Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Mat 02/03 heute besser als damals?


von guest...Rainer (Gast)


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Hi, frage mich, ob die heutigen "gematchten" Pairs wirklich besser sind 
als die von "damals". Habe noch eine Handvoll MAT02/03 und finde aktuell 
bei Digikey NST45010MW6T1G ect., aber ich kann keine 
Noise-Voltage-Angaben finden. Was sind da im Datenblatt die relevanten 
Angaben?

Beim Mat02/03 z.B. wird "Low Noise Voltage at 100 Hz, 1 mA: 1.0 nV/√Hz 
max" angegeben, was ja nicht wirklich schlecht ist...

Wie kann man also diese Typen mit den Neuen vergleichen???
Entdecke gerade die "alte" Transistortechnik wieder...und bitte um 
Nachsicht.
Gruß Rainer

von Peter R. (Gast)


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Beim Rauschen kommt es sehr auf die Bedingungen beim Messen an. Direkt 
vergleichbare Messwerte dürften recht selten sein. Heutzutage arbeitet 
man mit ganz andren Eingngsimpedanzen und Strömen in der Eingangsstufe.

"Damals" arbeitete man bei den hochpreisigen Daten an der 
Fertigungsgrenze auch per Selektion. Und kam so an die hochwertigen 
Exemplare.

Da sich die Fertigungstechnologie weiterentwickelt hat, haben Opamps 
inzwischen so gute Eingangsstufen, dass diskrete Ts-Paare kaum noch 
gefragt sind.

von guest...Rainer (Gast)


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Ja, du hast wohl recht. Ich erinnere mich, dass für den Verstärker 
"Black Devil" aus Elrad für den Eingangstransistor empfohlen wurde, 
diesen auf geringstes Rauschen zu selektieren. Oder, wie hier im Forum 
auch schon mal aufgetaucht, einen ganzen Sack von Transistoren parallel 
zu schalten :-)
Gruß Rainer

von Peter R. (Gast)


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guest...Rainer schrieb:
> Oder, wie hier im Forum
> auch schon mal aufgetaucht, einen ganzen Sack von Transistoren parallel
> zu schalten :-)

Das ist etwas andres. Bei Parallelschaltung addieren sich die 
Rauschspannungen anders als das Nutzignal. (Wurzel aus der Summe der 
Quadrate) Da kann man mit zehn gleichen Tsen evtl. einen um SQRT(10) 
besseren Wert bekommen.

Das ist eigentlich eine aus theoretische Überlegungen stammende Lösung, 
die Praxis widerspricht da meistens. Irgend ein Bauelement oder 
schlechtes Layout pfuscht dann mittenhinein. Oder die Streuung ist so 
groß, dass der Schlechteste das Rauschen bestimmt. Man setzt nämlich 
beim parallelschalten  voraus, dass alle zehn Tsen gleich rauscharm 
sind.

von g.l. (Gast)


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Peter R. schrieb:
> Das ist eigentlich eine aus theoretische Überlegungen stammende Lösung,
> die Praxis widerspricht da meistens. Irgend ein Bauelement oder
> schlechtes Layout pfuscht dann mittenhinein. Oder die Streuung ist so
> groß, dass der Schlechteste das Rauschen bestimmt. Man setzt nämlich
> beim parallelschalten  voraus, dass alle zehn Tsen gleich rauscharm
> sind.

Zuerst mal: "Theorie vs. Praxis" - Diese Deine Aussage impliziert 
irgendwie, daß man das gesteckte Ziel dann aber mit genügend Sorgfalt 
(bei der sowieso gekonnten Ausführung) von Layout und Aufbau, plus 
Selektion der (zu parallelisierenden) Transistoren auf gleich gute und 
hervorragende Werte, schon auch in der Praxis schaffen könnte - ist 
das überhaupt der Fall? (Und jetzt sag bloß nicht: "In der Theorie 
schon...")

Des weiteren: "Meistens" - Ist jemandem ein Fall bekannt, wo dieses 
Vorhaben zum Ziel führte? (a. und sei es auch nur unter o. g. 
Bedingungen. b. es würde freilich auch ein Wert in der selben 
Größenordnung wie der theoretische Zielwert, bzw. halt so nahe wie 
möglich daran, als "Ziel erreicht" gelten, da Meßungenauigkeiten immer 
berücksichtigt werden müssen. c. von einer Simulation spreche ich 
freilich nicht...) Wenn ja, bitte ich sehr um eine Verlinkung jenes 
Beispiels.

(Bitte nicht als Kritik verstehen, es handelt sich allein um "neugierige 
Fragen". Und es interessiert dabei auch die tatsächliche Antwort... Also 
ganz ohne Witze darüber zu machen - Methode plausibel oder nicht?)

von ArnoR (Gast)


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g.l. schrieb:
> Ist jemandem ein Fall bekannt, wo dieses Vorhaben zum Ziel führte?

Zuviel verlangt, einfach mal ins Datenblatt des MAT03 zu sehen?

von Peter R. (Gast)


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g.l. schrieb:
> Zuerst mal: "Theorie vs. Praxis" - Diese Deine Aussage impliziert
> irgendwie, daß man das gesteckte Ziel dann aber mit genügend Sorgfalt
> (bei der sowieso gekonnten Ausführung) von Layout und Aufbau, plus
> Selektion der (zu parallelisierenden) Transistoren auf gleich gute und
> hervorragende Werte, schon auch in der Praxis schaffen könnte

Ja,natürlich. Das führt aber nur dann zum Erfolg, wenn man das Ergebnis 
durch Messung kontrollieren kann.

Einfach zehn Ts-Stufen parallel zu schalten reicht nicht. Da muss vorher 
jede Stufe auf guten Wert hin gemessen werden.

Wenn es sich nicht um HF handelt sondern um NF gibt es da eine sinnvolle 
Grenze für den Aufwand für eine Verbesserung des Nutz-Rausch-Abstands. 
An dieser Grenze muss man sich dann mit der Signalquelle beschäftigen.

Bei HF zum Beispiel wurden die Rauschzahlen durch neue 
Transistortechnologien verbessert bzw. durch andere Übertragungsart wie 
Bandspreizung usw.

Heute kämpft man nicht mehr um Bruchteile von Rausch-dBs sondern nimmt 
eine andre Modulations- oder Verschlüsselungstechnik.

von Frank (Gast)


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Also die Parallelschaltung ist die einzige Lösung, wenn man extrem 
niedrige Rauschwerte benötigt.

Die gepaarten Transistoren sind aber für eine ganze Menge von 
Einsatzzwecken sinnvoll, nicht nur für ein geringes Rauschen. Egal was 
man braucht, geringe Eingangsströme, wenig Offset etc. ein diskreter 
oder halbdiskreter Aufbau ist natürlich überlegen.

In den letzten 2-3 Jahren sind allerdings auch sehr gute 
Operationsverstärker herausgekommen, so daß der Einsatz von solchen 
aufwendigen Schaltungen weiterhin auf Anwendungen mit sehr hohen 
Anforderungen beschränkt.

Außerdem ist es nicht "ungefährlich", ein kleiner Denk- oder 
Ausführungsfehler bei der Schaltung und es ist dahin mit der Optimierung 
die man eigentlich wollte.

Ich habe mal einen extrem rauscharmen Verstärker mit 400 pVrms (ja kein 
Schreibfehler!) Eingangsrauschen gebaut, aber die Ruhe- und Offsetströme 
waren erheblich um es freundlich zu formulieren. Und mit gepaarten 
Transistoren geht das natürlich nicht in so einem Extrem.

Gepaarte Transistoren sind für wenig Offset und/oder wenig 
Eingangsoffsetstrom sinnvoll und schlagen in dieser Hinsicht jeden OPV 
(zumindest die MAT und andere High End Paare).
Für wenig Rauschen sind sie nicht optimal eingesetzt. Ja es gibt auch 
sehr rauscharme, aber eben nicht rauschärmer als ein voll integrierter 
OPV.

Zum Thema rauschärmer durch diskrete Bauteile empfehle ich unter anderem 
auch folgende Lektüre:
http://www.janascard.cz/PDF/Design%20of%20ultra%20low%20noise%20amplifiers.pdf

von Gerhard H. (ghf)


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Peter R. schrieb:
> guest...Rainer schrieb:
>> Oder, wie hier im Forum
>> auch schon mal aufgetaucht, einen ganzen Sack von Transistoren parallel
>> zu schalten :-)
>
> Das ist etwas andres. Bei Parallelschaltung addieren sich die
> Rauschspannungen anders als das Nutzignal. (Wurzel aus der Summe der
> Quadrate) Da kann man mit zehn gleichen Tsen evtl. einen um SQRT(10)
> besseren Wert bekommen.
>
> Das ist eigentlich eine aus theoretische Überlegungen stammende Lösung,
> die Praxis widerspricht da meistens. Irgend ein Bauelement oder
> schlechtes Layout pfuscht dann mittenhinein. Oder die Streuung ist so
> groß, dass der Schlechteste das Rauschen bestimmt. Man setzt nämlich
> beim parallelschalten  voraus, dass alle zehn Tsen gleich rauscharm
> sind.

Nein, das ist nicht wie beim einen Gallenröhrling, der einen ganzen Topf
Steinpilze ungenießbar macht.

Beim Bipolartransistor ist der innere Basiswiderstand für das 
Spannungsrauschen zuständig, RB in Spice. Wenn man viele Transistoren
parallelschaltet, schaltet man viele RBs parallel. Wenn einer mit
extragroßem RB dabei ist, dann bringt er keinen vollen Vorteil, aber
er schadet auch nicht, wenn man von unnötigem Stromverbrauch, bias
und Kapazitäten absieht. Mehr Widerstand kann beim Parallelschalten
nicht rauskommen.

Bipolartransistoren sind abgesehen davon sowieso einer wie der andere,
da hilft Selektion garnix.

Bei JFETs ist das grundlegend anders. Der Qualitätsfaktor ist hier
das Verhältnis von Eingangskapazität zu Steilheit. Man kann hier
auch beliebig viele FETs parallelschalten, aber die Eingangskapazität
wird dann sehr schnell sehr gigantisch, und Miller hilft fleißig
mit.
Bei JFETs variiert die notwendige Gate-Bias sehr stark und es kann
durchaus vorkommen, dass nur einer der Transistoren den gesamten
Strom übernimmt und er dann der einzige ist, der einen Beitrag
zur Steilheit liefert. Die anderen sind dann nur Ballastkapazitäten.

Hier sind z.B. gemessene Kennlinien von einigen Interfet IF3602,
gekauft neulich bei Mouser für €60 pro Stück. Das sind Transistor-
paare, aber das bedeutet nur, dass man keine gegensätzlichen
Outlier bekommt. "Gematcht" geht grundlegend anders.

< 
https://www.flickr.com/photos/137684711@N07/37321004540/in/album-72157662535945536/ 
>

Man sieht z.B., dass das Q7-Pärchen den ganzen Strom tragen würde
während Q2 einfach nur döst, aber gerne 600 pF beiträgt.

Ein einzelner IF3602 hat übrigens 300 pV/rtHz Rauschdichte, ich
habe 8 Stück / 4 Pärchen parallelgeschaltet. Wegen der gigantischen
Steilheit verhalten die sich recht bösartig in Bezug auf Schwing-
neigung. 100 Ohm-Gatestopper kann man natürlich nicht verwenden,
die würden mehr rauschen als der ganze Verstärker.

Anders als jemand hier geschrieben hat, sind in den letzten Jahren
keine rauschärmeren Opamps herausgekommen. Der AD797, ADA4898
oder LT1028 sind beim Spannungsrauschen immer noch das Maß der
Dinge. Von TI gibt es einen THS-irgendwas der 650pV auf SiGe-Basis
schaffen soll, aber der hat ein untragbares 1/f-Rauschen.

Viel mehr ist auch nicht zu erwarten, weil die Transistorwiderstände
vom Strom abhägen und mehr als 5 bis 10 mA für die Eingangsstufe
ist bei einem OpAmp eben nicht drinnen.

Ich habe mal 20 ADA4898 parallelgeschaltet für < 220 pV/rtHz,
das erfordert aber 10000uF als nasse Tantals im Eingang, das ist
auch nicht wirklich angenehm und man muss aufpassen, dass man die
Eingänge nicht mit der gespeicherten Energie verheizt. Und es
schmerzt im Geldbeutel.

Wen's interessiert, der lese Kapitel 8 von The Art Of Electronics,
3. Ausgabe. Da zeigt Win Hill auch einen Verstärker mit 70 pV/rtHz
mit 64 * FZT915.

Gruß, Gerhard

Ach ja, MAT02 habe ich auch mal ausprobiert. Funktioniert wie 
versprochen.

< 
https://get.google.com/albumarchive/103357048842463945642/album/AF1QipP-XB-RhpB7jBFO2E3CPWdmoqs8VhJGXd9_apt6/AF1QipN_R5pGsowekccgRcMBwcrsFUecDkEkChEqmgPi 
>

Man beachte den Datumscode. Ich dachte, bevor die womöglich in
der Schublade verschrumpeln... :-)

: Bearbeitet durch User
von guest...Rainer (Gast)


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Frank schrieb:
> Zum Thema rauschärmer durch diskrete Bauteile empfehle ich unter anderem
> auch folgende Lektüre:
> http://www.janascard.cz/PDF/Design%20of%20ultra%20low%20noise%20amplifiers.pdf

Hi, danke euch für die Antworten und die Links....besonders die von 
Frank. Da gibt es einiges zu Lesen.
Gruß Rainer

von Gerhard H. (ghf)


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Ich sehe übrigens gerade, dass 2 Artikel höher meine Erwähnung der
Art of electronics release 3 von der microcontroller.net-Software
in einen Werbepointer auf die veraltete Version 2 umgemantscht
wurde. Nicht reinfallen! Das Taschenbuch der aktuellen Version
kostet nur 2/3.  €44.95 oder so.
Die alte hat fast 30 Jahre auf dem Buckel.

Der Transistor oben ist der FZT951 von Diodes, Inc, ex Zetex.
Es gibt ihn in diversen Gehäusen, auch ...851 als npn.
(915 war falsch)

\Gerhard

: Bearbeitet durch User
von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


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Das wäre dann der Noisevoltage Plot Fig. 8.45 und der vorherstehende 
Text ab S. 506 "A. A simple 70 picovolt per-root-hertz preamp test 
design"

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