Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Audio-Endstufe - Probleme mit Gegenkopplung


von Solocan Z. (solocan)


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Hallo zusammen,

ich versuche, eine typische 3-stufige Endstufe zu designen und zu 
berechnen. Dabei habe ich (Verständnis)-Probleme mit der Gegenkopplung.

Im Anhang ist ein LT-Spice Modell reduziert und vereinfacht aufs 
Wesentliche, um das Problem zu schildern. Das Modell ist Open-Loop. Wenn 
man die Testspannung entfernt und den Kreis schließt, kriegt man das 
Closed-Loop-Modell.

Meine Open loop Verstärkung (A_OL) beträgt im Beispiel ungefähr 200. 
Insofern tun die zwei Stufen, was sie sollen. Das 
Gegenkopplungskoeffizient (beta) hätte ich gerne als 1/25. Damit lässt 
sich die Closed-Loop Vertärkung formulieren als:

V_out=(V_in-V_out*beta)A_OL

mit dem Closed-Loop Gain

A_CL=V_out/V_in=  A_OL/(1+A_OL*beta)

Dementsprechend muss meine Closed-Loop Verstärkung ~22 betragen (für 
A_OL->inf sogar A_CL=1/beta, also es konvergiert auf 25)

Leider funktioniert es nicht so, wie ich es mir vorstelle und ich kann 
nicht erkennen, woran es liegt. Ich bekomme eine winzige 
Closed-Loop-Verstärkung. Ich habe auch den Differenzverstärker getestet. 
Er scheint auch zu tun, was ich mir vorstelle. Hat jemand eine Idee, wo 
der Fehler liegen könnte?

Nächste Verständnisfrage ist: Ich stelle in meiner 
Spannungsverstärkerstufe einen Gain von 400 ein. Doch wenn ich den mit 
der Stromverstärkerstufe verbinde, verursacht es einen großen 
Spannungsabfall. Den Mechanismus, der zu dem Spannungsabfall führt, 
verstehe ich ebenfalls nicht.

Wie kann ich die Spannungsabfälle zwischen einzelnen Stufen minimieren 
(und gründlich verstehen)?

Vielen Dank und viele Grüße

Solocan

: Bearbeitet durch User
von ArnoR (Gast)


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Solocan Z. schrieb:
> Leider funktioniert es nicht so, wie ich es mir vorstelle und ich kann
> nicht erkennen, woran es liegt. Ich bekomme eine winzige
> Closed-Loop-Verstärkung.

Die Dimensionierung von Diff und VAS ist Mist. Der Diff arbeitet auf 
eine Last von weniger als 30Ohm, hat aber wegen R20=220k nur eine sehr 
kleine Steilheit.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Als nächstes solltest du mal deinen Spannungsverstärker besser 
dimensionieren. Abgesehen davon, das der BC546 mit 84V betrieben wird, 
fliesst bei den derzeitigen Arbeitswiderständen im Emitter und Kollektor 
viel zu viel Strom, wenn du den kleinen Kerl aussteuerst.
Schau dir mal Endstufen an, die funktionieren.
http://sound.whsites.net/project03.htm
http://sound.whsites.net/project12.htm
http://sound.whsites.net/project3b.htm
http://sound.whsites.net/project76.htm

von Christian S. (roehrenvorheizer)


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von Peter D. (peda)


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Solocan Z. schrieb:
> ich versuche, eine typische 3-stufige Endstufe zu designen und zu
> berechnen.

Bei der Dimensionierung wird einem ja übel, da stimmt absolut gar 
nichts. 220k als Emitterwiderstand, 30R als Basisableitwiderstand usw., 
so wird das nie was. Und die Treiberstufe ist entweder mit Bootstrap 
oder Konstantstromlast, sonst verschenkst Du massiv Aussteuerung.

Warum schaust Du nicht erstmal funktionierende Schaltungen an?
Aber nicht irgendwelche Maker-Schaltungen mit doppelter Differenzstufe, 
sondern reale Geräte, wie sie auch produziert werden.
Schaltpläne findet man haufenweise im WWW, z.B. bei Elektro Tanya:
https://elektrotanya.com/onkyo_tx-8050-b_s_sm.pdf/download.html

von Solocan Z. (solocan)


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Hallo,

danke für schnelle und hilfreiche Antworten. Mein Ziel bei diesem 
Projekt ist nicht, von irgendwelchen funktionierenden Endstufen 
abzugucken - was ich eigentlich auch gemacht habe- sondern das ganze zu 
verstehen, mit allen Stolpersteinen, die dazugehören.

Ich habe als Literatur hauptsächlich Mr. Google und Douglas Self - 
Design of power amps zur Verfügung - letzteres allerdings auf einer 
höheren Flugebene. Deswegen mache ich bei grundlegenden Sachen Fehler, 
wie ihr seht.

@Christian S. : Danke für den Literaturtipp. Ich werde es mir angucken.

@Arnor: Danke für den Hinweis. Mir ist aufgefallen, dass ich die 
Impedanz-Matching zwischen Diff und VAS überhaupt nicht berücksichtigt 
habe. Ich sehe jetzt, dass das u.a. ein gravierender Fehler ist. Ich 
versuche nun als Nächstes, die VAS geschicker zu dimensionieren und Diff 
anzupassen, damit die mitspielen.

@Matthias S.: Danke für die Tipps und Beispielamps. In der Tat habe ich 
ein Beispiel von Rod Elliot als Grundlage genommen. Es gibt auch in 
https://home.zhaw.ch/hhrt/EK2/AudioEndstufen/AudioEndstufen.pdf eine 
grobe Erklärung und Berechnung von einem seiner Modelle.

(Fragen) zur Dimensionierung der VAS:

Ich habe schon gewusst, dass die Dimensionierung der VAS so nicht 
stimmen kann. Allerdings habe ich nicht verstanden, was genau ich da 
falsch mache. Und zwar mein Problem ist, ich habe mir vorgenommen, einen 
"Spannungsteiler-Biasing" zu machen und nicht "Fixed-Bias", wie üblich. 
Daher kamen so komische Spannungsteilerverhältnisse zustande. Mein 
Vorgehen war:

-Die Amplitude der Spannungsschwankung am Ausgang soll +-20V betragen 
und kein DC-Offset haben: Das heißt, ich wollte genau in der Mitte der 
Speisespannung (+-42V) eine Sinuswelle mit +-20V erzeugen. Dabei komme 
ich allerdings zwangsläufig auf diese blöden Widerstandswerte. Anbei ein 
kurzer Matlab-Code, den ich dafür geschrieben habe.

Die Berechnung an sich klappt schon und ich kann den Transistor in dem 
Bereich betreiben, den ich will. Ich vermute, mein Problem liegt im 
Vorgehen bei der Auslegung.

Ich versuche solange, eine VAS mit Fixed-Bias zu basteln..

: Bearbeitet durch User
von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Solocan Z. schrieb:
> -Die Amplitude der Spannungsschwankung am Ausgang soll +-20V betragen
> und kein DC-Offset haben: Das heißt, ich wollte genau in der Mitte der
> Speisespannung (+-42V) eine Sinuswelle mit +-20V erzeugen. Dabei komme
> ich allerdings zwangsläufig auf diese blöden Widerstandswerte.

Nö, denn es gibt ja genügend Endstufen, die ohne diese 'blöden 
Widerstandswerte' auskommen :-P
Im Prinzip ist auch so eine Endstufe mit Differenzeingang nur ein dicker 
OpAmp, der sich durch die Gegenkopplung auf den (-)Eingang von alleine 
am Ausgang auf 0V einstellt - wenn die Stufen richtig dimensioniert 
sind.
D.h., du kannst auch die Innenschaltung von realen Opamps als Beispiel 
benutzen.

Anbei mal die simpelste Gegentaktendstufe, die du je gesehen hast :-)
Auch hier siehst du die 'Selbststabilisierung' über den 47k, wenn auch 
auf eine Differenzstufe verzichtet wurde -dafür reichen 3 Transistoren 
einfach nicht.

: Bearbeitet durch User
von Christian S. (roehrenvorheizer)


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von Solocan Z. (solocan)



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Hallo Transistorfreunde,

nun habe ich mein Diff und VAS radikal überarbeitet. Ich habe die 
Eingangsimpedanzen der nächsten Stufe berücksichtigt (was essentiell 
war) und nahm die übliche Common-Emitter-Konfiguration als VAS.

Zuerst ging ich von idealen Strom- und Spannungsquellen aus und habe 
paar Varianten probiert. Zwei davon sind:

-Diff mit PNPs und VAS mit NPN und
-Diff mit NPNs und VAS mit PNP

Siehe Bilder für die idealisierten Schaltungen. Diese zwei Varianten 
scheinen zumindest im Simulationsmodell dasselbe zu tun. Bei der ersten 
Variante referenziert man die Auslenkung an die negative Schiene und bei 
der zweiten an die positive. (Zumindest bei dieser gewählten Architektur 
und bei allen Schaltungen, die ich gesehen habe) ist entweder die Diff 
oder VAS aus PNPs gebaut. Ich las ein paar Mal, dass NPNs wenn möglich 
den PNPs vorzuziehen sind, weil die bessere Frequenzantwort haben und 
linearere Hfe Kurve. Erstens sehe ich in dieser Architektur keinen Weg 
das ganze ohne PNPs zu bauen. Und zweitens: Gibt's eine ausführliche 
Erklärung, warum und ob diese Aussage mit PNPs stimmt?

Bei den Kollektorströmen von VAS und Diff (10mA und 2mA jeweils) habe 
ich mich an ein Beispiel im Cordell-Buch orientiert. Was muss man bei 
der Wahl dieser Werte beachten? Ist es nicht besser (aber ineffizienter) 
mit etwas höheren Strömen in VAS und Diff zu arbeiten?

Beim Eingangs- und Ausgangsnetzwerk habe ich mich ebenso am Beispiel im 
Bob Cordell-Buch orientiert. Die Input-Behandlung ist mir relativ klar. 
Beim Ausgang frage ich mich warum da der Gleichstrom nicht einfach mit 
einem Kondensator entkoppelt wird. Ich las, dass Kondensatoren 
(besonders die großen) im Signalweg möglichst nicht eingesetzt werden 
sollen. Warum denn eigentlich? Gibt's dafür irgendwo eine gute 
Erklärung?

===
Die Ausgangsstufe tut jetzt, zumindest in der Simulation, was sie tun 
soll. Die Verstärkung von VAS berechne ich als 2276. Die Verstärkung von 
Diff berechne ich als 15,13. Daraus ergibt sich ein Open-Loop 
Verstärkung von ~35000V/V. Die Closed-Loop Verstärkung ist ~21V/V. 
Insofern sieht alles für mich i.O. aus.

Die Lautstärkeregelung möchte ich einfach mit einem Spannungsteiler über 
ein Poti am Eingang machen. Ist das denn der richtige Ansatz?

Ich habe jetzt vor, die Schaltung so zu bauen und zu testen. Die 
Transistoren scheinen nach ihren Datenblättern auch die Belastungen 
stemmen zu können. Fallen euch dabei irgendwelche Fehler auf?

Viele Grüße und Danke

: Bearbeitet durch User
von Christian S. (roehrenvorheizer)


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Hallo,

das ist ja wie bei Heinz Sielmann, mit Transistoren auf der Schulter..



" Ist es nicht besser (aber ineffizienter) mit etwas höheren Strömen in 
VAS und Diff zu arbeiten?"

Die Verstärkung hängt stark von der Einstellung des Arbeitspunktes ab. 
Und meistens sollte diese eher hoch sein. Ebenso wird bei höherer 
Betriebsspannung die Verlustleistung für kleinsignaltransistoren zu 
groß. Der gewählte Strom beeinflußt auch das Rauschmaß.

"ineffizienter"
Das spielt doch bei einem so großen Verstärker keine Rolle, wieviel die 
Vorstufen brauchen. Du stellst ja hinten noch Ruhestrom ein, oder?


Ein Kondensator am Ausgang ist groß, teuer und mindert den 
Dämpfungsfaktor und hat selbst einen "Frequenzgang".

An wieviel Volt soll das funktionieren?

Baust Du noch Emitterwiderstände am Diffamp ein?

Lautsprecher-Relais am Ausgang?

MfG

von ArnoR (Gast)


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Solocan Z. schrieb:
> Erstens sehe ich in dieser Architektur keinen Weg
> das ganze ohne PNPs zu bauen. Und zweitens: Gibt's eine ausführliche
> Erklärung, warum und ob diese Aussage mit PNPs stimmt?

Warum willst du ohne PNP-Transistoren auskommen? Die sind nicht 
schlechter als die NPN, auch wenn das immer behauptet wird. Schau 
einfach in die Datenblätter komplementärer Transistoren, da findest du 
die Daten/Kurven und kannst dir selbst ein Urteil bilden. Selbst wenn im 
Einzelfall mal ein NPN besser als der komplementäre PNP sein sollte, so 
überwiegen doch idR die Vorteile der komplementären Schaltungstechnik 
gegenüber der nicht komplementären Schaltungstechnik. Das Thema haben 
wir schon x-mal durchgekaut, genau wie deine Schaltungen auch:

Beitrag "Re: PNP / NPN Entscheid"
Beitrag "class ab - verstärker"

(jeweils ein Beispiel von vielen)

von Solocan Z. (solocan)


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Christian S. schrieb:
> An wieviel Volt soll das funktionieren?
>
> Baust Du noch Emitterwiderstände am Diffamp ein?
>
> Lautsprecher-Relais am Ausgang?

An +-42V soll das funktionieren.

Die Emitterwiderstände baue ich noch ein. Ich möchte die Verbesserungen 
Schritt für Schritt anwenden und beurteilen. Die Stromquellen werde ich 
ggf. noch anpassen, die Endstufe mit Darlington, VAS mit Darlington etc.

Lautsprecher Relais werde ich auch einbauen.

von Elektrofan (Gast)


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> Ein Kondensator am Ausgang ist groß, teuer und mindert den
> Dämpfungsfaktor und hat selbst einen "Frequenzgang".

Falls, wie oft, eine Frequenzweiche nachgeschaltet ist, dürfte der 
Einfluss des Ausgangselkos kaum zu hören sein.

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