Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Verständnisproblem: Kondensator zum Abblocken hoher Frequenzen?


von Jochen (Gast)


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Hallo,

obige Schaltung stammt aus dem Fragenkatalog der Bundesnetzagentur zur 
Amateurfunkprüfung Klasse A.Dort wird gefragt:

"TG239 - Weshab wurden bei C1 , C2 und C3 je zwei Kondensatoren parallel 
geschaltet?"

Die richtige Antwort soll lauten:
"Der Kondensator mit geringer Kapazität dient jeweils zum Abblocken 
hoher Frequenzen, der Kondensator mit hoher Kapazität dient zum Ablocken 
niedriger Frequenzen."

Was ich verstehe:
Die Kapazität bildet einen frequenzabhängigen Widerstand nach:

 X = 1/(2*pi*f*C)

Das heißt: Je kleiner die Kapazität, desto größer wird der 
frequenzabhängige Widerstand und vice versa. Auf obige Frage gemünzt, 
verstehe ich das so:
Ich möchte gern für hohe und niedrige Frequenzen einen bestimmten 
frequenzabhängigen Widerstand. Wird f groß, muss ich C klein machen. 
Wird f klein, muss ich C groß machen.

1. Frage: Verstehe ich das korrekt? Will ich einen bestimmten 
Widerstandswert erreichen und rechnet man die Kapazität dann mit einer 
oberen und unteren (Grenz-)Frequenz aus?

2. Frage: Warum will ich überhaupt bestimmte Frequenzbereiche abblocken? 
Wenn ich sie nicht haben will, müsste ich sie nicht eher kurzschließen?

3. Frage: Nimmt man nicht eher Drosseln für sowas?

von Marek N. (Gast)


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Es geht eher um die parasitären Effekte der realen Bauteile.

Ein 15µF-Kondensator hat durch seinen gewickelten Aufbau auch eine nicht 
zu vernachlässigende parasitäre Induktivität, die sich bei höheren 
Frequenzen bemerkbar macht. So ein Kondensator ist eben nicht nur X_C, 
sondern bei höheren Frequenzen macht sich das X_L bemerkbar.
Die Resonanzstelle ist bei kleinen keramischen Kondensatoren bei 
deutlich deutlich höhreren Frequenzen.

Auch der ESR von Elkos ist deutlich höher, als der von 
Keramikkondensatoren.

von Clemens L. (c_l)


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Widerstand (ESR) und Induktivität (ESL) verhindern, dass die Impedanz 
beliebig klein wird.
(Bild von 
https://www.murata.com/en-global/products/emiconfun/capacitor/2011/04/14/en-20110414-p1)

ESL kann man durch kleinere Bauform verkleinern, deswegen werden mehrere 
verschiedene Kondensatoren kombiniert, um ein kleine Impedanz über einen 
möglichst großen Frequenzbereich zu erhalten. Allerdings kann da auch 
Antiresonanz auftreten: 
https://electronics.stackexchange.com/q/320363/29811

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

google mal nach sloa069.pdf von Texas Instruments.
Da wird das recht ausfuehrlich beschrieben.

Gruss
WK

von Harald W. (wilhelms)


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Jochen schrieb:

> Was ich verstehe:
> Die Kapazität bildet einen frequenzabhängigen Widerstand nach:
> Das heißt: Je kleiner die Kapazität, desto größer wird der
> frequenzabhängige Widerstand und vice versa.

Das ist eben der Unterschied zwischen Theorie und Prazis. :-)

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Irgendwo bildet die Parallelschaltung sogar einen Parallelschwingkreis. 
Bei einer Frequenz wo der große Kondensator schon induktiv ist, der 
kleine aber noch kapazitiv ist, läßt die gesamte Abblockwirkung messbar 
nach. Der Dip im Frequenzgang ist allerdings normalerweise 
vernachlässigbar.

: Bearbeitet durch User
von Name: (Gast)


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Clemens L. schrieb:
> Widerstand (ESR) und Induktivität (ESL) verhindern, dass die
> Impedanz
> beliebig klein wird.
> (Bild von
> 
https://www.murata.com/en-global/products/emiconfun/capacitor/2011/04/14/en-20110414-p1)
>
> ESL kann man durch kleinere Bauform verkleinern, deswegen werden mehrere
> verschiedene Kondensatoren kombiniert, um ein kleine Impedanz über einen
> möglichst großen Frequenzbereich zu erhalten. Allerdings kann da auch
> Antiresonanz auftreten:
> https://electronics.stackexchange.com/q/320363/29811

Wobei das inzwischen recht veraltete Binsenweisheiten sind.

Vergleichen wir doch mal:
Typ1:T520A476M2R5ATE090 (Tantal-Polymer, 47µF)
Typ2:C0603C104K8RAC (Kerko, 0603, 100nF)
Impdeanz
        Tantal          Kerko
10MHz:  87m             119m
50MHz:  396m            415m
100MHz: 825m            699m
200MHz: 1,2             1,7

Quelle: http://ksim.kemet.com/

Erst in Richtung GHz wird der Tantal merklich schlechter als ein 
100nF-Kerko.

Da sieht man: Der 100nF paralell zu einem Ta-Polymer hat nicht den 
behaupteten Effekt.

Merke: Man muss heute leider schon etwas genauer hinsehen.
Ich muss schon sagen: Wenn das eine FUNKER(!!!) Prüfung ist, bin ich 
enttäuscht :-(

von Marek N. (Gast)


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Name: schrieb:
> Ich muss schon sagen: Wenn das eine FUNKER(!!!) Prüfung ist, bin ich
> enttäuscht :-(

Liegt aber auch daran, dass
1. der Fragenkatalog nicht stündlich aktualisiert wird, um dem 
technischen Fortschritt stand zu halten,
1.a Z.B. musste ich im Jahre 1999 auch noch nach dem Katalog von 1988 
lernen und Landeskenner von Ostblockstaaten lernen, die es schon lange 
nicht mehr gab und mich mit Germanium-Legierungstransistoren mit 500 µA 
Leckstrom befassen.

2. kann und muss nicht jeder Funkamateur sich immer gleich die neusten 
Bauteile mit optimalen Eigenschaften vom Distri als Sample schicken 
lassen sondern es wird auch mal Ware vom Flohmarkt oder Schrott 
verbastelt.

Von daher schadet es nicht, zu wissen, welche Überraschungs-Effekte 
nichtideale Bauteile bringen, und wie man sich helfen kann.

Ich glaube, die digitale Signalverarbeitung und SDRs sind bis heute noch 
nicht bis zum Fragenkatalog vorgedrungen und leider auch noch nicht bis 
zu den meisten OMs. Schade eigentlich.

von Egon D. (Gast)


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Jochen schrieb:

> 2. Frage: Warum will ich überhaupt bestimmte
> Frequenzbereiche abblocken? Wenn ich sie nicht
> haben will, müsste ich sie nicht eher kurzschließen?

Das ist doch dasselbe. Ein Abblockondensator schließt
die Störströme zur Masse kurz und "stabilisiert" so
kurzzeitig die Spannung.

Da der (Schein-)Widerstand des Kondensators für die
störenden Wechselströme gering ist, ist auch der
Spannungsabfall, den diese Wechselströme hervorrufen,
gering.
Da der Scheinwiderstand das Kondensators für die
Gleichströme extrem groß ist, fließen diese Gleich-
ströme am Kondensator vorbei, während die Wechsel-
ströme zur Masse hin abgeleitet werden.


> 3. Frage: Nimmt man nicht eher Drosseln für sowas?

Das hängt davon ab, ob Du das Element längs oder
quer in den Stromweg schaltest. Siebdrosseln kommen
längs (in Reihe) in den Stromweg, Kondensatoren
parallel. Eins der Elemente kann notfalls durch einen
Widerstand ersetzt werden; faktisch notwendig sind
immer beide.

In vielen Fällen ist das Längselement nicht explizit
zu erkennen; die üblichen einfachen Trafo-Netzteile
aus Trafo, Graetz-Brücke und Elko verwenden den
Innenwiderstand von Trafo und Dioden als Tiefpass-
widerstand -- was nicht schön, aber allseits üblich
ist.

von Egon D. (Gast)


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Marek N. schrieb:

> Auch der ESR von Elkos ist deutlich höher, als der von
> Keramikkondensatoren.

Das stimmt, aber das kann durchaus von Vorteil sein: Die
Gefahr parasitärer Resonanzen ist dadurch viel geringer,
weil die Güte dieser parasitären Schwingkreise viel
niedriger ist.

von m.c. (Gast)


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Egon D. schrieb:
> die üblichen einfachen Trafo-Netzteile
> aus Trafo, Graetz-Brücke und Elko verwenden den
> Innenwiderstand von Trafo und Dioden als Tiefpass-
> widerstand

Stark wirksam nur bei Trafo-Netzteilen mit relativ kleiner Leistung,
und ganz besonders bei diesen ist doch die Widerstands-Komponente der
Dioden (verglichen mit der des Trafos selbst) praktisch bedeutungslos?

Zumeist wirkt doch sogar die ( i.A. recht geringe) Streuinduktivitaet
noch eher Strombegrenzend bzw. -glaettend, als moderne (#) Dioden?
(# Ueber z.B. Selen-GR spricht hier ja kein Mensch mehr, oder? :)

Sollte ich mich denn da wirklich so sehr getaeuscht haben? Oder hast
Du diese "Dioden-inhaerente Widerstandskomponente" einfach genannt,
weil es sie eben gibt, und sie auch mit-wirkt ... wenn auch nicht in
ausschlaggebendem Maße - also v. m. einfach falsch aufgefaßt, das?


Was ich in dem Sinne noch kenne, ist bei NT mit Netzfilter die (Mit-)
Benutzung des Drahtwiderstandes der Common Mode Choke gegen d. Inrush.

Und - aehnlich gelagert, aber doch anders - die Nutzung einer CMC mit
absichtlich hoher Streuinduktivitaet, um auch einstufig (1 Drossel,
die CMC) passable Gegentakt-Einfuegungsdaempfung mit zu erreichen.

Harald W. schrieb:
> Das ist eben der Unterschied zwischen Theorie und Prazis. :-)

Sofern die Theorie (noch) keine paras. Eigenschaften beinhaltet: Ja.

von Jochen (Gast)


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Könnt ihr mir ein Beispiel geben? Sowas wie:

Zu erwarten sind Störfrequenzen im Bereich von x-y aufgrund von z. Um 
diese kurzzuschließen muss man den Abblockkondensator wie folgt 
dimensioneren... Mögliche auftretende parasitäre Effekt durch diesen 
Abblockkondensator, können mit einem zusätzlichen Abblockkondensator mit 
folgender Dimensionierung gelöst werden.

Ich habe eine Ahnung wovon ihr redet, aber ich kriege das immer noch 
nicht alles zusammen.

von m.c. (Gast)


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Jochen schrieb:
> Zu erwarten sind Störfrequenzen im Bereich von x-y

Marek N. schrieb:
> So ein Kondensator ist eben nicht nur X_C,
> sondern bei höheren Frequenzen macht sich das X_L bemerkbar.
> Die Resonanzstelle ist bei kleinen keramischen Kondensatoren bei
> deutlich deutlich höhreren Frequenzen.

Der Kondensator-Wert (Kapazitaet) bildet mit dem ESL (Induktivitaet)
einen Serienschwingkreis. Dessen Resonanzfrequenz sollte im Idealfall
ein Vielfaches der hoechsten abzublockenden Frequenz sein (moeglichst
> 10fach, besser mehr als weniger).

Es geht in Deiner Frage anfaenglich um en einen Kondensator, der den
noetigen Kapazitatswert fuer eine Anwendung ausmacht (z.B. braucht man
irgendwo mindestens 1mF, dort ist es hoechstwahrscheinlich ein Elko).

Leider mit relativ hohen ESL/ESR Werten - Resonanzfrequenz eventuell
nur "knapp" oberhalb der max. Frequenz von Interesse. Nun wird hier
ein zusaetzlicher C parallel geschaltet, der zwar geringe Kapazitaet,
aber auch Spitzenwerte (sehr niedrig) bei ESR und ESL...


Das ist der Grundzusammenhang. Was ist Deine genaue Frage dazu?

von Egon D. (Gast)


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m.c. schrieb:

> Zumeist wirkt doch sogar die ( i.A. recht geringe)
> Streuinduktivitaet noch eher Strombegrenzend bzw.
> -glaettend, als moderne (#) Dioden?

Klar. Die Streuinduktivität hatte ich im Moment des
Schreibens einfach vergessen. :)
Das Ganze ist ohnehin nicht so trivial, weil bei
Ringkerntrafos die Streuinduktivität nicht so
besonders groß ist...


Die Kernidee bleibt aber dieselbe: Es gibt keine
separate Längsimpedanz, sondern als solche wirkt
die Summe der Bauteile, die ohnehin vorhanden sind.

An einer idealen Spannungsquelle ist ein Siebelko
wirkungslos.

von Jochen (Gast)


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Erstmal vielen Dank für euren Antworten.


m.c. schrieb:
> Der Kondensator-Wert (Kapazitaet) bildet mit dem ESL (Induktivitaet)
> einen Serienschwingkreis. Dessen Resonanzfrequenz sollte im Idealfall
> ein Vielfaches der hoechsten abzublockenden Frequenz sein (moeglichst
>> 10fach, besser mehr als weniger).
>
> Es geht in Deiner Frage anfaenglich um en einen Kondensator, der den
> noetigen Kapazitatswert fuer eine Anwendung ausmacht (z.B. braucht man
> irgendwo mindestens 1mF, dort ist es hoechstwahrscheinlich ein Elko).
>
> Leider mit relativ hohen ESL/ESR Werten - Resonanzfrequenz eventuell
> nur "knapp" oberhalb der max. Frequenz von Interesse. Nun wird hier
> ein zusaetzlicher C parallel geschaltet, der zwar geringe Kapazitaet,
> aber auch Spitzenwerte (sehr niedrig) bei ESR und ESL...
>
> Das ist der Grundzusammenhang. Was ist Deine genaue Frage dazu?

Den Grundzusammenhang verstehe ich jetzt, Danke für die Zusammenfassung.

Was ich noch nicht verstehe:
In vielen Fragen zur Amateurfunkprüfung wird immer wieder thematisiert, 
dass sich Elkos, wie von euch gezeigt, nicht als 
Hochfrequenzkondensatoren eignen. Es werden dort in der Regel 
Keramikkondensatoren empfohlen. Wenn ich nun weiß, dass bestimmte 
Kondensatortypen Probleme machen, z.B. aufgrund ihrer ESL, warum sollte 
ich sie dann verwenden (sie überhaupt im Design der Schaltung 
vorsehen?).

Vom Gefühl her hätte ich gesagt, es geht hier um Einstrahlung von außen. 
Die Schaltung ist ja ein Breiband HF Verstärker. Ich hätte vermutet, man 
will dort natürlich keinesfalls irgendwelche HF Einstreuungen 
verstärken. Also versucht man diese kurzzuschließen. Wenn ich aber 
jeweils den 2. Kondensator nur deshalb hätte, um parasitäre Effekte des 
ersten zu "fixen", warum tausche ich dann nicht gleich den ersten 
Kondensator gegen einen der für Hochfrequenz besser geeignet ist?

Ist mein "Problem" jetzt besser verständlich?

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Jochen schrieb:
> Wenn ich nun weiß, dass bestimmte
> Kondensatortypen Probleme machen, z.B. aufgrund ihrer ESL, warum sollte
> ich sie dann verwenden (sie überhaupt im Design der Schaltung
> vorsehen?).

Naja, weil halt bestimmte Kondensatortypen nicht nur Probleme machen, 
sondern eben auch wichtige, in der Schaltung erwuenschte Eigenschaften 
haben. Bei Elkos eben hohe Kapazitaet bei (im Vergleich zu damaligen 
Alternativen) kleinem Platzbedarf und Preis.
Und wenn man die Probleme eh' schon kennt und einfach in den Griff 
kriegen kann, warum dann nicht einsetzen?
Mittlerweile gibts auch hochkapazitive Keramikkondensatoren, zu den 
Zeiten, als diese Pruefungsaufgaben/Schaltungen designed wurden, hat da 
sicher noch keiner dran gedacht.
Aber natuerlich haben diese heutigen hochkapazitiven 
Keramikkondensatoren auch wieder ihre Nachteile, die Elkos nicht haben 
(Nichtlinearitaet, ggf. zu niedrigen ESR, Mikrophonie,usw.).
Irgendeine Kroete muss man immer schlucken. Und wenn man sie zusammen 
mit einer anderen Kroete irgendwie leichter runterbekommt...

Gruss
WK

von Jochen (Gast)


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Danke, das verstehe ich. Um ehrlich zu sein hatte ich angenommen, dass 
die Schaltung auch heute noch so "gebaut" werden würde. Wenn diese Art 
Schaltungsdesign allerdings schon Jahrzehnte veraltet ist, erklärt das 
vieles.

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