Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Aktiver Stromsensor: Eignung für PMSM-Regelung und Frage zum Messbereich


von Jens E. (ppq)


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Moin,

zum VAC 4644-X101 habe ich Verständnisfragen. Hier das Datenblatt:
https://www.mouser.de/datasheet/2/599/4644-X101_en-240833.pdf
Der Nennstrom ist dort mit 50 A angegeben, der maximale Messbereich (in 
Abhängigkeit des Messwiderstands) ist aber wesentlich größer. Auf S. 4 
gibt es ein Diagramm dazu.

Die Genauigkeit (0,1%-0,5%) ist nun natürlich auf die 50 A bezogen. Wie 
sieht es aber jenseits der 50 A aus? Ist da mit signifikant größeren 
Messfehlern zu rechnen oder bewegt sich das auch im Bereich <0,25 A?

Meine zweite Frage bezieht sich auf die beabsichtigte Anwendung.

Hintergrund: Ich habe eine PMSM mit 8 kW Nennleistung bei 96 V, die ich 
ohne Geschwindigkeits- und Winkelsensoren regeln möchte. Dazu habe ich 
als nichtlinearen Zustandsbeobachter ein Extended Kalman Filter 
formuliert, das in Simulation auch schon sehr gut funktioniert und "nur" 
Messungen der drei Phasenspannungen und -ströme benötigt, um gute 
dynamische Schätzungen von Winkel und Drehzahl zu liefern. Hierfür 
brauche ich jetzt möglichst gute Messungen der Phasenströme. Da ich 
thermisch eingeschränkt bin, werde ich die ~83 A (die sich aus 8000 W 
geteilt durch 96 V ergeben) ganz sicher nicht überschreiten und mich 
überwiegend im Bereich unter 50 A aufhalten, daher fiel die Wahl auch 
auf den o.g. Stromsensor (etwas genauer als die 100 A Version, dem VAC 
4646-X100).

Ist in dieser Anwendung der o.g. Stromsensor eine gute Wahl oder lassen 
sich per Shunt bessere Genauigkeiten für die drei Phasenströme 
erreichen? Wie hoch wäre da der Aufwand zur galvanischen Trennung? Ich 
stelle mir das reichlich kompliziert vor. Ich habe übrigens einen 16bit 
ADC (-10 bis 10 V Eingänge) mit genügend vielen differenziellen Kanälen 
zur Verfügung.

Über Meinungen und Vorschläge würde ich mich freuen, auch über Ideen zur 
Messung der drei Spannungen!

Danke, beste Grüße
le ppq

von Alex E. (tecnologic) Benutzerseite


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Moin ppq,

ohne die Stromsensoren zu kennen vermute ich mal die 50A Nennstrom 
beziehen sich auf den Strombereich wo der Kern nicht in Sättigung geht. 
Darüber (50A+) könnte es dann so sein das die Empfindlichkeit rapide 
abnimmt. Also solltest du besser weitestgehend im Nennbereich bleiben.

Grundsätzlich ist der Sensor geeignet, LEM und andere Fabrikate die auf 
dem gleichen Prinzip beruhen werden gern für größere Umrichter 
eingesetzt.

Ein Punkt solltest du dabei aber immer bedenken: die maximale Bandbreite 
von 100kHz sowie die Resonsetime/delaytime von ca. 4µs bzw. knapp 14µs 
in Verbindung. Sorgen dafür das du diese Totzeit kompensieren musst 
bevor du die Ströme dem Kalman zufressen gibst.

Als Messgenauigkeit reichen schon effektive 10Bit voll aus. Jedes Bit 
mehr wird nur in der Region nahe des Stillstands gebraucht.

Ich vermute mal bei 96V und und 8kW handelt es sich um einen 
Traktionsantrieb? Falls ja hast du im Stillstand bzw. beim Start aus dem 
Stillstand mit dem Kalman recht wenig Probleme solange genug Strom 
fliest, dann ist auch bei 10BitENOB genug SNR in dem Stromsignal das der 
Kalman damit klar kommt. Ansonsten die erwartete Messvarianz etwas hoch 
ziehen.

Hast du den Antrieb auch mal mit einem realitätsnahen Trägheitsmoment 
getestet?

Gruß

Alex

von Jens E. (ppq)


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Moin Alex,

danke für das Feedback, die Totzeit hatte ich noch nicht auf dem Schirm. 
Bei LEM schaue ich mich mal um!

Genau, es handelt sich um einen Nabenmotor, der in einer 17" 
Motorradfelge integriert ist.

Getestet habe ich den Antrieb bis jetzt noch gar nicht, wollte erstmal 
die nötige Messtechnik beschaffen. Bei größeren Trägheitsmomenten wird 
ggf. die Strombegrenzung greifen.

Beste Grüße
ppq

von Alex E. (tecnologic) Benutzerseite


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Die Frage mit dem Trägheitsmoment bezog sich darauf, ob du getestet 
hast, dass dein Kalman sich auch mit hohem Trägheitsmoment korrekt 
verhält. Erfahrungsgemäß werden dabei einige Terme so klein das du damit 
nummerische Schwierigkeiten bekommst, ich gehe jetzt mal davon aus, dass 
du das Ding mindestens in Float implementierst.

Ich glaube nicht das ein LEM viel besser oder schlechter ist als der 
Sensor den du raus gesucht hast. Ich wollte damit sagen das solche 
Wandler recht üblich sind in Frequenzumrichtern. Worauf du noch achten 
solltest ist die Signalführung. So ein Umrichter ist üblicherweise eine 
ziemliche EMV Sau und somit hast du gerade auf internen Analog Signalen 
recht ansehnliche Störungen. Also nicht einfach das Analog Signal des 
Stromes direkt über die Motorphase legen oder Ähnliches.

Nur als kleine Tipps zur Frust Vermeidung, sonst kommt der Frust recht 
schnell auf bei den ganzen Effekten die man im Matlab so nicht oder nur 
mit viel Aufwand simulieren kann.

Gruß

Alex

von Jens E. (ppq)


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Achso, so meintest du das. Nein, das EKF ist noch nicht für dieses 
System getuned, das steht noch aus. In der Implementierung werde ich auf 
jeden Fall mindestens float zur Verfügung haben (dSPACE MicroLabBox), 
soweit ich weiß geht da auch double -- aber da ich mit der Q- und der 
R-Matrix sowieso zwei Einflussmöglichkeiten habe, deren 
"Größenverhältnis" untereinander (sowie das relativ zu den 
Systemparametern) ausschlaggebend ist für die Numerik, erwarte ich da 
keine unüberwindbaren Schwierigkeiten. Notfalls kann ich natürlich auch 
die Systemparameter skalieren. Eine Herausforderung wird jedenfalls die 
Echtzeitfähigkeit, etliche Matrizenoperationen mit 5x5 Matrizen sind 
auch für ein dSPACE kein Zuckerschlecken. Aber das wird schon irgendwie 
;-)

Alexander B. schrieb:
> Also nicht einfach das Analog Signal des
> Stromes direkt über die Motorphase legen oder Ähnliches.

Da kann ich nicht ganz folgen. Ich dachte mir das so, dass ich die drei 
Leitungen, die von der Leistungselektronik zum Motor gehen, einfach 
durch drei solcher Stromsensoren führe und dann vom Spannungsausgang 
oder vom Messwiderstand - je nach dem, was für ein Stromsensor es 
letztendlich wird - per BNC-Kabel o.ä. an einen differenziellen Eingang 
des ADC gehe.
(Zur Spannungsmessung jeweils zwischen zwei Motoranschlüssen muss ich 
mir noch was überlegen.)

Da ich blutiger Anfänger bin, zumindest was solche praktischen Dinge 
betrifft, bin ich dankbar für deine Frustvermeidungstipps :-)

von Alex E. (tecnologic) Benutzerseite


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Jens E. schrieb:
> per BNC-Kabel o.ä. an einen differenziellen Eingang
> des ADC gehe.
> (Zur Spannungsmessung jeweils zwischen zwei Motoranschlüssen muss ich
> mir noch was überlegen.)

völlig in Ordnung. Geschirmte Kabel sind genau das richtige und Weg von 
den Motorphasen, bloß nicht parallel da ran strapsen weil es schön 
aussieht :P.

Für die Inversen musst du sonst gucken welche Zerlegung ggf. 
performanter ist.

Gruß

Alex

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