Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Die Relais Abschaltenergie richtig abschätzen


von Jan (Gast)


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Hallo Gemeinde,
ich wollte mit einer MCU 13 Relais schalten. Da nicht genügend  IO an 
der MCU verfügbar sind brauche ich einen seriellen Port Expander. Siehe

Beitrag "ISP / I2C Relay Driver IC wird gesucht, (Alternative zu PCF8574 + ULN2803A.)"

Auf Empfehlung habe ich zwei von den TPIC6B595 verwendet, und sie 
arbeiten auch wie erwartet. (Danke für die Empfehlung)

Jetzt zu meiner Frage an Euch.
Die Ausgänge des TPIC6B595  haben eine integrierte Z-diode, man braucht 
also „unter Umständen“ keine zusätzliche Freilaufdiode. „Unter 
Umständen“ – Mann muss natürlich sicherstellen das der TPIC6B595 die 
Abschaltenergie des Relais aushalten kann.

Im TPIC6B595  Datenblatt auf Seite  4 ist folgende Angabe zu finden:
EAS Single-pulse avalanche energy (see Figure 11) max 30 mJ
Nun wie schätze ich die Abschaltenergie meines Relais ab?

Ich benutze folgendes Relais :  SANYOU SJ-S-112DM (12V Spulenspannung, 
320Ohm)
Auf den ersten zwei Bildern (Bild1, Bild2) sieht man das 
schaltverhalten.
Die Vertikale Ablenkung ist eingestellt auf 1V/Div, beim Probe verwende 
ich die Dämpfung 1/10. (Resultierende Vertikale Ablenkung ist also 
10V/Div.)
Beim Abschalten sieht man  das die induzierte Spannung auf 53V durch die 
integrierten Z-dioden im TPIC6B595 Ausgang begrenzt wird.

Es stellt sich die Frage  ob der TPIC6B595 diesen Stress auf Dauer 
Aushalten wird.?
Wie kann man praktisch die Abschaltenergie des Relais bestimmen?
Bei einer idealer Spule ist es einfach, E = ½ (I*I) * L

Ich glaube das geht hier nicht so einfach mit dem Relais da:
1. L ist unbekannt
2. Parasitäre Widerstände sind unbekannt
3. …Magnetische Effekte ??? (bin mir da unsicher)

Ich habe folgendes gemacht:
Ein 400nF Kondensator vom Relais gegen Masse geschaltet. Bild3 zeigt das 
verhalten beim Abschalten. Wie man sieht  erreicht die Spannung am 
Kondensator 35V. Die Spannung ist deutlich unter der Z-Spannung des 
TPIC6B595. Damit kann man sagen das die ganze Induktionsenergie in den 
Kondensator übertragen ist.

Somit kann die Abschaltenergie berechnet werden zu :

E=1/2 * U*U *C = 0.5*(35V)*(35V)*400nF= 245nWs = 245nJ

Oder ist es richtiger

E=1/2 * U*U *C = 0.5*(35V-12V)*(35V-12V)*400nF= 106nWs = 106nJ

Im Datenblatt ist die EAS Single-pulse avalanche energy (see Figure 11) 
mit max 30 mJ angegeben.

245nJ <<30mJ
Die abgeschätzte Abschaltenergie ist um ca. den  Faktor  10E6 kleiner 
als die im Datenblatt maximal erlaubte.
Somit komme ich zum Schluss das der SANYOU SJ-S-112DM Relais ohne 
Bedenken mit dem TPIC6B595 angesteuert werden kann.

Ich würde gerne Wissen ob Ihr das auch so sieht? Ist der Ansatz mit dem 
Kondensator richtig?

Bitte keine Antworten wie nimm doch 1N4001 und schalte parallel zum 
Relais.

Es gibt mehrere Argumente dagegen:
1. Das Relais Ausschaltverhalten verschlechtert sich
2. Unnötige Bauelemente

Es geht mir hier auch um eine Grundsätzliche Betrachtung bei solchen 
Lasten getrieben durch ICs.


Gruss,
Jan

: Verschoben durch Admin
von BF (Gast)


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Eelektr(t)=12⋅C⋅U2(t)

von batman (Gast)


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Geht es nicht einfacher? Beim Abschalten fließt der Relaisstrom in 
ähnlicher Höhe weiter. Diesen muß die Diode aushalten. Ändert die höhere 
Spannung daran was?

von BF (Gast)


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setzen 5 !

von BF (Gast)


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Jan schrieb:
> Es gibt mehrere Argumente dagegen:
> 1. Das Relais Ausschaltverhalten verschlechtert sich
Darüber machst Du dir bei einem mechanischen Bauelement Gedanken? das 
steht in keinerlei Relation
> 2. Unnötige Bauelemente
Ja klar 0,5 Cent
Dann optimier mal weiter
> Ein 400nF Kondensator vom Relais gegen Masse geschaltet.
Ach, dann doch weiter Bauelemente??

von Andrew T. (marsufant)


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Jan schrieb:
> 1. L ist unbekannt
> 2. Parasitäre Widerstände sind unbekannt
> 3. …Magnetische Effekte ??? (bin mir da unsicher)

L kannst du aber messen, entweder Meßgerät ausleihen oder einfache 
Testschaltung aufbauen.

Damit/Dann kann dir dies hier noch weiterhelfen:

https://www.elektronikpraxis.vogel.de/die-induktivitaet-von-relaisspulen-richtig-messen-a-460286/

Mit dem dort angebotenen Mitteln kannst Du L errechnen

: Bearbeitet durch User
von Achim S. (Gast)


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Jan schrieb:
> E=1/2 * U*U *C = 0.5*(35V)*(35V)*400nF= 245nWs = 245nJ

Du kommst mit den Zehnerpotenzen offenbar durcheinander. Da kommen keine 
nJ raus, rechne nochmal nach.

Jan schrieb:
> Oder ist es richtiger
>
> E=1/2 * U*U *C = 0.5*(35V-12V)*(35V-12V)*400nF= 106nWs = 106nJ

Oder vielleicht

E1 - E2 = 1/2*(35V)^2*400nF - 1/2*(12V)^2*400nF  ?

Du kannst dir die Frage selbst beantworten: auf welche Spannung war der 
Kondensator aufgeladen, bevor das Relais abgeschaltet wurde? Auf welche 
Spannung war er hinterher aufgeladen.

von Der Andere (Gast)


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Du kannst deine Rechnung verifizieren indem du die Frequenz der 
abklingenden Schwingung abschätzt (Siehe Oszillogramm). Da du mit der 
Relaisspule einen Schwingkreis hast und C bekannt ist kannst du L daraus 
berechnen.
Damit hast du bei bekanntem Strom die in L gespeicherte Energie.

von batman (Gast)


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BF schrieb:
>> 1. Das Relais Ausschaltverhalten verschlechtert sich
> Darüber machst Du dir bei einem mechanischen Bauelement Gedanken? das
> steht in keinerlei Relation

Falsch. Genau durch diese Bauelemente fallen sehr häufig Geräte aus und 
eine schlechte Relaisansteuereung beschleunigt dies i.A.

Seit ich hier nur noch Z-Dioden einsetze, keine Ausfälle mehr.

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Wenn ich mir das Bild 2 so anschau, dann sieht das doch so aus, als 
wuerde die Z-Diode fuer ca. 400µs leiten/durchbrechen/vorsichhinzenern.

Der Anfangsstrom durch diese Diode wird 12V/320Ohm=37.5mA sein und 
exponentiell abnehmen - also sicher nicht gleichbleiben oder gar 
ansteigen.

Jetzt tu' ich mal so, als wuerde der Strom waehrend der 400µs konstant 
bleiben - dann sollte ich auf der sicheren Seite sein, denn tatsaechlich 
wird er ja abnehmen.
Also hab' ich einen Strom von 37.5mA, eine Spannung von 53V und eine 
Zeitdauer von 400µs. Macht eine Energie von 800µJ. Tatsaechlich eher 
weniger, weil ja der Strom nicht die gesamten 400µs mit 37.5mA fliessen 
wird.
Nach den 400µs, wenn die Diode nicht mehr leitet, dann fliesst ja auch 
kaum mehr Strom (der ganze Zauber ist ja nach ca. 5x 400µs eh' 
zweifelsfrei vorbei.), d.h. da geh ich mal stark davon aus, dass nach 
den ersten 400µs nicht mehr viel Energie uebrig ist im Vergleich zur 
Gesamtenergie.

Weil ja die 800µJ doch ein Stueck weg sind von den 30mJ, waer' ich da 
erstmal beruhigt.

Induktivitaet von Relaispulen per Schwingkreis mit bekanntem C ueber 
die Frequenz abschaetzen wuerd' ich nicht machen. Der magn. Kreis und 
damit die Induktivitaet aendert sich, wenn das Relais angezogen ist.


Gruss
WK

von Der Andere (Gast)


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Dergute W. schrieb:
> Der magn. Kreis und
> damit die Induktivitaet aendert sich, wenn das Relais angezogen ist.

Stimmt, da hatte ich nicht daran gedacht. Danke für die Korrektur.

von Achim S. (Gast)


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Der Andere schrieb:
> Dergute W. schrieb:
>> Der magn. Kreis und
>> damit die Induktivitaet aendert sich, wenn das Relais angezogen ist.
>
> Stimmt, da hatte ich nicht daran gedacht. Danke für die Korrektur.

Es stimmt natürlich tatsächlich. Aber wenn man es für obige Messungen 
nachrechnet passt es trotzdem ziemlich gut. Man bekommt halbwegs die 
identischen Energien (besser als Faktor 2) aus 1/2*C*U^2 und 1/2*L*I^2 
wenn man L mit deiner Methode aus der Resonanzfrequenz berechnet.

Mit der Abschätzung L=53V/37mA*400µs kommt man ebenfalls bis auf 20% auf 
das selbe L wie mit der Abschätzung über die Resonanzfrequenz (wobei 
natürlich stimmt, dass L beim Umschalten nicht konstant ist, so dass das 
nur grobe Abschätzungen sind).

von Dergute W. (derguteweka)


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Ja, das kommt ungefaehr hin. Wenn ich mal das Innenleben des Relais als 
Reihenschaltung der unbekannten Spule und eines Widerstands mit 320 Ohm 
anseh' und davon ausgeh', dass die Klemmenspannung an den Relaispins 
fuer 400µs 53V-12V=41V ist und danach unter diesen Wert sinkt, dann ist 
also die Induktionsspannung an der nackigen Spule am Anfang 12V hoeher, 
also 53V und sinkt dann auf 41V nach 400µs ab.

-ln(41V/53V)=0.256

Also ist Tau = L/R = 0.256*400µs; damit komm' ich auf ungefaehr ein 
halbes Henry fuer L.

Das dann in die gute Thomson-Gleichung fuer'n Schwingkreis mit 400nF 
eingesetzt kommt auf ca. 355Hz, was wiederum so ungefaehr 
groessenordnungsmaessig zum Bild 3 im 1.Post passt...

Gruss
WK

von Jan (Gast)



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Vielen Dank für die zahlreichen Antworten und Anmerkungen.
Inzwischen habe ich ein paar weitere Experimente gemacht und wollte die 
Ergebnisse mit Euch teilen.

Ich habe das Relais abschalten an einem finder Relais durchgeführt, 
angesteuert wie vorhin mit einem TPIC6B595.
 Bei diesem Finder Relais lässt sich der Abdeckung abnehmen, man kann 
dann den Anker festhalten,  um zu sehen was die Ankerbewegung für einen 
Einfluss auf die Induzierte Spannung hat.
Bilder „Anker_fest“ und „Anker_lose“ zeigen das verhalten, ein 
deutlicher Unterschied ist zu sehen.
Anker_lose bedeutet normaler Betrieb. Anker_fest bedeutet das der Anker 
festgehalten/fixiert wird. (Festgehalten „offen“ oder festgehalten 
„geschlossen“ ergibt gleichen Verlauf.)

BF schrieb :
>>..Freilaufdioden
>>„Ja klar 0,5 Cent
>>Dann optimier mal weiter..“

Bilder „Abschalten_mit_FreilaufD“ und „Abschalten_ohne_FreilaufD“ zeigen 
den Unterschied.
Kanal 1 zeigt den RCK Puls (Zum Zeitpunkt RCK steigende Flanke schaltet 
der Relais Steuertransistor ab ). Kanal 2 zeigt den Relais Laststrom, 
Spannung  gemessen an einem Rshunt=0.25Ohm(als last eine 30V/12V 
Glühbirne).
Wie man sieht, RelaisTab mit Freilaufdiode beträgt 8ms, ohne 
Freilaufdiode nur 2ms.


Dergute Weka schrieb :

>>“Moin,
>>
>>Wenn ich mir das Bild 2 so anschau, dann sieht das doch so aus, als
>>wuerde die Z-Diode fuer ca. 400µs leiten/durchbrechen/vorsichhinzenern.
>>
>>Der Anfangsstrom durch diese Diode wird 12V/320Ohm=37.5mA sein und
>>exponentiell abnehmen - also sicher nicht gleichbleiben oder gar
>>ansteigen. …..”

All dem stimme ich zu. Ich habe zusätzlich eine Messung gemacht um das 
zu belägen (Finder Relais, 60mA Spulenstrom), Bild „Abschalt_current“.
Der Masseanschluss vom Scope ist angeschlossen an Vbat.
Kanal 1 zeigt die Induzierte Spannung (probe mit 1/10), Kanal2 zeigt den 
Spulen Stromverlauf. (Spannung gemessen an einem 10Ohm shunt widerstand)
Wie man sieht nach 800µs fließt praktisch kein Strom mehr.
Die an die Z-diode abgegebene Abschaltenergie ist < 53V*60mA*0.8ms. 
(<2.5mJ)
Tatsächlich sind es Deutlich weniger , wegen dem abnehmenden Strom. 
Vielleicht weniger als 1mJ.

Für die Abschätzung / um zu überprüfen ob der IC das aushalten wird, 
ist dies wahrscheinlich die einfachste Methode.
Induzierte Spannung am Driver Pin mit Scope messen und Energie berechnen 
:
E = Vind_const  x  T_Vind_const  x  Vbat/Rrelais

Die Bestimmung mit Kondensator wie von mir am Anfang vorgeschlagen würde 
ich abraten.
Die Relaisspule hat einen recht großen Widerstand. Es wird nur ein Teil 
von der Spulenenergie in den Kondensator übertragen. Ein Teil wird in 
dem Spulenwiderstand in die Wärme umgesetzt.

Gruss,
Jan

von Walter T. (nicolas)


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Warum der Kondensator? Das Relais ist eine Spule. Eine Spule fordert 
Strom, keine Spannung.

Die Abschaltenergie ist einfach 1/2 L*I^2, L kannst Du im Datenblatt des 
Relais nachsehen.

Ein Kondensator parallel zum Relais ist kontraproduktiv.

von Jan (Gast)


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Hallo Walter,

>> Die Abschaltenergie ist einfach 1/2 L*I^2

Richtig.

>>L kannst Du im Datenblatt des
>>Relais nachsehen.

Ist leider nicht immer Angegeben, deswegen die ganzen Überlegungen.

Gruss,
 Jan

von Andrew T. (marsufant)


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Walter T. schrieb:
> Die Abschaltenergie ist einfach 1/2 L*I^2, L kannst Du im Datenblatt des
> Relais nachsehen.

Erstens sagt der TE das er diese Angabe über L nicht hat,
zweitens ist L nicht konstant.

Daher gab ich

https://www.elektronikpraxis.vogel.de/die-induktivitaet-von-relaisspulen-richtig-messen-a-460286/

in die Mitte (ca.) des Textes mal runterscrollen, da wird das etwas 
genauer beschrieben.

Man(n) kann natürlich immer "über den Daumen peilen", und 400% 
Sicherheit drauflegen, dann hält das -- oder halt mal genauer schauen. 
So, wie es der TE oben richtig gemacht hat.

von Walter T. (nicolas)


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Andrew T. schrieb:
> Erstens sagt der TE das er diese Angabe über L nicht hat,
> zweitens ist L nicht konstant.

Stimmt. Ein klarer Fall von: habe am Ende des Testes vergessen, was am 
Anfang stand. Mein Fehler.

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