Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Mikrofonverstärker mit Endstufe schwingt/übersteuert


von Martin (Gast)


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Hi,

ich bin aktuell daran für ein Projekt für die Schule einen 
Mikrofonverstärker mit Endstufe am bauen. Das ganze soll nur mit 
Bipolaren Transistoren aufgebaut werden.

Ich habe die Schaltung in zwei Teile aufgeteilt: Endstufe und 
Mikrofonverstärker. Beide Schaltungen für sich alleine funktionieren. 
Spreche ich ins Mikro, bekomme ich ein entsprechend verstärktes Signal 
raus.
Lege ich einen Sinus auf die Endstufe, kommt ein (soweit es mit der 
Schaltung geht) sauberer Sinus raus. Die Schaltung ist hinter C4 
getrennt und sitzt auch auf 2 Platinen.

Schalte ich beide Teile zusammen und belaste die Endstufe mit 120Ohm, 
kommt ein Signal entsprechend dem Anhang raus. Klemme ich jedoch den LS 
mit 8 Ohm an, fängt die Schaltung sofort an zu übersteuern/schwingen. 
Ich versteh nur nicht warum.
Auf dem Bild "MitLautsprecher" sieht man, dass selbst das Ausgangssignal 
des Mikrofonverstärker-Teils (Ch1) extreme spitzen aufweist, wodurch 
denke ich das unschöne Geräusch am LS entsteht (Ch2).
Die Versorgungsspannung ist auf beiden Platinen mit Kondensatoren 
geblockt und sieht auf dem Oszi auch komplett sauber aus.
Wie gesagt, beide Schaltungen für sich alleine funktionieren und die 
gemessenen Werte in der Schaltung stimmen auch ziemlich exakt mit der 
Simulation überein.

Die Schaltung ist mit genau den Werten wie in der Simulation dargestellt 
aufgebaut.

Kann mir jemand weiterhelfen, oder einen Tipp/Hinweis geben was in der 
Schaltung schief geht? Vielen dank schon mal!

von THOR (Gast)


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Warum brauchst du so viele Verstärkerstufen und warum sind Q1 und Q2 so 
merkwürdig beschaltet?

Q4+Q5 bringen dir doch genug Spannungsverstärkung und die Endstufe macht 
dann die Stromverstärkung. Das muss doch reichen.

von Martin (Gast)


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Das ist eine Verstärkerschaltung mit Signalgegenkopplung.
Nachteil an der Sache: Sehr hochohmig, wenig strom. Daher die 
nachfolgende Schaltung aus Q4 und Q5 um eine höhere Stromverstärkung zu 
erreichen. Die Wechselspannungsverstärkung von Q4 ist etwa 4 und für Q5 
etwa 5. Dafür die Stromverstärkung bei 220 (Q4) und 120 (Q5).

von mal überlegen... (Gast)


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Es fehlt jegliche Entkopplung der Arbeitspunkte von der 
Versorgungsspannung. Damit gehen Spannungsspitzen der Versorgung 
verstärkt in das Signal mit ein.

von Christian S. (roehrenvorheizer)


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Die Betriebsspannung ist ja gar nirgends entkoppelt. Zwischen +und 
-sollten doch mindestens ein oder zwei Elkos 47....220uF eingebaut sein.
Außerdem kann aufgrund der hochohmigen Auslegung ein Signal wieder in 
die Vorstufen eingekoppelt werden.

Am besten zwischen Vorverstärker und Endstufe noch einen Widerstand 220 
Ohm einbauen und beide Teile mit Elkos entkoppeln.

Mit drei hintereinander geschalteten Transistoren in Emitterschaltung 
habe ich früher Vogelstimmen aufgenommen. Leider war starkes Rauschen 
dabei, aber immerhin selbst gebaut. Fluggeräusche von Insekten waren 
immer zu hören.

Mit freundlchem Gruß

: Bearbeitet durch User
von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Der Endstufe fehlt die Gegenkopplung. Schau dir mal die angehängte 
selbststabilisierende Gegentaktendstufe an. Das ist zwar auch nur eine 
mit geringer Leistung, aber sie stabilisiert sich selbst und klingt auch 
gar nicht schlecht. Und simpler gehts kaum. Der Typ der Dioden ist 
übrigens wurscht, Hauptsache, es sind Siliziumtypen. 1N4148 geht 
natürlich auch.

: Bearbeitet durch User
von Michael B. (laberkopp)


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Martin schrieb:
> Ich versteh nur nicht warum

Oszillationen beruhen immer auf Rückkopplungen.

Da deine Endstufe keine Rückkopplung hat, muss sich die Rückkopplung 
über andere Wege ergeben.

Neben dem Weg, daß der Lautsprecher in das Mikrophon trötet,
geht es dabei vor allem um die Versorgungsspannung:

Endstufe steuert auf plus und braucht Strom, also sackt die 
Versorgungsspannung ab, also reagiert dein Mikrophonverstärker 
empfindlich und liefert diese Änderung 1000-fach verstärkt an die 
Endstufe (weil es kein guter Mikrophonverstärker ist mit guter PSRR).

Also Versogungsspannungen besser entkoppeln. Einfach:
1
Versorgung --R--+-- saubere Versorgung
2
                |
3
              Elko
4
                |
5
              Masse-Sternpunkt
oder zusätzlich mit Z-Diode wenn man mit ein paar Volt weniger auskommt.
1
Versorgung --R--+-----+--- saubere Versorgung
2
                |     |
3
              Elko Z-Diode
4
                |     |
5
              Masse-Sternpunkt

Insgesamt sind deine Verstärkungsschaltungen natürlich "suboptimal".

: Bearbeitet durch User
von Ralf (Gast)


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Um auch tiefe Frequenzen (200-500Hz) verstärken zu können, sollte die 
Kapazität von C1 zwischen 10 und 100µF sein. Ausserdem kann in Reihe von 
C1 noch ein 100 Ohm Widerstand eingefügt werden (bessere Gegenkopplung 
und damit geringere Schwingneigung).

von THOR (Gast)


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Martin schrieb:
> Das ist eine Verstärkerschaltung mit Signalgegenkopplung.

Ja, und zwar auch AC GK. Kondensatoren parallel zu den 
Emitterwiderständen und du hast Verstärkungsfaktoren von 20..100 und 
kannst direkt mehrere Verstärkerstufen weglassen. Also eigentlich alle 
BJT bis auf Q5,7,8.

von Martin (Gast)


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Vielen Dank für die vielen Antworten!

Die Versorgungsspannung habe ich jetzt zusätzlich mit Kondensatoren 
geblockt, einmal 100µF in der Nähe vom Mikrofon und einmal 470µF in der 
Nähe vom Ausgang.
Das Problem bleibt allerdings noch das gleiche.

Die 100 Ohm in Reihe zu C1 versuche ich nachher noch.

Im Anhang ist noch wie das Mikrofon angeschlossen ist.

Und ja, ich weiß dass die Schaltung wenig optimal ist. Es geht jedoch 
nur darum eine halbwegs funktionierende Schaltung aufzubauen und das in 
der Schule gelernte auch mal in die Praxis umzusetzen. Das gestaltet 
sich jedoch deutlich schwerer wie gedacht.
Zusätzlich ist natürlich das Ziel nicht etwas aus dem Internet zu 
kopieren. Wir müssen das ganze berechnen und auch erklären können.

von Christian S. (roehrenvorheizer)


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Im Prinzip stellt man die Arbeitspunkte so ein, daß an den Kollektoren 
der Transistoren die halbe Betriebsspannung anliegt. Hierzu stellt man 
die Widerstände am Basisspannungsteiler durch Versuch und Irrtum bei der 
gewünschten festen Betriebsspannung individuell ein. Die Simulation kann 
nur einen Anhaltspunkt bieten.

Mit freundlichem Gruß

von karadur (Gast)


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Bau doch mal ein Poti ein um die Verstärkung zu reduzieren.

von Possetitjel (Gast)


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Martin schrieb:

> Die Versorgungsspannung habe ich jetzt zusätzlich mit
> Kondensatoren geblockt, einmal 100µF in der Nähe vom
> Mikrofon und einmal 470µF in der Nähe vom Ausgang.
> Das Problem bleibt allerdings noch das gleiche.

Hm. Merkwuerdig, aber moeglich.

Im Prinzip ist es das klassische Problem: Der Verstaerker
"blubbert".
Ursache ist fast immer, wie schon richtig diagnostiziert
wurde, ein zu hoher Innenenwiderstand der Spannungsversorgung.

Mein Rat waere, Vorverstaerker und Endstufe vorlaeufig aus
zwei getrennten Quellen zu versorgen: Plusleitung zwischen
R9 und V1 auftrennen. Vorverstaerker kann aus 9V-Block
gespeist werden (Elko nicht vergessen!); Endstufe aus irgend
einer anderen Quelle. GND natuerlich zusammenschalten. - Lies
aber erstmal weiter, ehe Du etwas aenderst.

Ach so - ehe ich's vergesse: Die Gegentakt-Endstufe wuerde
ich etwas abaendern. Deine Schaltung ist ziemlich unhoeflich
zu den Endstufentransistoren; ich wuerde dort Emitterwider-
staende einfuegen (Richtwert: 10 Ohm) und die Vorspannungs-
erzeugung - wie von Matthias S. gezeigt - auf zwei bzw. drei
Dioden umstricken.

Es koennte naemlich sein, dass die hochohmige Spannungs-
versorgung bisher das Leben Deiner Endstufentransistoren
gerettet hat :)


> Die 100 Ohm in Reihe zu C1 versuche ich nachher noch.

Der wird schaetzungsweise Dein Problem nicht loesen.

> Im Anhang ist noch wie das Mikrofon angeschlossen ist.

Hmm... Du koennstest die Mikrofonversorgung nochmal
separat abblocken: 1k zusaetzlich zwischen R21 und +9V
einschalten; den Knoten zwischen dem 1k und dem 10k
zusaetzlich mit 100µ gegen GND abblocken (Tiefpass).

> Und ja, ich weiß dass die Schaltung wenig optimal ist.

Nun, das ist in dieser Form nicht richtig :)

Ohne Dich beleidigen zu wollen: In dieser Schaltung ist
(bis auf die suboptimale Endstufe) so vieles richtig
gemacht worden, dass sie unmoeglich zu 100% von einem
Schueler entwickelt worden sein kann :)

> Es geht jedoch nur darum eine halbwegs funktionierende
> Schaltung aufzubauen und das in der Schule gelernte auch
> mal in die Praxis umzusetzen. Das gestaltet sich jedoch
> deutlich schwerer wie gedacht.

Kann das sein, dass Dir etwas der Maszstab verrutscht
ist?

Wenn Dein EINZIGES Problem ist, dass der Verstaerker
"blubbert", dann ist das Ganze eine sehr sportliche
Leistung -- vorausgesetzt natuerlich, Du hast nicht
zuviel geguttenbergt :)

Viel Erfolg, und halte und auf dem Laufenden.

von Possetitjel (Gast)


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Christian S. schrieb:

> Am besten zwischen Vorverstärker und Endstufe noch
> einen Widerstand 220 Ohm einbauen und beide Teile
> mit Elkos entkoppeln.

Guter Vorschlag.

> Mit drei hintereinander geschalteten Transistoren in
> Emitterschaltung habe ich früher Vogelstimmen aufgenommen.
> Leider war starkes Rauschen dabei,

Schlechter Arbeitspunkt der ersten Stufe; vielleicht
auch Selbsterregung. Den Anfaengerfehler habe ich auch
gemacht... that's life...

von Ralf (Gast)


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Ein blubbern könnte auch dadurch entstehen, wenn die 10µF Koppel-Elkos 
falsch herum eingebaut würden.

von Günter Lenz (Gast)


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Martin schrieb:
>Kann mir jemand weiterhelfen, oder einen Tipp/Hinweis geben was in der
>Schaltung schief geht? Vielen dank schon mal!

Zuviele Stufen hintereinandergeschaltet, die Gesamtverstärkung ist zu 
hoch.
Man kann die Verstärkung nicht beliebig hoch machen, irgendwann wird es
instabil. Die Spannungsversorgung zwischen den Stufen muß durch
Tiefpässe entkoppelt werden. Bei hoher Verstärkung sollte die erste 
Stufe
durch ein Metallgehäuse abgeschirmt werden.

von Ralf (Gast)


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Die Stufe Q4 könnte entfallen wenn parallel zu R10 eine Reihenschaltung 
aus 10µF Kondensator und 5k Trimmer geschaltet wird, dann kann die 
Verstärkung stufenlos eingestellt werden.

von Possetitjel (Gast)


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Günter Lenz schrieb:

> Martin schrieb:
>>Kann mir jemand weiterhelfen, oder einen Tipp/Hinweis geben
>>was in der Schaltung schief geht? Vielen dank schon mal!
>
> Zuviele Stufen hintereinandergeschaltet,

Es sind so viele Stufen, weil die Stufen stark gegengekoppelt
sind, um eine gute Arbeitspunktstabilitaet sowie geringe
Verzerrungen zu erzielen.

Im Mittel liegt die Stufenverstaerkung bei ca. 5 (!). Das
ist durchaus vernuenftig so.

> die Gesamtverstärkung ist zu hoch.

Unwahrscheinlich. Die Gesamtverstaerkung ist keine 60dB. Da
hat ein einzelner OPV im Leerlauf schon mehr.

> Die Spannungsversorgung zwischen den Stufen muß durch
> Tiefpässe entkoppelt werden.

Das stimmt; die Tiefpaesse fehlen, das ist sehr unguenstig.
Sollte man aendern.

Meine Vermutung ist, dass die fehlenden Emitterwiderstaende
in der Endstufe zu Stromspitzen fuehren, die ueber die
Versorgung auf vordere Stufen koppeln.

> Bei hoher Verstärkung sollte die erste Stufe durch ein
> Metallgehäuse abgeschirmt werden.

Ja - guter Hinweis, das hatte ich noch gar nicht auf dem
Schirm: Die erste Stufe ist ziemlich hochohmig und deshalb
gefaehrdet fuer kapazitive Einstreuungen.

von VOA (Gast)


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Martin schrieb:
> Die Versorgungsspannung habe ich jetzt zusätzlich mit Kondensatoren
> geblockt, einmal 100µF in der Nähe vom Mikrofon und einmal 470µF in der
> Nähe vom Ausgang.

Zur vernünftigen Stufenentkopplung gehören aber auch immer noch 
Widerstände dazu.
So wie das beispielsweise im leicht antiquierten Anhang bereits vor 
Jahrtausenden mit R144,C120 sowie R134,C114 und R125,C109 gemacht wurde.

von Frank W. (frank_w)


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VOA schrieb:
> So wie das beispielsweise im leicht antiquierten Anhang bereits vor
> Jahrtausenden

Kannst Du mal den ganzen Plan posten?

Gruß Frank

von Martin (Gast)


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Erst mal vielen Dank für die tolle Hilfe! Mit dem R in Reihe kannte ich 
nicht - bin eher der digitale Typ ;)
Habe 1k zwischen den beiden Platine in die 9V in Reihe geschaltet und 
siehe da: Es funktioniert!
Den "R" in der Ascii Zeichnung von Michael Bertrandt hatte ich übersehen 
- schuldige dafür.

Jetzt habe ich nur noch extreme Rückkopplungen. Leg ich aber einen 
Finger aufs Mikro, ist alles ok. Muss die Leitung wohl noch was länger 
;)

Possetitjel schrieb:
> Ohne Dich beleidigen zu wollen: In dieser Schaltung ist
> (bis auf die suboptimale Endstufe) so vieles richtig
> gemacht worden, dass sie unmoeglich zu 100% von einem
> Schueler entwickelt worden sein kann :)
Doch, die ist zu 100% auf meinem Mist gewachsen. Wir haben das Thema 
exzessiv behandelt. Sprich alle Werte sind mit Sinn und Verstand 
berechnet und simuliert.
Die Endstufe hatte ich erst mit Dioden statt der Widerstände. Jedoch 
waren diese nicht gut thermisch gekoppelt, wodurch mir die Schaltung 
durchging. Habe dann auf einen Hinweis hin Widerstände verbaut und diese 
so gewählt, dass zwischen den Basen der Transistoren etwa 0,8-1V 
abfallen.

von karadur (Gast)


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Jetzt habe ich nur noch extreme Rückkopplungen. Leg ich aber einen
Finger aufs Mikro, ist alles ok. Muss die Leitung wohl noch was länger


deswegen Poti als Lautstärkesteller.

von Günter Lenz (Gast)


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Martin schrieb:
>Jetzt habe ich nur noch extreme Rückkopplungen. Leg ich aber einen
>Finger aufs Mikro, ist alles ok. Muss die Leitung wohl noch was länger

Dies ist wahrscheinlich eine akustische Rückkopplung, da kann
der Verstärker nichts dafür.

von Christian S. (roehrenvorheizer)


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Hallo,

zum Glück war die Lösung so einfach. Was die Rückkopplung angeht, hilft 
nur, Mikrofon und Wiedergabe in verschiedenen Zimmern aufzubauen.

Erstaunlich, was die Jugend heutzutage in Schulen lernt. Hier ist es 
Spezialwissen über elektronische Schaltungen und zuletzt berichtete 
einer von Mikrocontroller-Programmierung. Die Elektromobilität in D hat 
also Zukunft!

Wir hatten mal den Millikan-Versuch gemacht...

Mit freundlichem Gruß

: Bearbeitet durch User
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