Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Verständnis: Rauschberechnung an Sensor-Op-Schaltung


von Danolov (Gast)


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Hallo,

ich hab da mal ein paar Fragen bezüglich der Rauschberechnung einer mems 
Mikrofon-Opamp Schaltung. Mir geht es eher um das Verständnis, als um 
eine konkrete Anwendung.
Folgende Links habe ich bereits gelesen:

https://www.mikrocontroller.net/attachment/256350/Rauschen_und_Bandbreite.pdf
http://www.elektronikinfo.de/strom/op_rauschen.htm
https://www.elektronik-kompendium.de/public/schaerer/noise1.htm
http://www.analog.com/media/en/training-seminars/tutorials/MT-049.pdf

und noch ein paar mehr. Mir ist aber immer noch nicht ganz klar mit 
welcher Bandbreite man rechnet.

Ich möchte allgemein verstehen wie man die Bandbreite wählt und das 
damit einhergehende Rauschen berechnet.

Mal angenommen ich habe ein analoges mems Mikrofon:
SNR = 65dBA, Sensitivität = -35dB/Pa und Ausgangsimpedanz = 350 ohm sind 
bekannt (irgendwelche Werte).
Das Signal soll um 20 verstärkt werden.
Es geht mir nicht darum, dass man aus Erfahrung irgendwelche Werte 
"unter den
Tisch fallen lassen" kann, sondern um eine möglichst "exakte" 
Berechnung. Denn erst wenn ich es verstanden habe, kann ich 
Vereinfachungen vornehmen.

Aus SNR und Sensitivität kann ich mir nun die Rauschspannunsdichte 
berechnen. Diese multipliziert mit der Wurzel aus der Bandbreite gibt 
mir die Rauschspannung Vrms des Mikros.

1. Das Mikro hat typ. eine Bandbreite von 20kHz. Wenn ich jetzt aber nur 
reine Sinus-Signale bis 10kHz erfassen möchte, rechne ich dann mit 10kHz 
oder 20kHz Bandbreite für die Rauschspannung?

2. Mit welcher Bandbreite muss dann das Opamp Rauschen berechnet werden?
Mal angenommen der Op hat eine UGBW von 1 MHz und eine 
Rauschspannungdichte von 10nV/Wurzel Hz und eine Rauschstromdichte von 
1pA/Wurzel Hz.
In vielen Appnotes wird als Bandbreite die closed loop Bandbreite 
herangezogen: bei einer Verstärkung von 20 hat der Op eine Bandbreite 
von 50kHz. Ich würde jetzt mit den 50kHz die äquivalente 
Eingangsrauschspannung berechnen. Von der Logik her müsste man doch 
eigentlich mit den 10kHz rechnen? Falls ja, wäre dann zumindest mal ein 
vorgeschalteter Tiefpassfilter notwendig mit fc = 12 kHz oder so?

3. Mal angenommen ich wähle eine Bandbreite von 10kHz. Wenn ich jetzt 
von 0-10kHz Signale erfassen möchte, ist dann ein Tiefpassfilter 
vorzusehen bzgl. der Rauschreduzierung?
Und bei z.B. einem Signalbereich 40kHz-50kHz ein Bandpassfilter?

4. Wählt man sinnvollerweise einen Op, der bei der geforderten 
Verstärkung (hier z.B. 20) eine Eckfrequenz bei der oberen 
Frequenzbandgrenze hat (plus minus)?
Angenommen ich habe einen Signalbereich von 40kHz-50kHz. Den Op wähle 
ich so, dass seine Eckfrequenz in der Nähe von 50kHz liegt. Davor 
schalte ich einen Tiefpass, dessen Eckfrequenz in der Nähe von 40kHz 
liegt; mal davon abgesehen, dass man einen aktiven Bandpassfilter 
auslegen könnte. Es geht mir nur ums Verständnis. Aber wäre das die 
richtige Herangehensweise?
Falls ja, dann würde ich bezüglich Rauschen nur mit 10kHz Bandbreite 
rechnen?

5. Wähle ich hingegen einen Signalfrequenzbereich von 0-10kHz. Dann wäre 
nur ein Tiefpassfilter notwendig mit der Eckfrequenz 10kHz? Hier müsste 
man aber mit einem höheren Op-Rauschen rechnen, da man in den 
1/f-Rauschbereich des Ops liegt.

6. Mikrofonrauschen und Mikrofon-Ausgangsimpedanz: Muss man für die 
Rauschberechnung beide Faktoren berücksichtigen? Ist das 
Spannungsrauschen, das aufgrund der OP-Rauschstromdichte an der 
Mikrofonimpedanz (350ohm) hervorgerufen wird, quadratisch zum 
Mikrofongrundrauschen (Berechnung über Mikrofon-SNR und 
Mikrofon-Sensitivität) aufzuaddieren?

7. Mal angenommen es liegt ein nichtinvertierender Verstärker mit 
dynamischer Gegenkopplung vor (Kondensator parallel zum 
Rückkopplungswiderstand). Kann ich für die Rauschberechnung den 
Rückkopplungswiderstand als kurzgeschlossen betrachten? Falls ja, dann 
würde dieser Widerstand keinen Beitrag liefern (Rauschstromdichte des Op 
und thermisches Eigenrauschen). Auch hier rein nur Verständnis.

Vorab vielen Dank für Eure Hilfe.

von Lurchi (Gast)


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Eine exakte Rauschberechnung macht man ideal erst einmal für jede 
Frequenz getrennt, um auch ein frequenzabhängiges Rauschen zu erfassen. 
Da kann man dann auch mehr aussagen als nur über das aufintegrierte 
Rauschen für einen Frequenzbereich.

Den Frequenzbereich wählt man entsprechend der Anwendung: bei Audio 
irgendwas von 50 Hz -15 kHz oder ähnlich. ggf. Auch noch gewichtet wie 
die 65 dBA SNR beim Mikrofon - wobei die Angabe schon wieder schwammig 
ist, weil der Signalpegel fehlt. In jedem Fall gilt ein Frequenzbereich 
für die Rauschquellen - ggf. aber mit frequenzabhängiger Verstärkung.

Für einen reinen Sinus geht die Bandbreite gegen Null - es kommt darauf 
an wie man das Signal ansieht, nicht so sehr das Signal selber. Mit 
einem guten True RMS DMM hat man eine große Bandbreite (ggf. bis MHz) - 
mit einem Lockin-verstärker ggf. nur mHz.

Der OP begrenzt ggf. die Bandbreite des Verstärkers. Mit der vollen GBW 
muss man jedenfalls nicht rechnen. Wenn überhaupt der Bandbreite des 
Verstärkers als Ganzes - was auch ggf. vorhandene Kondensatoren 
einschließt.
Ob eine Kondensator einen parallelen Widerstand kurzschließt hängt von 
der Frequenz ab - bei genügend hoher Frequenz ja, bei niedriger Frequenz 
nicht oder nur teilweise. Wie sich das Verhält kann man z.B. ganz gut in 
einer Simulation sehen. Die Rauschberechnung bei Spice ist schon recht 
gut - nur leider fehlt bei vielen OP Modellen das Rauschen des OPs und 
auch bei den andern HL sind die Modelle nicht immer gut.

Es kann hilfreich sein einen Hochpassfilter zu haben um den Bereich mit 
1/f rauschen zu unterdrücken. Gerade Mikrofone haben auch selber oft 1/f 
rauschen. Das Rauschen der Ausgangsimpedanz des Mikrofons sollte im 
Rauschen des Mikrofons enthalten sein - je nach Mikrofon ist da auch 
kein echter 350 Ohm Widerstand und das Rauschen könnte theoretisch ggf. 
sogar niedriger sein.

von Achim S. (Gast)


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Danolov schrieb:
> 1. Das Mikro hat typ. eine Bandbreite von 20kHz. Wenn ich jetzt aber nur
> reine Sinus-Signale bis 10kHz erfassen möchte, rechne ich dann mit 10kHz
> oder 20kHz Bandbreite für die Rauschspannung?

du rechnest mit der Bandbreite, mit der das Signal 
weiterverarbeitet/verstärkt wird. Wenn du eine OPV-Schaltung mit 10kHz 
Bandbreite nachschaltest, dann mit 10kHz. Wenn du einen breitbandigen 
Verstärker nachschaltest, dann musst du schauen, ob das Rauschspektrum 
des Mikros wirklich bei 20kHz aufhört oder bis wohin es sich tatsächlich 
erstreckt. Das ist dann die relevante Bandbreite.

Danolov schrieb:
> Mit welcher Bandbreite muss dann das Opamp Rauschen berechnet werden?

Mit der Bandbreite, mit der das OPV-Rauschen weiterverarbeitet/verstärkt 
wird. Überleg dir den noise-Gain deiner Schaltung und schau, wenn er 
nach unten verschwindet. Das ist die Obergrenze für die Bandbreite, mit 
der das OPV-Rauschen eingeht.


Danolov schrieb:
> 4. Wählt man sinnvollerweise einen Op, der bei der geforderten
> Verstärkung (hier z.B. 20) eine Eckfrequenz bei der oberen
> Frequenzbandgrenze hat (plus minus)?

Wenn du eine Schaltung mit definierter Bandbreite willst, dann nimmst du 
einen schnelleren OPV uns schränkst die Bandbreite der 
Vestärkerschaltung durch die Außenbeschaltung ein (also passenden C in 
Rückkopplung).

Danolov schrieb:
> vorzusehen bzgl. der Rauschreduzierung?
> Und bei z.B. einem Signalbereich 40kHz-50kHz ein Bandpassfilter?

Ja, je geringer du die Bandbreite deiner Signalverstärker machst, desto 
geringer wird der spektrale Rauschanteil, der mitverstärkt wird.

Danolov schrieb:
> 6. Mikrofonrauschen und Mikrofon-Ausgangsimpedanz: Muss man für die
> Rauschberechnung beide Faktoren berücksichtigen?

du kannst nur dann einen Anteil vernachlässigen, wenn der andere so 
überwiegt, dass der kleinere keinen relevanten Unterschied mehr macht.

Danolov schrieb:
> das aufgrund der OP-Rauschstromdichte an der
> Mikrofonimpedanz (350ohm) hervorgerufen wird, quadratisch zum
> Mikrofongrundrauschen (Berechnung über Mikrofon-SNR und
> Mikrofon-Sensitivität) aufzuaddieren?

Alle deine unkorrelierten Rauschbeiträge werden quadratisch (d.h. als 
Effektivwerte) addiert.

Danolov schrieb:
> Kann ich für die Rauschberechnung den
> Rückkopplungswiderstand als kurzgeschlossen betrachten?

Wie Lurchi schon geschrieben hat. Oberhalb der RC-Grenzfrequenz ja, 
unterhalb der RC-Grenzfrequenz nein.

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