Forum: HF, Funk und Felder Faradascher Käfig: maximale Löchrigkeit


von Þórr (Gast)


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Hallå,

wie groß darf eine "Öffnung" innerhalb eines Blechkastens sein um die 
Insassen vor atmosphärischen Blitzen zu schützen?

In Hochspannungsversuchen ist der Faradysche Käfig ja recht feinmaschig 
(Maschendurchmasser ca. 10 mm). Ein Automobil dagegen hat recht große 
Durchbrüche (Frontscheibe ca 150 mm) dennoch gilt ein Automobil 
bezüglich Blitzen als Insassensicher. Warum?

Ist die Ausrichtung zur Blitzrichtung wichtig? Bietet also 
beispielsweise eine Offnung im Dach wie bei einem 
Dachfenster/Schiebedach den gleichen Schutz wie die Frontscheibe?

Wie schaut es mit Cabrioverdecks aus nichtleitenden Materialen aus - ist 
bei Gewittern ein Softtop kritischer als ein Hardtop?

Med vennlig hilsen

von Joe (Gast)


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Die Eindringtiefe beträgt etwa den halben Lochdurchmesser.
Das  ist ein Richtwert aus Experimenten um 1995.#

von Heinz V. (heinz_v)


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Das Auto ist kein Faradayscher Käfig im Eigentlichen Sinn, aber bei 
(fast) allen KFZ ist irgendein Karosserieteil mit Masseverbindung höher 
als die Köpfe der Insassen. Komplett offene Geländewagen (mit 
herruntergeklappter Frontscheibe) oder Cabrios bei denen der 
Überrollbügel erst beim Kippen per Treibladung hochgeschossen wird, 
werden wohl fast nie bei Gewitter bewegt.

von Joe (Gast)


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Kleiner Rückblick in meine Unizeit:

Grundlage war ein senkrecht zum Lochmittelpunkt stehendes elektrisches 
Feld.

In einer benachbarten Arbeitsgruppe wurden der Funkenüberschlag auf eine 
gekrümmte Fläche getestet.

In einem Experiment wurde ein Lochverschluss, Durchmesser ca 10cm mit 
einer kleinen Spitze in der Mitte in eine Halbkugel (d ca. 1m) eingebaut 
und nach innen abgesenkt.

Bei einer Tiefe von ca. 5cm schlug die Entladung dann am Lochrand ein 
und nicht mehr in der Mitte.

Genaueres kann ich leider nicht mehr sagen, es gab auch eine 
theoretische Arbeit dazu.

von Cabrio-Neubesitzer (Gast)


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Þórr schrieb:
> ist bei Gewittern ein Softtop kritischer als ein Hardtop?

Ja, es ist sehr kritisch!  Wo  kann ich deinen Cabrio abholen ?

von Þórr (Gast)


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Moin,

die Hinweise auf Eindribgtiefe = halbe Öffnung und Masserverbindung sind 
schon mal sehr interessant.

Als kritischer als das Cabrio-szenario betrachte ich inzwischen einen 
mit Plane überdeckten Pritschenwaggen wie diesen: 
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0c/IFA_W50_LA-A_mit_2-achs_Anh%C3%A4nger_HL_50.02.JPG

Oder eben die PickUps die in der Erntezeit Landarbeiter auch auf der 
offenen Landefläche schnell ins trockenen fahren: 
http://www.wksimonsfeld.at/files/personentransport.jpg - schützt da ein 
Metallbügel der über die Ladefläche gesteckt wird?

von Gerald B. (gerald_b)


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Bei einem Gewitter ist durch den Regen die Frontscheibe, das Verdeck und 
die Reifen nass. Dadurch ist eine ausreichende Leitfähigkeit vorhanden.
Selbst der in der DDR gebaute Trabant, der lediglich einen Metallrahmen 
hatte und komplett mit Anabauteilen aus Duroplast mit 
Baumwollverstärkung (ähnlich Pertinax) bestand, wurde bei einem Gewitter 
vom Blitz getroffen und den Insassen passierte nichts. Zufällig war der 
Fahrer auch noch ein Ing., der im Hochspannungsprüffeld arbeitete und so 
seine beruflichen Erfahrungen bei der Auswertung der Brandmarken des 
Einschlages nutzen konnte.
Ein weiterer Unterschied zwischen Prüffeld und echtem Gewitter ist, das 
im Prüffeld meist die Hochspannung mittels Teslatrafo erzeugt wird 
(Hochfrequenz), während bei einem Gewitter Gleichspannung auftritt. Auch 
das spielt eine Rolle.

von korax (Gast)


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Wir haben in den 90ern Blitzschutz an Häuser gebracht, mit einer 
Maschenweite von 20m..
Allerdings ist hier die Leitfähigkeit zur Erde besser als beim Auto.

von Der Andere (Gast)


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Gerald B. schrieb:
> Ein weiterer Unterschied zwischen Prüffeld und echtem Gewitter ist, das
> im Prüffeld meist die Hochspannung mittels Teslatrafo erzeugt wird
> (Hochfrequenz),

Quellen?

In den Hochspannungshallen in denen ich war gabs für solche Versuche 
immer eine Kaskade mit eine entsprechende Kapazität (Kugel/Torus) 
aufgeladen wurde.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Gerald B. schrieb:
> Bei einem Gewitter ist durch den Regen die Frontscheibe, das Verdeck und
> die Reifen nass. Dadurch ist eine ausreichende Leitfähigkeit vorhanden.

Gelentlich treten Blitz und Donner auch ohne zugehörigen Regen auf.

von Sinus T. (micha_micha)


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Gerald B. schrieb:
> im Prüffeld meist die Hochspannung mittels Teslatrafo erzeugt wird

Nein, dort werden Marx-Generatoren eingesetzt, die erzeugen 
Gleichspannung

von Falk B. (falk)


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@Sinus Tangentus (micha_micha)

>> im Prüffeld meist die Hochspannung mittels Teslatrafo erzeugt wird

>Nein, dort werden Marx-Generatoren eingesetzt, die erzeugen
>Gleichspannung

Man kann auch mit einem normalen 50Hz Trafo einen Durchschlag testen, 
das wurde zumindest mal bei einer Schauvorführung gemacht.

Und selbst wenn beim Marx-Generator Gleichspannung zum Laden genutzt 
wird, ist der eigentlich Blitz alles andere als Gleichspannung, sondern 
schon ganz ordentlich Hochfrequenz. Nicht ganz umsonst arbeiten diverse, 
öffentliche Blitzortungssysteme im Mittelwellenbereich.

von Sinus T. (micha_micha)


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Der Blitz selbst entstehr aber erstmal durch ein Gleichfeld. Dass durch 
die steile Flanke bei der Zündung jeden Menge HF entsteht, ist eine 
andere Geschichte.

von Falk B. (falk)


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@Sinus Tangentus (micha_micha)

>Der Blitz selbst entstehr aber erstmal durch ein Gleichfeld.

Wirklich? Wie entsteht dann der Durchschlag bei Wechselspannung? ;-)

von Sinus T. (micha_micha)


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Mensch Falk, dreh mir doch nicht das Wort im Munde rum:

Du schriebst im Zusammenhang mit HF von öffentlichen 
Blitzortungssystemen, das heißt für mich: Gewitter mit Blitzen. Ist da 
irgendwo Wechselspannung in den Wolken?

von Elektrofan (Gast)


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>> im Prüffeld meist die Hochspannung mittels Teslatrafo erzeugt wird

Im Praktikum für Hochspannungstechnik hatten wir "normale" 
Transformatoren für 50 Hz.
Die Spannungsmessung wurde u.a. mit einer Kugelfunkenstrecke 
durchgeführt.
Siehe z.B. Seite 32 von:
http://itet.hubjo.org/zf_hs_v10.pdf

von Jürgen Wissenwasser (Gast)


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Ich erlaube mir da altes HTL-Wissen aufzuwärmen:
Für die Frage, wo an einem Gebäude Blitzschutz notwendig ist, nehmen man 
eine (virtuelle) Kugel mit 20m Radius und rolle sie gedanklich über die 
Gebäudestrukturen. Jede Kante oder Spitze, welche von der Kugel berührt 
wird, benötigt Blitzschutz.
Die genaue Herkunft für diese 20m kenne ich zwar nicht, ich denke aber, 
daß das mit den Fangblitzen zu tun hat.

Bzgl. der Frage nach Auto & Co: Wie auch schon oben formuliert, ist ein 
zumindest regennasses Fahrzeug ohnehin als Ganzes ein guter Leiter oder 
wird einer, wenn ein Blitz einschlägt und alles ionisiert.
Aber auch wenn das Fzg. trocken ist, darf man nicht davon ausgehen, daß 
es sich dabei um einen perfekten Isolator handelt. Jede Kante am 
Fahrzeug führt zu hohen lokalen Feldstärken, an denen die Luft ionisiert 
wird und damit potentieller Startpunkt für einen Fangblitz ist.

von Schreiber (Gast)


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Þórr schrieb:
> Als kritischer als das Cabrio-szenario betrachte ich inzwischen einen
> mit Plane überdeckten Pritschenwaggen wie diesen:
> 
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0c/IFA_W50_LA-A_mit_2-achs_Anh%C3%A4nger_HL_50.02.JPG

Keine Angst, die Plane bleibt nicht von selbst an ihrem Platz. Die wird 
von etlichen Metallbügeln gehalten, die meist noch mi Querstreben 
verbunden sind. Einfach mal auf die Ladefläche klettern und sich das 
ganze anschauen.

> Oder eben die PickUps die in der Erntezeit Landarbeiter auch auf der
> offenen Landefläche schnell ins trockenen fahren:
> http://www.wksimonsfeld.at/files/personentransport.jpg - schützt da ein
> Metallbügel der über die Ladefläche gesteckt wird?

Das sind Erntehelfer in "weniger wohlhabenden Ländern", da gibts erstens 
reichlich Nachschub und zweitens keine Berufsgenossenschaft, die dumme 
Fragen stellt. Also auch kein Problem...

von Schreiber (Gast)


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Jürgen Wissenwasser schrieb:
> Ich erlaube mir da altes HTL-Wissen aufzuwärmen:
> Für die Frage, wo an einem Gebäude Blitzschutz notwendig ist, nehmen man
> eine (virtuelle) Kugel mit 20m Radius und rolle sie gedanklich über die
> Gebäudestrukturen. Jede Kante oder Spitze, welche von der Kugel berührt
> wird, benötigt Blitzschutz.
> Die genaue Herkunft für diese 20m kenne ich zwar nicht, ich denke aber,
> daß das mit den Fangblitzen zu tun hat.

Das sind empirisch gewonnene Erfahrungswerte, die einen brauchbaren 
Kompromiss aus Kosten und Wirksamkeit bieten.

von Gerd E. (robberknight)


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Jürgen Wissenwasser schrieb:
> Für die Frage, wo an einem Gebäude Blitzschutz notwendig ist, nehmen man
> eine (virtuelle) Kugel mit 20m Radius und rolle sie gedanklich über die
> Gebäudestrukturen. Jede Kante oder Spitze, welche von der Kugel berührt
> wird, benötigt Blitzschutz.

in diese 20m-Kugel passt ja ein ganzes 4-stöckiges Wohnhaus rein wenn es 
nicht zu breit ist. Heißt das, daß ich erst für dickere Wohnblöcke 
überhaupt einen Blitzableiter bräuchte?

Warum haben dann auch normale neue 1-Familienhäuser einen?

von Pikachu (Gast)


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Es geht nicht drum was in die Kugel reinpasst sondern was sie berührt 
wenn man sich vorstellt wie man sie durch die Gegend rollt. Deswegen 
brauch ein Haus in einer Häuserschlucht keinen Blitzableiter weil die 
Kugel auf den umgebenden Häusern rollen würde. Und deswegen braucht ein 
freistehendes minihaus einen Blitzableiter weil eine Kugel es beim 
drüberrollen berühren würde.

von Þórr (Gast)


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Jürgen Wissenwasser schrieb:

> Bzgl. der Frage nach Auto & Co: Wie auch schon oben formuliert, ist ein
> zumindest regennasses Fahrzeug ohnehin als Ganzes ein guter Leiter oder
> wird einer, wenn ein Blitz einschlägt und alles ionisiert.

Also für einen Blitzschutz muss man manche Fahrzeuge erst benässen - das 
klingt für mich nicht nach einer hinsichtlich Schutz vor elektrischen 
Feldern durchdachten Konstruktion. Hinsichtlich des Plastikbombers 
Trabant hab ich das gefunden:
http://trabitechnik.com/index.php?lang=de&page=15&page_number=8
Ich nehme mal an das der Text authentisch ist. Dann zeigt der das ein 
-trockener Trabant durchschlagen wird
-eine einfache Metallleiste zumindest füt den Blitzschutz reicht
-es aber zu Sekundärwirkungen kommen kann, die auch "nicht angenehm" 
sind

Interessant wäre noch die Wahrscheinlichkeit von "Trockengewitter", hat 
da jemand belastbares Material? Für Notamerika findet man bspw. das:
http://www.stern.de/politik/ausland/hintergrund-trockengewitter---blitze-ohne-regen-3286134.html

> Aber auch wenn das Fzg. trocken ist, darf man nicht davon ausgehen, daß
> es sich dabei um einen perfekten Isolator handelt. Jede Kante am
> Fahrzeug führt zu hohen lokalen Feldstärken, an denen die Luft ionisiert
> wird und damit potentieller Startpunkt für einen Fangblitz ist.

Käfig aus schlechten Leiter ist wohl auch nicht ganz unproblemtisch. 
Zwar werden die Insassen geschützt, eskommt aber zu hohen Temperatur die 
zu Strukturschäden führen. Da hat wohl die Luftfahrt mit ihren 
Kohlefaserfliegern einiges lernen müssen:
https://www.lufthansa-technik.com/de/lightning-strikes

Interessant das das Wasser das vor dem Blitz schützt selbst zur Gefahr 
werden kann (Dampfexlosion) -> aber das führt von der eigentlichen Frage 
zu den elektrischen Effekten weg.

Schon mal vielen Dank für die Denkanstöße.

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