Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Kündigung auf Japanisch


von robocash (Gast)


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Seit längerem arbeite ich in einem Familienunternehmen an einfacher 
Embedded Software. Jetzt bin ich über 45 Jahre. Die Tätigkeit ist ohne 
Zukunft.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-18309090.html

Kündigung auf Japanisch erfolgt (obwohl das Unternehmen Kontakte nach 
Japan unterhält) bei mir anscheinend nicht mit Absicht, aber der Effekt 
ist ähnlich.

Einen normalen Projektrhythmus gibt es nicht. Schwierigkeiten nahmen 
letztes Jahr zu. Angeblich haben die Konflikte und Sparmaßnahmen keinen 
tendenziellen Grund in der Marktlage, aber in Wirklichkeit läuft es 
scheinbar doch schlecht mit dem Großhandelspreis unserer Produkte.

So sitze ich nun seit mehreren Monaten an meinem PC als letzter 
Informatiker der Firma. Zwei Kollegen haben sich schon was anderes 
gesucht nur mir gelingt es nicht auf die Schnelle. Neue Arbeitsmittel 
schafft der Chef für mich nicht mehr an. Gern darf ich sieben Stunden 
pro Tag Wikipedia lesen wenn ich das aushalte. Die Glasscheibe hinter 
meinem Stuhl haben sie daraufhin mit Milchglasfolie zugeklebt. Meinem 
Teamleiter wollte ich mein Werk erklären: "Das Modul ist über ein Kabel 
mit dem PC verbunden und ich sende jetzt Daten über das Kabel an das 
Modul um folgendes zu zeigen..." - Er sog den Stecker mit dem Kabel ab 
und hielt mir den Stecker vor's Gesicht um zu zeigen dass er jetzt 
redet. Gesprächsthemen finden wir keine, weder technische noch welche 
aus der Freizeit. Konzentrieren kann ich mich kaum noch und bin abends 
k.o. Projekte kommen wochenlang keine. Dann wieder muss ein Projekt 
möglichst schnell fertig werden wobei ich wieder keine vernünftige 
Zeitplanung erhalte. Für welche Stückzahl der eilig geplanten 
Serienproduktion soll ich die Automatisierung vorbereiten? Antwort: 
Mindestens ein Stück soll gefertigt werden.

Stellen sind in der Landeshauptstadt Wiesbaden schwer zu finden. Einmal 
war die Rede von mehreren Runden in denen die Bewerber gefiltert werden. 
Hier herrscht bei <3% Arbeitslosigkeit unter Hochschulabsolventen 
Vollbeschäftigung. Vermutlich pendeln viele hier wohnende Informatiker 
nach Frankfurt oder bundesweit.

Das Unternehmen plant, wie angedeutet, Serienproduktion gestützt durch 
meine Software aufzunehmen. Falls ich doch eine Stelle bekäme sollte ich 
meine Firma etwa vorwarnen? Dann bricht die Serienproduktion wenigstens 
nicht wegen mir zusammen. Sollen wenigstens aus diesem Grund nicht noch 
ein böswilliges Zeugnis schreiben.

von Purzel H. (hacky)


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Du solltest das Jammern sein lassen.
Sag der Geschaeftsleitung, dass du zu Suchen anfaengst, weil's sonst 
keine Zukunft hat. Moegliche Reaktionen :
a) oh, das nicht gut, was koennen wir tun ? Befoerderung, Lohnerhoehung, 
..
b) ah. ja, eine gute idee ...

von Qwertz (Gast)


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Jetzt ist G. schrieb:
> Moegliche Reaktionen : a) oh, das nicht gut, was koennen wir tun ?
> Befoerderung, Lohnerhoehung, ..
> b) ah. ja, eine gute idee ...

Es wird ganz klar auf b) hinauslaufen.

von Hans (Gast)


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Qwertz schrieb:
> Es wird ganz klar auf b) hinauslaufen.

Natürlich. Jeder ist ersetzbar und es gibt immer jemanden, der die 
Arbeit billiger macht.

von N. (Gast)


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robocash schrieb:
> Sollen wenigstens aus diesem Grund nicht noch
> ein böswilliges Zeugnis schreiben.

Fordere ein Zwischenzeugnis an - mit konkreten Vorgaben (Deine 
Tätigkeiten, Projekte, ...). Als Grund für das Zwischenzeugnis genügt 
die lange Betriebszugehörigkeit. Das ist als Signal genug und Du 
bekommst Dein Zeugnis mit der Möglichkeit zur Korrektur, falls das 
Zeugnis Deiner Ansicht nach nicht passt.

von IchGlaubeEsNicht (Gast)


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Der Artikel ist aus dem Jahre 2001. Und dazu hat sich robocash eine 
Geschichte ausgedacht.

von Manfred (Gast)


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IchGlaubeEsNicht schrieb:
> Und dazu hat sich robocash eine Geschichte ausgedacht.

Einer der typischen Trollthreads und niemand merkt das.

von Joachim B. (jar)


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robocash schrieb:
> Gern darf ich sieben Stunden
> pro Tag Wikipedia lesen wenn ich das aushalte.

kein Lapptop, kein Freecell, nix zu proggen?

immerhin hatte ich in der Situation 10000 (von 32000) freecell Level 
gelöst, dann wurde mir langweilig und es kam Siedler2.
War schon komisch in einer 10000m² leeren ausgeräumten Halle mit nur 
einem Schreibtischblock und Schrank alleine auszuhalten.
Aber man kann sich ja beschäftigen, heute eher als damals, es gibt viel 
zu lernen, zu machen, mehr als man üblicherweise Zeit hat.

von Mac G. (macgyver0815)


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Joachim B. schrieb:
> robocash schrieb:
>> Gern darf ich sieben Stunden
>> pro Tag Wikipedia lesen wenn ich das aushalte.
>
> kein Lapptop, kein Freecell, nix zu proggen?


Notfalls halt auf µC.net trollen, das geht immer ;-)
(DA kommen wahrscheinlich die ganzen hyperaktiven Trolle her.
Gelangweilte Mitarbeiter...)

Wenn man nen (privates) Notebook / Tablet und Internet hat, hat man alle 
Möglichkeiten. Da würd mir nicht so schnell langweilig werden.

Nur mit Firmen PC ist man etwas eingeschränkter, aber als Entwickler hat 
man sicher etwas mehr Software zum experimentieren drauf oder kann was 
bei der IT anfordern ("Fortbildung")...

von Münchner (Gast)


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robocash schrieb:
> Stellen sind in der Landeshauptstadt Wiesbaden schwer zu finden.

Letzte Wochen waren die Installationsexperten von Phytec bei uns zu 
Gange. Angeblich haben sie Engpässe in der Entwicklung, weil sie keine 
Leute finden. Dort kannst Du es mal probieren. Musst halt einmal über 
die Brücke morgens ins feindliche Bundesland :-)

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von Falk B. (falk)


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When you realize you are riding a dead horse, get off.

von asdfg (Gast)


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robocash schrieb:
> Stellen sind in der Landeshauptstadt Wiesbaden schwer zu finden.

Warum suchst du nur in Wiesbaden? Wenn es wegen dem Haus mit 
10-Jahre-Restkredit it, dann selbst schuld. So einen Klotz binded man 
sich nur ans Bein, wenn man mit dem Arbeitgeber oder zumindest der 
Umgebung absolut sicher ist. Und dann erzählt man es trotzdem dem 
Arbeitgeber nicht, weil er sonst weiss, dass er dich in der Hand hat.

7 Stunden wiki sind erlaubt? Dann kannst du auch mit Python oder so 
weiterbilden.

von Joachim B. (jar)


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Falk B. schrieb:
> When you realize you are riding a dead horse, get off.

ist nicht immer leicht, in der Wüste würde ich eher das "halbtote" Pferd 
weiterreiten als zu Fuss zu gehen.
Noch bekommt er ja seine Gage.

von der schreckliche Sven (Gast)


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robocash schrieb:
> Hier herrscht bei <3% Arbeitslosigkeit unter Hochschulabsolventen
> Vollbeschäftigung.

Weniger als DREI PROZENT???
Das ist extremer Arbeitskräftemangel!
Wenn Du da keine Firma findest, die Dir den roten Teppich ausbreitet, 
trifft auf Dich folgendes zu:
1.: Du willst nicht.
2.: Du kannst nicht.
3.: Du bist so ein A., daß Dich keiner haben will.

von Cerberus (Gast)


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robocash schrieb:
> Sollen wenigstens aus diesem Grund nicht noch
> ein böswilliges Zeugnis schreiben.

Das wird sowieso nicht gemacht. Über die Kontaktdaten der
Arbeitszeugnisse würgt man dir ein passendes Image per Telefon
rein wenn ein neuer Arbeitgeber den Vorhergehenden kontaktet.
Muss schon ziemlich naiv gewesen sein als die Bundesarbeitsrichter
das mit dem Arbeitszeugnis zum ersten mal verfügt hatten.
Aber die AN sind ja wie die Schafe. Möglichst viele sensible
Daten in die Bewerbung packen. Manchmal ist mehr aber alles andere
als vorteilhaft.

von robocash (Gast)


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Ausrüstung ist Windows 7 und Visual Studio 2010. Gibt kein neues. In der 
Firma wird hauptsächlich gelötet aber wenig entwickelt. Die Facharbeiter 
sehen mich als "Bremser". In der DDR gab es früher den Begriff BMSR: 
Betriebs Mess Steuer und Regeltechnik. Die Facharbeiter nannten es 
"Bremsertechnik". Als Stundenlohn erhalte ich 21,30€.

Für die Fortbildung gibt es hauptsächlich Wikipedia. Habe auch bei 
meiner FH reingeschaut wie sie fleißig weiter ausbilden. Anfangs habe 
ich gern mal etwas gelesen. Kann das Wissen, außer Beispielprogramme, 
aber nicht anwenden. Komme mir vor wie ein Prof. der keine Vorlesungen 
mehr halten darf. Anfangs machte das Lesen Spaß. Dann ist mein Denken 
eingerostet. Seit kurzem erfasse ich Texte nur noch halb.

Für die Vorstellungsgespräche könnte ich mich in meinem Fall wohl 
unbezahlt freistellen.  Bei manchen Gesprächen merkte ich richtig dass 
mittendrin die Stimmung kippt. Einmal kam ich zu einem 
"GEO-CAD-Systemhaus". Da geht es um Erschließung von Wohngebieten. Weil 
es zufällig wenig Wohnungen gibt kommt mir die Stelle jetzt nachdem als 
sicher vor. Die Geschäftsführerin kam nicht, statt dessen eine 
Personalfrau und ein Fachinformatiker im Baumwoll-T-Shirt. Erst machten 
sie auf gleichgültig, erzählten von DLLs und fragten nichts. Also wollte 
ich mal über die Entlohnung sprechen. "In einem zweiten Gespräch 
vielleicht". Da kippte es. Ich sollte meine Highlights aufzählen. Warum 
ich öfter die Stelle gewechselt hätte. Die Frau sagte mehrfach dass sie 
nochmal mit meinem Personalvermittler sprechen wolle. Ob ich bei 
Kernzeit von 8 Stunden dort wirklich arbeiten wolle. Wann ich anfangen 
könne? Ich nannte einen Monatsersten aber versehentlich einen Monat 
zeitiger. Weil die beiden aber anscheinend sowieso in eine andere 
Richtung dachten merkten sie es gar nicht. Nach mehreren Telefonaten mit 
dem Personalvermittler bekam ich zeitnah die Ablehnung. Die Firma sucht 
immer noch.

von der schreckliche Sven (Gast)


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Für Dich ist es an der Zeit, über eine berufliche Neuorientierung 
nachzudenken. Nur Mut! Du hast erst das halbe Leben hinter Dir! Es gibt 
keinen Grund, sich die zweite Hälfte auch noch zu vermiesen.

von Wooduu (Gast)


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Habe ich bei einem Giganten schon vor sehr, sehr langer Zeit erlebt.

Ein sehr erfolgreicher Mitarbeiter mußte sich morgens anmelden und 
abends abmelden. Er durfte von sich aus nicht telefonieren, mußte aber 
Telefonanrufe entgegen nehmen. Das war nur Kontrolle!

Gekündigt werden konnte er nicht.

Beitrag #5542997 wurde von einem Moderator gelöscht.
Beitrag #5543029 wurde von einem Moderator gelöscht.
von Qwertz (Gast)


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robocash schrieb:
> Als Stundenlohn erhalte ich 21,30€.

Oje, das sind bei 40h-Woche ja gerade einmal 45.000 Euro Bruttoeinkommen 
im Jahr, und das mit 45 Jahren und entsprechend langer Berufserfahrung? 
Viel zu wenig, vor allem für Hessen!

von Bernd K. (prof7bit)


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robocash schrieb:
> Ausrüstung ist Windows 7 und Visual Studio 2010. Gibt kein neues.

Ein Informatiker der vor einer funktionsfähigen eingeschalteten 
programmierbaren Rechenmachine - noch dazu einer mit funktionierendem 
Internetanschluß - sitzt und keinen Zeitvertreib finden kann ist keiner.

: Bearbeitet durch User
von Dennis (Gast)


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Qwertz schrieb:
> robocash schrieb:
> Als Stundenlohn erhalte ich 21,30€.
>
> Oje, das sind bei 40h-Woche ja gerade einmal 45.000 Euro Bruttoeinkommen
> im Jahr, und das mit 45 Jahren und entsprechend langer Berufserfahrung?
> Viel zu wenig, vor allem für Hessen!

Komm Karten auf den Tisch was Verdienst du?

von Qwertz (Gast)


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Dennis schrieb:
> Komm Karten auf den Tisch was Verdienst du?

Verdienen tu ich es vielleicht nicht unbedingt, aber ich bekomme etwas 
über 100k brutto p.a. als einfacher Entwicklungsingenieur. Mit dem 
tariflichem Zusatzentgelt nächstes Jahr werden es noch einmal ca. 2,5% 
mehr werden. Die Leistungszulage könnte auch noch mal steigen, ich sehe 
da ganz gute Chancen laut Feedback meiner Führungskraft.

von Kastanie (Gast)


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Cerberus schrieb:
> Das wird sowieso nicht gemacht. Über die Kontaktdaten der
> Arbeitszeugnisse würgt man dir ein passendes Image per Telefon
> rein wenn ein neuer Arbeitgeber den Vorhergehenden kontaktet.

Oh je, der frustrierte VerschwörungsCerberus mit seinen stets fundierten 
Aussagen schon wieder.
(Hatte im schnellen Schreiben schon statt "Aussagen" "Anussagen" getippt 
- aber noch rechtzeitig bemerkt, wobei... hier hätte es sogar gepasst)

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