Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Frage zu Kapazitätsdrift von X7R-Kondenssatoren


von Johannes E. (cpt_nemo)


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Hallo,

dass sich die Kapazität von X7R-Kondensatoren ändert, wenn eine Spannung 
angelegt wird ist soweit klar. Auch dass X7R-Keramiken einen gewissen 
Altererungseffekt haben, ist zumindest bei Wikipedia beschrieben.

Ich habe Vergleichsmessungen an Kondensatoren von verschiedenen 
Herstellern gemacht (alle 4,7 µF, Spannungsfestigkeit 25 V oder 50 V, 
Gehäuse 1206).

Dabei ist mir aufgefallen, dass bei allen Bauteilen die Kapazität über 
einen Zeitraum von mehreren Stunden absinkt, wenn man eine Bias-Spannung 
anlegt, bei der Messung wurde 15 V als Bias-Spannung verwendet.

Es war z. B. bei einer Messung so, dass die Kapazität ohne Bias-Spannung 
4,5 µF war und direkt nach dem Einschalten der Spannung ist die 
Kapazität auf 2,5 µF gesunken. Die Kapazität ist dann relativ langsam 
immer weiter gesunken und hat sich nach längerer Zeit (> 30 Minuten) 
dann bei etwa 1,2 µF stabilisiert.

Wenn man den Kondensator umdreht, so dass die Bias-Spannung in die 
andere Richtung angelegt wird, geht die Kapazität im ersten Moment hoch 
auf deutlich oberhalb von 3 µF und sinkt dann mit der Zeit auch wieder 
auf 1,2 µF ab.

Was weiterhin auffällig war, dass sich Kodensatoren von 
unterschiedlichen Herstellern sehr stark unterschieden hatten; der beste 
war auch nach mehreren Sunden noch bei ca. 2,5 µF.

Mich würde interessieren, was der physikalische Hintergrund ist, also 
warum die Kapazität über so einen langen Zeitraum erst einschwingt.

Interessant ist auch, dass man zu diesem Effekt im Internet irgendwie 
gar keine Informationen findet oder ich habe einfach nur die falschen 
Suchbegriffe verwendet...

: Bearbeitet durch User
von Mac G. (macgyver0815)


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Wie sieht denn der Messaufbau aus?

von Hmm (Gast)


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Sehr interessant!

Auf die schnelle hätte ich folgendes gefunden:
http://www.kemet.com/Lists/TechnicalArticles/Attachments/191/Why%2047%20uF%20capacitor%20drops%20to%2037%20uF-%2030%20uF-%20or%20lower.pdf

Siehe S11.

Für die dielektrika gibts eine Hysteresekurve, wie man sie von 
magnetischen Materealien kennt. Da gibts also auch eine 
Koerzitivfeldstärke. Wenn der Kondensator also einem DC-Bias ausgesetzt 
war, dann die Spannung weg ist, bleibt das Dielektrikum teilweise 
"ausgerichtet".
Das müsste man dem Kondensator anmerken, wenn die angelegte AC-Spannung 
nicht ausreicht, um das Dielektrikum zurückzusetzen.

Der Effekt wird, soweit mir bekannt, auch bei FRAMs ausgenutzt.

Der Effekt erklärt das Verhalten ganz gut. Das erklärt aber nicht, warum 
das so lange dauert. Da muss ich auch passen.

von Klaus R. (klara)


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Johannes E. schrieb:
> Interessant ist auch, dass man zu diesem Effekt im Internet irgendwie
> gar keine Informationen findet oder ich habe einfach nur die falschen
> Suchbegriffe verwendet...

Solch ein Verhalten habe ich noch in keinem Datenblatt gesehen. Die 
Verminderung der Kapazitäten ist dort hinreichend beschrieben und 
wesentlich geringer als von Dir geschildert.
https://www.wima.de/en/our-product-range/smd-capacitors/smd-pen/dielektrika-vergleich/

Mac G. schrieb:
> Wie sieht denn der Messaufbau aus?

mfg klaus

von (prx) A. K. (prx)


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von m.n. (Gast)


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von Gerald B. (gerald_b)


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Die Kondensatorkeramiken sind den Piezokeramiken von der chemischen 
Zusammensetzung sehr ähnlich. Demzufolge treten als "Nebenwirkung" 
parasitär an einem Kondensator auch piezoelektrische Effekte auf. Zu 
Piezokeramiken gibt es ein interessantes Dokument:
http://www.keramverband.de/keramik/pdf/05/sem05_04.pdf
Lies das mal "zwischen den Zeilen", dann sind einige der von dir 
beobachteten Effekte besser erklärbar. Die Kapazitätsabnahme könnte 
durch Polarisation und Ausrichtung der Domänen erklärbar sein.
Dafür spricht auch, da bei Keramikkondensatoren piezoelektrische 
Eigenschaften direkt beobachtbar sind. Nicht umsonst wird vom Einsatz 
von kochkapazitiven Keramikkondensatoren im Signalweg von HiFi 
Verstärkern wegen Mikrofonieeffekten abgeraten. Einen zirpenden 
Scheibenkondensator hatte ich ebenfalls mal, der wie ein Piezoschwinger 
Krach machte :-)

von Hmm (Gast)


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m.n. schrieb:
> A. K. schrieb:
>> https://www.maximintegrated.com/en/app-notes/index...
>
> Sehr lesenswert!

Aber am Thema vorbei.
Der Umstand, dass Kerkos ein DC-Bias haben ist trivial.

von Lurchi (Gast)


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In der Ferroelektrischen Keramik bilden sich Domänen aus in denen die 
Dipole grötenteils parallel ausgerichtet sind. Wenn so eine Domäne erst 
einmal voll parallel zum externen Feld ausgerichtet ist, kann sie nicht 
mehr wesentlich zur differentiellen Kapazität beitragen. Das Ausrichten 
findet einmal schnell durch das anlegen der Spannung statt, aber zum 
Teil auch noch mal verzögert, wenn die Spannung längere Zeit anliegt.

Die Art der Messung hat ggf. auch einen Einfluss. Vermutlich dürfte mit 
einer eher kleinen AC Amplitude überlagert zur DC Spannung gemessen 
werden. Das gibt dann die differentielle Kapazität.

von (prx) A. K. (prx)


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Hmm schrieb:
> Aber am Thema vorbei.
> Der Umstand, dass Kerkos ein DC-Bias haben ist trivial.

Und dem Fragesteller auch bekannt? Es geht um ihn, nicht um dich.

Dein Link ist sehr gut. Viel umfassender und detailliert bis runter in 
den inneren Aufbau. Meiner ist dafür kurz und auf dem Punkt. Oder siehst 
du eine andere Ursache als den Bias?

: Bearbeitet durch User
von Hmm (Gast)


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A. K. schrieb:
> Hmm schrieb:
>> Aber am Thema vorbei.
>> Der Umstand, dass Kerkos ein DC-Bias haben ist trivial.
>
> Und dem Fragesteller auch bekannt? Es geht um ihn, nicht um dich.

Offensichtlich, denn ich zitiere mal:

>dass sich die Kapazität von X7R-Kondensatoren ändert, wenn eine Spannung
>angelegt wird ist soweit klar.

Für mich ist das eindeutig - dem Autor ist die Problematik klar.

Im Ernst: Das sind grundlegende Dinge, die ein Entwickler / Bastler 
wissen MUSS. Kein Mensch kann hochkapazitive Klasse-II-Kerkos richtig 
verwenden, ohne diesem Umstand Rechnung zu tragen.

Es ist keine Seltenheit, dass ein 10µ-10V-Kerko bei 5V nur noch die 
halbe Kapazität hat. Dazu ist es zwingend, die Datenblätter zu sichten, 
und fallweise mehr oder andere verbauen.

Wer das nicht tut, baut Pfusch zusammen.

von Gerald B. (gerald_b)


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Hinterher klug reden, ist einfach.
Ich habe mir etliche der geposteten Links angesehen und war bei dem Link 
von Maxim schon überrascht, das nicht nur die angegebene 
Maximalspannung, sondern auch noch die mechanische Baugröße einen 
wesentlichen Einfluss auf den zu erwartenden Kapazitätsverlust hat. ist 
für mich aber weniger das Problem, da ich ohnehin nur Bauform 1206 und 
1210 verbaue.

von Hmm (Gast)


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Gerald B. schrieb:
> Hinterher klug reden, ist einfach.
> Ich habe mir etliche der geposteten Links angesehen und war bei dem Link
> von Maxim schon überrascht, das nicht nur die angegebene
> Maximalspannung, sondern auch noch die mechanische Baugröße einen
> wesentlichen Einfluss auf den zu erwartenden Kapazitätsverlust hat. ist
> für mich aber weniger das Problem, da ich ohnehin nur Bauform 1206 und
> 1210 verbaue.

Das ist leider wirklich zwingend nötiges Grundwissen. Jeder verwendet 
MLCC im µF-Bereich in der Versorgung. Darum kommt man gar nicht herum.
Und katastrophale DC-Bias-Charakteristiken mit 90% Kapazitätsverlust 
sind gar nicht so selten.

Wer seine Schaltungen auch wirklich ernsthaft in Betrieb nimmt, wird 
über das Problem irgenwann stolpern. Spätesten bei einem Lastwechseltest 
beim Schaltnetzteil, oder einem schwingenden Linearregler.

Viele Hersteller bieten Hilfeleistungen bei dieser Sache an. Beipiel:
http://ksim.kemet.com/Plots/SpicePlots.aspx
Einen Typ herauspicken, dann kann man das nachkucken.

--> Einen Kondensator auswählen ist nicht nur "22µF -> passt"...
Das ist eines der schwierigeren Dinge bei Schaltnetzteilen, und ist 
genauso wichtig wie die Wahl der richten MOSFET oder Spulen.

Das Problem bei solchen Dingen ist allerdings, dass die Hersteller nicht 
gerade offen mit solchen Schwächen umgehen. Daher hilft nur: Lesen, 
lesen, lesen...

von Falk B. (falk)


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@ Gerald B. (gerald_b)

>für mich aber weniger das Problem, da ich ohnehin nur Bauform 1206 und
>1210 verbaue.

Warst du mal Maurer? Oder warum verbaust du solche Ziegelsteine? ;-)

von Gerald B. (gerald_b)


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Hmm schrieb:
> Das ist leider wirklich zwingend nötiges Grundwissen.

Für Entwickler, die sowas täglich machen, sicherlich. Nur kommmt man 
nicht als Entwickler auf die Welt ;-)
Um so befremdlicher ist das Auseinanderdriften von Profis und "Makern" 
Einerseits wird das Design immer komplexer, das Angebot von am Markt 
befindlichen Bauelementen fächert sich immer breiter auf und in der 
Makerszene wird irgendwas "zusammengekloppt", Hauptsache es funktioniert 
irgendwie.
Früher gab es Elkos, Folienkondensatoren und Keramikkondensatoren - 
fertig! Dann kamen Low ESR Typen, 105°, dann 125° Typen, 
unterschiedliche MBTF, Gel-Elkos und und und... Bei anderen Bauelementen 
sieht es nicht besser aus.
Gleichzeitig schwindet aber subjektiv gesehen, die Bereitschaft sich in 
diese immer komplexeren Zusammenhänge einzulesen.
Früher wurde das Thema Abblockkondensatoren in jedem guten 
Schaltkreisbastelbuch behandelt, weil es einfach essentiell war. Ein 
TTL-Grab bekam man anders einfach nicht stabil zum Laufen.
Interessiert heute kaum einen.
Ich bin lediglich interessierter Laie, aber von Null anfangen würde ich 
heute nicht mehr wollen.

von Gerald B. (gerald_b)


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Falk B. schrieb:
> @ Gerald B. (gerald_b)
>
>>für mich aber weniger das Problem, da ich ohnehin nur Bauform 1206 und
>>1210 verbaue.
>
> Warst du mal Maurer? Oder warum verbaust du solche Ziegelsteine? ;-)

Nein, aber trotz Brille werden meine Augen nicht besser. Von der 
Feinmotorik würde ich auch 603 hinbekommen. Aber SOT23 ist schon eine 
Qual. Ist mehr Blindflug und dann unter der Leuchtlupe das Ergebnis 
kontrollieren u. ggf. nachbessern.

von Johannes E. (cpt_nemo)


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Bitte entschuldigt, dass ich erst jetzt antworte.

Mac G. schrieb:
> Wie sieht denn der Messaufbau aus?

Gemessen wure mit einem Hameg bzw. Rohde&Schwarz LCR-Meter HM8118, bei 
diesem Gerät kann man eine externe Bias-Spannung einspeisen. Gemessen 
wird mit einer Wechselspannung von 1 V, die der Bias-Spannung überlagert 
wird.

Die Bauteile wurden mit dem zugehörigen SMD-Testadapter HZ188 
kontaktiert. Die Ergebnisse waren auch sehr gut reproduzierbar und 
größere Messfehler kann ich eigentlich ausschließen.

Klaus R. schrieb:
> Solch ein Verhalten habe ich noch in keinem Datenblatt gesehen.

Nicht im Datenblatt, aber z. B. bei TDK auf der Homegape kann man sich 
die Kurven anzeigen lassen, für einen willkürlich ausgewählten KerKo mit 
4,7 µF und 50V Spannungsfestigkeit im 1206-Gehäuse sieht das so aus:

https://product.tdk.com/en/search/capacitor/ceramic/mlcc/info?part_no=C3216X7R1H475K160AC

Die Kurven auf der TDK-Seite passen übrigens sehr gut zu meinen 
Messergebnissen, auch deshalb gehe ich davon aus, dass ich richtig 
gemessen habe.

Ich habe schon einiges über dieses Thema gelesen, allerdings bin ich 
bisher immer davon ausgegangen, dass diese Effekte wie Piezo-Effekt und 
Polarisationseffekte eher schnell ablaufen. Deshalb hätte ich eigentlich 
erwartet, dass die Kapazität sofort entsprechend sinkt, wenn man eine 
entsprechende Spannung anlegt.

Dass es aber bis zu mehreren Stunden dauern kann, bis sich die Kapazität 
stabilisiert, das hätte ich nicht erwartet und hat mich schon ziemlich 
überrascht.

Man lernt eben nie aus ...

: Bearbeitet durch User
von Nils P. (torus)


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Tag.

Wie viel Zeit ist den zwischen löten und messen vergangen? Multilayer 
Keramik Kondensatoren bekommen einen "Thermal Shock" und brauche einige 
Stunden um sich zu beruhigen.

von Johannes E. (cpt_nemo)


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Es wurde gar nicht gelötet, die Kondensatoren wurden direkt in den 
SMD-Messadapter eingelegt.

von Gerd E. (robberknight)


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Gerald B. schrieb:
> ist
> für mich aber weniger das Problem, da ich ohnehin nur Bauform 1206 und
> 1210 verbaue.

Lötest Du die von Hand oder rein Reflow?

Denn die größeren Bauformen (und dazu zähle ich beide genannte) sind 
deutlich empfindlicher für Mikrorisse und daraus folgende Kurzschlüsse 
als kleinere. Eine mögliche Ursache für die Mikrorisse ist die sehr 
punktuelle Erhitzung mit der Lötspitze beim manuellen Löten.

Daher geben einige Hersteller irgendwo tief unten versteckt in ihren 
Verarbeitungshinweisen an, daß man MLCCs größer 0805 nicht mehr von Hand 
löten soll.

von Peter R. (Gast)


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Die in der Keramik ausgerichteten Dipole des Piezomaterials bewirken ja 
lokal mechanische Spannungen, die nach einiger Zeit, durch Wärmebewegung 
unterstützt, sich ausgleichen. (daher kein sofortiger Endzustand sondern 
verzögerte Wirkung)

Damit dürfte dann verbunden sein, dass sich die für die Kapazität 
verantwortlichen beweglichen Bereiche verfestigen oder verringern und 
nach einiger Zeit nicht mehr an dielektrischen Verschiebungen 
teilnehmen. Von außen eben als verringerte Kapazität messbar.

von Gerald B. (gerald_b)


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Johannes E. schrieb:
> dass diese Effekte wie Piezo-Effekt und
> Polarisationseffekte eher schnell ablaufen. Deshalb hätte ich eigentlich
> erwartet, dass die Kapazität sofort entsprechend sinkt, wenn man eine
> entsprechende Spannung anlegt.
>
> Dass es aber bis zu mehreren Stunden dauern kann, bis sich die Kapazität
> stabilisiert, das hätte ich nicht erwartet und hat mich schon ziemlich
> überrascht.

Das meinte ich mit "zwischen den Zeilen lesen".
Der Piezoeffekt, wenn die Domänen bereits ausgerichtet sind, ist schnell 
(sonst würde der Piezopieper keine hörbaren Töne abgeben)
Die Polaristation der Piezokeramik, die Ausrichtung der Domänen dauert 
allerdings. Um Piezoelemente bewusst herzustellen, wird die Keramik über 
die Curietemperatur erwärmt und per Hochspannung werden die Domänen 
ausgerichtet. Dann wird mit anliegendem Feld unterhalb der 
Curietemperatur abgekühlt. Die Ausrichtung wird gewissermaßen 
eingefroren und die Piezoelektrischen Eigenschaften bleiben so dauerhaft 
erhalten (so man nicht erhitzt).
Im kalten Zustand ist der Effekt nicht so ausgeprägt, aber vorhanden.

von Christian K. (Gast)


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MLCC Typ II haben auch eine Art Curietemperatur. Mit Löttemperatur 
initialisieren sie den Kapazitätswert neu, der mit der Zeit absinkt. 
Daher steigt die Kapazität, wenn man einen alten MLCC auslötet. Hab 
gerade einen 1206 4u7 50V aus der Rolle mit 4.33uF gemessen. Nach dem 
Anlöten hatte er 4.67uF. Jetzt habe ich ihn mal über Nacht an 14V 
gelegt. Initial ging mit 14V die Kapazität auf 3.88uF zurück, was noch 
ganz gut ist. Alles bei 1Khz gemessen.

von Christian K. (Gast)


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Am nächsten Morgen gemessen. 2.90uF. An dem Effekt ist was dran.

von Possetitjel (Gast)


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Johannes E. schrieb:

> Ich habe schon einiges über dieses Thema gelesen,
> allerdings bin ich bisher immer davon ausgegangen,
> dass diese Effekte wie Piezo-Effekt und Polarisations-
> effekte eher schnell ablaufen.

Ja, das ist auch richtig.

> Deshalb hätte ich eigentlich erwartet, dass die Kapazität
> sofort entsprechend sinkt, wenn man eine entsprechende
> Spannung anlegt.

Ja, im Prinzip richtig.

> Dass es aber bis zu mehreren Stunden dauern kann, bis sich
> die Kapazität stabilisiert, das hätte ich nicht erwartet
> und hat mich schon ziemlich überrascht.

Naja, in den HDK-Kondensatoren sind Ferroelektrika verbaut.

Diese Substanzen sind nicht einfach nur piezoelektrisch (wie
Quarz beispielsweise), sondern ihre Polarisation lässt sich
durch äußere Felder umpolen.
Ich könnte mir schon vorstellen, dass da Prozesse ähnlich der
dielektrischen Relaxation ablaufen -- aber nix genaues weiss
man nicht.

Interessant wäre, ob sich Stärke oder Zeitkonstante des Effekts
ändert, wenn Du den Bias konstant beibehältst, aber die Mess-
Spannung auf 100mV, 10mV... verringerst.

von Johannes E. (cpt_nemo)


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Christian K. schrieb:
> An dem Effekt ist was dran.

Danke, dass du das bestätigt hast.

Aus Vergleich mit meiner Messreihe liegt dieser Kondensator so im oberen 
Mittelfeld bzgl. des kapazitätsverlusts. Dei Probanten von AVX 
(12065C475KAT2A) und von TDK (C3216X7R1H475K160AE) hatten ungefähr die 
gleichen Werte.

Sehr stark an Kapazität verloren haben die Kondensaoren von Kemet, 
Walsin und Tayio Yuden, der schlechteste hatte am Ende weniger als 1 µF 
bei 15 V.

Am besten abgeschnitten haben die von Murata (GRJ31CR71H475KE11L), 
Samsung (CL31B475KBHNFNE) und Würth (885012208094), die waren im 
eingeschwungenen Zustand im Bereich 3 - 3,5 µF.

von Johannes E. (cpt_nemo)


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Possetitjel schrieb:
> Interessant wäre, ob sich Stärke oder Zeitkonstante des Effekts
> ändert, wenn Du den Bias konstant beibehältst, aber die Mess-
> Spannung auf 100mV, 10mV... verringerst.

Das habe ich jetzt nicht getestet.

Es war aber auffällig, dass die Geschwindgkeit, mit der die Kapazität 
absikt, bei den unterschiedlichen Herstellern sehr unterschiedlich war. 
Die Kondensatoren, bei denen die Kapazität sehr stark sinkt, waren schon 
etwa nach einer Stunde eingeschwungen. Bei den "besseren" hat es mehrere 
Stunden gedauert.

von mlcc (Gast)


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Johannes E. schrieb:
> Possetitjel schrieb:
>> Interessant wäre, ob sich Stärke oder Zeitkonstante des Effekts
>> ändert, wenn Du den Bias konstant beibehältst, aber die Mess-
>> Spannung auf 100mV, 10mV... verringerst.
>
> Das habe ich jetzt nicht getestet.
>
> Es war aber auffällig, dass die Geschwindgkeit, mit der die Kapazität
> absikt, bei den unterschiedlichen Herstellern sehr unterschiedlich war.
> Die Kondensatoren, bei denen die Kapazität sehr stark sinkt, waren schon
> etwa nach einer Stunde eingeschwungen. Bei den "besseren" hat es mehrere
> Stunden gedauert.

vllt. ist das von Interesse, falls nicht bekannt.

eine mögliche Messschaltung

https://www.maximintegrated.com/en/app-notes/index.mvp/id/6014

Simulation, murata "simsurfing"

https://www.murata.com/support/faqs/products/capacitor/mlcc/char/0005

von Johannes E. (cpt_nemo)


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mlcc schrieb:
> Simulation, murata "simsurfing"

Vielen Dank für den Link, den kannte ich noch nicht!

von m.n. (Gast)


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SMD-Widerstände werden ja meist in 1% Ausführung angeboten; der Wert ist 
aufgedruckt.
Jetzt wird mir endlich klar, warum bei diesen keram. Cs kein Wert 
aufgedruckt ist ;-)

von Christian K. (Gast)


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Ich benutze immer eine MLCC Bias Test Schaltung für Arme. Ich messe mit 
einem einfachen LCR Meter die Serienschaltung aus DUT (MLCC 4u7 oder was 
auch immer) und einem mehrere Tausend uF Elko. Einmal mit 0V am Elko, 
gibts fast die Bias 0 Kapazität am MLCC. Dann mit dem Elko auf die 
gewünschte Bias Spannung aufgeladen. Durch die Serienschaltung “sieht” 
das LCR Meter keine Biasspannung, obwohl sie an beiden Kondensatoren 
(Alu und MLCC) anliegt.

von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


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Kann man machen. Ist mit einem fetten Folienkondensator allerdings 
sinnvoller. Ansonsten mißt man den viel schlechteren ESR des Elko. Bei 
der Induktivität siehts ähnlich aus.

von Gerd E. (robberknight)


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Hoffentlich kommt dieser Effekt nicht allzu bald den Machern der 
EMV-Messstandards zu Ohren. Sonst muss man bald die Prüflinge für den 
EMV-Test erst mal 2 Tage am Stück eingeschaltet lassen bevor man mit dem 
Testen beginnen darf...

von Christian K. (Gast)


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ESR ist einer der ganz wenigen Parameter der sich bei Typ 2 MLCC weder 
mit Temperatur noch mit Biasspannung verschlechtert. Induktivität bleibt 
auch gleich, da sie nur von mechanischen Größen abhängt.
Für die EMV geht daher maximal die Resonzfrequenz mit der Zeit hoch.

von Gerd E. (robberknight)


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Christian K. schrieb:
> Für die EMV geht daher maximal die Resonzfrequenz mit der Zeit hoch.

Der Ripple von z.B. Schaltreglern geht hoch wenn ich mit der Kapazität 
runtergehe.

Auch bei einem LC-Filter (z.B. am Ausgang eines Schaltreglers) 
verschiebt sich die Frequenz wenn sich die Kapazität so deutlich ändert.

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