Forum: HF, Funk und Felder QPSK genormt?


von Sven (Gast)


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Hallo,
Ich bin gerade dabei die Vorlesung von gestern nachzuarbeiten. Wie man 
dem Titel entnehmen kann, haben wir unter anderem auch über das 
Modulationsverfahren QPSK gesprochen. (Ich kürze es nun ein wenig ab) 
Der Prof. hat uns anhand eines I/Q-Diagramms gezeigt, wann welche Bits 
gesendet werde (Obere Rechte Quadrant 00 untere rechte 10 untere Linke 
11 Obere linke 01).
Meine Frage ist nun Folge:
Da ich auch mit anderen Quellen lerne, sehe ich nun das die IQ-Diagramme 
auch anders aussehen (siehe. 
https://www.itwissen.info/Quadratur-Phasenumtastung-quadrature-phase-shift-keying-QPSK.html 
oder https://de.wikipedia.org/wiki/Quadraturphasenumtastung). Ist die 
Aufteilung vom IQ-Diagramm selbst bestimmbar (also 
Implementierungsabhängig) oder ist das irgendwo definiert (z.B. in einer 
ISO)? Warum macht das jeder anders?

von Marek N. (Gast)


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So kenne ich das auch:
Bit = "0" -> Symbol = "+1"
Bit = "1" -> Symbol = "-1"

Prinzipiell kannst du das aber selber wählen in deiner Anwendung.

von Tobias P. (hubertus)


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Sven schrieb:
> Warum macht das jeder anders?

Weil es keine Rolle spielt, denn so lange die Symbole auf einem Kreis 
mit Radius 1 liegen, ist es egal, ob die Anordnung
1
  x
2
x   x
3
  x

oder
1
x  x
2
3
x  x

gewählt wird. Für die Symbolfehlerrate ist der Euklidische Abstand 
zwischen den Symbolen entscheidend, und der bleibt nun mal gleich, wenn 
man das Diagramm rotiert. Im unteren Fall ist die Berechnung der 
Symbolfehlerrate etwas einfacher. Siehe meine etwas umständliche und 
unvollständige Zusammenfassung 
https://hb9fsx.ch/wordpress/wp-content/uploads/2018/11/zf_inkt.pdf ab 
Seite 50.

von Georg A. (georga)


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Sven schrieb:
> Warum macht das jeder anders?

Ein kleines und IMO oft in der Übersichtsliteratur weggelassenes Detail 
ist das Thema der Phasenreferenz. Da wird zB. bei QPSK also immer schön 
mit 0/90/180/270 hantiert, aber immer nur aus Definitionssicht des 
Erzeugers, weils so bequem ist. Praktisch braucht man dafür aber einen 
zeitlichen oder Phasenbezugspunkt, damit man überhaupt irgendwie von 0 
Grad reden kann. Ansonsten rotiert sich das (wie Tobias schon gesagt 
hat) einfach um den Ursprung herum. Solange man die Referenz weiss, ist 
das egal.

Das grössere Problem ist dann beim Empfänger: Woher weiss der 
eigentlich, was 0 Grad ist, wenn nicht gerade noch eine zweite Leitung 
ein eindeutiges Referenzphasensignal überträgt? Und da wirds dann erst 
interessant, normalerweise sind ja beim Empfänger sowohl der Sampletakt 
als auch die Empfangsfrequenz gegenüber dem Sender freilaufend. Die 
Abweichung der Empfangsfrequenz sorgt für ein dauerhaftes Rotieren der 
empfangenen IQ-Symbole, die Abweichung des Sampletakts für eine 
Amplitudenschwebung. Wenn man das nicht kompensiert, sieht man von den 
vier Konstellationspunkten erstmal gar nichts. Und selbst wenn man alles 
sauber synchronisiert hat, und das Konstellationsdiagramm "steht", weiss 
man immer noch nicht, welche Ecke 0 Grad ist. Da braucht es also nochmal 
was drüber (Sync-Pattern oder Differenz-Modulation) um das festzulegen 
bzw. ignorieren zu können.

von Bernd B. (microwave-designer)


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Hallo Foristen,

das scheint ja einmal wieder ein interessanter Thread zu werden:

Sven, stöber einmal bei der Modulation von GSM mit GMSK. Neben den 4 
Konstellationen ist der Wechsel zwischen diesen auch interessant.

Gruß

Bernd

von Georg A. (georga)


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Bei DAB als eines der ersten bekannteren OFDM-Verfahren gibts pro Träger 
PI/4 D-QPSK. Also QPSK, aber a) differentiell (d.h. man braucht keine 
absolute Referenz nach dem ersten Symbol, dessen Inhalt man nur für die 
OFDM-Synchronisation braucht, aber keine echten Daten hat) und 
zusätzlich noch mit einer Verschiebung von PI/4 (=45Grad) pro Symbol. 
Damit geht auch bei einem Sprung von 00 auf 11 die Phase nicht durch den 
Ursprung (das wäre ja dann quasi BPSK). Damit gibt es immer eine 
merkliche Amplitude (zwar kurz kleiner, aber eben nicht 0) und das 
Spektrum ist auch etwas gedämpfter. Damit gibts im OFDM-Ausgang auch 
schon mal ein paar dB weniger Nebenaussendungen, die man nachher mühsam 
zur Einhaltung der Spektrummaske wieder wegfiltern muss...

Heute (dank noch mehr verfügbarer FFT/DSP-Leistung) gibts dagegen FBMC, 
das schiebt diese Filterei vor die FFT, was wegen ein paar 
Symmetrie-Tricks dann tatsächlich weniger Rechenaufwand wird, obwohl man 
die x-fache FFT berechnen muss. Das Zeug wird immer durchgeknallter ;)

von selbstkritischer (Gast)


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... ja, die holen immer mehr raus - was das Zeug hält. Jetzt hast du 
Sven die Sache mit den Nulldurchgängen ja schon teilweise verraten!

Beim IEEE gab es in einer Transaction vor ein paar Jahren eine sehr gute 
Zusammenfassung der unterschiedlichen I-/Q-Modulationstechniken. Es war 
ein allgemeiner Überblick mit allen Diskussionen zu Fehlermöglichkeiten, 
-Auswirkungen und -korrekturen. Wenn man sich mehr als nur die zwei Bit 
ansieht, wird einem schnell klar, dass man die Konstellationsdiagramme 
bei QAM, z. B. nicht auf die Achsen legt. Dann sieht man auch schön, wie 
die jeweiligen Amplituden- und Phasenkonstellationen in den 4 Quadraten 
liegen. ... bei einer 16-er in jedem Quadrant 4, bei einer 256-er in 
jedem Quadranten 64, usw.

Es ist schön, wenn sich jemand so intensiv mit diesen Techniken 
auseinander setzt!

Happy modulating!

Bernd

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Ich werf' mal die gute, alte EN 300 163 ins Rennen. Dort werden angenehm 
kurz (Nur 24 Seiten incl. Bildern) und trotzdem vollstaendig saemtliche 
Innereien des NICAM-Standards beschrieben. Eben auch genau so Sachen 
wie: Welche Bits machen wieviel Phasendrehung (Kap. 5.3.2).
Aber auch der ganze Firlefanz aussenrum, also z.B. Scrambling, 
Spektralformung mit root-raised-cosine, ...

Gruss
WK

von W.S. (Gast)


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Georg A. schrieb:
> Das grössere Problem ist dann beim Empfänger: Woher weiss der
> eigentlich, was 0 Grad ist

Tja, das Erzeugen und Senden ist eigentlich gar kein Problem, aber das 
Empfangen und richtig demodulieren ist m.E. ein Riesenproblem. Der eine 
russische Wettersatellit, der wieder "zu sich gekommen ist" sendet die 
Daten in QPSK und die künftigen NOAA's sollen das wohl in Zukunft 
ebenfalls tun.

Bei einfacher Phasenmodlation ist als erstes wohl der Trick, das Signal 
zu quadrieren, um damit den doppelten Symboltakt zu kriegen - aber wie 
fängt man bei QPSK mit der Synchronisation an? Die Frage hätte ich auch.

W.S.

von Dergute W. (derguteweka)


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W.S. schrieb:
> aber wie
> fängt man bei QPSK mit der Synchronisation an? Die Frage hätte ich auch.

2x Quadrieren?

Der Schwiegervater von Daniela Katzenberger hat da anscheinend schonmal 
was erfunden:-)
https://en.wikipedia.org/wiki/Costas_loop

Gruss
WK

von W.S. (Gast)


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Ja, die gibt's als fertigen aber verschlüsselten IPCore bei Xilinx.
Man kann auch sicherlich was fertiges kaufen, braucht man dann nur noch 
einzuschalten.

Aber in meiner Erinnerung war die Costas Loop nur für BPSK und eben 
nicht für QPSK - oder?

W.S.

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Wikipedia schreibt:
> Classical Costas loop can be adapted to QPSK modulation for higher data rates

Naja, und dass man haeufiger und guenstiger an andere Software kommt, 
als an sowas - da kann wohl keiner was dafuer, ausser denen, die sowas 
aus reinem Spass an der Freud programmieren und trotzdem nicht gross auf 
Github stellen :-)

Gruss
WK

von Georg A. (georga)


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W.S. schrieb:
> Aber in meiner Erinnerung war die Costas Loop nur für BPSK und eben
> nicht für QPSK - oder?

Doch, geht auch für QPSK. Effektiv muss man ja nur alle 4 
Konstellationspunkte auf einen Quadranten mappen. Die Abweichung "links 
rum" oder "rechts rum" vom Idealpunkt ist ja dann das, womit man die 
Regelschleife füttert, die wiederum die De-Rotator-Geschwindigkeit 
bestimmt. Natürlich begrenzt das den Fangbereich. Wenn die 
Trägerfrequenzabweichung im nächsten Symbol um mehr als PI/4 
weitergedreht hat, weiss man nicht mehr, ob man selbst vorwärts oder 
rückwärts korrigieren muss.

Costas hilft aber alleine nicht, man muss vorher überhaupt mal das 
richtige Sample finden, wo man den Konstellationspunkt mit der grössten 
Amplitude vermutet. Dafür gibts dann zB. den Mueller&Müller-Algorithmus, 
der auch auf eher seltsamen Pfaden versucht, den optimalen 
Samplezeitpunkt zu schätzen (geht auch in eine Regelschleife). Und 
gerade wenn man schon hohe Symbolraten hat, will man beim ADC nicht 
zuviel (Over)Samplerate haben, dann muss man ruminterpolieren.

Dummerweise beeinflussen sich die Regelschleifen von Costas und M&M 
gegenseitig. Der M&M will ein de-rotiertes Symbol, der Costas ein sauber 
gesampletes. Bei verauschten Signalen ist das schon ein Gefummel an den 
Schleifenparametern, bis das sauber locked. Zumindest ist das so meine 
Erfahrung. Wer mit Bode-Diagrammen aufgewachsen ist, kann das evtl. 
besser ;)

Google-Stichworte sind Timing- und Carrier-Recovery.

Aja, die Filterung der Symbole zur Reduzierung der Nebenaussendungen 
(bei DVB-S ist das der Rolloff-Filter) führt  zu 
Inter-Symbol-Interferenz. Praktisch führt das zu Echos im 
Konstellationsdiagramm, der eine ideale Punkt spaltet sich wiederum auf 
in ein kleines QPSK (d.h. vier Punkte um den idealen herum). Wenn man 
das letzte Symbol weiss, kann man das aber mit einem Faktor wieder vom 
aktuellen abziehen, macht die Punktewolken auch wieder weniger 
verrauscht.

von Bernd B. (microwave-designer)


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Hallo Foristen,

das Regelverfahren nach Costas ist ja eigentlich "nur" ein 
Einseitenbandempfänger, der die Phase des empfangenden System 
nachjustiert... usw.

Hier habe ich ein Paper gefunden:

http://www1.labvolt.com/publications/Exercises/39865-00_2.pdf

 in dem beschrieben wird, wie man die Phasenlage herstellt. Kohärenz 
reicht ja nicht, wie oben beschrieben, sondern die Position des 
Bitmusters oder die Ausrichtung des IQ-Diagramms muss richtig sein, 
sonst dekodiert man die Bit in einer falschen Polarität:

[Zitat von Seite 36]
Phase ambiguity

Since the carrier recovery circuitry arbitrarily locks the local 
oscillator to one of the four phases of the received signal, the phase 
of the local oscillator may be shifted by 90°, 180°, or 270° with 
respect to what it should be. This inverts the bipolar data signal in 
one or both of the I and Q channels of the demodulator, preventing data 
recovery. This phenomenon is called phase ambiguity. One common 
correction scheme for phase ambiguity uses the transmission of a known 
sequence as a data preamble. After preamble decoding, the Demodulator 
either corrects the phase of the local oscillator or corrects the 
decoded data (inverts the bits in the inverted channel(s)).

[/Zitat]

Es wird also ein bekanntes Symbol in den Bitstrom gelegt und versucht 
dieses zu finden. Anschließend entweder die Phasenlage korrigiert oder 
der Bitstrom umgerechnet.

Happy modulating!

Bernd

von Benedikt S. (Gast)


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Tobias P. schrieb:
> Siehe meine etwas umständliche und
> unvollständige Zusammenfassung
> https://hb9fsx.ch/wordpress/wp-content/uploads/2018/11/zf_inkt.pdf ab
> Seite 50.

Vielen Dank für die Zusammenfassung.

von Bernd B. (microwave-designer)


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... ein sehr interessantes Papier!

Insbesondere am Bild 3.1 von Seite 26 erkennt man, warum man die die 
"Phasenpunkte" gerne ins Zentrum der Quadraten legt. (Da war ja die 
Frage des TO.) Legt man sie auf die Achsen, ist jedesmal die Drehung mit 
zu berücksichtigen und man schlägt sich mit cos oder sin rum.

Liegen die Symbole im Zentrum der Quadranten findet man auch sehr 
schnell die Kriterien zur Bestimmung der Fehler bei der Übertragung und 
kann auch schnell die Entscheidungskriterien für die Demodulation 
formulieren: Einmal ist Grenze die Abzisse (x-Achse) und ein anderes Mal 
die Ordinate (y-...).

Jetzt möchte ich noch etwas zur "Euklidischen Distanz" von Seite 26 
anmerken. Bei der Fehlerbetrachtung finde ich im Papier nur die 
Diskussion zur Verschiebung der Phase nach Bild 1.14 von Seite 18. In 
der realen Welt besitzen die Modulatoren jedoch neben dem "Drehfehler" 
auch weitere Fehler, die aus einer Störung der Amplitude der I-/Q-Zweige 
herrühren kann. Das gesamte Konstellationsdiagramm ist dabei verzerrt, 
trapezförmig, gestaucht, verschoben, ... auch können Abstände von 
benachbarten Punkten und Phasen untereinander gestört und unregelmäßig 
sein. Die hier benannten Fehler habe ich leider so schnell nicht im 
Paper gefunden. In der Literatur vom IEEE werden alle diese Punkt 
benannt.

Happy modulating!

Bernd

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