Hi, mein Werdegang ist ein Studium Elektrotechnik, danach Promotion auf dem Gebiet der Leistungselektronik (SiC und Solarwechselrichter), anschließend 2 Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut gewesen, um im Bereich Leistungselektronik für Brennstoffzellen und Batterieladegeräte (Energiespeicherung zur Netzstabilisierung) zu arbeiten. Im April diesen Jahres bin ich eine Stelle in der Industrie angetreten. Das Kerngeschäft unseres Unternehmens ist die Windenergie und unsere Abteilung nennt sich selbst offiziell F&E und entwickelt die entsprechenden Umrichter im Megawatt-Bereich für unsere Anlagen. Die ersten 6 Monate im Beruf fallen mir leider sehr schwer, weil meine Aufgaben sehr stark auf ein bestimmtes Bauteil begrenzt sind, welches für ein neues Produkt qualifiziert werden muss. Mein Tagesgeschäft besteht hauptsächlich darin, alle möglichen Funktionstest durchzuführen (und Tests wie HALT, Vibration Shock etc.) und mit entsprechenden Lieferanten im Kontakt zu sein, um die technischen Gegebenheiten sicherzustellen (richtige Induktivität hier, passendes Material da, passender SMD-Widerstand dort). Ich für meinen Teil fühle mich teilweise sehr unterfordert, weil das mir zugetragene Bauteil quasi eine Wiederverwendung von einem alten Design ist, und ich lediglich dafür sorgen muss, dass es im neuen Produkt zuverlässig (für die nächsten 20 Jahre) läuft. Und natürlich gilt es massig Dokumentation zu jedem Test zu erstellen (wobei die Dokumentation das geringere Übel ist). Wenn ich die anderen Leute in der Abteilung sehe, bezweifle ich, dass deren Alltag wesentlich spannender ist. Der Kollege berechnet die nötige Induktivität für ein AC Filter, und tritt in Kontakt mit dem Zulieferer für jene Induktivität. Der Zulieferer darf anschließend entscheiden, wie er seine Induktivität designed (Kernmaterial, Anzahl der Lagen etc.) unter Einbehaltung der ihn gegebenen Anforderungen (Nominale Induktivität, max. Verluste, Temperaturfähig bis XX GradC). Das Problem ist: Der Umrichter besteht aus einer sehr bekannten Topologie (einfacher Dreiphasenumrichter) mit einer bekannten Modulation und Regelung. Es wird quasi wiederverwendet und auf eine neue Leistungsklasse dimensioniert. Unsere Aufgabe ist es, für die neue Windkraftanlage den Umrichter auszulegen und entsprechend zu qualifizieren. Ist das wirklich F&E? Meiner Ansicht nein, weil oftmals die Divise lautet "Warum etwas ändern, wenn es bereits funktioniert?" Grundsätzlich verstehe ich diese Mentalität, aber wo ist das dann F&E? Wie kann man anschließend von "Karriere" reden, in der Leute sich zu Spezialisten weiterentwickeln? Wo werden Patente generiert? Wo wird etwas "Neues" gemacht? Daher meine Frage: Deckt sich mein beschriebener Alltag in F&E (näherungsweise) mit eurem Alltag? Ist das wirklich etwas, das ich schlichtweg lernen muss zu akzeptieren? Oder bin ich in einer eher unglücklichen Abteilung gelandet? Ich fühle mich jedenfalls teilweise sehr unterfordert und freue mich jeden Tag um 16:00 Uhr nach Hause gehen zu dürfen. Hoffe eure Erfahrungsberichte zu lesen. Gruß,
Wenn man ein Produkt entwickelt, was später auch Geld für die Firma abwerfen soll, dann ist es in den meisten Fällen eher E als F. Natürlich betreiben manche Firmen auch echte (Grundlagen-)Forschung, aber doch eher nur ein bestimmten Aspekten eines Produktes und nur dann, wenn der erwartete Nutzen in einem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zum Aufwand und Risiko steht. Der Rest bis zum fertigen Produkt ist halt Fleißarbeit, nach Schema F. Bei uns (Luftfahrt, kleine innovative Firma) ist es von der Stimmung her eher das Gegenteil als bei euch. Ein Team mit geringem Altersdurchschnitt, zusammengecastet vor allem durch Beziehungen und Empfehlungen und weniger durch Zeugnisse. Wir bekommen alle eine Menge Verantwortung und Freiheit für ein bestimmtes Aufgabengebiet. Wir dürfen durchaus auch eingetretene Pfade verlassen, müssen aber Resultate abliefern, die das Projekt nach vorne bringen. Das macht sehr viel Spaß, ist aber nicht für jeden Typ Mensch geeignet. Denn seien wir mal realistisch, Fachwissen alleine bringt noch keine Problemlösungskompetenz oder die Fähigkeit, sinnvoll in einem Team verschiedener Fachdisziplinen zusammenzuarbeiten. Du würdest wohl eher bei meinem Arbeitgeber reinpassen, aber es gibt genug Ingenieure, die in deinem aktuellen Job sehr gut aufgehoben und auch zufrieden wären. Dass man in der Industrie Zulieferer nach Spezifikation arbeiten lässt und nicht mehr viel selbst macht, ist völlig normal - zumindest, wenn bestimmte Qualitätsstandards erwartet werden (vom Kunden). Gerade in meiner Branche beschäftigen wir uns viel mit Zuliefererbetreuung, Spezifikationen, Testplänen, Testberichten, Nachweisen etc. Aber wenigstens ist das bei uns auf Geräteebene und nicht auf Bauteilebene. Und wir können auch (manchmal mit Erfolg) vorschlagen, bestimmte Dinge "in house" zu entwickeln und zu fertigen. Also, zusammengefasst: Such dir etwas, was mehr zu deinen Erwartungen passt und überlasse deinem Job jemandem, der mit mehr Eigenverantwortung überfordert wäre oder einfach seine Ruhe haben möchte.
Geh zurück an die Uni. Klingt polemisch, ist es aber nicht. Was du beschreibst ist an vielen Stellen Alltag.
Jep, an der Uni wars für mich auch spannender. Früher selbst entwickelt, war aber eine Klitsche, die die SW Entwicklung nicht richtig verstand. Zu einem Konzern gewechselt, jetzt spezifiziere oder integriere ich Lösungen nur noch. Da man nicht so schlecht verdient, ist es okay, aber ziemlich langweilig. Drum bin ich nebenbei wieder auf der Uni und mache eine Weiterbildung.
Beitrag #5158451 wurde von einem Moderator gelöscht.
Vielleicht verändert es sich noch? Du bist da doch erst 6 Monate. Nicht jedes Projekt kann spannend sein. Vielleicht wird das nächste oder übernächste Projekt genau das, was du suchst. Nicht immer so ungeduldig. ;)
Wenn Du Action willst, musst Du eher in kleinere Unternehmen gehen. Da hast Du dann aber auch deutlich mehr Aufgaben zu bewältigen - das geht bis dahin, dass Du "den Wechselrichter" (oder irgendetwas anderes) komplett selbst entwickeln musst und dir dabei auch niemand hilft. "Forschung" (d.h. es bringt tatsächlich neue Erkenntnisse) hat man in der Wirtschaft wohl eher selten. F&E / R&D hat sich halt so eingebürgert, auch wenn es 10%/90% aufgeteilt sein dürfte.
Mac G. schrieb: > F&E / R&D hat sich halt so eingebürgert, auch wenn es 10%/90% aufgeteilt > sein dürfte. Full Ack... da bin ich früher auch drauf reingefallen. Forschung ist eher zu verstehen als: finde eine Lösung für eine Aufgabe, die so noch nicht bei uns in der Firma vorkam. Zu nehmen sind Lösungen, die möglichst robust, günstig sind und mit wenig Aufwand einhergehen. Das läuft meistens auf eine Recherche hinaus, was es schon so gibt, wie andere das machen und ändert das dann für seine Zwecke ab.
Alexander schrieb: > Ich fühle mich jedenfalls teilweise sehr unterfordert und freue mich > jeden Tag um 16:00 Uhr nach Hause gehen zu dürfen. Was für ein Mimimi auf Kindergartenniveau. Was du beschreibst ist das Alltagsgeschäft von Ingenieuren. Hast du bisher geglaubt kleine Kinder werden vom Storch gebracht? Nie vorher in die Praxis geschnuppert? An Unis lebt man in einer Filterblase und glaubt man gehört zu den geilsten Stechern. Dabei wird dumm gequatscht, lustige Aufsätze veröffentlicht und man kann 99,...% des Erforschten an Unis direkt wegwerfen weil nicht praxistauglich. Jetzt bist du auf der anderen Seite. Da kann man sich keine 99% Ausschuss leisten. Jetzt zeigt sich, ob du ein echter (Dr.-)Ingenieur bist, oder nur ein promovierter Eierkopf. 1. Entwickel dein Bauteil, so dass es wie gefordert 20 Jahre hält 2. Wo bleibt deine Eigeninitiative? Wir haben einen supergeiler Stecher Dr.-Ing., die Krone der deutschen Ingenierwissenschaft. Am besten noch von einer Elite-Uni? Der um 16:00 mit seiner Arbeit fertig ist. Also, was geht? Jetzt mal ran an die weitere Arbeit: a) Wie viele Patente hast du in den sechs Monaten für seinen Arbeitgeber vorgeschlagen? (Wenn der die nicht haben will auch gut, ohne Murren weiter machen) b) Wie viele Verbesserungen in Prozessen, Details, Komponenten, Systemen, etc. hast du vorgeschlagen und (ganz wichtig) in Abstimmung mit Chefs und Kollegen, ohne jemanden auf die Füße zu treten, implementiert? c) Wie viele Vorschläge, Pläne, Skizzen für zukunftsweisende Produkte hast du unterbreitet? d) Wie viele kniffelige Kunden Probleme hast du gelößt? Echte Probleme, die Kunden Sorgen machen und mit deren Lösung dein Arbeitgeber Geld verdienen kann? Wie, du kennst die Probleme der Kunden nicht? e) Wie viel Talent hast du für Leitungsaufgaben (Teams, Projekte) gezeigt? f) Wie viele verkaufsorientierte Aufsätze hast du in Hochglanz-"Flachzangen"-Magazinen, in Abstimmung mit deinem Arbeitgeber, veröffentlicht? Wenn du das alles hast, und dich immer noch langweilst und unterfordert fühlst, dann kannst du an einen Wechsel denken. Also, deine Entscheidung: Echter Ingenieur oder promovierter Eierkopf? Was willst du sein?
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Alexander schrieb: > Daher meine Frage: > Deckt sich mein beschriebener Alltag in F&E (näherungsweise) mit eurem > Alltag? Ist das wirklich etwas, das ich schlichtweg lernen muss zu > akzeptieren? Oder bin ich in einer eher unglücklichen Abteilung > gelandet? > > Ich fühle mich jedenfalls teilweise sehr unterfordert und freue mich > jeden Tag um 16:00 Uhr nach Hause gehen zu dürfen. Du bist ein schlechter Entwickler, wenn du glaubst Entwickeln wäre einfacher als forschen. Denn du vernachlässigst viele wichtigen Dinge einer Entwicklung. Möglicherweise tun das deine Kollegen auch, solche Firmen gibt es ja. Statt einer neuen tollen Regelung für einen Wechelrichter zu erfinden, solltes du dich mal der Herausforderung einer Entwicklung stellen. Dein Prudukt muss: - zuverlässig funktionieren, in Hunderttausenderstückzahlen - zuverlässig funktionieren über den gesamten Temperaturbereich - so dauerhaft sein, wie es im Lastenheft steht - sich kostengünstig produzieren und testen lässt - sämtliche Normen in Hinblick auf Sicherheit und EMV einhalten - Die Bauteile müssen beschaffbar sein, auch nach Jahren, über die Lieferkette deiner Firma, im Preisrahmen des Projektes - Das Teil muss optisch und mechanisch etwas hermachen. Diese Herausforderungen unterschätzt du, und zwar gewaltig. Ebenso das dazu nötige Wissen: - Über Produktionsmethoden - Über Normen und Regelungen - Über die Lieferkette und Lieferanten - Über gängige Preise - Die Aktualität bestimmter Verfahren und Bauteile - Über die Anforderungen deiner Kunden - Detailwissen über Bauteile Auch die Technik an sich ist nicht weniger Anspruchsvoll. Ein verantwortungsbewusster Entwickler muss sämtliche Toleranzen und den gesamten Temperatur / Alterungszeitrahmenb im Blick haben, das interessiert den Forscher nicht die Bohne. Da kann die Auslegung einer simplen LED-Schaltung mit Stromregler schon einmal ein Tage benötigen, wenn man z.B. das Binning berücksichtigen muss oder die Sperrschichttemperatur der LED bei 60° Umgebungstemeratur, oder wenn du zusätzlich einen kleinen Kondensator für -40° benötigst. Der Unterschied ist grob der: Der Forscher liefert im Höchstfall einen Prototypen. Ein guter Ingenieur liefert dir ein fertiges Produkt, dass du mit Gewinn verkaufen kannst. Das Forschung auch wichtig ist, will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber der Fokus in der Industrie liegt halt auf den Produkten. Setz dich hin und lerne. Es gibt viel zu lernen. Es zahlt sich langfristig auch aus, wenn du dich gut auskennst. Entwickeln ist dazu eine Tätigkeit mit höherer Verantwortung als Forschung, es steckt mehr potentieller Schaden dahinter.
@Hannes/Hurra: 100% ACK Für mich ist es genau diese Sorgfalt beim Design, langlebige Produkte in Serie zu bringen die uns von Billiglohnländern NOCH unterscheidet. Ja, und das geht nur durch rechnen, testen, validieren und so zu arbeiten das auch ein Gewinn überbleibt und der Kunde beim nächsten mal wieder um ein Angebot bittet.
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In einer Firma sollte hinreichend schnell genug etwas aus einer Entwicklung rauskommen. Bei laengeren Entwicklungen muss man unbedingt in periodischen Abstaenden einen Fortschritt ausweisen koennen.
Hurra schrieb: > Der Unterschied ist grob der: > Der Forscher liefert im Höchstfall einen Prototypen. > Ein guter Ingenieur liefert dir ein fertiges Produkt, dass du mit Gewinn > verkaufen kannst. That's it. Der Weg zu einem ausgereiften Produkt kann beschwerlich und lang(weilig) sein.
Forschungsarbeit ist auch nicht so rosig. Oft bzw. fast ausschließlich muss man sich Sachen zusammenbasteln, die dann nur halbherzig unter bestimmten Rahmenbedinungen funktionieren, während es aber eben ausgereifte, zuverlässige Produkte längst in der Industrie zu erwerben gibt. Aufgrund des Budges auch verständlich aber als Forschender auch frustrierend. Letztendlich tauscht man begrenzte Mittel gegen Arbeitszeit. Ist in einem gewissen Rahmen auch wiederum nachvollziehbar aber m.E.n. oft unverhältnismäßig. Bei uns wird mehrheitlich auf Biegen und Brechen etwas in Eigenregie entwickelt, was dann etliche Zeit (teils von zwei bis vier Personen) in Anspruch nimmt, um etwas zu erhalten, was nachher quasi nur halb so gut ist, wie ein bestehendes Produkt auf dem Markt. Hat eher etwas von Kompetenzerwerb als wirklich von Forschung. Eigentlich besteht bei uns Forschung daraus die Mittel und Methoden für diese zu produzieren. Forschung selbst ist dann am Ende nur ein kleiner Teil. Vergleiche z.B. CERN und das Higgsteilchen. Der (technische) Aufwand die intellektuelle Leistung eines Einzelnen zu überprüfen übertrifft diese bei weitem. Sofern man das überhaupt sinnvoll in Relation stellen kann. Meine Meinung: Forschung macht vor allem dann Spaß, wenn man (ausschließlich) gute Komponenten aus der Industrie für diese verwendet.
Beitrag #5159610 wurde von einem Moderator gelöscht.
Alexander schrieb: > bin ich in einer eher unglücklichen Abteilung gelandet? sieht so aus Die von dir beschriebenen Tätigkeiten sind eigentlich Aufgaben für Techniker. Sieh dich in den anderen Abteilungen um. Gibt es dort interessantere Aufgaben? Wenn nicht, dann such dir eine andere Firma. In diesem Job stumpfst du ab. Dein Aufwand für Studium und Promotion entwertet schnell. Jeder Tag in diesem Job ist Zeitverschwendung. Als Berufsanfänger sollte man in den ersten Jahren gut gefordert sein - lieber etwas überfordert, als unterfordert.
Alexander schrieb: > Ist das wirklich F&E? Meiner Ansicht nein, weil oftmals die Divise > lautet "Warum etwas ändern, wenn es bereits funktioniert?" Bei Entwicklung will und muss man mit einem begrenzten Zeit- und Kostenramen bleiben und ein zuverlässig funktionierendes Produkt liefern. Das erreicht man eben auch, indem man erprobte Baugruppen weiterverwertet, verbessert oder anpasst. Als Faustregel gilt bei uns, dass, wenn das Funktionsmuster "auf dem Steckbrett" läuft etwa 5% der Entwicklungsarbeit getan sind. Die restlichen 95% der Arbeitszeit werden benötigt um das Produkt idiotensicher, fertigungsgerecht, benutzerfreundlich und zuverlässig zu machen.
Karl schrieb: > Geh zurück an die Uni. > Klingt polemisch, ist es aber nicht. Was du beschreibst ist an vielen > Stellen Alltag. Ja, das ist so. Es wird sehr wenig geforscht, das Meiste ist Umsetzung, also Probleme des Alltags lösen. Dazu gehören eben die Kämpfe mit den Lieferanten, den anderen Kollegen und Abteilungen und das Herumärgen mit allerlei sonstigen Schwierigkeiten. Dazu kommt die Handhabung der Prozesse, gesetzlicher Regelungen, Wünsche des Projekt- und Produktmanagements sowie der vielen Optimierer und Kostensparer. Ingenieur sein, bedeutet auch immer mehr, Politiker zu sein und eine Balance zwischen Technik und Machbarkeit zu finden und dies den unterschiedlichen Stellen entsprechend zu verkaufen. Und alle paar Jahre rechnet man dann noch eine Schaltung durch und schreibt 6 Wochen Doku, damit der Patentanwalt es verklausulieren und einreichen kann.
Hallo an alle, vielen Dank für eure Rückmeldungen. Ich finde es gut, einerseits Bestätigung in meiner Ansicht zu finden (so dass ich also durchaus mit meinem Vorgesetzten über meine persönliche Entwicklung/Zukunft in der Firma sprechen kann). Andererseits freue ich mich aber auch, eure kritischen Fragen zu lesen, weil es mir hilft, mich selbst und meine gegenwärtige Position besser zu reflektieren. Bevor ich auf einige Beiträge detailiert eingehe, eines vorweg: Forschung ist ein Begriff, bei dem man vorsichtig sein sollte, um Missverständnisse zu vermeiden. Ich sehe mich nicht in der Forschung, um etwas zu erarbeiten, was letztendlich keinen Mehrwert bringt und in der Bibliothek verstaubt. Interessante (basierend auf meiner Erfahrung als Doktorand und mit Gesprächen der Industrie auf Konferenzen und Fachtagungen) Themen, die man unter dem Begriff Forschung einreihen kann, könnten z.B. sein: - Was sind die gegenwärtigen (grundlegenden) Probleme in Produkten, und wie kann man diese lösen? Z.B.: - Ist die Verlustleistung für die gegebenen Spezifikationen zu hoch, und es gibt es dadurch thermische Probleme, wie kann man das in den Griff bekommen? Ist es wirklich ein cleverer Ansatz, einfach den Kühlkörper zu vergrößern, oder könnte man die Verlustleistung mindern (durch bessere Ansteuerung der Schalter, durch eine neue Topologie etc.)? - Wo liegt das Optimum im Design hinsichtlich Verluste, Leistungsdichte, Gewicht, Kosten? - Wie kann man die EMV besser in den Griff bekommen? Ist es der clevere Ansatz, das Filter einfach zu vergrößern oder könnte man die EMV auch auf anderen Ebenen bekämpfen? usw. usf. Auf einige Beiträge möchte ich gezielt hinaus: Hannes J. schrieb: > Nie vorher in die Praxis geschnuppert? Doch, habe ich. War vorher in der Solarbranche tätig, und habe zwei Firmen von innen gesehen, ebenfalls F&E. Es war in der Vorentwicklung, in denen Ideen generiert und in Prototypen umgesetzt wurden. Wenn die entsprechenden Ergebnisse zur Zufriedenheit führten, wurde der Prototyp in ein richtiges Produkt überführt. Dabei wurden verschiedene/neue Topologien patentiert, oder mit SiC/GaN gearbeitet (das war vor ca. 10 Jahren). Es wurden auch diverse Promotionen gefördert in enger Zusammenarbeit mit der ansässigen Universität. > An Unis lebt man in einer Filterblase und glaubt man gehört zu den > geilsten Stechern. Dabei wird dumm gequatscht, lustige Aufsätze > veröffentlicht und man kann 99,...% des Erforschten an Unis direkt > wegwerfen weil nicht praxistauglich. Dem stimme ich teilweise zu. Viele Veröffentlichungen (einschließlich ein paar meiner eigenen) sind wenig zu gebrauchen. Dennoch gibt es viele gute Veröffentlichungen, die durchaus in der Praxis anwendung finden sollten. > > Jetzt bist du auf der anderen Seite. Da kann man sich keine 99% > Ausschuss leisten. Jetzt zeigt sich, ob du ein echter (Dr.-)Ingenieur > bist, oder nur ein promovierter Eierkopf. So wie es momentan aussieht, bin ich irgendwas dazwischen. Bei einigen wenigen Themen brauche ich definitiv Rückmeldung und Unterstützung von meinen Kollegen. Vieles liegt aber eher darin, Materialien für den Einkauf genau zu spezifizieren, so dass der Lieferant genau weiß, was er wie zu verwenden hat. Und dann muss ich mit unserer Produktion Rücksprache halten, ob die neue Komponente in unsere Maschinen für die Serienproduktion passt, oder ob unsere Produktion die Maschine dafür erweitern muss. > > 1. Entwickel dein Bauteil, so dass es wie gefordert 20 Jahre hält Dadurch, dass es eine Wiederverwendung eines alten Designs ist (mit geringen Modifikationen hinsichtlich SMD Widerständen und SMD Kondensatoren), gehe ich davon aus, dass die 20 Jahre eingehalten werden. > 2. Wo bleibt deine Eigeninitiative? Eigeninitiative hinsichtlich was? Ich habe mit meinem Chef bereits darüber geredet, dass ich meine Stärken auf anderen Themengebieten sehe. Momentan ist dafür leider kein Spielraum, da nicht interessant. Eigeninitiative hinsichtlich einer Verbesserung meiner Komponente habe ich bereits gebracht. Es gab immense EMV Probleme, die das Risiko erhöhten, dass zwei IGBTs gleichzeitig durchschalten und den Zwischenkreis kurzschließen. Meine Idee zur Verbesserung wurde untersucht und anerkannt. Das hat die ersten 2 Wochen meiner Arbeit eingenommen, und war im Prinzip eine spannende Zeit. Da habe ich durchaus mein Gehirn ein wenig gebrauchen können. Meine Idee wird nun gegenwärtig ins neue Produkt eingesetzt, und meine Komponente muss entsprechend qualifiziert werden (Funktionstest etc.). > Am besten noch von einer Elite-Uni? Keineswegs. Ich bin definitiv kein Überflieger. > a) Wie viele Patente hast du in den sechs Monaten für seinen Arbeitgeber > vorgeschlagen? (Wenn der die nicht haben will auch gut, ohne Murren > weiter machen) 0. Um Patente anzumelden/vorzuschlagen (die auch akzeptiert werden), muss man erstmal ein wenig Nährboden dafür haben - eine Art Technologieprojekt. Das nimmt Zeit in Arbeit und bedarf meist gewisse Vorarbeit (Idee->Simulation->Laboraufbau->Messung->Bei Erfolg Patentanmeldung) Meine Komponente beruht auf einem 10 Jahre alten Design, dem Beachtung lediglich geschenkt wird, wenn es wirklich muss. (-> Funktioniert es im neuen Produkt? Wenn ja, dann gut. Wenn nein, dann finde eine Lösung, dass es funktioniert) An meiner Universität habe ich zwei Ideen für Patentanmeldungen beim Patentamt in München eingereicht. Die werden beide gegenwärtig untersucht. > > b) Wie viele Verbesserungen in Prozessen, Details, Komponenten, > Systemen, etc. hast du vorgeschlagen und (ganz wichtig) in Abstimmung > mit Chefs und Kollegen, ohne jemanden auf die Füße zu treten, > implementiert? Wir haben eine Excel Liste, in der wir unsere Ideen eintragen sollen. Die Chefs gucken sich die Listen hin und wieder an, und wenn eine Idee vielverprechend klingt, wird ein Case Study eingeführt. In diese Liste habe ich: Vorgeschlagen: 8 Ideen / Verbessungen Implementiert: 1 (Reduktion der EMV Problematik) - damit es für das neue Produkt qualifiziert werden kann. > > c) Wie viele Vorschläge, Pläne, Skizzen für zukunftsweisende Produkte > hast du unterbreitet? Siehe Punkt B). 8 > d) Wie viele kniffelige Kunden Probleme hast du gelößt? Echte > Probleme, die Kunden Sorgen machen und mit deren Lösung dein Arbeitgeber > Geld verdienen kann? Wie, du kennst die Probleme der Kunden nicht? Der Kunde sieht lediglich die Anlage, die ihm 20 Jahre lang Geld einbringen soll. Er weiß vermutlich nicht, was ein Umrichter ist. Ich habe Ideen eingebracht, die den Wirkungsgrad und das thermische Verhalten des Umrichters verbessert. Es wurde sich allerdings dazu entschieden, den Kühlkörper stattdessen zu vergrößern. > e) Wie viel Talent hast du für Leitungsaufgaben (Teams, Projekte) > gezeigt? Innerhalb von 2 Wochen habe ich ein Problem gelöst, das jetzt Anwendung für das kommende Produkt findet. > f) Wie viele verkaufsorientierte Aufsätze hast du in > Hochglanz-"Flachzangen"-Magazinen, in Abstimmung mit deinem Arbeitgeber, > veröffentlicht? Ich darf leider nicht veröffentlichen.
Alexander schrieb: > Der Kunde sieht lediglich die Anlage, die ihm 20 Jahre lang Geld > einbringen soll. Er weiß vermutlich nicht, was ein Umrichter ist. > Ich habe Ideen eingebracht, die den Wirkungsgrad und das thermische > Verhalten des Umrichters verbessert. Es wurde sich allerdings dazu > entschieden, den Kühlkörper stattdessen zu vergrößern. Das ganze ist immer eine Abwägung zwischen Aufwand und Nutzen. Bei einem Kleinserienprodukt (Windkraftanlage...) muss man sich eben überlegen, ob man jetzt wirklich 100+X k€ investieren will, nur um einen besonders verlustarmen Umrichter zu entwickeln. Zumal so eine Neuentwicklung wesentlich länger dauert wie nur einen größeren Kühlkörper dranzuschrauben. Vermutung: größere Kühlkörper sind wirtschaftlicher wie eine besonders effiziente Neuentwicklung des Umrichters mit allem was dazugehört. Es gibt sie eben, die wirtschaftlichen Zwänge und den Termindruck. Alexander schrieb: > Es war in der Vorentwicklung, > in denen Ideen generiert und in Prototypen umgesetzt wurden. Wenn die > entsprechenden Ergebnisse zur Zufriedenheit führten, wurde der Prototyp > in ein richtiges Produkt überführt. Tja, jetzt halt nicht mehr Vorentwicklung sondern die Kunst aus einem funktionsfähigen Prototypen ein fertigungsgerechtes Serienprodukt herzustellen. Anderer Tätigkeitsbereich, andere Aufgaben, andere Schwierigkeiten. Isshaltso...
wurstulli schrieb: > That's it. Der Weg zu einem ausgereiften Produkt kann beschwerlich und > lang(weilig) sein. Aber Forschung doch auch. Ewige Testreihen.
Alexander schrieb: > Hannes J. schrieb: > Dadurch, dass es eine Wiederverwendung eines alten Designs ist (mit > geringen Modifikationen hinsichtlich SMD Widerständen und SMD > Kondensatoren), gehe ich davon aus, dass die 20 Jahre eingehalten > werden. Du GEHST DAVON AUS? Du hast keine gesicherten Erkenntnisse darüber? >> 2. Wo bleibt deine Eigeninitiative? > Eigeninitiative hinsichtlich was? Du sagst du hast um 1600 Feierabend. D.h. du könntest jeden Tag ein bis zwei Stunden dranhängen um Probleme zu finden und zu lösen. Wenn du es symbolisch magst, du bist das Dr.-Rennpferd im Stall der Firma. Jeden Tag mal ein paar Runden auf der Rennbahn drehen sollte drin sein. > Eigeninitiative hinsichtlich einer Verbesserung meiner Komponente habe > ich bereits gebracht. Es gab immense EMV Probleme, die das Risiko > erhöhten, dass zwei IGBTs gleichzeitig durchschalten und den > Zwischenkreis kurzschließen. Und? Wie viel Zeit(ab 1600) hast du rein gesteckt um die EMV-Probleme wenigstens zu verstehen, vielleicht sogar zu lösen? > Um Patente anzumelden/vorzuschlagen (die auch akzeptiert werden), muss > man erstmal ein wenig Nährboden dafür haben - eine Art > Technologieprojekt. Das nimmt Zeit in Arbeit und bedarf meist gewisse > Vorarbeit (Idee->Simulation->Laboraufbau->Messung->Bei Erfolg > Patentanmeldung) Für ein Patent braucht man ein Problem und einen Lösungsvorschlag, der die berüchtigte Erfindungshöhe hat. Das ist alles. Probleme sind der Nährboten für Patente, nicht Technologieprojekte. Ein Patent ist keine wissenschaftliche Arbeit. Deine ganze Kette stimmt nicht: Problem->Lösung(Idee) mit einer gewissen Höhe->Patentanmeldung. Simulation? Laboraufbau? Etc.? Für keines meiner Patente gab es beim Antrag Messreihen. Simulationen? Mag ich vielleicht gelegentlich gemacht haben, weiß ich nicht mehr. Prototypen, ja, Aber parallel zur Patentarbeit, als normale Entwicklungsarbeit. > Wir haben eine Excel Liste, in der wir unsere Ideen eintragen sollen. > Die Chefs gucken sich die Listen hin und wieder an, und wenn eine Idee > vielverprechend klingt, wird ein Case Study eingeführt. In diese Liste > habe ich: > Vorgeschlagen: 8 Ideen / Verbessungen > Implementiert: 1 (Reduktion der EMV Problematik) - damit es für das neue > Produkt qualifiziert werden kann. Das ist doch schon mal ein Anfang. 1/8 ist nicht schlecht. Statt nur der Excel-Liste würde ich übrigens mit den Leuten reden. Schön Problembewusstsein schaffen und natürlich direkt einen Lösungsvorschlag haben (Chefs mögen keine Probleme ohne Lösung). Der Eintrag in die Excel-Liste ist eine Formalie die man natürlich einhält. Die positive Entscheidung für Verbesserungen in Firmen erfolgt nicht aufgrund überzeugender technischer Werte, die für sich selber sprechen. Sie erfolgen weil Leute die Lösung und den Vorschlagenden mögen. Weil sie einen Vorteil "fühlen" und die beliebtesten Verbesserungsvorschläge sind übrigens die, die Geld sparen. Dazu gleich mehr. > 8 Tue gutes und rede darüber. > Der Kunde sieht lediglich die Anlage, die ihm 20 Jahre lang Geld > einbringen soll. Er weiß vermutlich nicht, was ein Umrichter ist. Das war nicht die Frage. Es geht nicht darum, dass der Kunde lernt was ein Umrichter ist. Das kann und darf ihm sch*ißegal sein. Es geht darum, was für Probleme der Kunde hat. Kennst du die Probleme der Kunden? Kunden sind häufig bereit für die Lösung ihrer Probleme Geld zu bezahlen. Geld ist was Firmen wollen. Kannst du Lösungen für Probleme des Kunden in Form von möglichem Einkommen für deine Firma formulieren? Wie man so schön auf neudeutsch sagt, kannst du einen Business-Case konstruieren? Die technische Lösung (ob am Umrichter oder anderswo) ist dabei nur ein Detail. Nebenbei, du willst doch von den Umrichtern weg? Verstehe das Gesamtsystem. Mit den Problemen des Kunden. Du bist Dr.-Ing., zeige dass du vom Umrichter bis zum Gesamtsystem alles im Griff hast und mehr kannst. Schau dir auch die Probleme der Monteure, der Wartungstechniker etc. an. Bei all deren Problemen kann man mit €€€ argumentieren um eine technische Verbesserung zu begründen. > Ich habe Ideen eingebracht, die den Wirkungsgrad und das thermische > Verhalten des Umrichters verbessert. Es wurde sich allerdings dazu > entschieden, den Kühlkörper stattdessen zu vergrößern. Kann passieren. Hast du nur auf technischer Ebene argumentiert, oder in €€€? Risiko der Änderung (unerwartete Kosten) gegen mögliche Einnahmen abgewogen? > Innerhalb von 2 Wochen habe ich ein Problem gelöst, das jetzt Anwendung > für das kommende Produkt findet. Ist doch schon mal was. Auf zur nächsten Lösung. > Ich darf leider nicht veröffentlichen. Ich meine nicht wissenschaftlich. Firmen halten sich auch Dr.-Ings. damit diese "staatstragend" in Hochglanz-"fach"-Magazinen über Probleme schreiben und natürlich die Firmenprodukte als Lösung vorstellen. Rede mit eurem Marketing wenn es dir zu langweilig ist an Umrichtern zu basteln.
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Hannes J. schrieb: > .....bla..... Selbst wenn er das alles macht.. Und was kriegt unser Dr-Ing dafür von der Firma, wenn er sich so reinhängt? Kann man ja oft feststellen, dass Firmen so ein Engagement gar nicht schätzen, dann steht man nachher da wie der Dumme. Vielleicht gibt's ja eine Gehaltserhöhung von 100 oder 200 € Brutto.
Das Problem ist doch ganz anderer Natur. Alexander ist ja sicher noch ziemlich jung und man wird ihm sicher wegen seines jungen Alters nicht vollends vertrauen. Was ich verstehen kann. Wie viele "tolle Ideen" gab es in der Vergangenheit von jungen Leuten, die nicht langfristig tragen. Alexander muss die älteren Kollegen für seine Ideen gewinnen und das geht nur, wenn er seine Lösungen und Idee in Häppchen erklärt und für seine Ideen bei dem oder den Leitwölf(en) dafür wirbt. Das ist sicher nicht schön für Ihn und mit unter frustrierend, aber so funktionieren die Menschen. Offensichtlich ist er nicht jemand, der nur durch seine Nase begeistern kann.
F. F. schrieb: > Das ist sicher nicht schön für Ihn und mit unter frustrierend, aber so > funktionieren die Menschen. ja, leider. Kenne das. Da hat man eine super Idee, aber die Manager bzw. Chefs können oder wollen es einfach nicht kapieren / verstehen. Das geht nur, in dem man ihre Sprache spricht. Also Vorteile in $$$ besprechen. Erfolgsgarantie gibts natürlich keine, sondern auch Risiken, aber so funktionieren halt Erfindungen, Wagnisse oder mal was Neues. Da braucht es halt Vertrauen in den Mitarbeiter Entwickler Forscher. Von nix kommt nix.
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