Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Lipo Dauer-Balancing während des Ladevorgangs, wie viel Balancer-Strom nötig?


von Paul H. (powl)


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Hi,

ich entwickle gerade einen Balancer mit dem LTC6802 Multicell Battery 
Stack Monitor, der auch Balancen kann. Der hat intern für jede Zelle 
einen FET mit Rdson=15Ohm. Wie viel Verlustleistung ich dem Chip bei 
gegebener die-Temperatur tatsächlich zumuten kann weiß ich nicht. Aber 
ich schätze schon, dass hier 100mA Balancerstrom dauerhaft drin sein 
könnten. Eventuell sogar bis zu 280mA bei entsprechender Kühlung.

Ich möchte damit ein 6S-Akkupack mit 9Ah balancen. Geladen wird mit 
4A/25,2V CCCV.

Gewöhnliche Balancer, die nur jede Zelle einzeln überwachen, begrenzen 
einfach die Endspannung einer jeden Zelle auf 4,2V und müssen folglich 
im Worst Case auch den gesamten Ladestrom ableiten können.

Mein Balancing-Verfahren sieht aber vor, dass sofort losgebalanced wird, 
sobald das Ladegerät aktiv ist. D.h. die Zelle mit der höchsten Spannung 
wird automatisch mit dem Balancerstrom belastet. Alle paar Sekunden wird 
dann neu gemessen und umgeschaltet. Das sollte schon während des 
Ladevorgangs dafür sorgen, dass die Zellspannungsabweichung so weit 
minimiert wird, dass bis zum Erreichen des Übergangs von der CC in die 
CV-Phase alle Zellen bis auf wenige mV Abweichung gleich auf sind. Vor 
allem, wenn das Akkupack schon von Anfang an gematched ist.

Kritisch wird es allerdings, wenn der Balancerstrom aufgrund von 
ungleichmäßiger Zelldegradation irgendwann nicht mehr ausreicht und 
einzelne Zellen trotz dauerbelastung durch den Balancer am Ende des 
Ladevorgangs erheblich über 4,2V steigen, sofern man nicht geeignete 
Schutzmaßnahmen (Abschalten des Ladevorgangs) etabliert.

Wie kann ich abschätzen, wie viel Balancerstrom ich für dieses Verfahren 
je nach Kapazität und Ladestrom benötige? Gibt es hier Erfahrungswerte? 
Habe leider noch überhaupt keine Vorstellung davon. Vor allem nicht wie 
weit ein anfangs gematchtes Lipo Pack im Laufe der Zeit 
auseinanderläuft.

lg Paul

: Bearbeitet durch User
von Tany (Gast)


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Paul H. schrieb:
> 100mA Balancerstrom dauerhaft drin sein
> könnten. Eventuell sogar bis zu 280mA bei entsprechender Kühlung

Im schlimmsten Fall wäre dann 0,28x4,2x5=5.88W. Es wäre zuviel für den 
(teuren) Chip, selbst mit Kühlung. :-)
Ich würde mit ext. Mosfet bei hohem Balancerstrom machen.

> Wie kann ich abschätzen, wie viel Balancerstrom ich für dieses Verfahren
> je nach Kapazität und Ladestrom benötige?

Der Balancerstrom ist meinst auf bestimmten Wert festgelegt, je größer 
desto wird schneller balanciert und geladen.
Ich würde den Ladestrom auf Balancerstrom reduzieren, wenn eine der 
Celle die Ladeschlußspannung erreicht hat.

von Oliver S. (oliverso)


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Paul H. schrieb:
> Das sollte schon während des
> Ladevorgangs dafür sorgen, dass die Zellspannungsabweichung so weit
> minimiert wird, dass bis zum Erreichen des Übergangs von der CC in die
> CV-Phase alle Zellen bis auf wenige mV Abweichung gleich auf sind. Vor
> allem, wenn das Akkupack schon von Anfang an gematched ist.

Was genau versprichst du dir davon?

Oliver

von Paul H. (powl)


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Also ich habe ja bereits ein CCCV Netzteil, welches ich dann bequem 
weiterverwenden kann. Beim herkömmlichen Balancing (Zellspannung auf 
4.2V begrenzen) wird am Ende des Ladevorgangs ziemlich viel Leistung 
frei, das finde ich unelegant. Außerdem muss ich mein Netzteil genau so 
einstellen, dass die Zellspannung von 4,2V im Schnitt exakt erreicht 
wird. Stelle ich es niedriger ein werden die Zellen nicht auf ihre 
vollen 4,2V geladen (sondern nur 4.19V z.b., was ja völlig verschmerzbar 
wäre). Stelle ich es nur ein bisschen höher ein komme ich gar nicht in 
den CV-Bereich hinein sondern verweile im CC während alle Balancer den 
Strom nur um die Akkus herumleiten. Weiterhin verwende ich nun mal den 
LTC6802 und der kann zum Balancen eben von Haus aus ein wenig 
Balancer-Strom. Da ich hier die Balancing-FETs beliebig digital ein- und 
ausschalten kann sehe ich keinen Grund, warum ich darauf verzichten 
sollte, schon während des Ladevorgangs zu balancen und damit die 
Gesamtenergie, die durchs Balancing frei wird auf einen größeren 
zeitlichen Bereich zu verteilen. Das macht auch die Balancer-Schaltung 
einfach kompakter, da ich hier keine großen Lastwiderstände brauche, die 
etliche Watt an Leistung verheizen können, die ohnehin nur in einem 
kurzen Zeitbereich frei würde.

: Bearbeitet durch User
von Mike (Gast)


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Üblicherweise differieren die Zellen nur sehr wenig untereinnder, aber 
wähend dem Ladevorgang 10%..95% SoC laufen die SoC/V Kennlninen der 
Zellen deutlich auseinander (Zellstreung, minime Temperaudifferenzen). 
Wenn Du da schon zu balancen versuchst, kannst Du die SoC Verteilung nur 
verschlimmern.

Balancen bringt erst was, wenn SoC > 95% (ca.) nd man nahe der 
Ladeschlusspannung ist (CV-Phase). Dann steigen die Zellspannungen steil 
an, während der Ladestrom rasch ab nimmt. In diesem Bereich kann man in 
der Regel mit einem kleinen Balancerstrom die Zellen rasch ausgeglichen 
(C/20...C/50)

von ohweh (Gast)


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Paul H. schrieb:
> Gibt es hier Erfahrungswerte?

Wir die Erfahrung gemacht, dass die Gesetze der Elektrotechnik weltweit 
gelten.
Wer diese Gesetze nicht kennt, sollte diese erlernen.

von Paul H. (powl)


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Mike schrieb:
> aber wähend dem Ladevorgang 10%..95% SoC laufen die SoC/V Kennlninen der
> Zellen deutlich auseinander

Hm lass mich das kurz überdenken: also die Zellen unterscheiden sich ja 
dadurch, dass sie unterschiedliche Kapazitäten und unterschiedliche SoC 
haben. Die Ladekurven von LiPos müssten ja allerdings monoton steigend 
sein. Bei der Entladung eines vollgeladenen und gebalancten Akkupacks, 
in dem sich die Kapazitäten der einzelnen Zellen voneinander 
unterscheiden wird es eine Zelle geben, die irgendwann die 
Entladeschlussspannung als erste erreicht. Die ist dann am leersten, hat 
also die niedrigste Spannung. Wenn ich das Akkupack jetzt mit 
Konstantstrom beaufschlage (ohne Balancer) wird die Spannung aller 
Zellen wieder steigen, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die im 
Verhältnis zur jeweiligen Zellkapazität steht. D.h. die schwächere Zelle 
wird zunächst schneller an Spannung dazugewinnen als die stärkeren 
Zellen, die allerdings bereits aufgrund ihres höheren SoC einen 
Vorsprung haben. Ganz ohne Balancing müssten sich die Zellen aufgrund 
der Tatsache, dass ihnen allen annähernd die gleiche Ladungsmenge bis 
zur vollständigen Ladung fehlt am ende der Ladezeit alle wieder nahezu 
gleichzeitig bei 4,2V treffen. Ok, wenn ich nun schon vorher mit dem 
Balancen beginne dann klaue ich den stärkeren Zellen ihre Ladung, d.h. 
die werden dann noch eher von der schwächeren Zelle überholt, woraufhin 
fortan diese wieder gebremst werden muss. Das bestätigt deine Aussage 
woraufhin das Balancing tatsächlich nur gegen Ende des Ladevorgangs Sinn 
macht. Die Ladekurve der Lipos scheint ja relativ linear zu sein und 
erst ab 4.0V etwas steiler anzusteigen. Ab welcher Spannung sollte ich 
dann balancen? 4.1V? 4.15V?


ohweh schrieb:
> Wir die Erfahrung gemacht, dass die Gesetze der Elektrotechnik weltweit
> gelten.

Ich will doch nur Lipos Balancen, keine Gesetze lernen! ?

von Stephan (Gast)


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Paul H. schrieb:
> ... allen annähernd die gleiche Ladungsmenge bis
> zur vollständigen Ladung fehlt am ende der Ladezeit alle wieder nahezu
> gleichzeitig bei 4,2V treffen. Ok, wenn ich nun schon vorher mit dem
> Balancen beginne dann klaue ich den stärkeren Zellen ihre Ladung, d.h.
> die werden dann noch eher von der schwächeren Zelle überholt, woraufhin
> fortan diese wieder gebremst werden muss.

Richtig. Nur durch unterschiedliche Selbstentladung und Nebeneffekte 
klappt das nicht zu 100%.

Balancing während der "Hauptladephase" klappt wegen deiner Überlegung 
oben nicht wirklich.

Dazu kommt: Die schwache Zelle hat meist einen höhereren 
Innenwiderstand, damit auch höhere Temperatur. Der Ladestand erscheint 
dann sowohl wegen der Temperatur als auch wegen des Innenwiderstands 
höher als er ist. Die Temperatur beeinflusst aber wieder den 
Innenwiderstand ...
Alles nicht gut quantifizierbar.

Die schlechte warme Zelle beeinflusst dann auch noch die Temperatur der 
Nachbarzellen und damit deren Spannung ...

Paul H. schrieb:
> Ab welcher Spannung sollte ich
> dann balancen? 4.1V? 4.15V?

Kommt drauf an. Vor allem ob mit/ohne Ladestrom gemessen wurde.
Beispiel-Akku:
- 2.2Ah
- Laderate 1C = 2.2A
- Innenwiderstand je Zelle (neu): 5mOhm
- Innenwiderstand je Zelle (1 Jahr): 10mOhm
- Innenwiderstand je Zelle (Schrott): 20mOhm
- Spannung@100%: 4.20V
- Spannung@95%: 4.15V
- Ladezeit 95%>100% @1C: 180sec
- Spannungsabfall (1 Jahr) @1C: 22mV

Eigentlich reicht's wenn die erste Zelle 4.20V (unter Ladestrom) 
erreicht. Dann aber auch gleichzeitig den Ladestrom runterschalten (z.B. 
*0.95, nach 5-15 Sekunden neu prüfen)
Bei reduziertem Strom wird auch die kritische Zelle erst mal wieder 
unter 4.20V liegen.

Ladestrom ab 4.15V auf 80% und ab 4.18V auf 50% reduzieren ist auch kein 
Fehler für ein Selbstbauprojekt. Sicherer und die Temperaturen kommen 
schon mal runter.

Zur Optimierung kann man z.B. den Innenwiderstand berücksichtigen 
(Spannung mit und ohne Ladestrom messen), oder die Kapazität der Zelle 
aus dem Verlauf der Ladespannung schätzen (in Bezug zu Ladestrom, 
Innenwiderstand, ...).
Und evtl. zusätzlich den Ladeverlauf gen Ende prognostizieren.
Die 4.2V sind ja der Grenzwert für die Leerlaufspannung (ohne 
Ladestrom).

Normalerweise ist nicht mehr als 1% der Kapazität zu balanzieren.
Wenn es deutlich mehr wird (>5%) wird der schlechte Akku öfters mal 
"tiefentladen" und ist eh schnell Schrott. Bei Packs mit vielen Zellen 
stärker.

von Bernd K. (prof7bit)


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Paul H. schrieb:
> Kritisch wird es allerdings, wenn der Balancerstrom aufgrund von
> ungleichmäßiger Zelldegradation irgendwann nicht mehr ausreicht und
> einzelne Zellen trotz dauerbelastung durch den Balancer am Ende des
> Ladevorgangs erheblich über 4,2V steigen, sofern man nicht geeignete
> Schutzmaßnahmen (Abschalten des Ladevorgangs) etabliert.

Typischerweise reduziert man dann notgedrungen den Ladestrom soweit daß 
der Balancer noch mithalten kann bzw. auch die höchste Zelle nicht über 
4.2V kommt. Dann dauert es halt einmalig besonders lang bis die Batterie 
voll geladen und balanciert ist. beim nächsten Mal nicht mehr denn dann 
wird sie immer noch fast vollständig balanciert sein. In der Praxis 
kannst Du eine Batterie die von selbst(!) nach nur einmal entladen und 
laden so ein extremes Ungleichgewicht aufbaut daß das Balancen beim 
Laden zum Problem wird getrost in die Tonne treten denn mindestens eine 
Zelle ist kaputt.

von Paul H. (powl)


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Also ich gehe mal davon aus, dass ich ein Akkupack verwende, welches 
schon von Haus aus relativ gut gebalanced ist. D.h. in dem Fall muss 
mein Balancer vermutlich gar nicht mehr machen. Ladestrom reduzieren ist 
leider aufgrund des Netzteils nicht ohne weiteres möglich. Abschalten 
geht aber. Ich werde mal eine Variante implementieren die ab 4.15V 
Zellspannung anfängt, zu balancen und mal Versuche fahren. Ich werde das 
Balancing mitloggen und nach einer Weile Nutzungsdauer mal die Entlade- 
und Ladekurven auswerten. Dann sehe ich ja, wie sich der Chip verhält 
und wo es noch Optimierungspotenzial gibt.

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