Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Oberschwingungen (Blindleistungskompensation)


von Emil G. (balsamico)


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Hallo ihr,

für eine Laborübungsvorbereitung versuche ich gerade die 
Oberschwingungsgeschichte bei Blindleistungskompensation zu verstehen.

Klar ist mir:

Durch einen induktiven Verbraucher wie ein 
Leuchtstofflampen-Vorschaltgerät ensteht eine Phasenverschiebung aus der 
Blindleistung resultiert, da Strom und Spannung kurzzeitig verschiedene 
Vorzeichen haben. Um die Induktivität zu kompensieren kann ein 
Kondensator parallel geschaltet werden.

Nur ungefähr klar ist mir:

Man bekommt es nicht 100%ig genau hin, den Kondensator richtig zu 
bemessen. Woher kommt das? Unregelmäßigkeiten des Netztes? Verschleiß 
der -und damit leicht variable- Bauteile?

Gar nicht verstehe ich:

Weshalb ist die Phasenverschiebung dann nicht einfach eben nur fast 0 
-wäre ja auch schon nicht schlecht- sondern kommt es zu 
Oberschwingungen? Oberschwingungen sind Wellen mit Frequenzen größer als 
die 50Hz und kleiner Amplitude die auf der Wechselspanniung des Netztes 
liegen. Mir fehlt dieser Zusammenhang, wie es durch eine nicht perfekt 
kompensierte Phasenverschiebung dazu kommen soll.


Kann mir bitte jemand von euch auf die Sprünge helfen?


Danke!

von Ei der Daus (Gast)


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Deine Gedanken sind mir etwas zu wirr. Bitte sortieren.

Und nun ganz konkret ein Beispiel nennen und nicht herum fabulieren.

Anschließend eine ganz genaue Frage stellen und zwar nur eine!

von Al3ko -. (al3ko)


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Emanuel G. schrieb:
> Weshalb ist die Phasenverschiebung dann nicht einfach eben nur fast 0
> -wäre ja auch schon nicht schlecht-

Ich bin kein Energietechniker, würde aber in erster Linie behaupten, 
dass der Kondensator so ausgelegt werden muss, dass die Oberwellen die 
Grenzen nicht überschreiten. Genau 0 muss die Phasenverschiebung 
entsprechend nicht sein, solange der Grenzwert eingehalten wird.
Und dieser Grenzwert ist sicherlich in einer Din oder einer anderen 
Vorschrift geregelt.

Viel Erfolg im Labor.

Gruß,

von Ei der Daus (Gast)


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Schafft Du das? Ja, dann bekommst Du eine ganz genaue Antwort.

von Emil G. (balsamico)


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Al3ko -. schrieb:
> Emanuel G. schrieb:
>> Weshalb ist die Phasenverschiebung dann nicht einfach eben nur fast 0
>> -wäre ja auch schon nicht schlecht-
>
> Ich bin kein Energietechniker, würde aber in erster Linie behaupten,
> dass der Kondensator so ausgelegt werden muss, dass die Oberwellen die
> Grenzen nicht überschreiten. Genau 0 muss die Phasenverschiebung
> entsprechend nicht sein, solange der Grenzwert eingehalten wird.
> Und dieser Grenzwert ist sicherlich in einer Din oder einer anderen
> Vorschrift geregelt.

Das kann gut sein, das mit der DIN. Aber weißt du, wie es zu den 
Oberschwingungen kommt? WAS sie sind und DASS sie aus einer nicht 
komplett kompensierten Phasenverscheibung resultieren, weiß ich. Aber 
WIE es dazu kommt, diesen Zusammenhang vertehe ich nicht.

> Viel Erfolg im Labor.

Danke, das werde ich brauchen!

von Dangerseeker3000 (Gast)


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Blindleistung wird übertragen, wenn zwischen u(t) und i(t) kein linearer 
Zusammenhang besteht, wenn also z.B. eine Phasenverschiebung auftritt, 
oder die Stromaufnahme gar nicht sinusförmig ist.
Im ersten Fall (Phasenverschiebung) lässt sich die Blindleistung z.B. 
durch Parallelschalten eines Kondensators kompensieren, indem die 
Phasenlagen von Strom und Spannung wieder zur Deckung gebracht werden.
Im zweiten Fall (Stromaufnahme nicht sinusförmig) kommt es zu den o.g. 
Oberschwingungen, und es wird komplizierter...

von Possetitjel (Gast)


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Emanuel G. schrieb:

> Durch einen induktiven Verbraucher wie ein
> Leuchtstofflampen-Vorschaltgerät ensteht eine Phasen-
> verschiebung aus der Blindleistung resultiert, da Strom
> und Spannung kurzzeitig verschiedene Vorzeichen haben.
> Um die Induktivität zu kompensieren kann ein Kondensator
> parallel geschaltet werden.

Ja.


> Nur ungefähr klar ist mir:
>
> Man bekommt es nicht 100%ig genau hin, den Kondensator
> richtig zu bemessen. Woher kommt das?

Naja, Toleranzen gibt es überall, also auch bei Vorschalt-
drosseln u.ä. Da die Netz-Leute induktive Blindleistung
lieber mögen als kapazitive, wird vorsichtshalber die
Kompensation nicht auf 100% ausgelegt, sondern mal lässt
einen Rest induktiver Blindleistung übrig.

Dazu kommt, dass aus Aufwandsgründen nicht immer alle
Verbraucher einzeln kompensiert, sondern zu Gruppen
zusammengefasst werden.

Drittens hat man leider nicht nur Verschiebungsblindleistung,
sondern auch Verzerrungsblindleitung.


> Gar nicht verstehe ich:
>
> Weshalb ist die Phasenverschiebung dann nicht einfach eben
> nur fast 0 -wäre ja auch schon nicht schlecht- sondern
> kommt es zu Oberschwingungen?

Das hat nichts miteinander zu tun.


> Oberschwingungen sind Wellen mit Frequenzen größer als die
> 50Hz und kleiner Amplitude die auf der Wechselspanniung
> des Netztes liegen. Mir fehlt dieser Zusammenhang, wie es
> durch eine nicht perfekt kompensierte Phasenverschiebung
> dazu kommen soll.

Gar nicht, kommt es nicht.


> Kann mir bitte jemand von euch auf die Sprünge helfen?

Alle Formen von Blindleistung haben damit zu tun, dass sich
die Energieflussrichtung kurzzeitig ändert. Bei der üblichen
Verschiebungsblindleistung wird das von der Phasenverschiebung
zwischen dem sinusförmigen Strom und der sinusförmigen Spannung
verursacht. Verschiebungsblindleistung tritt auch bei idealen
(=perfekt linearen) passiven Bauteilen auf.

Anders die Verzerrungsblindleistung: Die tritt auf, weil zwar
die Spannung sinusförmig verläuft, der Strom aber einen stark
von der Sinusform abweichenden Verlauf hat. Verzerrungs-
blindleistung tritt nur bei nichtlinearen Bauteilen auf.

Klassische Blindleistungskompensation kann nur Verschiebungs-
blindleistung kompensieren. Je besser diese Kompensation
ist, desto stärker tritt die Verzerrungsblindleistung hervor,
weil die eben NICHT so einfach kompensierbar ist.

von Possetitjel (Gast)


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Emanuel G. schrieb:

> Aber weißt du, wie es zu den Oberschwingungen kommt?

Durch nichtlineare Verbraucher.
Einfachstes Beispiel: Graetz-Brücke mit Siebkondensator.

Nicht ganz so offensichtliches Beispiel: Leuchtstofflampe.

Gasentladungslampen haben eine Z-Dioden-Charakteristik,
sind also nichtlineare Baueile --> Verzerrungsblindleistung.
Die Drossel verursacht eine Phasenverschiebung, das Leucht-
mittel selbst eine nichtlineare Stromaufnahme.


> WAS sie sind und DASS sie aus einer nicht komplett
> kompensierten Phasenverscheibung resultieren, weiß ich.

Dann "weisst" Du etwas Falsches.

Sowohl die Verschiebungs- wie auch die Verzerrungs-
blindleistung werden vom Verbraucher verursacht. Die
Verschiebungsblindleistung ist ein linearer Effekt und
lässt sich kompensieren; auf die Verzerrungsblindleistung
trifft das aber nicht zu.

von Martin H. (horo)


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Dangerseeker3000 schrieb:
> Im zweiten Fall (Stromaufnahme nicht sinusförmig) kommt es zu den o.g.
> Oberschwingungen, und es wird komplizierter...

Nicht sinusförmige Stromaufnahme entsteht z.B. durch 
Phasenanschnittssteuerung oder Einweg- bzw. Zweiweggleichrichtung und 
Ladekondensator bei Schaltnetzteilen und Frequenzumrichtern. Dort fließt 
nicht während der gesamten Periode Strom.

von hinz (Gast)


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Possetitjel schrieb:
> Die
> Verschiebungsblindleistung ist ein linearer Effekt und
> lässt sich kompensieren; auf die Verzerrungsblindleistung
> trifft das aber nicht zu.

Auch letztere lässt sich kompensieren, aber eben nicht durch einen 
einfachen Kondensator. Die PFC in üblichen Netzteilen macht das ja auch.

von Emil G. (balsamico)


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Wow! Vielen Dank euch allen. Ich musste eure Posts ein paar Mal lesen, 
aber ich glaube ich habs:

Blindleistung ist also nicht gleich Blindleistung. Es gibt diese durch 
Phasenverschiebung, die ich ja schon genannt habe aber die hat mit den 
Oberschwingungen nichts zu tun. Von dem Holzweg habt ihr mich 
gottseidank abgebracht. Auf dem war ich lange unterwegs heute!! Das Ding 
mit den Oberschwingungen kommt durch die Verzerrungsblindleistung. Diese 
ist keine "perfekte sinusmäßige" Verschiebung sondern wirre Frequenzen 
übereinander. Ursache dafür ist nicht-sinusförmige Stromaufnahme wie 
z.B. durch Gasentladung einer Leuchtstofflampe oder auch bei 
elektronischen Vorschaltgeräten, weil da an der Frequenz geschraubt wird 
und nicht während der ganzen Periode Strom aufgenommen wird.

Habe ich euch richtig verstanden?

...Gerade den letzten Satz habe ich mir selber kombiniert weil...

Martin H. schrieb:
> Nicht sinusförmige Stromaufnahme entsteht z.B. durch
> Phasenanschnittssteuerung oder Einweg- bzw. Zweiweggleichrichtung und
> Ladekondensator bei Schaltnetzteilen und Frequenzumrichtern. Dort fließt
> nicht während der gesamten Periode Strom.

...in einem elektronischen Vorschaltgerät ein Gleichrichter und ein 
Hochfrequenzwechselrichter verbaut sind. Aber kann man das so sagen mit 
den EVGs?

von Jürgen W. (Firma: MED-EL GmbH) (wissenwasserj)


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Die obigen Antworten enthalten manchmal was Richtiges, aber auch viel 
wirres Zeug.

Also: Blindleistung ist, vereinfacht gesprochen, im Wechselspannungsnetz 
das Hin- und Herpendeln von Energie, die "zwischengespeichert" ist. Das 
heißt praktisch also gespeichert im elektrischen Feld (Kondensator) oder 
magnetischen Feld (Induktivität).
Diese gespeicherte Energie wird nicht verbraucht, ergo muß sie von 
Energieversorgern nicht hergestellt und somit auch nicht verrechnet 
werden. Jedoch bedeutet dieses Pendeln (mit 100 Hz!) sehr wohl einen 
Stromfluß, den die Leitungsnetze tragen müssen - damit auch Verluste im 
Leitungsnetz.

Für normale Haushalte ist das kein Thema, aber ab einer gewissen 
Anschlußleistung schreiben EVUs Blindleistungskompensation (d.h. 
lastabhängige Beschaltung mit Kondensatoren) vor und verrechnen auch die 
Blindleistung (d.h. praktisch die Netzverluste).

Unabhängig davon:
Hat man eine z.B. Induktivität in Serie zur Last (wie eben bei einer 
Leuchtstofflampe), so bedeutet das natürlich einen (vektoriellen) 
Spannungsverlust; die entsprechend dimensionierte Kapazität gleicht den 
aus.
Man gleicht aber nicht zu 100% aus, denn dann hätte man eine 
Resonanzsituation, die je nach effektivem Verbraucher zu extremen 
Stromflüssen und entsprechenden Spannungsüberhöhungen führt; typische 
Werte sind cos(phi)=0,95.

Weitere Anmerkung: Bei der Leuchtstofflampe gibt es im Gegensatz zur 
Glühlampe keine thermische Trägheit, daher tritt der Stoboskopeffekt 
(100Hz) ein - fatal in einer Werkstatt, wenn man glaubt, die 
Bohrmaschine/Fräse, etc. steht still.
Da kann man eine Tandemschaltung einsetzen, in der zwei Röhren verwendet 
werden, bei denen eine überkompensiert ist und somit die beiden Ströme 
ca. 90° phasenverschoben sind - das hebt den Stroboskopeffekt zu einem 
Gutteil auf.

von chris (Gast)


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von Ei der Daus (Gast)


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Ja, lesen muss der TO schon selber...

von peterqu@gmx.de (Gast)


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Possetitjel schrieb:
> Da die Netz-Leute induktive Blindleistung
> lieber mögen als kapazitive, wird vorsichtshalber die
> Kompensation nicht auf 100% ausgelegt, sondern mal lässt
> einen Rest induktiver Blindleistung übrig.

Trafos, Motore, Drosseln sind alles Ursache für induktive Blindleistung. 
Nix mit "lieber mögen".

Ganz im Gegenteil. Man hat ständig Probleme, die induktive Komponente 
klein zu halten. Denn jede mit Magnetfeld arbeitende Last ist ja auch 
induktiv.

Im Kernkraftwerk Gundremmingen hat man damals bei Block A, dem Ersten 
der drei Blöcke, bei der Stillegung zwar den Reaktor und die Turbine 
stillgelegt, den Generator A betrieb (betreibt) man weiterhin im 
Leerlauf als steuerbare Blindlast. Bei Übererregung ist das dann eine 
kapazitive Last, mit der man die von den Generatoren B und C erzeugte 
induktive Komponente des Stroms kompensieren konnte.

Emanuel G. schrieb:
> Weshalb ist die Phasenverschiebung dann nicht einfach eben nur fast 0
> -wäre ja auch schon nicht schlecht- sondern kommt es zu
> Oberschwingungen?

Jede Nichtlinearität, vor allem die des Trafoeisens erzeugt Oberwellen.
Ein auf Wirtschaftlichkeit (bzw. auf Kante)ausgelegter Trafo hat fast 
immer einen dreieck- anstatt eines sinus-förmigen Stroms.

von DCDC (Gast)


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Hallo,

wie bereits geschrieben ist die Leuchtstofflampe ein nichtlinearer 
Verbraucher, dadurch kannst Du keine vollständige 
Blindleistungskompensation mit einem Kondensator durchführen, da dieser 
nur eine Komponente des Stromes bei der Netzfrequenz (an angenommen 
sinusförmiger Spannung) annehmen kann. Die Nichtlinearität hat letztlich 
Ihre Ursache in Temperaturschwankungen, die mit der 50Hz bzw. 100Hz 
Netzfrequenz auftauchen, dadurch ändert sich die Leitfähigkeit bei der 
Gasentladung. Die Drossel dient im wesentlichen als Strombegrenzung (im 
stationären Betrieb, Zündung mal weggelassen), da der differentieller 
Widerstand einer Gasentladung (im Bereich der Bogenentladung) negativ 
sein kann.

Bei nichtlinearen Verbrauchern (Klassiker wie erwähnt Gleichrichter mit 
Kondensator am Netz) entstehen dann Oberschwingungsanteile im Strom (bei 
sinusförmiger Spannung) im Sinne der Fourierreihenentwicklung und diese 
tragen nichts zum Leistungsumsatz.

Vielleicht hilft das: https://youtu.be/ZlnZZy4aEWI

Gruß DC/DC

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