Einfach loszulegen ist je nach Projektgröße nicht mehr möglich oder zumindest nicht besonders sinnvoll. Also sollte man sich zunächst mal ruhig hinsetzen und ein paar Dinge abklären.
Einige der folgenden Punkte sind zwar eher für die Entwicklung eines Serienproduktes im professionellen Umfeld relevant, aber ich finde, dass auch Hobbyelektroniker von diesen Informationen profitieren und sie im kleineren Maßstab auch einsetzen können.
Anforderungen an Zielgruppe, Einsatzbereich, Genauigkeit, Lebensdauer, Laufzeit Zuverlässigkeit etc. genau und richtig spezifizieren. Sich dabei im Klaren sein, welche dieser Punkte besondere Probleme / Kosten / Verzögerungen verursachen und wie die Wechselwirkungen (Alles hat Einfluss auf alles Andere) aussehen. Was braucht man wirklich?
Die interessantesten und wichtigsten Informationen liegen oft (noch) nicht vor. Also sollte man die nötige Zeit investieren, um möglichst viele relevante Punkte schon im Vorfeld abzuklären und unzuverlässige Informationen zu verifizieren.
Oft sind für die Elektronikentwicklung wichtige mechanische Produkteigenschaften (Baugröße, Gehäuseform, Materialien, Einschränkungen...) bereits festgelegt. Wenn das der Fall ist, kann es hilfreich sein, wenn man abklärt, welche Spezifikationen im Zweifel doch noch geändert werden können.
Sind die mechanischen Randbedingungen noch nicht fixiert, spart man oft eine Menge Zeit und andere Ressourcen, wenn beim Design auf die elektrischen Anforderungen (Platzierung von Bedienelementen, Wärmeabfuhr, Montierbarkeit, Baugröße und -höhe, …) Rücksicht genommen wird.
Den Endbenutzer (im weitesten Sinn) oder zumindest unbeteiligte Personen möglichst früh einbeziehen. Das beugt Betriebsblindheit vor.
Simulationstools nutzen, aber dabei immer die Realität im Auge behalten.
Wer fertigt wo und wann das Produkt und die Prototypen in welchen Stückzahlen? Welche Möglichkeiten und Einschränkungen gibt es jeweils?
„Haben wir immer schon so gemacht“ ist kein Argument. Positive Erfahrungen im Feldeinsatz und abgeschlossene Produktzertifizierungen sind aber valide Argumente.
„Right on the first try“ funktioniert nur bei nicht innovativen, simplen und überdimensionierten Schaltungen wirklich. Ein Prototyp und ein Fertigungslayout sind Mindeststandard.
Testbarkeit im Entwicklungsprozess fest einplanen und Testmöglichkeiten (Testpunkte, Testbench, BIST, BITE) zeitgleich zur Verfügung stellen / aufbauen. Ungetestete Bauteile / Funktionen sind als nicht funktionsfähig zu betrachten.
Ist genügend Messausrüstung vorhanden oder muss Equipment zugekauft / ausgeliehen werden? Sind die Geräte und das Zubehör in Ordnung?
Erhältlichkeit der Komponenten in der benötigten Stückzahl von Anfang an berücksichtigen. Je nach Stückzahl gibt es hierfür unterschiedliche Strategien vom Meiden bestimmter als unzuverlässig bekannter Hersteller bis zur Vorratshaltung.
Nicht vergessen, dass die allermeisten Produkte nicht nur auf dem Schreibtisch im klimatisierten Büro funktionieren müssen (Temperaturversuche, mechanische Prüfungen, Langzeittest …). Das kann dauern.
Wenn diese Punkte zur Zufriedenheit aller Beteiligten abgeklärt sind, geht es nächsten Monat mit dem Schaltungsentwurf weiter.
Guter Beitrag, aber ein paar Punkte vermisse ich:
Fertigbaerkeit und Fertigungskosten:
Was kann mein Fertiger? Hat der Fertiger eine Selektivlötanlage oder
muss er einzelne THTs handlöten? Welche Genauigkeit beherrscht er bei
SMD? Welche Lieferanten bevorzugt er?
Muss ich mir einen anderen suchen?
Die Produktlebensdauer (wie lange muss ich produzieren?):
Kann ich ältere Bauteil einsetzen, oder muss ich mir frischere suchen?
Zukunftsfähige Packages und gängige Pinouts zu berücksichtigen kann sich
lohnen, oder auch nicht. Nachfragen bei Diestributoren auch.
EMV / el. Sicherheit / Normenlage:
VOR Start der Entwicklung muss klar sein, welche Normen gelten.
Anforderungen an das die Schaltung sind unbedingt vorher abzuklären. Das
gilt für Sicherheit genauso wie UL oder EMV. Eine Konzeptprüfung durch
den TÜV kann sinnvoll sein, wenn es ein sicherheitskritisches Design
ist.
Der letzt Punkt kann nicht genug hervogehoben werden. Ein fehlerhaftes
Safety-Konzept kann irrsinnig teuer werden.
Das Ganze ist ja wirklich gut, wenn man sich um sein Produkt so viele
Gedanken macht. Dann würde da auch ein Produkt raus kommen, was den
Titel "Made in Germany" auch wieder verdienen würde.
ABER! In der heutigen schnelllebigen Zeit, kann man solche Fragen erst
gar nicht stellen. Bevor alle Informationen zu den oben genannten
Punkten eingeholt und abgearbeitet wären, wird schon ein ganz anderes
Produkt benötigt.
Mit so vielen Fragen hinkt man heutzutage immer hinterher... Leider und
wirklich leider, ist das die Realität heute...
Wollte heute endlich mein Blink- LED- Projekt in Angriff nehmen.
Nachdem ich diesen Beitrag gelesen habe, traue ih mich jedoch nicht mehr
so richtig, weil so ein Projekt doch recht komplex zu sein scheint.
Oder kann mir evt. jemand -zumindest stichwortartig- bei dieser
Projektplanung behilflich sein?
- Besten Dank und Gruß, Holger
Holger schrieb:> Wollte heute endlich mein Blink- LED- Projekt in Angriff nehmen.>> Nachdem ich diesen Beitrag gelesen habe, traue ih mich jedoch nicht mehr> so richtig, weil so ein Projekt doch recht komplex zu sein scheint.>> Oder kann mir evt. jemand -zumindest stichwortartig- bei dieser> Projektplanung behilflich sein?>> - Besten Dank und Gruß, Holger
Tja, der kleine aber feine Unterschied zwischen basteln und
Hardwareentwicklung erschließt sich halt nicht jedem :-)
Hurra schrieb:> Tja, der kleine aber feine Unterschied zwischen basteln und> Hardwareentwicklung erschließt sich halt nicht jedem :-)
So ist das halt. Zwei Stunden Schaltung ausdenken und drei Jahre
Dokumentation, Toleranzrechnung, FMEA, FMEDA, Musterlogistik und
Erprobung.
Es gibt zwei nette Tools die einem Helfen können.
1. Ein Ablaufplan mit Ja/Nein abfrage um möglich alle Schritt zu
berücksichtigen.
2. Ein Netzplan um Zeitkritische Prozesse zu erkennen.
Tom schrieb:> Mit so vielen Fragen hinkt man heutzutage immer hinterher... Leider und> wirklich leider, ist das die Realität heute...
Man ist vielleicht nicht der erste, aber je nach Branche ist
Produktentwicklung noch viel aufwändiger. Und alles was man in den
Entwicklungsphasen versaut kostet hinterher ein vielfaches.
Rückrufaktionen, Reklamationen oder Fehlerkorrekturen nach Auslieferung
fressen dir schnell den Gewinn auf. Gilt zwar weniger für kleine
Hobbyprojekte, aber auch da kann man unnötige Kosten vermeiden und wenn
man sowas ordentlich macht und dokumentiert sind das auch gute
Referenzen für Bewerbungen.
Hurra schrieb:> Tja, der kleine aber feine Unterschied zwischen basteln und> Hardwareentwicklung erschließt sich halt nicht jedem :-)
Doch, das schon. Nur was dieser Text hier zu suchen hat ist trotzdem
unklar. Wer professionell Geräte entwickelt, der hat noch erheblich mehr
zu beachten und wird sein Wissen hoffentlich nicht aus irgend einem
Internetforum beziehen.
Und für den Hobbybastler, ömmm -konstruktör, der das 1000tste Netzteil,
Verstärker, Lichtschranke, PWM-Dimmdingsbums, BLDC-irgendwas,
Lipo-balancierer oder Pb-lader erschaffen möchte, sind die Punkte
irrelevant bis kontraproduktiv.
Der ist nämlich entweder pfiffig und kreativ - dann wird das was
vorrätig oder bei Maxens Resterampe im Angebot ist auf Lochraster
getackert bis das Ergebnis den Anforderungen genügt, oder doof bis
unkreativ - dann bestellt er Bausätze und fertige Platinen die gemäß
Anleitung montiert werden. In beiden Fällen spielen die oben genannten
Punkte keine Rolle.
Ich nochmal (..mit dem Blink- LED- Projekt), Du hast genau das
ausgesprochen,
C123, was ich eigentlich sagen wollte, jedoch zu faul war, es so
komplett auszuführen wie Du...!
Gruß
Holger
@ C123 (Gast)
>Doch, das schon. Nur was dieser Text hier zu suchen hat ist trotzdem>unklar. Wer professionell Geräte entwickelt, der hat noch erheblich mehr>zu beachten und wird sein Wissen hoffentlich nicht aus irgend einem>Internetforum beziehen.>Und für den Hobbybastler, ömmm -konstruktör, der das 1000tste Netzteil,>Verstärker, Lichtschranke, PWM-Dimmdingsbums, BLDC-irgendwas,>Lipo-balancierer oder Pb-lader erschaffen möchte, sind die Punkte>irrelevant bis kontraproduktiv.
Du solltest das mit dem sinnerfassenden Lesen nochmal üben.
"Einige der folgenden Punkte sind zwar eher für die Entwicklung eines
Serienproduktes im professionellen Umfeld relevant, aber ich finde, dass
auch Hobbyelektroniker von diesen Informationen profitieren und sie im
kleineren Maßstab auch einsetzen können. "
Das Zauberwort lautet Skalierung! Man muss als Hobbybastler das alles
nicht bis zur Spitze treiben, es hilft aber ungemein, mal sich grob ein
paar Gedanken zu machen. Außerdem geht es in diesem Forum um
Wissenaustausch und Vermittlung. Viele Hobbybastler werden später mal
Ingenieur. Da schadet es nicht, schon vorher mal was zum Thema gehört
und ggf. sogar selber umgesetzt zu haben. uC.net ist kein
Consultingbüro.
Holger schrieb:> Ich nochmal (..mit dem Blink- LED- Projekt), Du hast genau das> ausgesprochen,> C123, was ich eigentlich sagen wollte, jedoch zu faul war, es so> komplett auszuführen wie Du...!>> Gruß> Holger
Bei meinem letzten Arbeitgeber gab es sowas wie einen geordneten
Entwicklungsprozess überhaupt nicht.
Da hat jeder sein Projekt so umgesetzt, wie er gedacht hat dass es
richtig wäre. Es gab weder Anforderungen, noch Forderungen nach einer
Dokumentation noch eine Qualitätssicherung. Lediglich ein nicht näher
spezifizierter "Typprüfbericht" wurde gefordert und Termine vorgegeben,
und EMV-Tests warem zwingend.
Viele Der mehr als 100 Hardwareentwickler dort haben gearbeitet wie
Bastler.
Und nein, das war keine kleine Bastelbude, sondern ein recht bekannter
Hersteller für Industrieelektronik. Ein sehr erfolgreicher übrigens. Mit
Umsätzen im dreistelligen Millionenbereich.
Mir fallen auf Anhieb 3 weitere Firmen ein, die ähnlich arbeiten. Eine
davon produziert auch Sicherheitstechnik. Ja, auch mir wird bei dem
Gedanken schlecht.
In Summe:
Es ist NICHT selbstverständlich, dass nach sauberen Prozessen gearbeitet
wird! Die genannten Punkte sind nicht selbstverständlich!
Würde ich das einigen ehemaligen Kollegen vorlegen, sie würden darüber
höchstens lachen.
Darum ist der Artikel sinnvoll. Auch wenn das Niveau nicht einer SIL3-
Entwicklung nach dem V-Modell entspricht, oder einer Entwicklung im
Medizinbereich.
Schöne Liste, danke für die Aufstellung.
Eine wichtige Eigenschaft des Produktes fehlt noch (es sei denn der
Artikel richtet sich ausschließlich an Entwicklungsabteilungen).
Der Verkaufspreis. Diese eigentlich simple Zahl besteht aus vielen
Komponenten. Ein Artikel würde wohl nicht ausreichen alle zu
beschreiben.
Herstellungskosten, Entwicklungskosten, Marktpositionierung,
Wiederverkäuferrabatte, Werbeaufwendungen Garantieleistungen,
Skalierungsgewinne usw. usf. .
Alle muss man berücksichtigen. Einem Entwickler fällt das meist schwer
da es keine Eigenschaften sind die man so oder so parametrieren kann.
Es ist eher eine Kunst und man hat mit Leuten zu tun die a.) keine
Ahnung vom eigenen Metier haben und die es b.) auch null interessiert.
Holger schrieb:> Oder kann mir evt. jemand -zumindest stichwortartig- bei dieser> Projektplanung behilflich sein?> Anforderungen an Zielgruppe,
Holger will die LED blinken sehen.
> Genauigkeit,
Blinkfrequenz 1 Hz ± 100% ?
> Lebensdauer, Laufzeit
Minuten
> Zuverlässigkeit
Aus Fehlern lernt man!
> Die interessantesten und wichtigsten Informationen liegen oft (noch) nicht vor.
"Blink" und "LED" wurden erwähnt, aber nicht, ob 555 oder µC. Schäm
dich!
> wichtige mechanische Produkteigenschaften
Breadboard? Lochraster?
> Den Endbenutzer (im weitesten Sinn)
Bist du selber.
> oder zumindest unbeteiligte Personen möglichst früh einbeziehen
Hier im Forum waren wir eigentlich unbeteiligt ...
> Simulationstools nutzen
Hmm ...
> Wer
Holger
> fertigt wo
in seiner Bude
> und wann
bald
> das Produkt und die Prototypen in welchen Stückzahlen?
1; 0
> „Right on the first try“ funktioniert nur bei nicht innovativen, simplen und
überdimensionierten Schaltungen wirklich.
Da haben wir ja Glück gehabt.
> Testbarkeit im Entwicklungsprozess fest einplanen
Gehäuse weglassen, damit man mit dem Multimeter drankommt.
> Ist genügend Messausrüstung vorhanden
Musst du selber wissen. Wieviele GHz schafft dein Oszilloskop?
> Erhältlichkeit der Komponenten in der benötigten Stückzahl von Anfang an
berücksichtigen.
Hast du überhaupt eine LED?
> Nicht vergessen, dass die allermeisten Produkte ... nur auf dem Schreibtisch im
klimatisierten Büro funktionieren müssen
Kreativ zitiert. ;-)
> VOR Start der Entwicklung muss klar sein, welche Normen gelten.
Gar keine. Oder willst du es in den Quick&Dirty-Thread schaffen?