Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Widerstandsrauschen


von asdf (Gast)


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Hallo Zusammen,

ich habe meine Verständnisprobleme mit Rauschen in Schaltungen. Das 
erste ist wohl die Grösse nV/sqrt(Hz) die in OPV Datenblättern immer 
vorkommt. Wie genau kann man die Interpretieren? Kann ich die einfach 
quadrieren und mit der mich interessierenden Bandbreite multiplizieren? 
Dann habe ich einen Effektivwert im Quadrat, um daraus eine 
Rauschleistung zu berechnen bräuchte ich noch einen Widerstand in dem 
diese Leistung umgesetzt wird (oder ich nehm die Wurzel und betrachte 
das als Ersatzquelle an meinem OPV Eingang)?


Das andere ist eher theoretischer Natur: Das Rauschen stammt soweit ich 
weiss aus der thermischen Anregung von Ladungsträgern durch die 
Umgebungstemperatur. Kann ich aus einem rauschenden Widerstand Energie 
gewinnen? Also die Rauschspannung einer Last zuführen um Arbeit zu 
verrichten? Das würde doch dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik 
widersprechen da ich ja somit eine Maschine hätte die aus einem einzigen 
Wärmereservoir (der Umgebung) Energie bezieht und sie in Arbeit 
umwandeln kann.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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asdf schrieb:

> Wie genau kann man die Interpretieren? Kann ich die einfach
> quadrieren und mit der mich interessierenden Bandbreite multiplizieren?

Wenn man die Zahl selbst einfach quadrieren könnte, hätten das die
Datenblattschreiber schon gemacht …

Du multiplizierst sie mit der Wurzel deiner Bandbreite, auf die du
das Rauschen beziehen willst.  Ist die Bandbreite 10 kHz, dann musst
du die Zahl mit 100 multiplizieren, um die effektive Rauschspannung
am Eingang zu haben.

Diese multiplizierst du danach mit der realen (gegengekoppelten)
Verstärkung des OVs, dann hast du die Rauschspannung am Ausgang.
Wenn du jetzt unbedingt eine Leistung brauchst (Leistungsrechnung
ist eigentlich nur bei HF üblich, dort arbeitet man daher auch
eher mit einer Rauschzahl), dann kannst du diese gegen deinen
Lastwiderstand ausrechnen.

von Lurchi (Gast)


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Das mit dem Quadrieren kann man schon so machen, wenn man die Leistung 
herausbekommen will. Für die Spannungswerte nimmt man die Wurzeln aus 
der Bandbreite.

Solange die Schaltung auf einer Temperatur ist, kann man die 
Rauschleistung nicht irgendwie in andere nutzbare Leistung umwandeln. Es 
fließt immer Rauschleistung in beide Richtungen, beim reinen 
Widerstandsrauschen auch noch so dass in beide Richtungen die gleiche 
Leistung fließt.

Mit Schaltungen bei verschiedener Temperatur könnte theoretisch Energie 
aus dem Rauschen abgezapft werden, ganz so wie bei einer 
Wärmekraftmaschine. der Wirkungsgrad ist aber entsprechend der 
Thermodynamik begrenzt und die Leistung ist seht gering.

von Mani W. (e-doc)


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asdf schrieb:
> Das Rauschen stammt soweit ich
> weiss aus der thermischen Anregung von Ladungsträgern durch die
> Umgebungstemperatur. Kann ich aus einem rauschenden Widerstand Energie
> gewinnen? Also die Rauschspannung einer Last zuführen um Arbeit zu
> verrichten?

Ich bezweifle, ob Du so eine Last findest und was willst Du dann
mit dieser "Rauschnergie" anstellen?

von hinz (Gast)


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asdf schrieb:
> Kann ich aus einem rauschenden Widerstand Energie
> gewinnen?

Klar, aber du brauchst dazu eine Unobtainiumdiode.

von Lurchi (Gast)


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Es muss keine Unobtainiumdiode sein, nur eine die gut gekühlt ist und 
relativ dicht an einer idealen Diode ist. Die Leistung ist aber nicht 
wirklich groß.

von Klaus R. (klara)


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hinz schrieb:
> Klar, aber du brauchst dazu eine Unobtainiumdiode.

Na ja, es wird wohl eher eine Quantendiode in Grätzschaltung sein 
müssen.

von Mani W. (e-doc)


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Klaus R. schrieb:
> Na ja, es wird wohl eher eine Quantendiode in Grätzschaltung sein
> müssen.

Schon, aber das geht nur mit Plattenquantendioden (PQDs),
die setzen das Rauschen besser um in Leistung als normale, SMD
wäre hier gar nicht zu gebrauchen - also der Widerstand muss
mechanisch groß wirken und der Plattenquantengleichrichter auch -
sonst wird das nichts mit dem Wirkungsgrad...

von asdf (Gast)


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Danke an die zwei brauchbaren Antworten. Das mit der Energiebilanz habe 
ich noch nicht so richtig begriffen. Ich habe es für zwei Widerstände 
nachgerechnet und komme (wie bereits von Lurchi erwähnt) darauf, dass in 
beiden Widerständen zusammen die Rauschleistung 4*kB*T*df umgesetzt 
wird. Das ganze ist aber unabhängig von der Anzahl der Widerstände die 
ich betrachte. Ausserdem ist mir nicht so wirklich klar was es überhaupt 
bedeuten soll wenn die Rauschleistung im Widerstand umgesetzt wird. Der 
Widerstand wird sich ja durch die Rauschleistung nicht erwärmen (die 
Wärme ist ja die Ursache für das Rauschen und nicht umgekehrt).

Bei Wikipedia steht unter anderem:

Bei Kurzschluss dissipiert der rauschende ohmsche Widerstand selbst die 
generierte Leistung
4*kB*T*df
weil die volle Quellenspannung über ihm abfällt.

Wenn ich das Ersatzschaltbild ansehe ist das klar...aber woher kommt die 
Leistung? Was bedeutet es wenn ein Widerstand die Leistung dissipiert 
die er aufgrund von thermischem Rauschen selbst generiert?

Wirkungsgrade und ähnliches interessieren mich nicht, es geht mir rein 
um die theoretische Betrachtung. Dass die Leistungen klein sind und 
sowieso nicht genutzt werden können ist mir auch klar.

von Mani W. (e-doc)


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asdf schrieb:
> Was bedeutet es wenn ein Widerstand die Leistung dissipiert
> die er aufgrund von thermischem Rauschen selbst generiert?

Perpetuum Mobile?

von Andreas (Gast)


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Wenn du zwei thermisch isolierte Widerstände über dünne Drähte parallel 
schaltest gibt es trotzdem einen Temperaturausgleich weil der heißere 
mehr Rauschleistung abgibt als er vom anderen erhält.

von IUnknown (Gast)


Angehängte Dateien:

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asdf schrieb:
> aber woher kommt die
> Leistung? Was bedeutet es wenn ein Widerstand die Leistung dissipiert
> die er aufgrund von thermischem Rauschen selbst generiert?

Die Leistung kommt aus der Wärmeenergie die der Widerstand hat.

Betrachte dazu das Bild im Anfang. Der linke Widerstand hat z.b. 
Raumtemperatur und damit ein thermisches Rauschen. Ob man das jetzt als
Rauschspannungsquelle in Reihe mit einem idealen Widerstand modelliert
oder als Rauschstromquelle mit idealem Widerstand parallel ist an sich
egal aber diese Darstellung wird nachher noch Vorteile haben, daher habe
ich die rauschquelle durch eine Stromquelle dargestellt. Beachte bei
der ganzen Analyse immer dass es sich hier um ein Model handelt, bzw um
den Versuch das Konzept "Rauschen" mit Standardschaltungstechnik 
abzudecken.

Der rechte Widerstand sei für dieses Experiment runter auf 0K gekühlt,
heißt er erzeugt keinerlei Rauschleistung.

Jetzt verbinden wir beide Widerstände. Da sie den selben Wert haben 
herrscht Leistungsanpassung. Der Linke Widerstand (bzw seine 
Ersatzrauschstromquelle) erzeugt eine gewisse Rauschleistung, welche aus 
der Wärmeenergie des Widerstandes kommt. Diese Leistung verteilt sich 
auf beide Widerstände gleichmäßig. Dabei bekommt jeder Widerstand die 
Rauschleistung Kb*T*B ab, wobei B die Bandbreite der Messung ist.

Als Endeffekt fließt jetzt Leistung von dem heißen Widerstand zum kalten
Widerstand, welcher sich dabei auch langsam erwärmen wird. Sobald er 
dies tut erzeugt er ebenfalls eine Rauschleistung welche wiederrum 
Leistung zurück zu R1 transportiert. Sobald beide Widerstände die selbe 
Temperatur erreicht haben gleicht sich der Energietransport genau aus 
und das ganze System hat seinen Ruhepunkt erreicht.

Das ganze ist äquivalent mit einem Metallstab welcher auf einer Seite
heiß ist und auf der andere Seite kalt. Sobald man das System sich 
selber überlässt gleicht sich die Temperatur auf beiden Seiten an bis 
das Gleichgewicht wiederhergestellt ist.

Der Wärmetransport erfolgt ebenfalls über die Elektronenbewegung,
physikalisch hängt Wärmefluss und Stromfluss eng zusammen.

Wenn du jetzt bei unserem Widerstandssystem den zweiten Widerstand
abklemmst hast du keine Leistungsanpassung mehr. Der Widerstand
R1 verbraucht die gesamte Leistung die die Stromquelle erzeugt. Da der
Strom durch R1 verdoppelt wurde, ist die Leistung die an ihm entsteht
vervierfacht. Das ist auch der Grund wo diese ominiöse "4" in der
Formel "4*Kb*T*B" herkommt.

Wir haben jetzt also die paradoxe Situation dass die Rauschstromquelle
die Leistung 4*Kb*T*B aus der Wärmeenergie des Bauteils nimmt, welche
dann an dem Widerstand wieder in Wärmeenergie umgewandelt wird.

Physikalisch passiert einfach nichts. Der Widerstand ist einfach "warm".
Das Modell was für Schaltungstechnik gut geeignet ist sagt jetzt aber
"Der Widerstand erzeugt die Leistung X und dissipiert diese direkt 
wieder".

Was du also siehst ist ein harmloser aber verwirrender Nebeneffekt des
Modells.

von asdf (Gast)


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Danke! Jetzt hab ichs endlich gerafft.

von Homo Habilis (Gast)


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IUnknown schrieb:
> Was du also siehst ist ein harmloser aber verwirrender Nebeneffekt des
> Modells.

Und wa wir hier sehen, ist jemand, der sehr verständlich erklären kann.
@IUnknown: Sowas respektiere ich sehr. Über solche Talente verfügen 
nicht mal alle Lehrer. ^^

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