Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Schutzschaltung (Crowbar) Dimensionierung


von berry (Gast)


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Hallo,

ich versuche mich gerade ein wenig in die Leistungselektronik 
einzuarbeiten und habe hierzu eine Frage zu einer Schutzbeschaltung. 
Diese soll eine Kondensatorbatterie (ganz rechts) vor zu hoher Spannung 
schützen, da die verbauten Kondensatoren eine maximale Spannung von 
1800V vertragen. Im Anhang habe ich diese Schaltung (in 
handschriftlicher Form) angefügt.

Was mich nun interessiert ist vor allem die Dimensionierung der Elemente 
der Schaltung.

Zur Funktion der Schaltung:

1. Die verbaute BOD-Diode sperrt Spannungen bis 1800V und wird danach 
niederohmig. Bauteilstreuungen vernachlässigt, spiele ich mal den Fall 
für 1801 V durch.
2. Dann habe ich einen Spannungsteiler aus R1 parallel R2 (1783V) und R3 
parallel R4 (17,83V).
3. Dadurch kommt es zu einem Strom durch die BOD in Höhe von ca. 3,6A 
durch die BOD (IXBOD-18RD).

Hier ist meine Frage, welche Leistung die verbauten Widerstände in der 
Praxis haben müssen. Denn, wenn ich die Schaltung richtig verstehe, 
sperrt die BOD ja wieder, wenn die Spannung infolge des Zünden des 
Thyristors auf unter 1800V sinkt. Muss man das dann über die Energie der 
Kondensatoren berechnen, bzw. die, die abgebaut wird, bis die BOD wieder 
sperrt? P=R*I^2 wäre hier ja total falsch, da es sich nicht um 
Dauerbetrieb handelt.

Meine zweite Frage an dieser Stelle ist, welchen Gütestrom (wie groß) 
der Thyristor dann sieht. Die Diode soll ihn wahrscheinlich vor 
negativen Strömen schützen? Und wozu ist der Kondensator unten links 
noch verbaut? Habe etwas von Gaterückwirkungen gelesen, kann mir aber 
nicht erklären, was da passiert und wie der Kondensator da hilft?

Ich glaube ich belasse es erstmal bei diesen Fragen. Später ggf. mehr ;)

Vielen Dank für eure Hilfe und viele Grüße,

berry

(Ich möchte diese Schaltung nicht aufbauen, da mir hierzu noch die 
Erfahrung fehlt-vielwehr würde ich gerne verstehen, wie man solche 
Schaltungen dimensioniert.)

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Ist dir klar, das der Thyristor solange leitet, bis du seinen minimalen 
Haltestrom unterschreitest? D.h., selbst wenn du die Betriebsspannung im 
Crowbar-Fall wegnimmst, wird er solange leiten, bis die Kondensatoren so 
gut wie leer sind. Der 70 Ohm Widerstand ist dabei das Opfer. Wenn du 
die Betriebsspannung nicht abschaltest, wird der Thyristor also bis 
Pflaumenpfingsten leiten und der Widerstand verbrät den Löwenanteil der 
Leistung.

von Wolfgang (Gast)


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berry schrieb:
> Hier ist meine Frage, welche Leistung die verbauten Widerstände in der
> Praxis haben müssen. Denn, wenn ich die Schaltung richtig verstehe,
> sperrt die BOD ja wieder, wenn die Spannung infolge des Zünden des
> Thyristors auf unter 1800V sinkt.

Wenn du Sorgen hast, dass die Spannung zu weit steigt, müsste irgendwo 
noch eine Spannungsquelle spezifiziert sein. Wer ist denn der klügere, 
i.e. wer schaltet wie ab, wenn der Thyristor zündet. Die Energie kommt 
nicht nur aus den Kondensatoren (falls du die nicht über eine Diode 
abkoppeln möchtest, sondern auch aus der bisher unbekannten 
Spannungsquelle, die auch irgendwie auf den Thyristor reagieren wird. 
Bei allen Bauelementen die nur kurzzeitig belastet werden, nützt dir die 
angegebene (Dauer)-Nennleistung wenig. Beim Schalten wird eine bestimmte 
Energie im pulsartig in Wärme umgesetzt und für diesen nicht 
repetierenden Puls müssen deine Widerstände mindestens ausgelegt sein.

von berry (Gast)


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Vielen Dank schonmal für den Hinweis-daran hatte ich nicht gedacht. 
Hätte ich wissen müssen, ist ja die bekannte Funktion des Thyristors.

Also gehen wir mal weiter von dem Fall aus, dass das Netzteil abschaltet 
und "nur" die in den Kondensatoren gespeicherte Energie abgebaut werden 
muss. Habe zwischenzeitlich noch gelesen, dass der 70 Ohm Widerstand mit 
einer Leistung von 500W bemessen wird. Auch hier habe ich dann noch 
nicht verstanden, wie man diese Leistung dimensioniert.

von oszi40 (Gast)


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Crowbar ist die Methode mit der Brechstange. Leider habe ich da schon 
manchen Thyristor gesehen, der dabei seinen Deckel aufgemacht hat. 
Dehalb gehört eine Sicherung in die Zuleitung, die ein Glühen der 
restlichen Leitung verhindern sollte. Leider ist bei 1,8 kV das keine 
einfache Feinsicherung mehr! Achte auf herumfliegende Teile!!!

berry schrieb:
> welchen Gatestrom
Das sollte aus Deinem konkretem Datenblatt abzulesen sein.
Bei dem bisherigen Wissensstand würde ich erst mal mit Kleinspannung und 
1A reichlich üben.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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berry schrieb:
> Auch hier habe ich dann noch
> nicht verstanden, wie man diese Leistung dimensioniert.

Naja, P = U²/R, also wenn du im ersten Moment 1800V durch einen 70 Ohm 
Widerstand jagst, sind das im ersten Moment (sitzt du gut?) etwa 46.000 
Watt (46kW!).
Der Widerstand ist also selbst mit 500W hoffnungslos unterdimensioniert. 
Er muss ausserdem zumindest einen Pulsstrom von U/R = I, also etwa 25A 
überstehen können.

von berry (Gast)


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Unter der Voraussetzung, dass das Netzteil abschaltet hätten wir ja 
"nur" noch die in den Kondensatoren gespeicherte Energie

E=0,5*C*U^2=0,5*8800uF*(1801V)^2=14272VAs

Findet man eine solche Angabe im Datenblatt oder spielt da noch die 
Entladezeit eine Rolle? Diese könnte ich ja auch gemäß U(t)=U(0)*e^(-t 
/RC) berechnen.

von berry (Gast)


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@Matthias S.: Genau das war ja der Wert, der mich so überrascht hat und 
zu dem ich mir kein Bauteil vorstellen kann :) Deshalb dachte ich, dass 
man das wahrscheinlich so einfach nicht rechnen kann.

von berry (Gast)


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@oszi40: Habe das Datenblatt des Thyristors angehängt.

von Michael B. (laberkopp)


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Wie schon geschrieben würde man eineene Überladeschutz nicht mit einer 
Crowbar sondern einer Leistungs-Z-Diode/shunt-Regulator realisieren.

Aber du willst ja was zur Dimensioniergun wissen.

berry schrieb:
> welche Leistung die verbauten Widerstände in der
> Praxis haben müssen

R5 muss 1800V/70R = 26A * 1800V = 46kW für die kurze zeit aushalten, die 
sich die Kondensatoren entladen,

R3 und R4 sehen maximal 2V / 10 Ohm sind 0.4 Watt.

R1 und R2 haben dei 100-fachen Wert von R3 und R4 bei demselben Strom, 
also 200V*0.2A = 40W, der Thyristor-Zündstrom ist vernachlässigbar.

Alles in allem also eine superschlechte Auslegung der Schaltung. Die 
Ungenauigkeit der Thyristorzündspannung (ca. 0.7V bis 1V) plus der 
Ungenauigkeit der 1N5408 beim Zündstrom, so 0.5 bis 0.7V wird mit 100 
multipliziert durch den Spannungsteiler R3+R4 und R1+R2 und kommt zu den 
1800V des BoD hinzu, was gar nicht gewünscht bzw. erwartet war.

berry schrieb:
> welchen Gütestrom (wie groß) der Thyristor dann sieht.

Keine Ahung was ein Gütestrom ist, der Thyristor sieht 1800V770R=25A 
abklingend mit der Entladung der Kondensatoren, ca. 80uF, also wenige 
Millisekunden lang.

berry schrieb:
> Habe etwas von Gaterückwirkungen gelesen

Ja nun, die Spannung im Thyristor steigt wenn satte 25A durchfliessen 
und heben auch das Potential des Gates an, aber das wäre in deiner 
Schaltung auch ohne Diode egal.

Die Schaltung taugt aber nichts.

von berry (Gast)


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@Michael Bertrandt: Vielen Dank für deine Antwort. Und sorry für den 
Gütestrom-das war die Autokorrektur und sollte eigentlich Gatestrom 
heißen ;)

von oszi40 (Gast)


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Bei mir sind noch Zweifel, ob nicht schon ein Reststrom des Thyristors 
die mühsam aufgeladenen Elkos vorzeitig entlädt. Was mit den 
Zuleitungsinduktivitäten so passiert, wäre auch noch näher am 
Schaltungsaufbau zu untersuchen. Böse induktive Abschaltspannungen 
könnten auch noch zirkulieren. Das wird wohl nicht ganz einfach.

von Name (Gast)


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berry schrieb:
> E=0,5*C*U^2=0,5*8800uF*(1801V)^2=14272VAs

Wie kommt man bei einer Reihenschaltung aus 11x 880µF auf 8800µF?


Zudem, was soll der "Hochstrom-Spannungsteiler" am Gate des Thyristors?

Aufgabe eines Crowbar-Schutzes ist es, empfindliche Baugruppen vor einer 
Überspannung zu bewahren. Z.B. wenn die Reglung eines Netzteiles 
ausfällt.
Dazu ist aber eine Sicherung notwendig. Diese wird quasi mit der 
"Brechstange" ausgelöst.
Aber wo ist die Sicherung in der Schaltung?

von Name (Gast)


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Ergänzend kann man noch sagen, dass der Crowbar-Schutz aus Zeiten von 
längsgeregelten Spannungsreglern stammt, bzw. bei Tiefsetzstellern, wo 
in Folge von Überlastung, der (Schalt-) Transistor zum Dauerleiter 
geworden ist.
Somit wird die versorgte Baugruppe durch gezieltes Auslösen der 
Sicherung vor dauerhafter Überspannung geschützt.
Ein solcher Schutz ist aber nicht für das Abblocken von irgendwelchen 
Spikes gedacht.

von Hurra (Gast)


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berry schrieb:
> Hier ist meine Frage, welche Leistung die verbauten Widerstände in der
> Praxis haben müssen. Denn, wenn ich die Schaltung richtig verstehe,
> sperrt die BOD ja wieder, wenn die Spannung infolge des Zünden des
> Thyristors auf unter 1800V sinkt.

Hab heute zum ersten mal gesehen, dass es sowas wie eine BOD-Diode gibt. 
Man lernt nie aus :-)

Und da muss ich gleich mal einharken:
Meiner Meinung nach stimmt die oben zitierte Aussage nicht. Das 
Datenblatt liest sich wie das eines Thyristors, der über Spannung 
gezündet wird.
Meiner Interpretation nach leitet diese Diode so lange, bis IBO wieder 
unterschritten wird.
Das passiert aber erst, wenn die Versorgung auf einen kleinen Wert 
zusammengebrochen ist, und zwar genau:

Umin = IBOD*(R1||R2) + Vh

Ich komm da auf grob 10V. So um den Dreh zumindest.

Also:
Selbst wenn der Thyristor nicht sowieso alles niederreißen würde, würde 
das hier nie ausschalten.

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