Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Was ist ein Analog Synth (DSI OB-6 Desktop)


von Timm R. (Firma: privatfrickler.de) (treinisch)


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Hallo Liebe Mitglieder des Forums,

ich habe das Wort zwar schon oft gehört, aber diese Geräte sind für mich 
ein tiefschwarzer Fleck.

Mein Weltbild diesbezüglich sieht so aus: Früher waren das Drahtverhaue 
aus diskret aufgebauten Schwingkreisen und Filter u.a. die man 
verstöpseln konnte und auf die man mit verschieden Mitteln, zB Potis 
einwirken konnte.

Heute dachte ich, wird das im Prinip nur noch digital simuliert, oder 
bestenfalls mit kleineren analogen Schaltungen, die an DSPs und µC 
angehängt sind.

Es geht um diesen Beitrag hier:

https://music.stackexchange.com/questions/76927/problems-placing-analog-synth-on-window-shelf-above-radiator

da behauptet jemand, ein DSI OB-6 Desktop würde seine Stimmung 
verlieren, wenn man ihn auf eine Fensterbank stellt, weil sich das Holz 
verzieht?

Das klingt für mich komplett irre. Selbst wenn das Teil analog wäre.

Was stimmt?

vlg

 Timm

von hinz (Gast)


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Timm R. schrieb:
> da behauptet jemand, ein DSI OB-6 Desktop würde seine Stimmung
> verlieren, wenn man ihn auf eine Fensterbank stellt, weil sich das Holz
> verzieht?

Das kann man nur hören wenn er über Vollsilberkabel angeschlossen ist.

von Clonozett (Gast)


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Allenfalls waeren es auch sauerstofffreie Kupferkabel. Oder doch 
kupferfreie Sauerstoffkabel ? Oder WLAN Kabel ?

von Egon D. (Gast)


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Timm R. schrieb:

> da behauptet jemand, ein DSI OB-6 Desktop würde
> seine Stimmung verlieren, wenn man ihn auf eine
> Fensterbank stellt, weil sich das Holz verzieht?
>
> Das klingt für mich komplett irre. Selbst wenn
> das Teil analog wäre.

Verwechslung von Korrelation mit Kausalität.

Die Begründung "...verstimmt sich, WEIL sich das
Holz verzieht..." ist mit hoher Wahrscheinlichkeit
Schwachsinn.

Trotzdem würde ich einen teuren analogen Synthie
nicht auf die Fensterbank stellen:

Ein Halbtonschritt sind ungefähr 6% Frequenzdifferenz.
Verstimmungen werden in Cent gemessen; ein Cent ist
eine Frequenzabweichung von ungefähr 0.06%. Man kann
unterstellen, dass musikalische und trainierte Leute
Abweichungen in der Größenordnung von 0.1% hören können.

Wenn man von Bauteilen mit TK100 ausgeht, dann ergibt
eine Temperaturdifferenz von 10K schon eine Abweichung
von 0.1%, die bei genügend Pech hörbar ist.
Spulen können darüberhinaus feuchtigkeitsempfindlich
sein; das Wasser dämpft, und außerdem quellen ggf. die
Spulenkörper.

Insofern: Bis zum definitiven experimentellen Beweis der
Robustheit würde ich einen analogen Synthie auch wie ein
rohes Ei behandeln. Verstimmte Instrumente sind einfach
nur Scheisse.

von Sven D. (Gast)


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Timm R. schrieb:
> Heute dachte ich, wird das im Prinip nur noch digital simuliert, oder
> bestenfalls mit kleineren analogen Schaltungen, die an DSPs und µC
> angehängt sind.

Falsch gedacht. Der Dave Smith OB-6 besitzt 2 analoge VCOs,analoge 
Filter, VCAs und LFOs. Es werden noch oder wieder einige rein analoge 
Synthesizer hergestellt von Korg und Arturia zum Beispiel. Bei einigen 
sind auch nur die VCOs digital und der Rest analog aufgebaut.

von hinz (Gast)


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Egon D. schrieb:
> Verstimmte Instrumente sind einfach
> nur Scheisse.

Derart leicht verstimmbare Instrumente sind einfach nur...

von Tom (Gast)


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Deshalb sah man live in der Nähe von Analog-Synthesizern 
https://youtu.be/tNo2XwQq8n8?t=328  oft einen Strobotuner: 
https://youtu.be/U9HJiiLz_5w?t=17

von Dieter (Gast)


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So ein Teil leidet sicherlich in einem Konzert mit voller Laustärke 
(faktisch sind alle zu laut heute) viel mehr als am Fenster.

Um das zu verstehen, muss man wissen, wie amerikanische Fenster, 
Raumheizungen, Klimaanlagen usw. dort sind. Ein teures Mountainbike 
würde an dieser Stelle auch kein noch nicht vollkommen vertrottelter 
Mensch hinstellen oder sonst irgend etwas, das irgendwie ein bißchen 
wertvoll ist.

Die Geräte sind heute eine Kombination aus digitaler Elektronik und 
zusätzlichen analogen Oszillatoren und wenigen Filtern. Der Grund ist 
der, dass rein digital erzeuge Signale so genau sind, dass es für feine 
Ohren zu faade klingt. Der Atari hatte Oszillatoren die relativ ungenau 
waren (z.B: als Phasenrauschen bezeichnet) und sind deshalb in 
Musikerkreisen noch heute  beliebt.

Die Geräte kosten deutlich mehr als "nen Appel und Ei". Wir würden das 
wirkliche warum einfach direkt sagen, nicht so "verklausoliert" und beim 
Plumpsen in den Fettpool mit der riesigen Fontäne alles besudeln 
(Fettnäpfchen treten wäre nix dagegen). Und immer wieder passiert es 
auch, dass das "verklausolierte" von Leuten mit wenig Durchblick als das 
Zutreffende aufgeschnappt wird.

von Timm R. (Firma: privatfrickler.de) (treinisch)


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Hey Tom,

Tom schrieb:
> Deshalb sah man live in der Nähe von Analog-Synthesizern
> https://youtu.be/tNo2XwQq8n8?t=328  oft einen Strobotuner:
> https://youtu.be/U9HJiiLz_5w?t=17

das ist mal eine spannende Info. Strobotuner, was es nicht alles gibt / 
gab.

vlg
 Timm

von Egon D. (Gast)


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hinz schrieb:

> Egon D. schrieb:
>> Verstimmte Instrumente sind einfach nur
>> Scheisse.
>
> Derart leicht verstimmbare Instrumente sind
> einfach nur...

... empfindliche Instrumente.

Hast Du mal eine Aufführung mitgemacht, die ein
normales Spinett braucht? Nach dem Transport ist
die Stimmung erstmal komplett im Eimer.

Die Robustheit elektronischer Instrumente erreichen
die klassischen nicht mal ansatzweise -- trotzdem
kommt niemand auf die Idee, sie als Schrott zu
bezeichnen. Man stellt sich halt auf die Schwächen
ein.

von Mani W. (e-doc)


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Egon D. schrieb:
> Die Robustheit elektronischer Instrumente erreichen
> die klassischen nicht mal ansatzweise -- trotzdem
> kommt niemand auf die Idee, sie als Schrott zu
> bezeichnen. Man stellt sich halt auf die Schwächen
> ein.

Das Bild des FORMANT, selbst gebaut, sagt mehr als tausend Worte,
nach fast 40 Jahren funktioniert der immer noch...

Analoge Technik...

Ich müsste mal nachjustieren, was die 4. bzw. 5. Oktave angeht,
da gibt es einige Dissonanzen, darunter alles im grünen Bereich...

Und da ist ein µA 726 verbaut, geheizt, aber scheinbar nicht mehr
erhältlich...

: Bearbeitet durch User
von Dieter (Gast)


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Das hast Du sehr schoen gebaut, Mani. Gefaellt mir.

von hinz (Gast)


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Egon D. schrieb:
> Die Robustheit elektronischer Instrumente erreichen
> die klassischen nicht mal ansatzweise -- trotzdem
> kommt niemand auf die Idee, sie als Schrott zu
> bezeichnen. Man stellt sich halt auf die Schwächen
> ein.

Ganz wie bei den Autos.

von Stefan M. (derwisch)


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Wen es interessiert, kann im Netz mal nach Interviews mit Vince Clarke 
suchen.
https://www.synthtopia.com/content/2010/02/15/buy-vince-clarkes-awesome-house-so-he-can-move-out-for-good/

Da gibts auch Geschichten über die Eigenarten von analogen Synthesizern.

von Stefan F. (Gast)


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Egon D. schrieb:
> Verwechslung von Korrelation mit Kausalität.
>
> Die Begründung "...verstimmt sich, WEIL sich das
> Holz verzieht..." ist mit hoher Wahrscheinlichkeit
> Schwachsinn.

Anders herum ergibt es für mich genau so wenig Sinn: "Das Holz verzieht 
sich weil der Synthesizer verstimmt ist".

Man sagt zwar, dass sich einem bei einem verstimmten Instrument die 
Fußnägel hochrollen, aber wort-wörtlich ist das nicht gemeint.

von Egon D. (Gast)


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Stefanus F. schrieb:
> Egon D. schrieb:
>> Verwechslung von Korrelation mit Kausalität.
>>
>> Die Begründung "...verstimmt sich, WEIL sich das
>> Holz verzieht..." ist mit hoher Wahrscheinlichkeit
>> Schwachsinn.
>
> Anders herum ergibt es für mich genau so wenig Sinn:
> "Das Holz verzieht sich weil der Synthesizer verstimmt
> ist".

Sicher.

Du hast ja nur die Richung der Kausalität umgedreht, das
gibt natürlich genausowenig Sinn.

von J. T. (chaoskind)


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Mani W. schrieb:
> Und da ist ein µA 726 verbaut, geheizt, aber scheinbar nicht mehr
> erhältlich...

Ist dass das Transistorarry für die Stromquelle vom Expnentiator des 
VCOs? Dafür kann man das ca3080 evtl auch 3086 (das eine war ein OTA, 
das andere ein Transistorarray, ich kann mir nur nie merken welches was 
war). Damit hab ich den Formant-VCO mal nachgebaut.

von Mani W. (e-doc)


Angehängte Dateien:

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Hier mal das Datenblatt zum µA726...

Scheinbar nur in den 70ern produziert bis Anfang 80...

von Mani W. (e-doc)


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Timm R. schrieb:
> Heute dachte ich, wird das im Prinip nur noch digital simuliert,

Dazu noch eine Anmerkung:

Versuche mal, digital zwei oder drei Parameter stufenlos zu
verändern, mit 10 Fingern geht das am FORMANT...

von Nils P. (torus)


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> Dafür kann man das ca3080 evtl auch 3086

Das Transistor Array ist der CA3086. Den kann man tatsächlich als 
geheiztes Transistorpaar verschalten. Allerdings ist er als Log/Expo 
Converter nicht super gut geeignet, da der ohmsche Widerstand des 
Basis-Emitter Übergangs relativ hoch ist. Das verfälscht die 
Expo-Funktion. Der µA762 war noch eine Klasse besser.

Btw CA3086/LM3086: Ein paar gibt es noch davon, und ich wüsste nicht, 
das er abgekündigt ist. Allerdings kenne ich keinen Distributor der ihn 
noch führt.

Ich hab noch eine Stange hier eingemottet und spekuliere darauf, das ich 
die in 10 Jahren für teuer Geld als Ersatzteile für Synthesizer 
verkaufen kann. Hat mit meiner 2sc1583 Sammlung auch geklappt :-)

von Mani W. (e-doc)


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Nils P. schrieb:
> Der µA762 war noch eine Klasse besser.

µA 726


Im schlimmsten Fall muss man halt zwei Transistoren aussuchen, die
denen im 726 möglichst gleichen und die Heizung dazu bauen...

von J. T. (chaoskind)


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Nils P. schrieb:
> Btw CA3086/LM3086: Ein paar gibt es noch davon, und ich wüsste nicht,
> das er abgekündigt ist. Allerdings kenne ich keinen Distributor der ihn
> noch führt.
>
> Ich hab noch eine Stange hier eingemottet und spekuliere darauf, das ich
> die in 10 Jahren für teuer Geld als Ersatzteile für Synthesizer
> verkaufen kann. Hat mit meiner 2sc1583 Sammlung auch geklappt :-)

Das Problem mit den fehlenden Distributoren hatte ich auch. Ich hab dann 
ganz Oldschool das Internetz aussen vor gelassen, und habe mit Hilfe 
eines Buches (ein Sammelsorium von Papier) mit dem schönen Titel "Gelbe 
Seiten" sämtliche Radio- und Fernsehheinis, kleine Elektronikhöker und 
sonstige Lädchen in Hamburg die entfernt mit Eletronik zu tun haben 
abtelefoniert und einer hatte tatsächlich noch welche auf Lager. Es 
waren leider nur noch 9 Stück, aber die hat er mir für n 10er 
überlassen.

Inzwischen tauchen die aber in der Bucht im 10er Packen für nich ganz 5€ 
immer mal aus Shanghai oder so auf. Hab mich aber noch nicht getraut :D

: Bearbeitet durch User
von Old_Former (Gast)


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Hallo Timm,
> da behauptet jemand, ein DSI OB-6 Desktop würde seine Stimmung
> verlieren, wenn man ihn auf eine Fensterbank stellt.
Ja stimmt, aber wegen der Temperaturänderung dort und nicht weil sich 
das Holz verzieht. Die Frequenz der VCO's kann sich durch 
Temperatureinfluss ändern und es ergeben sich Schwebungen (manchmal 
gewollt).
Bei digitalen Oszillatoren kann dies nicht passieren, die klingen dann 
aber auch steriler oder zumindest anders.

Den CA3086/LM3086 gibt es bei: https://www.musikding.de/CA3086
Den kann man aber auch ersetzen mit dem LM3046, siehe A-110 VCO von 
Doepfer.
Habe selber einen VCO damit aufgebaut und funktioniert.

Ja, den uA726 gibt es leider nicht mehr (ausser bei der e-bucht für viel 
Geld) aber ich habe selber 2017 einen Ersatz gekauft (HL29726) und damit 
meinen 3. VCO für meinen Formant aufgebaut (URL: www.j-e.de)
Im Vergleich zu meinen zwei altehrwürdigen VCO's mit uA726 merkt man 
aber leider doch einen Unterschied.

Wer allerdings einen CEM VCO haben will kann den auch wieder erhalten 
bei:
https://www.musikding.de/navi.php?qs=CEM3340

Wie gesagt, alles analog und fett. Aber digital ist ja auch nur eine 
Untermenge von analog :-)

Aber um auf Deine Themen-Frage zurückzukommen, hier die Antwort bei der 
tube:
https://www.youtube.com/watch?v=H0HuFhhZpbM

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