Hallo, Ich habe eine kurze Verständnisfrage: Angenommen ein Regelkreis hat eine bestimmte Phasenreserve und Amplitudenreserve. Was versteht man genau unter großer Phasenreserve? Hat die Phasenreserve etwas mit der Zeitkonstante z.d. eines Elektromotors zu tun? Also wenn ich einen trägen Elektromotor verwende sinkt die Phasenreserve weil dieser länger zum Anlaufen braucht? Ist die Phasenreserve somit eng mit der Zeitkonstante des Systems gekoppelt? Bzgl. Amplitudenreserve hab ich das hier gefunden: Ist der Faktor, mit dem der statische Übertragungsfaktor des offenen Regelkreises multipliziert werden muss, damit der zugehörige geschlossene Regelkreis am Stabilitätsrand liegt. (Quelle: https://www.hawe.com/de-de/fluidlexikon/amplitudenreserve/). Um das wievielfache kann man nun die Verstärkung erhöhen bis das System zu Schwingen anfängt? Um den Faktor der Amplitudenreserve? Heißt das dass man quasi dem Soll-Zustand (= Regelkreiseingang) maximal mit dem Faktor der Amplitudenreserve multiplizieren darf bevor das System instabil wird? Ich weiß wie man diese Stabilitätskriterien bestimmt, aber so Ganz hab ich nicht verstanden für was die eigentlich gut sein sollen und wie man diese Bewertet. Vielleicht hat jemand Lust und kann mir etwas auf die Sprünge helfen. Vielen Dank.
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Moin Max, Max M. schrieb: > Ich habe eine kurze Verständnisfrage: Kenne ich nur zu gut aus der Regelungstechnik :) > Angenommen ein Regelkreis hat eine bestimmte Phasenreserve und > Amplitudenreserve. Okay > Was versteht man genau unter großer Phasenreserve?... Grundsätzlich: Sowohl Phasen- als auch Amplitudenreserve befassen sich ausschließlich mit dem dynamischen (Stabilitäts-)Verhalten von Regelkreisen. Auf die Phasenreserver bezogen: Je mehr Phasenreserve, desto langsamer die Regelung, aber desto stabiler. Umgekehrt kann man sagen, dass eine geringere Phasenreserve die Regeldynamik verbessert (Störgrößen werden schneller ausgeregelt, nach nem Sprung nähert sich die Ausgangsgröße schneller an die Führungsgröße etc.), aber leider leichter instabil werden kann (neigt zum Schwingen). > Bzgl. Amplitudenreserve hab ich das hier gefunden: Ist der Faktor, mit > dem der statische Übertragungsfaktor des offenen Regelkreises > multipliziert werden muss, damit der zugehörige geschlossene Regelkreis > am Stabilitätsrand liegt. (Quelle: > https://www.hawe.com/de-de/fluidlexikon/amplitudenreserve/). Schön umformuliert. Und was genau besagt der Text? > Um das wievielfache kann man nun die Verstärkung erhöhen bis das System > zu Schwingen anfängt? Um den Faktor der Amplitudenreserve? > Heißt das dass man quasi dem Soll-Zustand (= Regelkreiseingang) maximal > mit dem Faktor der Amplitudenreserve multiplizieren darf bevor das > System instabil wird? Meines Wissens nach wird hauptsächlich die Phasenreserve genommen, um den Regler und die Stabilität des Regelkreisen zu bestimmen. Dann wird im zweiten Schritt geschaut, ob genug Amplitudenreserve vorhanden ist. > Ich weiß wie man diese Stabilitätskriterien bestimmt, aber so Ganz hab > ich nicht verstanden für was die eigentlich gut sein sollen und wie man > diese Bewertet. Instabilität ist niemals gewünscht. Stell dir vor, du stehst unter der Dusche, und das Wasser wechselt ständig zwischen Eiskalt und kochend heiß. Wäre nicht so toll ,oder? :) Insofern muss man den Regler so auslegen, dass das System stabil ist, und dem Sollwert folgt. Und die Stabilitätskriterien geben dir Informationen darüber, ob das Wasser in deiner Dusche der Einstellung folgt, oder ob das System instabil ist und entsprechend zwischen Eiskalt und kochend heiß hin- und her schwingt. > Vielleicht hat jemand Lust und kann mir etwas auf die Sprünge helfen. > Vielen Dank. Falls noch Fragen offen sind, nur zu. Cheers,
Alexander schrieb: > Instabilität ist niemals gewünscht. Stell dir vor, du stehst unter der > Dusche, und das Wasser wechselt ständig zwischen Eiskalt und kochend > heiß. Wäre nicht so toll ,oder? :) Merke: Wer sich mit Regeleungstechnik befasst, muß abgebrüht sein. :) MfG Paul
Die Phasenreserve bezeichnet den Betrag des Phasenwinkels des geschlossenen Regelkreises der - bei der Frequenz, bei der Verstärkung 1 vorliegt - noch zu 180° (=Schwingbedingung) fehlt. Also, wenn der Regelkreis bei der Frequenz, bei der die Verstärkung 1 ist, noch 150° Phasenverschiebung aufweist, dann hat er eine Phasenreserve von 30° (was im allgemeinen schon recht wenig ist). Die Amplitudenreserve ist (1 minus) der Verstärkung des Regelkreises bei der Schwingbedingung, also wenn die Phasenverschiebung 180° beträgt. Wenn der Regelkreis bei Schwingbedingung eine Gesamtverstärkung kleiner 1 besitzt, kann er sich auch nicht aufschwingen. Man auch an der Phasenreserve abschätzen, wie das Einschwingverhalten bei Führungsprüngen und bei Störgrößenbeaufschlagen aussieht. Bei Störgrößen ist allgemein eine geringere Phasenreserve erforderlich als bei Führungssprüngen. Ermittelt wird Phasenreserve durch Ablesen aus dem Bode-Diagramm des Regelkreises. (Zumindest zu meiner Zeit. Vllt. gibts heute auch modernere Methoden.) Gruß cassi
Max M. schrieb: > Hat die Phasenreserve > etwas mit der Zeitkonstante z.d. eines Elektromotors zu tun? Also wenn > ich einen trägen Elektromotor verwende sinkt die Phasenreserve weil > dieser länger zum Anlaufen braucht? Ist die Phasenreserve somit eng mit > der Zeitkonstante des Systems gekoppelt? Ja und nein. Der Begriff Phasenreserve macht nur in geschlossenen Regelkreisen (also mit Rückkopplung) Sinn. Ein Motor hat zwar eine Zeitkonstante - er lässt sich ja mit einem PT-1 Glied recht gut beschreiben - aber die Phasenreserve kommt erst dann ins Spiel, wenn der Motor einen Regler vorgeschaltet bekommt und durch Messung und Rückspeisung der Motordrehzal ein geschl. Regelkreis entsteht. Wenn allerdings in einem bestehenden Regelkreis ein kleiner Motor (= schnelle Zeitkonstante) durch einen großen (=langsame Zeitkonstante) ersetzt wird, dann sinkt die Phasenreserve tatsächlich, denn durch die große Zeitkontstante des Motor "rutscht" das Phasendiagramm im Bodediagramm noch links (hin zu niedrigen Frequenzen) und reduziert die Phasenreserve. In diesem Fall müßte man den Regler ebenfalls "langsamer" machen um wieder Phaseneserve zu gewinnen, oder die Gesamtverstärkung reduzieren, was eben auch Phasenreserve generiert.
Guten Abend, erstmal vielen Dank für eure große Anteilnahme. Freut mich sehr. cassini schrieb: > Wenn allerdings in einem bestehenden Regelkreis ein kleiner Motor (= > schnelle Zeitkonstante) durch einen großen (=langsame Zeitkonstante) > ersetzt wird, dann sinkt die Phasenreserve tatsächlich, denn durch die > große Zeitkontstante des Motor "rutscht" das Phasendiagramm im > Bodediagramm noch links (hin zu niedrigen Frequenzen) und reduziert die > Phasenreserve. In diesem Fall müßte man den Regler ebenfalls "langsamer" > machen um wieder Phaseneserve zu gewinnen, oder die Gesamtverstärkung > reduzieren, was eben auch Phasenreserve generiert. Sehr gutes Beispiel! Kann man eigentlich mit dem "Wert an sich" etwas anfangen? Z.b. eine Phasenreserve von 30 Grad ist gleichzusetzen mit einer um 30*X Sekunden längeren Anlaufzeit oder ist das nicht so einfach in einer Formel beschreibbar? > , oder die Gesamtverstärkung > reduzieren, was eben auch Phasenreserve generiert. Die Gesamtverstärkung verringern, dass wäre in diesem Fall z.B. die Spannung verringern? Weniger Motorspannung--> Motor wird träger ? Gibt es vielleicht auch ein ähnliches anschauliches Praxisbeispiel für die Amplitudenreserve? Stimmt diese Vermutung von mir: Elektromotor A hat mehr Innenwiderstand als Elektromotor B. In einen geschlossenen Regelkreis zur Drehzahlregelung weißt somit Elektromotor A weniger Amplitudenreserve (Bei gleicher Eingangsspannung) auf?
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Die Reserven haben in erster Näherung NICHTS mit dem Motor zu tun, sondern mit dem geschlossenen Regelkreis, d.h. Motor+(Sensor+)Regler, also mit der Abstimmung des Reglers auf den Motor. Die "Trägheit" des Motors bestimmt, wie schnell er Änderungen folgen kann. Z.B. beim Sprung von 0% zu 99% Drehzahl. Trotzdem betreibt man verschieden träge Motoren mit ähnlichen (oder gleichen) Phasenreserven. Von daher lässt die Angabe einer Phasen/Amplitudenreserve für sich alleine keine Rückschlüsse auf ein Zeitverhalten zu. Das Problem bei 180° Phasenverschiebung (=0° Phasenreserve) musst Du Dir irgendwie aus Deinen Unterlagen verinnerlichen. In dem Fall schwingt das ganze System von selbst, weil sich die Schwingungen dieser Frequenz "aufschaukeln". Nehmen wir an es schwingt nur minimal, kaum sichtbar, und der IST-Wert ist gerade minimal zu klein. Dann wird der Regler-Vorgabewert minimal erhöht. Diese Erhöhung wird aber (leider) erst wirksam, wenn das System schon minimal über dem Soll-Wert ist. Da die Verstärkung hier >1 ist, wird die neue Abweichung ein wenig höher sein, es schaukelt sich auf. Zwar ist die Verstärkung bei 0° Phasenreserve nominell =1, so dass Schwingungen erst kurz darüber sich aufschaukeln, spielt hier keine Rolle. Ob 1kHz oder 1.0001kHz ist egal. Es reicht schon, dass Schwingungen nicht mehr gedämpft werden.
Max M. schrieb: > Die Gesamtverstärkung verringern, dass wäre in diesem Fall z.B. die > Spannung verringern? Weniger Motorspannung--> Motor wird träger ? Nehmen wir folgendes Beispiel: Ein Motor mit 100V Nennspannung soll bei 1000U/min betrieben werden. Ein Drehzahlsensor liefert bei 1000U/min ein Signal von 1V (das ist der Ist-Wert) . Der Sollwert muss dann auch bei 1V liegen, wir wollen ja 1000 u/min. Im Einschaltmoment (Motor steht) ist dann Fehler = Soll - Ist = 1V (Istwert ist 0, da der Motor steht). (nur nebenbei : Fehler = e(t), Soll = w(t), Ist = y(t) ) Mit dieser Fehlergröße steuere ich meinen Regler (= Regelverstärker, oder Regelfilter) an. Ich kann jetzt z.b. aus 1V Fehlersignal 100V Ansteuerspannung machen, z.B. mit einem Verstärker. Wenn der Motor bei 100V mit der Drehzahl 1000U/min läuft, dann wäre die Verstärkung im regeltechnischen Sinne 1 (in Worten eins). Und das obwohl wir im Regler selbst die Spannung um den Faktor 100 verstärkt haben... Die Verstärkung ist deshalb 1, weil ein Fehler von 100% eine Änderung der Ansteuerspannung (und damit der Drehzahhl) von 100% bewirkt. Würde jetzt der Regler so ausgelegt, dass bei 1V Fehler 200V Ansteuerspannung erzeugt würde, dann wäre die Verstärkung des geschl. Kreises 2. Gleiches würde gelten, wenn der Drehzahlgeber statt 1V/1000U/min 2V/1000U/min liefern würde. Oder es würde ein Motor verwendet, der schon bei 50V Spannung 1000U/min macht. Das wäre jetzt der einfachste denkbare Regler, ein P-Regler mit der Verstärkung eins. Du siehst vermutlich selbst, dass der Motor in einer solchen Konfiguration nie auf Solldrehzahl kommt, da das mit steigender Drehzahl kleiner werdende Fehlersignal dem Motor die Ansteuerspannung abklemmt. Mit Verstärkung 2 würde er näher an die Solldrehzahl herankommen, sie aber dennoch nicht erreichen. Zur vollständigen Eliminierung der Regelabweichung, muss ein I-Regler integriert werden. Dieser alleine hat aber 90° Phasenverschiebung, klaut Dir also gleich mal Phasenreserve, (die man sich mit Tricks aber auch wieder zurückholen kann)
Was ist hier mit der schwingbedingung bei 180 Phasenverschiebung gemeint? Ein PT2 Glied mit 0<D<1 bspw. ist auch mit anderen Phasenverschiebungen am schwingen, Phasenverschiebung ändert sich mit Stärke der Anregung. Ich verstehe nicht wieso die -180 Phasenverschiebung der relevante Wert bei Nyquist bzw Phasenreserve sind. Konkret bedeutet 180 Grad Phasenverschiebung ja einfach, dass die Ausgangsschwingung genau entgegengesetzt zur Eingangsschwingung verläuft. Wenn ich jetzt die Phase weiter verschiebe wird es für eine Verstärkung von 1 instabil, wieso? Bei 360 Grad Phasenverschiebung liegt Mitkopplung vor, da kann ich es direkt verstehen dass das System für Verstärkungen >1 aufschaukeln würde. Oder auch wenn man das System nahe der Eigenfrequenz anregt -> Resonanz. Was hat es nun mit den -180 Grad auf sich? Ich finde im gesamten Internet keine Erklärung dazu, es wird überall einfach hergenommen. Bin ich zu blöd?
@Vorposter du hast da einen Denkfehler. Zuallererst: Die Gegenkopplung wird bei einer Phasenverschiebung von 180 Grad zu einer Mitkopplung, nicht 360. Eine Phasenverschiebung von 180 Grad entspricht der Spiegelung eines Wertes an der Ordinate bzw. entspricht einfach einem Vorzeichenwechsel! Die Regelabweichung im geschlossenen Kreis errechnet sich zu e=w-y, ist y nun 180 Grad phasenverschoben wird aus der Regelabweichung e = w+y, die Gegenkopplung ist nun eine Mitkopplung. Schickt man diese Regelabweichung nun in den offenen Kreis Go kommt es bei einer Kreisverstärkung >=1 zu einer kontinuierlichen Aufschaukelung (instabil bei >1) bzw. konstanten Dauerschwingung (Grenzstabil bei =1)der Ausgangsgröße y. Daher kommt die Forderung, dass für übertragungsstabilität das Amplitudenverhältnis bzw. der Amplitudengang bei -180 Grad Phasenverschiebung <1 sein muss. Das dämpft die durch e=w+y entstehende Mitkopplung. Daher ist die Amplitudenreserve derjenige Faktor, um den man die Kreisverstärkung erhöhen kann bis Grenzstabilität Eintritt. Umgekehrt betrachtet kann man nun sagen, dass wenn man das Amplitudenverhältnis auf 1 fixiert der Abstand - bei dieser Frequenz ω (Durchtrittsfrequenz) - zwischen der tatsächlichen Phasenverschiebung und der kritischen Phasenverschiebung -180 Grad genau der Phasenreserve entspricht. Die Phasenreserve ist also der Winkel um den man die Phase - bei fest gehaltenen Amplitudenverhältnis von 1 - weiter verschieben kann, bis Grenzstabilität durch die Mitkopplung entsteht.
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