungs-Ripple irgendwo auf der 3,3V-Versorgung messen, der synchron 
zum Ethernet-Signal ist.

Hat man dagegen schon eine C-Kopplung ausschließlich mit 
Abschlusswiderständen realisiert und ist sich sicher, dass es ein 
Current-Mode-PHY ist (wie im diskutierten Fall), erkennt man das 
verwendete Signalisierungsverfahren eindeutig an den Signalpegeln der 
aktiven TX-Pins.

Der Arbeitspunkt wird dann bei Class-A dauerhaft um ca. 20mA * 50 Ohm = 
1V negativer sein als die analoge Versorgung, d.h. die Signalpegel sind 
differentiell symmetrisch zu diesem Arbeitspunkt, sprich bei 3,3V 
analoger Versorgung erhält man TX-seitig* die drei Spannungspegel von 
ca. 3,3V, 2,3V und 1,3V. Ansonsten ist es m.E. kein stabiler Link.

Bei Class-B bekäme man ohne Übertrager und mit 
50-Ohm-Abschlusswiderständen dagegen nur zwei Spannungspegel bei 3,3V 
(2x 0mA oder 1x 0mA am gemessenen Pin und 1x 40mA am anderen Pin) und 
bei ca. 1,3V (1x 40mA am gemessenen Pin und 1x 0mA am anderen Pin). 
Damit ist natürlich keine C-Kopplung möglich, da einer der drei Zustände 
fehlt.

* RX-seitig liegt der Arbeitspunkt je nach PHY auch bei C-Kopplung meist 
bei 3,3V oder manchmal auch bei 2,5V (nämlich jeweils gleich wie bei 
Übertrager-Kopplung).

von Eberhard H. (sepic) Benutzerseite


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Volker schrieb:
> Hallo zusammen,
>
> wieder einiges gelernt, habe aber noch eine andere Frage, vielleicht
> kann die jemand beantworten.
> Im Schaltplanausscnitt von Gerd ist rechts ein 3kV Kondensator
> eingezeichnet, der an Chassis-Gnd angschlossen ist. Oft sieht man diesen
> Kondensator aber auch an die GND -Seite der Phys angeschlossen, diese
> Anschlussform ist meiner Meinung nach richtig, um einen Rückflusspfad
> für die Streukapazität der Übertrager zu liefern.
> Bin aber schon mit beiden Varianten durch die EMV Prüfungen gekommen.
>
> Wäre nett, wenn hierzu jemand etwas sagen könnte.
>
Die in obigem Schaltplanauszug gezeigten Widerstände und der 
1nF/3kV-Kondensator sind Teil eines vereinfachten und kontrovers 
diskutierten Bob-Smith-Filters, das übrigens bei PoE-Anwendungen meist 
durch die PoE-Versorgung kurzgeschlossen und damit unwirksam wird.

Es gibt tatsächlich auch noch einen weiteren 1nF/2kV-Kondensator, der 
zwischen Schirm des RJ-45 bzw. dem Chassis und der System-Masse 
platziert ist.

Hab einen Auszug aus einem älteren Evalboard von Micrel angehängt, der 
beide 2kV-Kondensatoren zeigt (die vier RX/TX-Abschlusswiderstände am 
PHY sind in diesem Ausschnitt nicht gezeigt).

Es gibt sehr unterschiedliche Methoden (und viele Applikationsberichte 
der PHY- und Switch-Hersteller), Schirm/Chassis und System-Masse 
miteinander zu verbinden (immer nur an einem einzigen ausgesuchten 
Punkt). Statt den typischen 1nF/2kV sieht man teilweise auch 
Ferrit-Perlen oder sogar Widerstände als Potentialausgleich.

von Kolja W. (kawk)


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Hi,

> Hm, offensichtlich hast du noch gar keinen stabilen Link und beide PHYs
> sind ganz "normale" Current-Mode-PHYs?

Schon witzig, wohin die Antworten führen können, aber damit sind wir bei 
meiner ganz ursprünglichen Frage (und Überschrift). Ja, es geht noch um 
die Phase der Autonegotiation. Da ist noch kein Idle und IMHO kein 
MLT-3. Eigentlich nur FLP-Pulse.

Das unerwartete im Gleichtakt auf beide Anschlüsse aufgeprägte 
zusätzliche Muster kann ich mir nicht erklären und bisher ist noch 
niemand hier überhaupt darauf eingegangen. Ich werde bei Gelegenheit 
noch einen Screenshot anfertigen. Irgendjemand?

Kolja

von Kolja W. (kawk)


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P.S. .. das soll nicht heissen, dass ich die übrigen Informationen nicht 
auch begrüssen würde - danke :) (ich sehe das alles sonst immer eher nur 
recht digital) .. Kolja

von Kolja W. (kawk)


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> Vielleicht für deinen Spezialfall versuchsweise auf beiden Seiten (!)
> Auto-Negotiation abschalten?

Das habe ich noch nicht hinbekommen, weil ich zwar nach langer Suche 
endlich so grob weiss, wie ich auf dem fraglichen Modul überhaupt an 
irgendwelche PHY-Register rankommen könnte und was drin stehen sollte, 
aber dazu müsste ich erst an die Original-Firmware ran, das führt vom 
hundertsten ins tausendste und da ist es einfacher, einen Übertrager 
einzubauen. Zumal ich dann auch immer noch keine Erklärung für das 
Muster hätte...

Kolja

von Eberhard H. (sepic) Benutzerseite


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Kolja W. schrieb:
> Hi,
>
>> Hm, offensichtlich hast du noch gar keinen stabilen Link und beide PHYs
>> sind ganz "normale" Current-Mode-PHYs?
>
> Schon witzig, wohin die Antworten führen können, aber damit sind wir bei
> meiner ganz ursprünglichen Frage (und Überschrift). Ja, es geht noch um
> die Phase der Autonegotiation. Da ist noch kein Idle und IMHO kein
> MLT-3. Eigentlich nur FLP-Pulse.
>
> Das unerwartete im Gleichtakt auf beide Anschlüsse aufgeprägte
> zusätzliche Muster kann ich mir nicht erklären und bisher ist noch
> niemand hier überhaupt darauf eingegangen. Ich werde bei Gelegenheit
> noch einen Screenshot anfertigen. Irgendjemand?
>
> Kolja

Kann es sein, dass du  während der Auto-Negotiation ein Link-Code-Wort 
(LCW) fehlinterpretierst?

Dieses ist Teil eines FLP-Bursts und ist in der Tat nicht MLT-3-kodiert. 
Wenn es keine Komplikationen beim Verbindungsaufbau gibt, hat man 
normalerweise wenig Zeit, ein LCW überhaupt wahrzunehmen.

Ein paar Screen-Shots würden wahrlich helfen.

Nochmals: Falls beide Link-Partner Class-A-PHYs* sind und beide Seiten 
richtig terminiert sind, sollte eine Auto-Negotiation auch bei einer 
C-Kopplung klappen. Wie groß sind die Koppel-Cs? 4x 100nF wären üblich.

Normalerweise wird für eine festverdrahtete Verbindung zweier PHYs (wie 
in deinem Fall) eine kreuzweise RX/TX-Verbindung mit fester 
Speed-Einstellung ohne Auto-Negotiation empfohlen, denn damit erhält man 
einen sehr schnellen Verbindungsaufbau ohne Komplikationen.

Ansonsten ist bei Ethernet-Verbindungen immer wichtig, dass beide 
Link-Partner dieselbe Einstellung haben (im Normalfall immer alle 
Automatiken an), sonst kommt es in den meisten Fällen zum gefürchteten 
Duplex-Mismatch.

Der häufigste Fehler bei 100Base-TX: Einer der Link-Partner ist fest für 
100Mbps und Vollduplex eingestellt, der andere steht auf 
Auto-Negotiation. Letzterer erkennt zwar die 100Mbps korrekt, fällt aber 
zwangsläufig in den Halbduplex-Mode. Bei TCP/IP bemerkt man das nicht 
sofort, erst wenn der Durchsatz dramatisch einbricht.

Da es bei deiner Anwendung offensichtlich schwierig ist, an den 
PHY-Einstellungen etwas zu ändern, bleibt dir nur die Voreinstellung, 
die dann hoffentlich auf beiden Seiten Auto-Negotiation ist.

* Deshalb sind die oben beschriebenen Hintergundinformationen 
grundsätzlich nicht für die Katz, wenn man über eine C-Kopplung zweier 
Ethernet-PHYs nachdenkt. Glücklicherweise sind die Class-B-PHYs nicht so 
verbreitet wie die Class-A-PHYs.

von Kolja W. (kawk)


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gt3x.png: Überblick. Man sieht's etwa alle 15..20 ms zusammen mit den 
FLP.

gt1.png: oben Kanal 1 2x gezoomt, mittig die Differenz (IMHO FLP). 
Suboptimal gemessen, das ist nicht meine Stärke..

gt16000.png: Das Gleichtaktsignal liesse sich als 16000 bps 8N1 UART 
Daten interpretieren...

von Kolja W. (kawk)


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> Kann es sein, dass du  während der Auto-Negotiation ein Link-Code-Wort
> (LCW) fehlinterpretierst?

Ja, Zusammenhang ist gut möglich, zumindest passt es vom Timing her; es 
scheint sich aus 62,5us-Fragmenten zusammenzusetzen, was zu 125us 
Pulsabstand passen würde?

von Kolja W. (kawk)


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Hm, man muss wohl tatsächlich deuten, dass
 - für einen Puls beide Ausgänge low gehen und dann kurz einer davon 
high
 - für keinen Puls beide Ausgänge high bleiben

von Kolja W. (kawk)


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gt1b.png: zeitlich näher dran...

von Eberhard H. (sepic) Benutzerseite


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Das sind tatsächlich LCWs, die während der Auto-Negotiation zwischen den 
Link-Parnern ausgetauscht werden, und zwar solange, bis sie einen 
gemeinsamen Nenner = Link finden.

Normalerweise ist das innerhalb von wenigen Sekunden abgeschlossen.
Bei dir scheint es aber Komplikationen zu geben, wodurch kein Link 
zustande kommt und immer dasselbe (erste) LCW verschickt wird.

Aus den LCW-Bursts lese ich das Bitmuster
1 0 0 0 0 1 1 1 1 0 1 0 0 0 0 0 heraus.

Das würde heißen, dass folgende Eigenschaften angeboten werden:

Bits 0-4 = S0-S4 = 1 0 0 0 0 = IEEE-802.3
Bits 5-8 = A0-A3 = 1 1 1 1 = 10Base-T, 100Base-TX, beide Voll-Duplex
Bit 10 = A5 = 1 = PAUSE bei Voll-Duplex erlaubt
Bit 14 = A14 = 0 = kein Acknowledge = erstes LCW (bis akzeptiert)

Das scheint zunächst OK, auch wenn die Trennung bei den 1er-Bits 
ziemlich dürftig ist. Aber das könnte auch am Messaufbau bzw. der 
Bandbreite des Scopes liegen.

Gemäß Spannungspegeln sind deine Messungen an einer C-Kopplung gemacht 
worden. Klappt das Ganze denn mit einem Übertrager?

von Kolja W. (kawk)


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> Komplikationen
> Messungen an einer C-Kopplung

Da es mir um eine Erklärung genau dieses Musters ging, habe ich die 
Gegenseite weggelassen, das erklärt die "Komplikationen" ;) Einzige 
Beschaltung ist je 50 Ohm gegen 1,8V, was bei dem Modul korrekt ist.

Mit je einem Kondensator zur Gegenstelle gekoppelt (probiert: 33 oder 
100 nF) sah es damals prinzipiell aber genauso aus (plus von der 
Gegenstelle kommende Pulse), und ging nie über diese Phase hinaus. Also 
irgendwelche Komplikationen waren da auch, daraus entstand die weitere 
Untersuchung.

Auf der Gegenseite, also jenseits der Kondensatoren, am anderen PHY, sah 
das prinzipiell Gleiche eben nicht so aus, daher wunderte mich der 
Wechsel im Gleichtakt und drängte sich als "Seltsamkeit" (für mich) in 
den Vordergrund als Ursache...

Mit (einem) Übertrager dazwischen funktioniert's komplett, das ist 
akzeptabel. Es ist jetzt drum nicht mehr vorrangig, eine andere 
funktionierende Kombi zu suchen oder es unbedingt kapazitiv 
hinzukriegen; ich möchte nur ergründen, warum es kapazitiv nicht ging.

Dass die Gegenseite mit 3,3V Analogspannung arbeitet, sollte eigentlich 
keine Rolle spielen? Hm.

Den "anderen" PHY (DP83848) habe ich in der Vergangenheit bereits 
erfolgreich kapazitiv mit seinesgleichen sowie LAN8720 koppeln können.

Kolja

von Eberhard H. (sepic) Benutzerseite


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Kolja W. schrieb:
> Einzige Beschaltung ist je 50 Ohm gegen 1,8V, was bei dem Modul korrekt ist.

Da liegt der Hund begraben. Die extrem niedrigen 1,8V für die analoge 
Versorgung sind bisher nicht genannt worden.

Die für 100Base-TX nötige Amplitude von +-1V kann bei 1,8V analoger 
Versorgung m.E. nur mit 1:1-Übertragern (und einem Current-Mode-PHY*) 
klappen und nicht per C-Kopplung.

Die drei chipseitigen MLT-3-Pegel sind dann mit einem 1:1-Übertrager 
+2,8V, +1,8V und +0,8V gegenüber GND.

Das solltest Du mit dem (einen) Übertrager nun bestätigen können, z.B. 
mit einem Idle-Pattern.

* Bei einem Voltage-Mode-PHY würde sich der Arbeitspunkt von der 
analogen Versorgung Richtung GND verschieben (ähnlich wie bei der 
C-Kopplung), wodurch die nötige Amplitude nicht mehr machbar wäre.

von Kolja W. (kawk)


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Ja, da hatt' ich im Leben nicht dran gedacht, obwohl es doch eigentlich 
so naheliegend ist. Danke! - Kolja

von Duke Scarring (Gast)


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Vielen Dank auch von mir, für die ausführliche Erklärung.

Zur Ergänzung noch ein kleines Bildchen, welches ich vor kurzem auf 
meinem Oszi hatte:

Es zeigt das differentielle Ethernet-Signal zwischen Phy und Übertrager.
Die Kurve im unteren Teil ist die Differenz zwischen Kanal 1 und Kanal 
2.
Die Übertragungsgeschwindigkeit beträgt 100 MBit/s.

Duke

von Eberhard H. (sepic) Benutzerseite


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@ Duke: Das ist ein sehr schöner MLT-3-Screen-Shot, mit ausreichend 
Bandbreite!

Diese sauberen 100Base-TX-Signale gehören wahrscheinlich zu einem 
Current-Mode-PHY mit 2,5V Analogversorgung, was nicht ganz so häufig 
ist.

Von mir noch ein Screen-Shot eines chipseitigen NLP* bei einem 
Current-Mode-PHY mit 3,3V Analogversorgung und terminierter Leitung, 
aber ohne Link-Partner, leider nur mit 200MHz Bandbreite (ausreichend 
für einen NLP): Gelb = TXP, türkis = TXN, rot = Differenz (wird auf der 
Netzwerkleitung übertragen).

* Normal Link Pulse, ist auch Teil des FLP = Fast Link Pulse

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