Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Überlastbarkeit von Widerständen


von ArnoR (Gast)


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Ich habe das Problem, dass ein Metallschichtwiderstand Yageo MF0207 für 
etwa 1...2ms mit 10 RCWV überlastet wird (Einschaltvorgang einer 
Schaltung). Der Widerstand läuft danach im Normalbetrieb mit etwa 0,2W.

Der Hersteller gibt für diesen Typ eine Überlastbarkeit von 4 RCWV für 
1s und 10k Zyklen, bzw. 2,5 RCWV für 5s einmalig an. Für so kurze Zeiten 
wie oben genannt, gibt es keine Angaben.

Darf ich die Überlastbarkeitsangabe des Herstellers extrapolieren (also 
z.B. 10 RCWV für 0,4s und 10k Zyklen, oder 10 RCWV für 0,04s und 100k 
Zyklen), und wenn ja, wie weit? Wie kann ich abschätzen, wieviele 
Einschaltzyklen die Schaltung übersteht?

Bitte nicht über stark überlastbare Drahtwiderstände oder 
Schichtwiderstände höherer Leistung diskutieren.

von Falk B. (falk)


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@ ArnoR (Gast)

>Ich habe das Problem, dass ein Metallschichtwiderstand Yageo MF0207 für
>etwa 1...2ms mit 10 RCWV

RCWV?? Nennleistung?

> überlastet wird (Einschaltvorgang einer
>Schaltung). Der Widerstand läuft danach im Normalbetrieb mit etwa 0,2W.

>Darf ich die Überlastbarkeitsangabe des Herstellers extrapolieren (also
>z.B. 10 RCWV für 0,4s und 10k Zyklen, oder 10 RCWV für 0,04s und 100k
>Zyklen), und wenn ja, wie weit?

Das würde ich nicht machen.

> Wie kann ich abschätzen, wieviele
>Einschaltzyklen die Schaltung übersteht?

Nimm einfach einen pulsfesten Widerstand, denn es scheint, daß du hier 
keinen Präzisions- oder sonstwie Sondertyp brauchst.
Bei den meisten Dick- oder Dünschichtwiderständen würde ich mich nicht 
auf solche Experimente verlassen.
Das lohnt sich meistens nicht.
Geht es um Massenproduktion, bei der jeder Cent zählt?

von Gästchen (Gast)


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Hi,

nimm einen jener Serie:
http://www.vishay.com/docs/28713/melfprof.pdf

Da steht alles im Datenblatt, und du bist auf der sicheren Seite.

für 2ms schluckt die MMB0207-Bauform 40W. Sieht man im Diagramm 
"Continuous Pulse for R > 10Ohm" auf S6.

Musst allerdings alle Randbedingungen einhalten, haptsächlich die, dass 
du in Summe unter der Nennlast bist.

Wenn du also mit dem komischen Kürzel meinst 10-fache Nennlast, dann tut 
das. Mit Reserve.

von ArnoR (Gast)


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Falk B. schrieb:
> RCWV??

RCWV=Rated Continuous Working Voltage

Bei 4 RCWV ist die Leistung 16-fach.

Falk B. schrieb:
> Geht es um Massenproduktion, bei der jeder Cent zählt?

Nein, private Bastelei.

Falk B. schrieb:
> Nimm einfach einen pulsfesten Widerstand

Die Herstellerangabe bezieht sich auf eine rel. lange Zeit (1s), da 
sollte sehr kurzzeitig (1ms) doch noch etwas mehr möglich sein, ohne 
mehr Schaden anzurichten.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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ArnoR schrieb:
> dass ein Metallschichtwiderstand Yageo MF0207 für etwa 1...2ms mit 10
> RCWV überlastet wird (Einschaltvorgang einer Schaltung
Ich habe mal unbedachterweise einen Schichtwiderstand für sowas 
ähnliches eingesetzt. Das war allerdings ein 2W Widerstand. Der hat 
"tagsüber" fast nichts zu tun, bekommt aber beim Einschalten eines auf 
die Mütze. Das ging dann auch recht schnell schief. Mit einem 
Drahtwiderstand an dieser Stelle läuft das zigtausendfach seit 10 Jahren 
problemlos.

Dieser Energiepuls schafft es nämlich nicht in den Widerstandskörper, 
sondern wird im Widerstandsmaterial in Wärme umgesetzt. Und da hat ein 
Draht einfach mehr Wärmespeicherkapazität als eine dünne 
Widerstandsschicht...

ArnoR schrieb:
> da sollte sehr kurzzeitig (1ms) doch noch etwas mehr möglich sein, ohne
> mehr Schaden anzurichten.
Das Problem sind irgendwelche Hotspots, die sich nach einigen 
Einschaltzyklen verschlimmern und den Widerstand letztlich ganz 
ausfallen lassen.

: Bearbeitet durch Moderator
von ArnoR (Gast)


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Gästchen schrieb:
> für 2ms schluckt die MMB0207-Bauform 40W. Sieht man im Diagramm
> "Continuous Pulse for R > 10Ohm" auf S6.

Danke, genau so ein Diagramm hatte ich mir gewünscht.

von Falk B. (falk)


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@ ArnoR (Gast)

>> RCWV??

>RCWV=Rated Continuous Working Voltage

AbKüFi?

>Bei 4 RCWV ist die Leistung 16-fach.

Klar. Aber eine 10fache Überspannung würde ich mir bei normalen 
SMD-Widerständen definitiv NICHT trauen! Da hab ich schon viele Bauteile 
sterben sehen.

>Nein, private Bastelei.

Dan lohnt sich das Sparen 10^2 nicht ;-)

>> Nimm einfach einen pulsfesten Widerstand

>Die Herstellerangabe bezieht sich auf eine rel. lange Zeit (1s), da
>sollte sehr kurzzeitig (1ms) doch noch etwas mehr möglich sein, ohne
>mehr Schaden anzurichten.

Nö, nicht bei 10facher Überspannung und ggf. 100facher Überleistung. Das 
nimmt die recht filigrane Widerstandsschicht übel. Bei Drahtwiderständen 
und ähnlichem Zeug ist das was anderes.

von Gästchen (Gast)


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Falk B. schrieb:
> Klar. Aber eine 10fache Überspannung würde ich mir bei normalen
> SMD-Widerständen definitiv NICHT trauen! Da hab ich schon viele Bauteile
> sterben sehen.

Genau das ist aber inzwischen oft genau spezifiziert. Und wenn der 
Hersteller die Pulslast zusichert, dann passt das auch.

Man betrachte die von mir genannten:
http://www.vishay.com/docs/28713/melfprof.pdf

Da kann man in den MMB schon mal >100W hineinbuttern, für 100µs. Das 
sind die Standard-Typen, nicht die High-Pulse-Load.

Natürlich gilt das ausschließlich für diese Serie, und will man das 
nutzen, muss man das Datenblatt sorgfältig (!) lesen, und sich darüber 
im klaren sein, was man tut.

Wir setzen diese MELFs aber schon seit Jahren erfolgreich in Schaltungen 
ein, die SURGEs verkraften müssen. Dort wird das Pulse-Load-Rating 
ausgenutzt, und wir hatten bisher keine Probleme. Wir testen den SURGE 
auch wirklich, und ich gehe immer 1 KLasse höher als nötig.

Leider heißt das auch:
Widerstände != simpel.
Dass Widerstände nur anhand von Toleranz, Wert, TK und Bauform 
spezifiziert waren, das ist vorbei.

von Jens G. (jensig)


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>Dieser Energiepuls schafft es nämlich nicht in den Widerstandskörper,
>sondern wird im Widerstandsmaterial in Wärme umgesetzt. Und da hat ein
>Draht einfach mehr Wärmespeicherkapazität als eine dünne
>Widerstandsschicht...

Nennt sich gerne Effective transient thermal impedance oder dynamischer 
Wärmewiderstand. Kennt man z.B. von Leistungs-Mosfets, in deren 
Datenblätter man dann sehr schön sieht, daß man die Leistung nicht 
einfach um den selben Faktor erhöhen darf, um den die Pulsdauer 
niedriger wird.
Hängt stark vom Schichtaufbau von der Wärmequelle zum Rest des Bauteils 
ab. Also nix mit linearer Extra-/Interpolation

von oszi40 (Gast)


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> nimmt übel

Im Normalfall wird diese Belastung lt. DB sicher beachtet. Das heißt 
aber lange nicht, daß sich in kritischen Fällen das Ding doch auslöten 
könnte, falls z.B. mal ein Transistor durchlegiert ... Deshalb bitte 
nicht nur DB, sondern auch Aufbau beachten!

von ArnoR (Gast)


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Falk B. schrieb:
> AbKüFi?

Hab ich mir nicht ausgedacht, sondern steht genau so im Datenblatt. Fand 
ich selbst blöd, aber hätte ich einen anderen Begriff genommen, wär`s 
wohl auch nicht richtig gewesen.

Falk B. schrieb:
> Dan lohnt sich das Sparen 10^2 nicht ;-)

Mir geht es dabei nicht um das Sparen, ich wollte einfach wissen was so 
möglich ist. Es gibt viele Fälle mit Pulsüberbelastung, mal mehr mal 
weniger stark.

von der8 (Gast)


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Du könntest es einfach testen! Mit Generator FET ansteuern und schauen 
wie lange er lebt...

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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ArnoR schrieb:
> Es gibt viele Fälle mit Pulsüberbelastung, mal mehr mal weniger stark.
Und sicher auch einige "Aus-Fälle" deswegen.

der8 schrieb:
> Mit Generator FET ansteuern und schauen wie lange er lebt...
Da würde ich die Zahl der Prüflinge aber mal signifikant erhöhen. Und 
wehe, der Hersteller "optimiert" seinen Prozess.
Ich würde einfach mal den FAE eines Widerstandsherstellers befragen...

von ArnoR (Gast)


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Lothar M. schrieb:
>> Es gibt viele Fälle mit Pulsüberbelastung, mal mehr mal weniger stark.
> Und sicher auch einige "Aus-Fälle" deswegen.

Nicht nur Widerstände, auch z.B. Transistoren werden pulsmäßig 
überlastet, bekanntermaßen im Schaltbetrieb. Da ist eine Spitzenleistung 
vom 100-fachen der statisch zulässigen Leistung keine Seltenheit. Die 
Bedingungen, unter denen das zulässig ist, zeigt das SOA-Diagramm. Und 
genau so ein "SOA-Diagramm für Widerstände" wollte ich haben. Wenn man 
da im Rahmen bleibt, sollte das ebenso wie bei Transistoren 
funktionieren.

von Soul E. (Gast)


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ArnoR schrieb:

> genau so ein "SOA-Diagramm für Widerstände" wollte ich haben. Wenn man
> da im Rahmen bleibt, sollte das ebenso wie bei Transistoren
> funktionieren.

Das tut es.

Das SOA-Diagramm musst Du bei Deinem Hersteller anfordern. 1206 ist 
nicht gleich 1206, Bauteile von verschiedenen Lieferanten können sich da 
ausgesprochen unterschiedlich verhalten. Das bedeutet auch, dass Du bei 
diesem Lastfall Herstellerbindung hast und nicht einfach "1206 1/4W 1%" 
in die Stückliste schreiben darfst, sondern die exakte 
Bestellbezeichnung.

von oszi40 (Gast)


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soul e. schrieb:
> nicht einfach "1206 1/4W 1%"
> in die Stückliste schreiben darfst, sondern die exakte
> Bestellbezeichnung.

... und dann kommt einer vom Einkauf und "optimiert" Deine Bestellung. 
Später wird dann mit anderem Zinn nachgelötet und das Teil verkrümelt 
sich irgendwo zwischen einigen spannungsführenden Leiterzügen ...

Lothar M. schrieb:
> auch einige "Aus-Fälle" deswegen.

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