Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Thermisches Design mit "modernen" Leistungshalbleitern


von Walter T. (nicolas)


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Hallo zusammen,

ich will ein Gerät mit Schutzart IP41 basteln. Früher™ war thermisches 
Design total einfach (auch wenn für die gleiche Funktion oft deutlich 
mehr Leistung abgeführt werden mußte): Großen Kühlkörper auf die 
Rückseite oder direkt ein Alu-Kühlrippengehäuse, bei Bedarf noch ein 
heatspreader und alle Leistungshalbleiter fein säuberlich aufgereiht 
am Kühlkörper anschrauben oder -klemmen. Damit waren die 
Haupt-Wärmequellen schon einmal versorgt, und für den Rest sorgte die 
Konvektion im Gehäuse.

Bei aktuellen IC-Gehäusen muß ja die Leiterplatte fast die komplette 
Wärmeabfuhr leisten. Konkret habe ich Leistungshalbleiter im PowerSO36-, 
HTSSOP28- und im TO-263-Gehäuse. Für die PowerSO36-Packages hat STM eine 
nette Application Note auch für normale doppelseitige Leiterplatten. Für 
HTSSOP28 habe ich bislang noch nichts Derartiges gefunden.

Ingesamt bedeutet die Wärmeabfuhr über die Leiterplatte ja, daß 
sämtliche Wärme aus dem Gehäuse über die Konvektion der Luft im Inneren 
erfolgen muß, d.h. die Lufttemperatur gegenüber dem konventionellen 
Design steigt. Damit ist natürlich auch die Temperaturfestigkeit von 
Kondensatoren etc. ein wichtigerer Punkt.

Kurz und gut: Ich muß alles, was ich über thermisches Design weiß, neu 
lernen.

Wer kann mir "Design Guides" oder ähnliches empfehlen?

Viele Grüße
W.T.

von Falk B. (falk)


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@ Walter Tarpan (nicolas)

>Bei aktuellen IC-Gehäusen muß ja die Leiterplatte fast die komplette
>Wärmeabfuhr leisten.

Jain.

>Ingesamt bedeutet die Wärmeabfuhr über die Leiterplatte ja, daß
>sämtliche Wärme aus dem Gehäuse über die Konvektion der Luft im Inneren
>erfolgen muß,

Nicht unbedingt. Man kann auch über eine thermische Zwischenkupplung 
(Aluklotz) von der Unterseite der Platine auf einen Kühlkörper 
gehen. Damit geht der Hauptanteil der Wärme über Wärmeleitung nach 
außen.

von Walter T. (nicolas)


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Falk B. schrieb:
> Nicht unbedingt. Man kann auch über eine thermische Zwischenkupplung
> (Aluklotz) von der Unterseite der Platine auf einen Kühlkörper
> gehen.

Das war auch mein erster Gedanke. Und mein zweiter Gedanke war: "Das 
Problem 'thermisches Design' ist sicherlich häufig genug, daß es 
bestimmt fundierte Informationen dazu gibt, wenn man weiß, wo man suchen 
muß."

von Harald W. (wilhelms)


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Walter T. schrieb:

> "Das Problem 'thermisches Design' ist sicherlich häufig genug, daß es
> bestimmt fundierte Informationen dazu gibt, wenn man weiß, wo man suchen
> muß."

Nun, die Berechnung über Addition von Wärmewiderständen hat sich
seit Jahrzehnten nicht verändert.

von Walter T. (nicolas)


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Harald W. schrieb:
> Nun, die Berechnung über Addition von Wärmewiderständen hat sich
> seit Jahrzehnten nicht verändert.

Hm. Wenn jemand, der Wärmewiderstände berechnen kann, dadurch zum 
Designer für thermische Systeme wird, dann wird auch jemand, der Farbe 
mischen kann, zum Maler.

Ich suche nach Gestaltungstipps und -regeln. Ich suche nicht nach 
Berechnungsgrundlagen. Die sind vorhanden.

von Harald W. (wilhelms)


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Walter T. schrieb:

> Ich suche nach Gestaltungstipps und -regeln.

Einen Tipp, nämlich externe Kühlkörper zu verwenden, hast Du weiter
oben ja schon bekommen. Allgemeine Gestaltungstipps wirst Du nicht
finden, dazu sind die Geräte zu unterschiedlich.

von Boris O. (bohnsorg) Benutzerseite


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Möchtest du wirklich für 2W Verlustleistung ein Kompendium verfassen? 
Früher musste, wie du schon ausführtest, mehr Verlustleistung abgeführt 
werden. Ein 10W-Class-D-Verstärker passt in ein 20-poliges DIL-Gehäuse 
und wenn du es kühl magst, klebst du einen DIL-Kühlkörper obenauf. Dann 
geht der Verstärker auch bei 70°C noch zuverlässig ohne thermische 
Begrenzung.

Ein 2kW Wechselrichter mit ordentlich MOSFETs in der H-Brücke ist schon 
ein ganz anderes Kaliber. Da geht es um die schnelle Abführung, nicht 
die große Wärmekapazität. Nach Platine mit Alukern bleibt nicht mehr 
viel Verlustleistung übrig und ein Aluminiumgehäuse genügt vollauf, 
10-20°C über der Umgebungstemperatur zu bleiben.

Es hindert dich auch nichts daran, weiterhin TO-220-MOSFETs einzusetzen, 
wenn anders Wärme abgeführt werden muss. Du darfst auch heute noch 
TO-3-Transistoren für die Stromerhöhung eines Linearreglers a la LM317 
verwenden.

Die meisten thermischen Designs werden simuliert, vulgo: es gibt 
Software dafür. Alles darunter geht mit Fläche zu erschlagen. Wenn du 
Schaltungen hast, bei denen die Frage nach gefüllten oder ungefüllten 
Vias wichtig wird, solltest du deine ohnehin schon stattfindenden 
Schaltungssimulationen um thermische ergänzen.

(Die wenigsten Bastler erstellen Schliffbilder ihrer Elektronik, um das 
Problem im Lötprozess auszuschließen, d.h. ordentlichen Wärmekontakt 
zwischen thermal pad und PCB zu untersuchen. 's wird halt nochmal im 
Ofen gebacken oder mit dem Lötkolben von unten nachgeheizt.)

von Walter T. (nicolas)


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Boris O. schrieb:
> Möchtest du wirklich für 2W Verlustleistung ein Kompendium verfassen?

Nein, ich will ein Kompendium lesen.

Boris O. schrieb:
> Nach Platine mit Alukern bleibt nicht mehr
> viel Verlustleistung übrig

Ab welchem Wärmestrom ist eine Leiterplatte mit Alukern sinnvoll? Bis 
wann geht FR4? Bis wann geht FR4 ohne Supply Layer?


Beispiel:

TB6560AHQ im HZIP25-P-Gehäuse. Verlustleistung (grob) 5W. 
Temperaturgrenze 85°C. Wärmewiderstand 37°C/W. Wird direkt an einen 
Kühlkörper oder Heatspreader geschraubt. Damit heizt er sich und den 
Innenraum marginal auf. Ein Becherelko mit 85°C-Rating fühlt sich einen 
halben Daumenbreit daneben pudelwohl.

L6474 im POWERSO36-Gehäuse. Verlustleistung (maximal) 5W. 
Temperaturgrenze 150°C bei einem Wärewiderstand von 12°C/W (zum Ground 
Pad). Eine sinnvolle thermische Anbindung sieht völlig anders aus als 
beim HZIP25-Gehäuse. Zum Glück gibt es für dieses Package eine 
entsprechende Application Note. Wahrscheinlich ist in einer ganzen 
Daumenbreite ein Elko mit  dem 150°C-Rating nicht komplett fehl am 
Platz.

Es ist völlig in Ordnung, wenn euch das Thema nicht interessiert. Mich 
interessiert es.

von Harald W. (wilhelms)


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Walter T. schrieb:

> TB6560AHQ im HZIP25-P-Gehäuse. Verlustleistung (grob) 5W.
> Temperaturgrenze 85°C. Wärmewiderstand 37°C/W.

Da reicht etwas Kopfrechnen, um zu merken, das das nicht passt.

von Walter T. (nicolas)


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Harald W. schrieb:
> Da reicht etwas Kopfrechnen, um zu merken, das das nicht passt.

Wie auch immer Du Leistung, Junction-Wärmeübergangskoeffizient und 
Gehäusetemperatur im Kopf zusammenrechnen willst.


Das war aber auch alles nicht die Frage. Ich suche nach Designtipps für 
Baugruppen mit modernen Leistungshalbleitern.

von MiWi (Gast)


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Walter T. schrieb:

> Das war aber auch alles nicht die Frage. Ich suche nach Designtipps für
> Baugruppen mit modernen Leistungshalbleitern.

Warum löcherst Du nicht Fischer, Kunze und wie sie alle heißen mit 
diesen Fragen? Irgendwer von diesen Kühlungsspezialisten wird doch auf 
der Website oder im direkten Gespräch auf entsprechende Lieteratur 
verweisen....

Und ja, das Thema ist aktuell... Sonst würde es keine brauchbare 
Simulationssoftware dazu geben (Irgendwein Addon zu Solidworks und zB. 
das tool mit dem Fischer seine KK berechnen läßt)

iaW: Wende Dich an die und nicht an die Meute, die liebend gerne Fragen 
als nicht nötig ansieht oder sonst wie in der Luft zerreißt...


MiWi

von Conny G. (conny_g)


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Walter T. schrieb:
> Harald W. schrieb:
>> Da reicht etwas Kopfrechnen, um zu merken, das das nicht passt.
>
> Wie auch immer Du Leistung, Junction-Wärmeübergangskoeffizient und
> Gehäusetemperatur im Kopf zusammenrechnen willst.
>
>
> Das war aber auch alles nicht die Frage. Ich suche nach Designtipps für
> Baugruppen mit modernen Leistungshalbleitern.

Scheint so als hätte niemand Ahnung davon.

von Schreiber (Gast)


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Conny G. schrieb:
> Scheint so als hätte niemand Ahnung davon.

1. die alten Regeln gelten noch immer, Wärmewiderstand, Kühlkörper
2. es gibt Software, die das Simulieren kann
3. Prototyp bauen und Nachmessen

Walter T. schrieb:
> Ab welchem Wärmestrom ist eine Leiterplatte mit Alukern sinnvoll? Bis
> wann geht FR4? Bis wann geht FR4 ohne Supply Layer?

Abhängig von angestrebter Lebensdauer und Zuverlässigkeit, 
Umgebungstemperatur, Platinendesign, verwendeten Bauteilen und vielem 
mehr.

von Clemens L. (c_l)


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"AN-1520 A Guide to Board Layout for Best Thermal Resistance for Exposed 
Packages": http://www.ti.com/lit/pdf/snva183

von Michael B. (laberkopp)


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Walter T. schrieb:
> Kurz und gut: Ich muß alles, was ich über thermisches Design weiß, neu
> lernen.

Na ja, es gibt die interessamte Aussage (von Douglas Self), daß beim TO3 
Gehäuse wenn es waagerecht auf einem Kühlkörper montiert ist, die Kappe 
heisser ist als der Flange, also Boden.

Das bedeutet, daß die Konvektion schon im TO3 Gehäuse so gut sein muss, 
das es die Wärme besser vom Kristall zum Deckel führt als die Wärme vom 
Kristall über den Boden zum Deckelblech (und natürlich weil Wärmeleitung 
bidirektional ist auch zurück zum Flange) geführt wird.

Sprich: Konvenktion wird unterschätzt.

: Bearbeitet durch User
von Walter T. (nicolas)


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Michael B. schrieb:
> daß beim TO3
> Gehäuse wenn es waagerecht auf einem Kühlkörper montiert ist, die Kappe
> heisser ist als der Flange, also Boden.

Nö, das heißt im Gegenteil sogar einfach, daß die Luft fabelhaft 
isoliert.

von Walter T. (nicolas)


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Michael B. schrieb:
> Na ja, es gibt die interessamte Aussage (von Douglas Self), daß beim TO3
> Gehäuse wenn es waagerecht auf einem Kühlkörper montiert ist, die Kappe
> heisser ist als der Flange, also Boden.

Mir noch über Nacht eingefallen: Wenn Du mit dem Rücken auf dem 
Fliesenboden liegst und Dir eine Daunenstecke über den Bauch legst, ist 
Dein Rücken kälter als Dein Bauch.


Und bevor ein Forenteilnehmer den blöden Spruch bringt: Nein, das 
liegt nicht daran, daß Wärme nach oben steigt.

Clemens L. schrieb:
> "AN-1520 A Guide to Board Layout for Best Thermal Resistance for Exposed
> Packages": http://www.ti.com/lit/pdf/snva183

Danke! Das kannte ich zwar schon, geht aber genau in die Richtung, was 
ich suche.

: Bearbeitet durch User
von Walter T. (nicolas)


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Guten Morgen,

ich bin gerade durch Zufall per Google-Suche auf meinen alten Thread 
gestoßen und habe gemerkt, daß ich immer noch nach dem gleichen suche 
wie damals.

Kennt jemand gute Application Notes oder Beispiele für thermisches 
Design bei der Verwendung moderner Halbleiter (beispielsweise Power 
SOT), die sich nicht mehr an einen Kühlkörper schrauben lassen?

Die Application Note, die oben verlinkt war, ist nicht übel, behandelt 
aber nur, wie ich die Wärme aus dem Bauteil in die Leiterplatte bekomme. 
Der Teil, wie ich Wärme aus der Leiterplatte aus dem gekapselten Gehäuse 
am besten wieder heraus bekomme, fehlt.

: Bearbeitet durch User
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